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September 2024
Umwelt
- „Umweltwirkungen von KI sollten sichtbarer werden“
- Professor Fath durchschwimmt die Elbe
- Wie der Klimawandel das Wattenmeer verändert
- Grundwasservorräte in Südwesteuropa insgesamt stabiler als angenommen / Differenzierte Betrachtung jedoch notwendig
- EnAqua-Dialog: Wasser für die Energiewende – Lösungskonzepte im Dialog mit den Akteuren
- Anpassung an den Klimawandel: Erstes Reallabor für neuartigen landwirtschaftlichen Anbau mit aufbereitetem Wasser
- Chemie: Wasser entscheidend für Fluoreszenz von Biosensoren
- Risikobewertung von Schadstoffen: Vom Hörsaal in die Praxis
- Biodiversitätsverlust: Viele Studierende im Umweltbereich kennen Ursachen nicht so genau
Gesundheit
Gesellschaft
- Teilzeit verliert, Zeitsouveränität gewinnt: Beschäftigte wollen flexible Arbeitszeiten
- Was das jüngst in Kraft getretene KI-Gesetz in der Praxis bedeutet
- Arbeitgeber beugen vor: 78 Prozent bieten laut ifaa-Studie ihren Beschäftigten Impfungen an
- Unternehmen halten am Homeoffice fest
- Klima und Altern: Wie Risiken für ältere Menschen vermindert werden
August 2024
Umwelt
- Einführung von Umweltzonen hat mentale Gesundheit gestärkt
- Eisen als günstiger Wasserstoffspeicher
- Hofer Wasser-Symposium: Wie die Menschheit ihre Wasserressourcen sichern kann – jetzt anmelden!
- Weniger Dünger für mehr Umweltschutz
- Forschung hat Fischbestände zu optimistisch eingeschätzt: GEOMAR-Experte fordert realistischere Bestandsbewertungen
- Alkohol als Speichermedium: Power-to-Methanol könnte zu einem Standbein der Energiewende werden
- Planeten enthalten mehr Wasser als gedacht
- Fortbildung: Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels
- Deutsche Seen im Klimawandel
- Wo soll Wasserstoff in Zukunft produziert werden?
- Neu entdeckte Fähigkeit von Comammox-Bakterien könnte helfen die Lachgasemissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren
- Sämtliche allgemein anerkannten Regeln der Technik zur Trinkwasserhygiene müssen angewendet werden
- Chemikaliencocktail aus Kunststoffen
- Professor Fath durchschwimmt die Elbe
- Energetische Holznutzung weiter gestiegen
- Eine Bioraffinerie für die Kreislaufwirtschaft von industriellen Reststoffströmen
- Zement statt Deponie – Recycling von Müllverbrennungsasche
- Virale Artenvielfalt im Abwasser
- Dem Wasser im Weltall auf der Spur
Gesundheit
- Neue Antibiotika braucht die Welt!
- Infektionsdaten effizient melden – Datenstrategie zur Erfassung und Bereitstellung meldepflichtiger Infektionsdaten
- Lernen aus der COVID-Pandemie: Über die Wirksamkeit von nicht-pharmazeutischen Interventionen
- Bevölkerungsweites Gesundheitsscreening: ein Tropfen Blut, viele Diagnosen
Gesellschaft
- Resiliente Wissenschaft für eine Welt im Wandel
- Das Gehirn speichert eine Erinnerung in drei Kopien
- Beruflich Qualifizierte: Mit der Eignungsprüfung direkt zum Masterstudium
- Kühle Wohnung auch an heißen Tagen
- Endlich den Turbo für die digitale Transformation zünden: Weiterbildung für den Öffentlichen Dienst
Juli 2024
Umwelt
- Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert
- Hochschulkooperation ausgebaut: Abwässer der indischen Pharmaindustrie werden gereinigt
- Beseitigung von PFAS aus Wasser: Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen optimieren PerfluorAd®-Verfahren
- Komplettes Erbgut und Gift-Gene der Mikroalge der Oder-Katastrophe entschlüsselt
- Die Wärmewende findet Stadt: Geothermie kann laut acatech Studie Fernwärme befeuern
- Klima und Biodiversität schützen, Hochwasser vorbeugen: Stellungnahme zur Revitalisierung von Mooren und Auen
- Klimagerechte Entwicklung von Stadt und Land
- Effiziente plastikfressende Pilze in Süßgewässern identifiziert
- Forschende der TU Darmstadt weisen erstmals Mikroplastik in Weinbergen nach
- Virale Artenvielfalt im Abwasser
- Wege zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit
- Einsatz von PortBins im Stadthafen Rostock zur Sammlung von Plastikmüll aus der Warnow
- Klimaanpassung und Wassersicherheit: TUD und UFZ beteiligen sich an internationalem Forschungsprojekt
- Frühwarnsystem für Europa und den Mittelmeerraum soll vor Naturkatastrophen schützen
- Wie sich pflanzliche Kältespezialisten an die Umwelt anpassen können
- Phosphor-Recycling: Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger
- Hochwasserresilienz: BMBF-Verbundprojekt KAHR forscht für einen nachhaltigen Wiederaufbau nach Flutkatastrophen
- Grubenwasser in Südafrika: Nachhaltig aufbereitet
- Verschiebung von Wolken vom Tag zur Nacht verstärkt die globale Erwärmung
- Biodiversität in Gewässern erforschen und schützen
- Biologischer Abbau von Mikroplastik durch „PlasticWorms“
Gesundheit
- Gut geschützt auf Reisen Reiseimpfungen: Was Rheuma-Betroffene beachten sollten
- Blutfettprofile bestätigen: Hochwertige pflanzliche Öle sind besser für die Gesundheit als Butter
- Weniger Luftverschmutzung: Emissionshandel nützt auch der Gesundheit
- Studie zu Post-COVID: Welche Faktoren das Risiko beeinflussen
- NutriAct-Ernährungsstudie zeigt: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren senken Bauchfett und kardiometabolisches Risiko
- 1,9 Mio. Euro für Verbundprojekt: Biodiversität im Wasser als Indikator für die Gesundheit der Menschen
Gesellschaft
- Digitalisierung schadet Arbeitern und sorgt für Ungleichheit
- Förderung der Digitalisierung im Bauwesen
- Auszeichnung für die Erforschung von Babylauten
Juni 2024
Umwelt
- Lokale Sturzflut-Gefahr vorhersagen
- HydroSKIN: Smarte Gebäudefassade der Universität Stuttgart für den „Blauen Kompass“ des Umweltbundesamts nominiert
- Zwei Fliegen mit einer Klappe: Grundwasserreinigung und Wärmespeicherung
- Schifffahrt schadet der Biodiversität in Europas Flüssen
- Neues Handlungskonzept soll Messungen an staugeregelten Gewässern verbessern
- Expertenliste zu Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser
- Mehr als 1.500 Bürgerinnen und Bürger tauchten ein in die Welt der Gewässer
- Angst vor Umweltbelastung, aber Kritik an staatlichen Umweltschutzmaßnahmen
- KIT-Experten zu den Hochwasserereignissen im Mai/Juni 2024 in Süddeutschland
- Nachhaltiges Grundwassermanagement – Ein Landkreis macht’s vor: So geht guter Umgang mit Grundwasser
- Achema 2024: Kritische Rohstoffe aus Abwasser rückgewinnen und wieder in die Wertschöpfungskette bringen
- Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
- Welche Infrastrukturen benötigt die Wasserstoffwirtschaft bis 2050?
- Klima- und Umweltethik im Fokus
- Klimaforschung in Gewässern: ParKli Wassersensorik zum Nachbauen
- Die Kläranlage als Rohstoffquelle – Winfried Kretschmann besucht das Lehr- und Forschungsklärwerk der Universität
- MCC: Die Menschheit muss jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre holen
- Schritt für Schritt zum Klimaschutz
- Welttag der Ozeane: Wie viel Klimawandel steckt im Meer?
- CoastAdapt: Nachhaltiger Küstenschutz für Niedersachsen
Gesundheit
- Thromboserisiko durch Zuckerersatzstoff Erythrit? Charité-Forscher für Studie ausgezeichnet
- Neue Erkenntnisse über den Einfluss des Zelleintrittswegs von SARS-CoV-2-Viren auf den Ausgang der Infektion
- Mikro-Veränderungen im Gehirn bei Post-COVID-Patient*innen
- Lang leben, gesund bleiben: Studie enthüllt wichtige Gesundheitsmarker
- Blutdruck- und Cholesterinsenker lindern Post-COVID-19-Symptome
- Rote Karte für Sonnenbrand
- Hochwasser und Seuchen: So schützen Sie sich
Gesellschaft
- Mit maßgeschneiderten Konzepten gegen den Fachkräftemangel
- Daten schützen im Umgang mit freizugänglicher KI? Studie mit der ISM zeigt erhebliches Risiko
- ÖPNV-Anschluss wichtiger für Wohnstandortwahl als verfügbarer Pkw-Stellplatz
Mai 2024
Umwelt
- Politische Glaubwürdigkeit entscheidet über den Erfolg des EU-Emissionshandels
- Meilenstein in der Sensorik: Parallele Messung mehrerer Wasserparameter mit nur einem Sensorchip
- Fortschrittliche Deichsysteme zum Schutz vor Überschwemmungen und Hochwasser
- Plastikmüll in Biomüll-Tonnen reduzieren / Idee: BiOTONi aus regionalem Bio-Plastik
- Ein wirkungsorientiertes Vorhersagesystem für die bessere Frühwarnung vor Hochwasser
- Forschungsprojekt der SRH Berlin auf der Woche der Umwelt des Bundespräsidenten
- Neu entdeckte Symbiose aus Rhizobien und Kieselalgen löst großes Rätsel des Meeres
- Energieeffiziente Ventilatoren: auf der Suche nach der optimalen Luftströmung
- Transparenz in der Ökobilanz: Welche Umweltwirkungen haben recycelte Kunststoffe?
- MCC: CO₂-Bepreisung wirkt – große Metastudie zeigt so umfassend wie noch nie die Befunde
- Allgegenwärtige Kunststoffe biologisch abbaubar machen
- Neu entdeckte Symbiose aus Rhizobien und Kieselalgen löst großes Rätsel des Meeres
- Forschungsprojekt zeigt: Wärmepumpen können signifikanten Beitrag zur Flexibilisierung des Stromnetzes leisten
- IFAT 2024: Wasser im Kreis führen
- Neue Wege in der Ozeanbeobachtung: Kreuzfahrtschiff als Datensammler
- Wandel in der Energiewelt und datengestützte Geschäftsmodelle simulieren
- Funktionalisiertes Chitosan als biobasiertes Flockungsmittel für die Aufbereitung komplexer Abwässer
- Kreisläufe statt Abfälle: Wanderausstellung „Jetzt geht’s rund“ zur Kreislaufwirtschaft eröffnet
- Gesundheitsrisiko Klimawandel: BZgA informiert zu Hitzeschutz
Gesundheit
- Rotaviren: Symptome, Impfung, Therapie
- 200 Flaschen Bier pro Kopf: Wissenschaftliche Fakten zum 30. Tag des Bieres
- Aufruf zur Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen
- Meeresbakterien produzieren gemeinsam ein lebenswichtiges Vitamin
- Resilient und nachhaltig: krisenfeste Branche Gesundheitswirtschaft in der Zeitenwende
- Welttag der Handhygiene: Schutz gegen Krankheiten und Infektion
Gesellschaft
- Präsenzpflicht am Arbeitsplatz – Fluch oder Segen?
- Auch Ingenieur*innen brauchen juristische Kenntnisse
- Berufsbildungsbericht 2024 veröffentlicht
- Digitalisierung der Landwirtschaft – KI für die Beurteilung von Pflanzen
April 2024
Umwelt
- Professor Ralf B. Schäfer: Ökotoxikologe verstärkt Wasserforschung
- Kohlendioxid in nützliche Chemikalien verwandeln
- Der Klimawandel könnte Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden
- Pfunde schmelzen mittels Piks: Was ist dran an der Abnehmspritze?
- Verbesserter Hochwasserschutz entlang der Elbe: Projektabschlussveranstaltung informiert Fachöffentlichkeit
- Handlungsoptionen für die Wasserstoffwirtschaft – Wasserstoff-Kompass jetzt auch als PDF-Version verfügbar
- Wie Grünalgen und Bakterien gemeinsam zum Klimaschutz beitragen
- Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren
- Geeignete CO2-Quellen und deren integration in PtX-Wertschöpfungsketten
- Was wäre, wenn der Starkregen 50 Kilometer entfernt niedergegangen wäre?
- Land unter – was extreme Überschwemmungen verursacht
- Positionspapier veröffentlicht: „Auswahl und Vereinheitlichung eines Abfallschlüssels für Trockentoilettenhinhalte“
- Prof. Harald Kunstmann: „Auch in Deutschland wird es zu Problemen bei der Wasserverfügbarkeit kommen“
- Jahresbilanz 2023 des Gesamtwasserspeichers in Deutschland liegt vor
- Potenzialanalyse: Abwärme könnte bis zu 10 Prozent des zukünftigen Wärmebedarfs Berlins decken
- Mikroplastik: Reifen- und Fahrbahnabrieb im Fokus einer neuen Publikation
- Besserer Schutz vor Hochwasser: Mehr Raum für Flüsse und Auen als naturbasierte Lösung
- Forschungskooperation zur Gewässerwiederherstellung an der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler vorgestellt
Gesundheit
- Influenza: Erreger in Fledermäusen umgeht menschlichen Abwehrmechanismus
- Unterschätzter Risikofaktor: Ein gestörter Schlaf kann Bluthochdruck verursachen
- Long-COVID: Biomarker bestätigen sich nicht
- Neue Studie: Ungünstige Kohlenhydrate früh am Morgen – ein mögliches Problem für „Eulen“
- Das DMKG-Kopfschmerzregister: differenzierte Einblicke in die Versorgungsrealität bei Migräne
- Lebensmittel nur geringfügig mit Pflanzenschutzmitteln belastet
- Verstecktes Natrium: Konsum von Brausetabletten kann bei Bluthochdruck schädlich sein
Gesellschaft
- Handy, Tablet und Co: Kleine Kinder haben mehr Zugang zu smarten Geräten
- Arabica-Kaffee: Forschende entwickeln neue Datenbank zur besseren Identifizierung klimaresistenterer Pflanzen
- Eigener Internetauftritt der Innovationsförderung – Jetzt entdecken!
März 2024
Umwelt
- Grundwasser für die Gesundheit des Planeten von zentraler Bedeutung: Besserer Schutz gefordert
- EU-Klimapolitik: Wie die EU CO2-Entnahme steuern könnte
- Krankenhaus: Risiken und Nebenwirkungen für den Klimawandel
- Kommunale Wärmeplanung in der Praxis
- Je höher das Windrad, desto besser
- Internationaler Tag des Waldes: Wie technische Innovation hilft, gestresste Wälder besser zu verstehen
- Die Landschaft als Schwamm: Warum Hochwasserschutz in Wald und Flur beginnt
- Forschungsprojekt zu wirksamem Schutz vor Starkregen
- Weltwassertag 2024: Eintauchen in die Wasserforschung
- Kartierung der chemischen Fußabdrücke in europäischen Flüssen
- Innovatives Forschungsprojekt zur Optimierung der Gewässerqualität in der Schussen
- Chemische Reaktionen auf der Wasseroberfläche
- Water-for-X – ein Leitfaden für den verantwortlichen Umgang mit der Ressource Wasser in der Energiewende
- Energiewirtschaft in der Transformation
- Werkzeuge und Maßnahmen zur Gestaltung der Wärmewende
- Gold aus Abfall gewinnen
Gesundheit
- Altersmediziner empfehlen Senioren dringend Doppelimpfung gegen Grippe und Corona
- Eier und Cholesterin: Was der Kardiologe dazu sagt
- Wasser ist die Quelle des Lebens
- Kann man den Ausbruch von Rheuma verhindern?
- Wie sich COVID-19 auf das Gehirn auswirkt
- Was hilft, wenn der Blutdruck trotz Behandlung nicht sinkt
- Immunantwort eines Mannes mit 217 Covid-Impfungen untersucht
- Gemeinsam für hohe Standards bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien in Europa ab 2025
Gesellschaft
- Fachleute der Raumplanung empfehlen Reaktivierung von Bahnstrecken
- Was macht mich internetsüchtig? DFG fördert Forschungsgruppe weiter
- Girls‘ Day 2024: Nur noch schnell das Klima retten
- Stressübertragung in Gruppen
- Entgeltlücken bei hochqualifizierten Frauen am größten
- Arbeit, Unternehmen und Gesellschaft: Wandel durch Industrie 4.0
- Den Wandel im öffentlichen Sektor erfolgreich gestalten
Februar 2024
Umwelt
- Water Science Alliance mit neuer Spitze: Nachwuchsförderung in der Wasserforschung
- Neues Klimamodell: Mehr Extremregen durch Wolkenansammlungen in Tropen bei erhöhten Temperaturen
- Globale Erwärmung aktiviert inaktive Bakterien im Boden
- Kunststoff-Abbau dank Eiweiß-Anker
- Der Ozean als Verbündeter im Klimaschutz: Wie beeinflusst marine Alkalinitätserhöhung das Leben im Meer?
- Chemische Reaktionen auf der Wasseroberfläche
- Abwasser mithilfe von Algen reinigen. TH Köln arbeitet an nachhaltiger Methode zur Aufbereitung von Deponiesickerwasser
- Wenn das Weltklima Schluckauf hat
- Wasserstoff: Welche Importstrategie für Deutschland?
- Belastung durch giftige Arzneirückstände – Hochschule Hof stärkt Abwasserreinigung in Indien
- Neues internationales Forschungsprojekt will Makroplastik in der Ostsee reduzieren
- Grubenwasser besser überwachen und nutzen
- Europas Gewässerqualität: Besser, aber nicht gut genug
- Biomüll als Ressource
- Wie wirkt Landwirtschaft auf Gewässer? – Europaweite Studie
- Hepatitisviren im Abwasser aufspüren
Gesundheit
- Calciumverlust, Sport und Ermüdungsbrüche
- Kidnapping im Immunsystem
- Dringend benötigt: Neue Strategien zur Risikobewertung genotoxischer Substanzen
- Das Hepatitis-E-Virus – Neue Erkenntnisse zur gezielten Behandlung und Diagnose
- Allgemeinmedizin stärkt STIKO
- DMP Chronischer Rückenschmerz: IQWiG sieht großen Aktualisierungsbedarf
- Neue Hoffnung im Kampf gegen RSV
- Immunzellen stärken die Knochen
Gesellschaft
- Neue Erkenntnisse zur menschlichen Gehirnentwicklung: Forschende identifizieren geschlechtsspezifische Unterschiede
- Innovatives Lernkonzept soll Lust auf Natur machen – Förderung für Wuppertaler Biolog*innen
- Elektrifizierung oder Wasserstoff? Beide haben unterschiedliche Rollen in der europäischen Energiewende
- Erster Erfolg im Exzellenzstrategie-Wettbewerb: Wasser-Forschung erreicht Meilenstein
- Arbeitszeitverkürzung: Was hält die Bevölkerung davon?
Januar 2024
Umwelt
- Belastung durch giftige Arzneirückstände – Hochschule Hof stärkt Abwasserreinigung in Indien
- Biomüll als Ressource
- Wie Wellen und Vermischung Küstenauftriebssysteme antreiben: Neue Erkenntnisse zur Produktivität vor Angola
- Gene nutzen oder verlieren: Wie Seegräser das Meer erobern
- Grüner Stahl aus giftigem Rotschlamm
- Weltweit sinken die Grundwasserpegel immer schneller
- Ohne Moos nichts los: Moore im Klimawandel
- Biologische Gefahren aus dem Meer überwachen und vorhersagen
- Auszeichnung für Überschwemmungs-Monitoring per App
- Mikroplastik: Reifen- und Fahrbahnabrieb im Fokus einer neuen Publikation
- Neuartiger thermoformbarer Papierwerkstoff als nachhaltiger Ersatz für Kunststoffverpackungen
- Nachhaltige Tenside auf Pflanzenölbasis
- Einmal Sauerstoffmangel, immer Sauerstoffmangel? Internationale Studie zum Zustand von Seen zeigt Abwärtsspirale
- Power-to-X: Flüssige Kohlenwasserstoffe als Speicher für Energie aus regenerativen Quellen
- Vier umwelttechnische Berufe modernisiert
- Öffentliche Stromerzeugung 2023: Erneuerbare Energien decken erstmals Großteil des Stromverbrauchs
- Ausgezeichnete Himmelsaufnahmen werden zu freien Bildungsmaterialen
Gesundheit
- Zu häufig Breitbandantibiotika für Kleinkinder: Deutschland schneidet im Vergleich mit Dänemark schlecht ab
- Ein Pilz geht neue Wege
- Von Algenresten zu hochwertigen Bioaktivstoffen – Europäisches Projekt iCULTURE will Makroalgen nachhaltig nutzen
- Cholera-Erreger machtlos gegen eigenes Immunsystem
- Aktualisierungsbedarf beim DMP Diabetes mellitus Typ 1
- Durch KI erstellte klinische Vorhersagemodelle sind präzise, aber studienspezifisch
- BZgA: Grippewelle – Mit der Grippeimpfung jetzt bestmöglich schützen
- Unterarm- und Ellenbogenbrüche bei Kindern: Ultraschall kann Röntgendiagnostik ersetzen
- Gewebespende auf Rekordniveau: 3.475 Menschen spendeten in 2023 Gewebe
Gesellschaft
- Integrierte Mediation – Konflikte friedfertig und nachhaltig lösen
- Reizthema Verkehrsberuhigung: Vom Gegeneinander zum Miteinander?
- Wegweiser durch die hybride Arbeitswelt
- Soziologe über den Umgang mit Katastrophen: „Schwere Naturereignisse überraschen die Gesellschaft immer wieder“
- Forschung für „smarte“ Leitwarten
Teilzeit verliert, Zeitsouveränität gewinnt: Beschäftigte wollen flexible Arbeitszeiten
Reine Teilzeitstellen mit starren Arbeitszeiten sind weder bei Frauen noch bei Männern beliebt. Gefragt sind dagegen Stellen, die hohe Flexibilität bieten, sowohl was den Umfang als auch die Lage der täglichen Arbeitszeit angeht. Familienfreundlichkeit ist ein weiterer Aspekt, der insbesondere für Frauen einen hohen Stellenwert hat.
Gütersloh, 05.09.2024. Mit einer Erwerbstätigenquote von knapp 78 Prozent sind Frauen auf den ersten Blick gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert. Anders sieht es aus, wenn es um den Umfang der Arbeitszeit geht. Denn fast die Hälfte der Frauen (48 Prozent) arbeitet in Teilzeit. Reine Teilzeitstellen mit starren Arbeitszeiten finden sie aber nicht attraktiv, wie eine repräsentative Befragung von gut 2.500 Männern und Frauen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt. Rund 50 Prozent der Frauen – egal ob mit oder ohne Kind im Haushalt – favorisieren demnach Arbeitsplätze, die ihnen Flexibilität bei der Stundenzahl bieten. Auch flexible Arbeitszeiten mit variabler Lage der täglichen Arbeitszeit werden präferiert. Dazu passt, dass weniger als 30 Prozent aller Befragten eine Stelle mit festen Arbeitszeiten bevorzugen.
Die klassische Vollzeitstelle ist nicht erste Wahl – mehr Flexibilität gewünscht
Die befragten Frauen und Männer sollten anhand von Muster-Stellenanzeigen deren Attraktivität unter anderem in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beurteilen. 48,9 Prozent der Frauen und 47,6 Prozent der Männer bevorzugen Stellen, die sie wahlweise in Vollzeit oder in Teilzeit ausüben können. Demgegenüber präferieren insgesamt deutlich weniger Beschäftigte reine Vollzeitstellen. Sind jüngere Kinder im Haushalt, wählen lediglich 21,3 Prozent der Frauen Stellen in Vollzeit – und auch nur 38,1 Prozent der Männer. „Hier deutet sich an: Paare wollen heutzutage Erwerbs- und Sorgearbeit anders aufteilen. Dazu müssen sie Arbeitszeiten flexibler an ihre Bedürfnisse anpassen können“, betont Michaela Hermann, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Von der Teilzeitfalle zur Zeitsouveränität
Doch auch klassische Teilzeitstellen sind für viele Frauen keine Alternative. Frauen mit jüngeren Kindern befürworten lediglich zu 38,3 Prozent Teilzeit. Bei kinderlosen Frauen und bei Müttern mit älteren Kindern sind es sogar nur 29,9 Prozent. „Reine Teilzeit ist ganz offensichtlich keine Präferenz, auch nicht bei Müttern“, erklärt Luisa Kunze, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Mütter können aufgrund stereotyper Aufgabenverteilung in der Partnerschaft nach dem Wiedereinstieg ins Berufsleben oft nur Teilzeit arbeiten. Wenn sie ihre Arbeitszeit nicht flexibler aufstocken können, stecken sie in der Teilzeitfalle fest. Viele bleiben bei einem geringen Stundenumfang, berufliche Karrieren brechen ab und Potenziale gehen verloren.“
Flexible Lage der täglichen Arbeitszeit gewünscht
Auch vollständig flexible Arbeitszeiten ohne feste Kernzeiten stehen hoch im Kurs. 45 Prozent aller befragten Frauen und Männer zeigen viel Sympathie für ein solches Arbeitszeitmodell. Die Zustimmung zu starren Arbeitszeiten fällt dagegen deutlich kleiner aus. Sie liegt bei den befragten Frauen bei knapp einem Viertel (24,8 Prozent). Auch nur 29,2 Prozent der Männer würden eine Arbeitsstelle mit starren Arbeitszeiten wählen. „Flexible Arbeitszeiten bieten die Chance, Berufliches und Privates besser miteinander zu vereinbaren“, erläutert Michaela Hermann. „Diese Flexibilität schafft mehr Räume, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu sein. Mitarbeiterorientierte flexible Arbeitszeitmodelle nützen so auch den Arbeitgebern.“
Familienfreundlichkeit macht Stellenangebote attraktiver
Mit dem Thema Familienfreundlichkeit können Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels besonders gut punkten. Für 44,3 Prozent der Frauen mit jungen Kindern im Haushalt ist der Hinweis auf die Familienfreundlichkeit wichtig. Viel Gegenliebe bei Männern und Frauen (35,6 bis 42,4 Prozent) findet die finanzielle Unterstützung des Arbeitgebers bei Kinderbetreuung und Betreuungsmöglichkeiten in der Nähe der Arbeitsstelle.
Im Schichtdienst zählt Verlässlichkeit – bei Kinderbetreuung und geregelten Arbeitszeiten
Aufgaben in Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, ist insbesondere für Beschäftigte im Schichtdienst eine Herausforderung. Knapp ein Viertel der Befragten gibt an, im Schichtdienst zu arbeiten. Einen Kinderbetreuungsplatz in Arbeitsplatznähe finden 47,8 Prozent aller Schichtarbeitenden wichtig – und damit deutlich mehr als die nicht im Schichtdienst Arbeitenden (38,1 Prozent). Mit 46,7 Prozent legen deutlich mehr Beschäftigte im Schichtdienst größten Wert auf geregelte Arbeitszeiten, der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten spielt hier nur eine geringe Rolle.
Zusatzinformationen:
Die Studie ist der erste Teil einer Veröffentlichungsreihe des Projekts „Spannungsfeld Vereinbarkeit: Onlinebefragung zur Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit im Paarkontext“, das das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Die Datengrundlage bildet eine Onlinebefragung von 2.523 Frauen und Männern im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre). Die Befragung wurde zwischen dem 19.12.2023 und dem 19.1.2024 vom Umfragezentrum Bonn und einem Online-Access-Panel mit Incentivierung von bilendi durchgeführt. Sie wurde im Rahmen der ESOMAR-Richtlinie durchgeführt, das für die Erhebung genutzte Panel ist nach ISO 20252:2019 zertifiziert.
Ansprechpartnerinnen:
Michaela Hermann, Telefon: 0 52 41 81 81-295
E-Mail: michaela.hermann@bertelsmann-stiftung.de
Luisa Kunze, Telefon: 0 30 27 57 88-175
E-Mail: luisa.kunze@bertelsmann-stiftung.de
Weitere Informationen:
http://www.bertelsmann-stiftung.de
Was das jüngst in Kraft getretene KI-Gesetz in der Praxis bedeutet
Am 1. August trat das EU-Gesetz zur Künstlichen Intelligenz in Kraft. Damit wird in der Europäischen Union künftig geregelt, was Künstliche Intelligenz darf und was nicht. Wie sich das Gesetz auf die praktische Arbeit von Programmiererinnen und Programmierern auswirkt, hat nun ein Team um den Informatikprofessor Holger Hermanns von der Universität des Saarlandes und die Juraprofessorin Anne Lauber-Rönsberg von der Technischen Universität Dresden untersucht und in einem Paper veröffentlicht, das im Herbst publiziert wird.
„Der AI Act zeigt, dass die Politik verstanden hat, dass KI auch eine Gefahr sein kann, insbesondere, wenn sie in sensible oder gesundheitlich relevante Bereiche eingreift“, sagt Holger Hermanns, Informatikprofessor an der Universität des Saarlandes. Aber wie wirkt sich der AI Act tatsächlich auf die Arbeit derjenigen aus, die sie erschaffen? „Was muss ich überhaupt lesen von dem Ding?“, fasst Hermanns die Frage zahlloser Programmiererinnen und Programmierer zusammen. Denn nicht jeder Programmierer wird sich die (im Deutschen) 144 Seiten starke Verordnung von Anfang bis Ende durchlesen wollen – und können.
Gemeinsam mit seiner Doktorandin Sarah Sterz, der Postdoktorandin Hanwei Zhang sowie Anne Lauber-Rönsberg, Juraprofessorin an der TU Dresden, und ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Philip Meinel hat Holger Hermanns ein Paper mit dem Titel „AI Act for the Working Programmer“ geschrieben, in dem diese Frage im Grundsatz beantwortet wird. Der Kern ihrer Erkenntnis: „Entwickler und Nutzer werden unterm Strich nicht wirklich viel Veränderung spüren“, fasst Sarah Sterz zusammen. „Hauptsächlich bei der Entwicklung sogenannter Hochrisiko-Systeme werden die Vorschriften des AI Act relevant“, so die Informatikerin.
Das liegt daran, dass das europäische KI-Gesetz insbesondere darauf abzielt, die späteren Nutzer eines Systems davor zu schützen, dass eine KI für sie schädlich bzw. ungerecht sein könnte. Greift eine KI nicht in sensible Bereiche ein, fällt sie auch nicht unter die umfangreichen Vorschriften für Hochrisiko-Systemen. Holger Hermanns unterstreicht das anhand eines konkreten Beispiels: „Die Entwickler einer KI-Software, die Bewerbungen sichtet und Bewerber möglicherweise schon aussortiert, bevor überhaupt ein Mensch aus der Personalabteilung darauf geschaut hat, unterliegt den Vorschriften des AI Acts, sobald das Programm auf den Markt kommt oder in Betrieb genommen wird. Die KI hingegen, die in einem Computerspiel die Reaktionen von Gegnern in Autorennspielen simuliert, kann nach wie vor entwickelt und vermarktet werden, ohne dass sich deren Entwickler über den AI Act Gedanken machen müssen.“
Die Regeln für solche Hochrisiko-Systeme, zu der neben der Bewerbungssoftware zum Beispiel auch Kreditscoring-Systeme, Software für medizinische Bereiche oder auch Programme, die den Zugang zu Bildungseinrichtungen wie Universitäten managen, gehören, sind im nun in Kraft tretenden KI-Gesetz streng. „Zum einen muss sichergestellt werden, dass die Trainingsdaten so sind, dass die daraus trainierte KI tatsächlich auch ihre Aufgabe ordentlich erfüllen kann“, so Holger Hermanns. Hier dürfe es zum Beispiel nicht dazu kommen, dass eine Gruppe von Bewerbern diskriminiert wird, weil sie in den Trainingsdaten kaum vorkommen. „Außerdem muss das System aufzeichnen, was genau zu welchem Zeitpunkt passiert, ähnlich wie eine Black Box im Flugzeug“, ergänzt Sarah Sterz. Die Funktionsweise des Systems muss darüber hinaus dokumentiert sein wie in einem klassischen Benutzerhandbuch. Und der Provider, also der Anbieter einer Software, muss dem späteren Betreiber alle Informationen zur Verfügung stellen, damit dieser das System während seiner Benutzung auch ordnungsgemäß beaufsichtigen kann, um Fehler zu erkennen und zu berichtigen. Über diese so genannte „Human Oversight“ haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jüngst in einem anderen Paper Gedanken gemacht (siehe Link unten).
„Der AI Act schränkt einige Dinge schon sehr maßgeblich ein. Die meisten Anwendungen jedoch werden nur sehr bedingt betroffen sein“, fasst Holger Hermanns zusammen. Was heute schon verboten ist, zum Beispiel Gesichtserkennung zur Interpretation von Emotionen, wird weiterhin verboten bleiben. Unproblematische KI-Systeme wie zum Beispiel in Videospielen oder für Spam-Filter sind kaum vom AI Act betroffen. Und die erwähnten Hochrisiko-Systeme fallen erst dann unter die Regulierung durch das Gesetz, wenn sie in die „freie Wildbahn“ gelangen, wie Sarah Sterz es formuliert, das heißt wenn sie auf den Markt kommen oder in Betrieb genommen werden. In Forschung und Entwicklung, ob staatlich oder privat, wird es nach wie vor keine Beschränkungen geben.
„Ich sehe wenig Risiko, dass Europa durch das KI-Gesetz von der internationalen Entwicklung abgehängt wird“, so das Fazit von Holger Hermanns. Im Gegenteil, er und seine Kolleginnen und Kollegen kommen zu einem wohlwollenden Urteil über das weltweit erste Gesetz, das Künstlicher Intelligenz auf einem ganzen Kontinent einen rechtlichen Rahmen gibt: „Der AI Act ist ein Versuch, KI auf vernünftige Weise zu regulieren, und das ist nach unserem Dafürhalten gut gelungen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Holger Hermanns
Tel.: 0681 302-5630
E-Mail: hermanns@cs.uni-saarland.de
Sarah Sterz
Tel.: 0681 302-5589
E-Mail: sterz@depend.uni-saarland.de
Originalpublikation:
Preprint, das Papier erscheint in AISoLA 2024, Springer LNCS:
Hermanns, H., Lauber-Rönsberg, A., Meinel, P., Sterz, S., Zhang, H. (2024). AI Act for the Working Programmer: https://doi.org/10.48550/arXiv.2408.01449
Weitere Informationen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202401689
https://www.uni-saarland.de/aktuell/ki-grundregeln-menschliche-aufsicht-32580.ht…
„Umweltwirkungen von KI sollten sichtbarer werden“
Spätestens seit der Veröffentlichung der ersten Version von ChatGPT Ende 2022 ist Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Dabei sind intelligente Software-Anwendungen schon seit vielen Jahren im Einsatz: Lieblings-Playlist zusammenstellen, Spam-Mails aussortieren, die beste Route suchen, Textübersetzung oder Produktempfehlungen auf Basis vorheriger Online-Käufe. Doch wie sieht es mit der Klimabilanz von KI aus?
Jens Gröger, Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme, erläutert im aktuellen Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts die Vor- und Nachteile von KI, wenn es um den Umweltnutzen geht. Zum Podcast „Wie nachhaltig ist Künstliche Intelligenz?“ des Öko-Instituts [https://www.oeko.de/podcast/wie-nachhaltig-ist-kuenstliche-intelligenz/]
Effizientere Prozesse versus erhöhter Energiebedarf
In Abgrenzung zum klassischen Computing basiert das Machine Learning auf sehr großen Datenmengen und parallelen Rechenprozessen. Damit geht eine erhöhte Rechenleistung einher. Aktuell werden ungefähr 1,5 Prozent des deutschen Strombedarfs allein für Rechenzentren genutzt. Dieser Bedarf wird in Zukunft weiter steigen. Denn Computer-Anwendungen werden derzeit mit immer mehr KI-Funktionen ausgestattet. So verbraucht beispielsweise eine Anfrage via ChatGPT dreimal so viel Strom wie eine klassische Suchanfrage. Wenn KI-Funktionen auch in normale Office-Anwendungen, wie Text- und Bildbearbeitungsprogramme, Einzug halten, steigt deren Strombedarf erheblich an. Die Umweltwirkungen treten sowohl beim Training als auch im Betrieb von KI-Systemen auf. Allein das Trainieren von ChatGPT in der Version 3 hat schätzungsweise 500 Tonnen CO2 verursacht, eine einzelne Anfrage fällt mit rund 4,5 Gramm CO2 ins Gewicht.
Demgegenüber steht das Potenzial von KI, technische Prozesse – wie bei Herstellung, Wartung, Nutzung und schließlich Müllsortierung sowie Wiederverwendung von Produkten – zu optimieren, zur Energie- und Ressourceneinsparung beizutragen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Auch im Bereich der Energiewirtschaft kann KI bei der optimierten Nutzung von Wind- und Sonnenenergie helfen. Doch wiegen die positiven Effekte die Nachteile auf? Diese Fragen sind laut dem Wissenschaftler vielfach noch offen und bedürfen weiterer Forschung einerseits und gesetzlicher Regulierung andererseits.
Umweltauswirkungen von KI messen
Um die Klimabilanz von KI zu bemessen, unterscheiden die Wissenschaftler*innen drei Ebenen:
- Direkte Effekte, die der Digitaltechnik direkt zugeordnet werden können. Darunter fallen die Herstellung sowie Nutzung der Endgeräte, Datenleitungen und Rechenzentren.
- Indirekte Effekte, die mit der Nutzung von digitalen Anwendungen oder KI zusammenhängen: Beim Online-Einkauf sind dies beispielsweise die Verpackung und Anlieferung, bei der Optimierung von Produktionsprozessen ist es der reduzierte Energiebedarf.
- Systemische Effekte, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen, wie das veränderte Mobilitätsverhalten durch Car-Sharing-Angebote oder der Wandel der Arbeitswelt. Dazu zählen auch Rebound-Effekte, also Einsparungen an einer Stelle, die mit einem erhöhten Verbrauch an anderer Stelle einhergehen.
Die Umweltwirkungen der direkten Effekte lassen sich am besten berechnen. Indirekte Effekte können anhand von Anwendungsfällen abgeschätzt werden. Systemische Effekte sind jedoch bislang nur schwer quantifizierbar.
Jens Gröger spricht sich für einen ökobilanziellen Ansatz bei der Betrachtung aus: „Bei der Ökobilanz untersuchen wir den gesamten Lebenszyklus eines Produktes, von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Diese Methodik ist auch auf digitale Anwendungen, wie Software und KI übertragbar.“
Transparenz als Basis
Mit dem Wissen um die Umweltwirkung von digitalen Anwendungen lassen sich dann im zweiten Schritt Reduktionen hinsichtlich des Energieverbrauchs vornehmen. „Bei der Digitaltechnik und der KI können wir die technische Entwicklung nicht einfach laufen lassen“, so Jens Gröger. „Das kann vehement in die falsche Richtung gehen. Eine Technikfolgenabschätzung und darauf basierende Regulation sind unabdingbar. Fehlentwicklungen sollten frühzeitig erkannt werden, bevor sie unkontrollierbar werden.“
Der Wissenschaftler plädiert dafür, zusammen mit jeder digitalen Dienstleistung eine umweltbezogene Produktinformation auszuliefern, exemplarisch in Form eines kleinen Datenpakets mit Angaben zum Energie- und Ressourcenverbrauch sowie den Treibhausgasemissionen. Dann können Nutzende und vor allem auch berichtspflichtige Unternehmen ihren CO2-Fußbdruck und andere Umweltwirkungen tracken, bewerten und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Bilanz aufsetzen.
Wissen statt Alltagsberatung
Der Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts richtet sich an alle mit politischem und ökologischem Interesse aus Politik, Wissenschaft, Medien, NGOs und Öffentlichkeit. Den Podcast moderieren Mandy Schoßig, Leiterin Öffentlichkeit & Kommunikation, und Hannah Oldenburg, Referentin für digitale Kommunikation & Social Media am Öko-Institut. Rund eine Stunde lang sprechen sie mit einem Experten beziehungsweise einer Expertin aus dem Öko-Institut über anstehende Nachhaltigkeitstransformationen – genug Zeit für die „Langstrecke der Umweltpodcasts“. Die Spezial-Folgen greifen tagesaktuelle politische und gesellschaftliche Themen auf.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Jens Gröger
Senior Researcher im Bereich
Produkte & Stoffströme
Öko-Institut e.V., Büro Berlin
Telefon: +49 30 405085-378
E-Mail: j.groeger@oeko.de
Weitere Informationen:
https://www.oeko.de/podcast/wie-nachhaltig-ist-kuenstliche-intelligenz/ Episode 5 „Wie nachhaltig ist Künstliche Intelligenz?“ mit Jens Gröger, erschienen am 8. August 2024
Anhang
PM Podcast Klima & KI vom Öko-Institut
Professor Fath durchschwimmt die Elbe
Forscher der Hochschule Furtwangen startet neues Extremsport-Projekt für Gewässerschutz
Prof. Dr. Andreas Fath ist als der “schwimmende Professor“ der Hochschule Furtwangen international bekannt. Um auf die Belastung von Gewässern durch Mikroplastik aufmerksam zu machen, durchschwamm der Wissenschaftler bereits den Rhein, den Tennessee River und die gesamte Donau. Nun steht das nächste Extremsport-Projekt im Namen des Gewässerschutzes an: Am 16. August wird Fath in Smirice im tschechischen Riesengebirge in die Elbe springen, um nur 25 Tage später die Elbmündung in Cuxhaven zu erreichen. Unterwegs werden nicht nur tägliche Wasserproben entnommen, Fath und sein Team betreiben mit einer großangelegten Aufmerksamkeitskampagne Aufklärungsarbeit in Sachen Gewässerschutz.
Tausende Flusskilometer hat er bereits durchkrault, und jedes Mal kündigte der Chemiker, der als Professor der Hochschule Furtwangen am Standort Schwenningen lehrt, an, dass dies nun das letzte Projekt gewesen sei. Doch sein Lebensthema Wasser lässt ihn nicht los. Fath schwimmt seit seiner Kindheit, zwischenzeitig sogar in der deutschen Bundesliga. Während seiner Extrem-Projekte verbringt er acht Stunden pro Tag im Wasser. „Ich kann das eben gut“, sagt er achselzuckend.
Mit der Mischung aus Wissenschaft und Extremsport setzt sich Andreas Fath für sauberes Wasser ein, wie und wo auch immer. Ob er in Flüssen schwimmt, Vorträge hält, Filme zu seinen Projekten präsentiert oder Schulklassen die verschiedenen Module seiner „Wissenswerkstatt“ ausprobieren lässt: Immer geht es darum, für den Schutz des Wassers zu sensibilisieren.
Bei seinem Projekt „PureElbe“ arbeitet Faths gemeinnützige Firma H2Org mit dem Bündnis plastikfreie Natur zusammen. Als Sponsoren unterstützen den Wissenschaftler neben der Hochschule Furtwangen auch die Unternehmen hansgrohe und Arburg.
Auf die 1083 Kilometer der Elbe (geschwommen wird ab Kilometer 11) freut sich Andreas Fath riesig: „Jeder Fluss ist anders. Ich bin sehr neugierig darauf, wie sich die Elbe anfühlen wird“. Auf seiner Reise wird er auch Städte wie Dresden, Magdeburg oder Hamburg durchqueren. Mit Workshops, Seminaren und Presseevents wird der Wissenschaftler mit seinem Team Aufmerksamkeit für Gewässerschutz schaffen. Nebenbei wird sein wissenschaftliches Team – zwei Studierende der Hochschule Furtwangen begleiten die Reise – ständig Wasserproben entnehmen und auswerten. Eine am Neoprenanzug von Andreas Fath befestigte Filtermembran imitiert Fischhaut und liefert so zusätzliche Erkenntnisse.
Die ganze Reise durch die Elbe lässt sich auf der Projektwebseite www.pureelbe.org mitverfolgen – unter anderem auf einer Karte, die genau die Stationen und die durchschwommenen Kilometer dokumentiert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Fath
Wie der Klimawandel das Wattenmeer verändert
Die Auswirkungen des Klimawandels auf flache Sedimentküsten sind vielseitig. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Wattenmeerstation Sylt haben jetzt einen multidisziplinären Überblick veröffentlicht, der die weitreichenden klimabedingten Veränderungen des Weltnaturerbes Wattenmeer zusammenfasst. Das Review-Paper anlässlich des einhundertjährigen Bestehens der Station erscheint in der Fachzeitschrift Marine Biodiversity. Es umfasst die Küstenmorphologie mitsamt Sedimentdynamiken sowie die Biologie von genetischen Effekten über Arteninteraktionen bis zur ökosystemaren Ebene.
„Der Klimawandel wirkt auf alle Ebenen des Wattenmeeres ein: Temperaturerhöhung und Meeresspiegelanstieg verändern die Morphologie der Küste und die Sedimentdynamik, welche das Wattenmeer seit gut 8000 Jahren prägt“, erläutert Dr. Christian Buschbaum, Meeresökologe an der Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Im Vergleich zum globalen Ozean hat sich die Nordsee in den letzten 60 Jahren im Mittel fast doppelt so stark erwärmt. Dabei haben vor allem milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt werden häufiger und dauern länger an. Diese physikalischen Änderungen beeinflussen die räumliche Ausdehnung von einzelnen ökologisch wichtigen Lebensräumen, wie Seegraswiesen und Muschelbänken, sowie das Vorkommen einzelner Arten im Wasser und am Meeresboden. Dabei sind manche Arten besonders betroffen, die neben der Erwärmung auch unter Übernutzung leiden, wie beispielsweise der Kabeljau. „Wir beobachten außerdem einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten. Diese bedrohen zwar bisher keine heimischen Organismen, führen aber zu einer völligen Veränderung des Lebensraumes. Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen“, sagt der Co-Erstautor der Studie weiter.
Das Wattenmeer ist für viele Fisch- und Vogelarten, wie Hering, Austernfischer und Knutt von großer ökologischer Bedeutung, die dieses Gebiet für mindestens eine Phase ihres Lebenszyklus nutzen: Es dient als Kinderstube und Futterplatz und bietet beispielsweise jungen Fischen Schutz vor Räubern. Die Klimaerwärmung verschiebt das zeitliche Auftreten der Arten; Fische wandern polwärts ab oder bodenbewohnende Arten ziehen sich in tieferes, kälteres Wasser zurück. Wer seine Verbreitungsgebiete nicht verlagern kann, muss sich an die sich rasch erwärmenden Bedingungen im Wattenmeer anpassen.
„Zu den Anpassungsreaktionen gehören genetische Anpassungen, aber auch die phänotypische Plastizität“, sagt Co-Erstautorin Dr. Lisa Shama. Organismen mit sehr kurzer Generationsdauer können sich schnell genetisch anpassen wie beispielsweise pathogene Vibrio-Bakterien, die in eingeschleppten Pazifischen Austern leben. „Bei der Plastizität passen die Individuen ihre Eigenschaften und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize an, ohne dass genetische Veränderungen vorliegen. Die Plastizität ist somit ein schneller Reaktionsmechanismus, um mit sich ändernden Klimabedingungen fertig zu werden. Sie kann innerhalb einer Generation dazu führen, dass Arten zu veränderten Zeiten auftreten, zum Beispiel früheren Phytoplanktonblüte im Frühjahr, oder zu temperaturabhängigen Änderungen der Wachstumsrate führen“, erklärt AWI-Evolutionsbiologin Lisa Shama. Auch ihre Fortpflanzungsstrategien können Organismen anpassen, etwa durch eine erhöhte Fortpflanzungsleistung – also zum Beispiel mehr Eier bilden – zum Ausgleich potenzieller Verluste des Nachwuchses durch Hitzestress.
Neben diesen beispielhaften wissenschaftlichen Schlaglichtern hat die Synthese aus 100 Jahren Forschung an der Wattenmeerstation Sylt vor allem gezeigt, wie vielschichtig und umfassend die Auswirkungen des Klimawandels auf flache Sedimentküsten wie das Wattenmeer sind. „Unser Bestreben war es, einen multidisziplinären Überblick zu geben. Dazu haben mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der AWI-Sektion Ökologie der Küsten verschiedener Fachrichtungen zusammengearbeitet und ihre Ergebnisse zu den Effekten des Klimawandels beschrieben“, fassen Lisa Shama und Christian Buschbaum zusammen. „Mit diesem übergreifenden Ansatz der Studie ist deutlich geworden, dass der Klimawandel im Wattenmeer auf allen Ebenen wirkt und damit einen Lebensraum in seiner Gänze in bisher nicht dagewesener Geschwindigkeit verändert. Damit werden auch Konsequenzen für die an der Küste lebenden Menschen unausweichlich, da beispielsweise Küstenschutzmaßnahmen und Tourismuskonzepte nachhaltig angepasst werden müssen. Somit ist ein interdisziplinärer Ansatz von Natur- und Sozialwissenschaften bei zukünftiger Klimawandelforschung im Wattenmeer unerlässlich, um Strategien im Umgang einer sich rasant verändernden Küste zu entwickeln.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Christian Buschbaum
+49 (0)4651 956-4228
christian.buschbaum@awi.de
Dr. Lisa Shama
+49(0)4651 956-4201
lisa.shama@awi.de
Originalpublikation:
Buschbaum C, Shama LNS, Amorim FLL, Brand S, Broquard CMA, Camillini N, Cornelius A, Dolch T, Dummermuth A, Feldner J, Guignard MS, Habedank J, Hoffmann JJL, Horn S, Konyssova G, Koop-Jakobsen K, Lauerburg R, Mehler K, Odongo V, Petri M, Reents S, Rick JJ, Rubinetti S, Salahi M, Sander L, Sidorenko V, Spence-Jones HC, van Beusekom JEE, Waser AM, Wegner KM, Wiltshire KH: Climate change impacts on a sedimentary coast – a regional synthesis from genes to ecosystems; Marine Biodiversity (2024). DOI: https://doi.org/10.1007/s12526-024-01453-5.
Weitere Informationen:
https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html
https://www.awi.de/ueber-uns/standorte/sylt/100-jahre-wattenmeerstation-sylt/was…
https://www.awi.de/im-fokus/nordsee/infografik-artenwandel-im-wattenmeer.html
https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse/presse-detailansicht/stichlingsweibc…
Grundwasservorräte in Südwesteuropa insgesamt stabiler als angenommen / Differenzierte Betrachtung jedoch notwendig
Grundwasser ist eine wichtige Ressource für Natur und Menschen. Der zunehmende Klimawandel und anthropogene Einflüsse können jedoch die Verfügbarkeit gefährden, vor allem in Südwesteuropa. Diese Gefährdung hat ein vom UFZ koordiniertes Forschungsteam genauer untersucht und die Daten von mehr als 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien ausgewertet. Die überraschende Erkenntnis: Der Grundwasserspiegel sinkt nicht wie allgemein angenommen überall, sondern vielmehr vor allem in semi-ariden Regionen mit intensiver Landwirtschaft und häufigen Dürreperioden sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten.
„Die Meinung ist weit verbreitet, dass der Grundwasserspiegel überall in Südwesteuropa kontinuierlich sinkt. Eine genauere Untersuchung der Daten zeigt jedoch, dass die Situation komplexer ist“, sagt UFZ-Hydrologe Dr. Seifeddine Jomaa, korrespondierender Autor der Studie. So ergab die Auswertung der Hydrologen für die Jahre 1960 bis 2020, dass 68 Prozent der untersuchten Brunnen in den vergangenen drei Jahrzehnten stabile Werte aufwiesen. 20 Prozent der Brunnen zeigten steigende Pegelwerte in dem Zeitraum, bei lediglich 12 Prozent sanken sie. „Um Verallgemeinerungen zu vermeiden, bedarf es einer differenzierten und detaillierten Betrachtung der lokalen Grundwassersysteme“, sagt er.
Der genaue Blick auf das Datenmaterial zeigt nun, dass sich Brunnen mit stabilen Grundwasserpegeln vor allem in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich befinden. „In diesen Regionen halten hohe Neubildungsraten den Grundwasserspiegel nahezu stabil“, sagt Rafael Chávez García Silva, Erstautor und ebenfalls Hydrologe am UFZ. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steigt der Grundwasserspiegel unter anderem infolge einer natürlichen Bodensenkung sogar an, sodass Oberflächenwasser abgeleitet und Grundwasser abgepumpt werden muss, um Überschwemmungen zu verhindern.
In semi-ariden Regionen wie zum Beispiel in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien) finden sich dagegen vielerorts Grundwassermessstände, deren Pegel seit Jahrzehnten sinken. Dies ist zum einen auf die durch den Klimawandel bedingten geringeren Niederschläge und höheren Temperaturen zurückzuführen. Mitentscheidend ist zum anderen aber auch die intensive Landwirtschaft. „Diese vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich“, sagt Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Doch auch in Regionen mit gemäßigtem Klima fanden die Forscher Brunnen mit rückläufigen Grundwasserständen. Die Ursache dafür: Die Nähe zu Städten und Industriebetrieben. Rückläufig sind seit den 1960er Jahren zum Beispiel die Grundwasserpegel im Großraum von Städten wie Lyon, Nizza, Modena oder Bordeaux. In der neuntgrößten Stadt Frankreichs Bordeaux lässt sich die hohe Grundwassernutzung auf den zunehmenden Wasserverbrauch der Haushalte zurückführen. In der beliebten französischen Touristenstadt Béziers ist der Grundwasserspiegel aufgrund der verstärkten Entnahme von Trinkwasser für die Sommertouristen erheblich gesunken.
Während sich der Rückgang des Grundwassers in urbanen und industriell geprägten Regionen nicht so leicht stoppen lässt, fanden die Forscher in semi-ariden, landwirtschaftlich geprägten Regionen effektive Managementansätze. Deswegen konnten sich dort die Grundwasserstände erholen – wie etwa in La Mancha Oriental in Spanien. Bis in die 1990er Jahre sank der Grundwasserspiegel aufgrund der übermäßigen Bewässerung. „Infolgedessen trocknete beispielsweise der Fluss Júcar 1994 an einigen Abschnitten erstmals aus – ein dramatisches Ereignis, das Landwirte dazu bewog, eine lokale Wassernutzervereinigung zu gründen, die mit einer Kombination aus Monitoring, der Fernerkundung und individuellen Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands stoppen wollte. Diese Maßnahmen waren effektiv und haben die Entwicklung des Grundwasserspiegels umgekehrt“, sagt J. Jaime Gómez-Hernández, Professor für Hydrogeologie an der Universitat Politècnica de València und Co-Autor der Studie.
Aus den Erfahrungen Südwesteuropas lassen sich auch Rückschlüsse für das Grundwassermanagement in Deutschland und anderen Regionen weltweit ziehen, denn auch da steigt der Grundwasserbedarf, und die Grundwasserneubildung leidet vielerorts aufgrund des Klimawandels. „Deutschland könnte von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, zum Beispiel wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können“, sagt Seifeddine Jomaa. Denn eines sei in jedem Fall klar: Deutschland braucht einen vorausschauenden Ansatz für eine nachhaltige Grundwassernutzung.
Diese Forschungsarbeit wurde von den Projekten InTheMED und OurMED unterstützt, die Teil des PRIMA-Programms (Partnership for Research and Innovation in the Mediterranean Area) sind. PRIMA wird durch das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 finanziert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Rode
UFZ-Department Aquatische Ökosystemanalyse
michael.rode@ufz.de
Originalpublikation:
Rafael Chávez García Silva, Robert Reinecke, Nadim K. Copty, David A. Barry, Essam Heggy, David Labat, Pier Paolo Roggero, Dietrich Borchardt, Michael Rode, J. Jaime Gómez-Hernández, Seifeddine Jomaa: Multi-decadal groundwater observations reveal surprisingly stable levels in southwestern Europe, Communications Earth & Environment, https://doi.org/10.1038/s43247-024-01554-w
Arbeitgeber beugen vor: 78 Prozent bieten laut ifaa-Studie ihren Beschäftigten Impfungen an
Immer mehr Unternehmen der M+E-Industrie Deutschlands bieten ihren Beschäftigten eine Vielzahl an Gesundheitsleistungen und Seminaren an, darunter auch Impfungen. „Laut unserer aktuellen Studie belegt das Angebot von Impfungen im Betrieb den ersten Platz unter den freiwilligen Zusatzleistungen im Bereich der Gesundheitsförderung und Beratung,“ so Andreas Heßler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft. Mehr Infos zur Studie unter: www.arbeitswissenschaft.net/verguetungsstudie-2023
Während im Jahr 2017 noch 65 Prozent der befragten Unternehmen angaben, ihren Beschäftigten Impfungen anzubieten, stieg dieser Anteil im Jahr 2023 auf 78 Prozent. Diese positive Entwicklung wurde vermutlich durch die Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt, da viele Unternehmen in den letzten Jahren auch Corona-Impfungen angeboten haben.
Was kann der Arbeitgeber tun?
Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass ihre Beschäftigten gesund und leistungsfähig bleiben. Impfungen können zwar empfohlen, aber nicht vorgeschrieben werden. Unternehmen können ihre Beschäftigte jedoch unterstützen, indem sie Freistellungen für Impfungen gewähren oder Impfungen durch einen Betriebsarzt organisieren.
Mehr Leistung für Gesundheit
Über das Impfangebot hinaus bieten Arbeitgeber weitere betriebliche Zusatzleistungen an. Besonders gefragt sind neben Vorsorgeuntersuchungen, die 2023 von 67 Prozent der Unternehmen angeboten wurden, auch Erste-Hilfe-Kurse. Laut der aktuellen Erhebung bieten 50 Prozent der befragten Unternehmen allen und 25 Prozent zumindest Teilen der Beschäftigten diesen Benefit an.
„Neben dem Erhalt der Arbeits- und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden profitieren Unternehmen von einer gesteigerten Arbeitgeberattraktivität. Sie erleichtern es ihnen, sich zu schützen und erweitern gleichzeitig ihr Angebot an Gesundheitsleistungen“, so Andreas Heßler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifaa.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Andreas Heßler
a.hessler@ifaa-mail.de
0211 54226312
EnAqua-Dialog: Wasser für die Energiewende – Lösungskonzepte im Dialog mit den Akteuren
Die Energiewende wird als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von dem überwiegenden Teil der Bevölkerung positiv wahrgenommen. Gleichzeitig bestehen Herausforderungen und Konfliktpotenziale innerhalb dieses Transformationsprozesses. Manche Konflikte sind direkt sichtbar, andere sind eher latent, aber für das Gelingen der Energiewende nicht minder von Bedeutung. Bei der Planung von Wasserstoff-Hubs etwa sind die Nutzungskonflikte um die Ressource Wasser bisher nicht als systemische Herausforderung erkannt worden – und damit auch nicht adäquat thematisiert.
Die Wechselwirkungen der Wasserstoff- mit der Wasserwirtschaft stechen als eines von vielen Beispielen für Nutzungskonflikte im Rahmen der Energiewende heraus. Vor dem Hintergrund einer zum Teil äußerst angespannten Wasser-Konkurrenzsituation – lange Dürreperioden und Wassermangel infolge des Klimawandels – müssen gerade für diese Konfliktsituationen schnellstmöglich effiziente Lösungsansätze gefunden werden.
Ein Konsortium aus Geistes- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern entwickelt aktuell gemeinsam mit Wasser- und Energieversorgern aus zwei Wasserstoff-Modellregionen (Metropolregion NordWest und Metropole Ruhr) einen Dialogprozess mit dem Namen »EnAqua«.
Wissenslücken schließen und Zielkonflikte aufzeigen
Die Projektpartnerinnen und -partner wählen jeweils einen Wasserstoff-Pilotraum in den Modellregionen aus und analysieren die räumliche-infrastrukturelle Situation: Wie ist die hydrogeologische und klimatische Situation vor Ort? Welche vorhandene Wasserstoff- und Wasserinfrastruktur gibt es? Sie untersuchen zudem die ökologische Situation und die Akteursstruktur. Auf dieser Datengrundlage werden Wechselwirkungen zwischen den Faktoren und Konkurrenzsituationen im Pilotraum analysiert. Beispielsweise verstärkt der Ausbau der Produktionskapazitäten von Wasserstoff (Faktor: räumliche Entwicklung) bei wachsendem Trockenstress (Faktor: Klima) den Wettbewerb um Wasser.
Der EnAqua-Dialog setzt auf die Teilnahme aller betroffenen Akteurinnen und Akteure und bezieht sowohl die Interessen von Bürgerinnen und Bürger als auch die der Industrie, Landwirtschaft, Versorger und Kommunen mit ein. »Wir entwickeln den Dialog als szenarienbasierten Prozess mittels WebGIS-Anwendungen und strukturierter Kommunikations-, Abstimmungs- und Meinungsbildungsprozesse«, erklärt Projektleiterin Dr. Ilka Gehrke vom Fraunhofer UMSICHT.
Transfer für andere Regionen
Der Dialogansatz soll später zügig auf andere Regionen übertragbar sein, wo er noch während der Markthochlaufphase Lösungen für weitere Nutzungskonflikte in der Energiewende ermöglicht. Ilka Gehrke fügt abschließend hinzu: »Perspektivisch lässt sich so eine Beschleunigungswirkung erzielen, da mögliche Konflikte pro-aktiv im Dialog adressiert werden.«
Weitere Informationen:
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/projekte/why.html WHy: Wasser für die grüne Wasserstoffwirtschaft
Anpassung an den Klimawandel: Erstes Reallabor für neuartigen landwirtschaftlichen Anbau mit aufbereitetem Wasser
Regionale Nutzungskonflikte um die Ressource Wasser sind keine Seltenheit und werden sich durch den Klimawandel und die zunehmende Beanspruchung der natürlichen Wasserressourcen weiter verschärfen. Insbesondere die wasserintensive Landwirtschaft ist auf effiziente Lösungen angewiesen. Im Forschungsprojekt HypoWave+ setzt ein Landwirtschaftsbetrieb in Niedersachsen derzeit ein besonders wasserschonendes Verfahren für den hydroponischen Anbau von Gemüse mit hochwertig recyceltem Abwasser um. Medien sind eingeladen, die großtechnische Umsetzung in diesem wissenschaftlich begleiteten Reallabor am 20. August 2024 zu besichtigen.
In Zeiten des Klimawandels und lokaler Wasserknappheiten geht ein Landwirtschaftsbetrieb im niedersächsischen Landkreis Gifhorn mit einem Großversuch neue Wege für einen wasserschonenden Gemüseanbau: In einem hydroponischen Anbausystem werden Pflanzen in Gefäßen ohne Erde über eine Nährlösung versorgt – unter Hinzunahme von aufbereitetem Abwasser. „Hydroponische Systeme sind an sich schon effizient, da sie mit wenig Wasser auskommen“, sagt HypoWave+-Projektleiter Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig. „Die Besonderheit im HypoWave-System ist, dass wir aus kommunalem Abwasser ein qualitativ hochwertig aufbereitetes Bewässerungswasser gewinnen, das Frischwasser vollständig ersetzt. Im Vergleich zur konventionellen landwirtschaftlichen Bewässerung können Wasserressourcen damit deutlich effizienter eingesetzt werden.“
Effizienteres Anbauverfahren für die Landwirtschaft
Das innovative HypoWave-System bietet nicht nur eine Alternative zur Bewässerung mit Trink- und Grundwasser, sondern auch eine optimierte Nährstoffversorgung. „Den Pflanzen werden wichtige Stoffe wie Stickstoff und Phosphor direkt aus dem aufbereiteten Wasser zugeführt. Die Wasserqualität ist besonders hochwertig, da sie nährstoffreich und frei von Schadstoffen und pathogenen Keimen ist“, erklärt Dockhorn. Entwickelt und wissenschaftlich erprobt wurde dieses Verfahren von 2016 bis 2019 im HypoWave-Pilotprojekt auf dem Gelände der Kläranlage Wolfsburg-Hattorf. Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projektverbund untersuchte zudem vorab die Übertragbarkeit des Verfahrens auf unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten, Prozessketten zur Wasseraufbereitung und verschiedene Pflanzensorten. Die erste großtechnische Umsetzung des hydroponischen Bewässerungssystems erfolgt nun in einem Teilbereich des 1 600 Quadratmeter großen Gewächshauses der IseBauern GmbH & Co. KG. Als Praxispartner im Forschungsprojekt übernimmt der landwirtschaftliche Betrieb aus Wahrenholz im Landkreis Gifhorn die Verantwortung für den Anbau in unmittelbarer Nähe zu einem Klärteich des Wasserverbands Gifhorn. Die Umsetzung wird seit 2021 im Nachfolgeprojekt HypoWave+ wissenschaftlich begleitet.
Größtes Reallabor dieser Art
„Die Inbetriebnahme des bislang größten Reallabors dieser Art durch die IseBauern und die Kooperation mit dem kommunalen Wasserverband Giforn ist für die Forschung eine außerordentliche Chance“, sagt Projektkoordinatorin Martina Winker vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. „Wir können die Entwicklung des HypoWave-Systems mit all seinen wissenschaftlich-technischen wie auch sozialen Innovationen vom Pilotprojekt bis zur Marktreife wissenschaftlich begleiten und uns intensiv mit Fragen des Qualitätsmanagements, der Vermarktung sowie der Kooperation der beteiligten Akteure beschäftigen.“ Wichtig für Wissenschaft und Landwirtschaft gleichermaßen sei es jetzt, dass sich das HypoWave-System an diesem Standort als tragfähig erweist, so dass Best-Practice-Empfehlungen für andere Standorte erarbeitet werden können. „Es wird für den Erfolg des Reallabors ausschlaggebend sein, dass die beteiligten Akteure aus den Bereichen Wasseraufbereitung, Pflanzenbau, Logistik und Handel gut miteinander vernetzt sind und die Vermarktung der Produkte über regionale Vertriebsstrukturen gelingt.“
Trotz Wasserknappheit: Regionale Lebensmittelerzeugung in Zeiten des Klimawandels
Die gesamte Gewächshausfläche der IseBauern kann perspektivisch mit dem HypoWave-Wasser versorgt werden. Der jährliche Ertrag beläuft sich dann bei Tomaten auf bis zu 11 000 Kilogramm Von den insgesamt 15 Anbaulinien sind im ersten Erntejahr zwei Linien für die Tomatenproduktion mit aufbereitetem Wasser vorgesehen. Ihren Weg in den Handel finden die Produkte über die Direktvermarktung des Landwirtschaftsbetriebs, Hofläden und regionale Supermärkte des Projektpartners Edeka-Ankermann. Das Anbauverfahren mit zertifizierter Produktqualität wird für Kunden über einen QR-Code auf der Pappverpackung der Tomaten nachvollziehbar. „Wir verstehen den Anbauversuch als Investition in die Zukunft und als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel“, sagt Stefan Pieper von der IseBauern GmbH. „Wir können uns durch das HypoWave-System von saisonaler Wasserknappheit unabhängig machen und die Ernten vor Wetterextremen sichern. Deshalb kann diese Anbauform eine echte Alternative für die Landwirtschaft sein, auch weil sie wasserschonend ist, Nährstoffe wiederverwendet und eine regionale Gemüseproduktion ermöglicht. Dafür wollen wir mit dem Reallabor die Weichen stellen.“
Vorteile für Betreiber kommunaler Kläranlagen
Der Anbau mit HypoWave-Wasser erweist sich auch für kommunale Betreiber von Anlagen zur Abwasserbehandlung, die ihre Klärteiche für die Wasserwiederverwendung zur Verfügung stellen wollen, als zukunftsfähig. „Wir entnehmen das Wasser aus den Klärteichen, das wir für den Gemüseanbau benötigen. Es wird in einem mehrstufigen Verfahren mit Mikrosieb, neuartigem Aktivkohlebiofilter, Sandfilter und einem UV-Reaktor qualitativ hochwertig aufbereitet. Das überschüssige Wasser fließt entsprechend hochgereinigt in die Klärteiche zurück“, erklärt Thomas Dockhorn. Durch diesen zusätzlichen Reinigungsvorgang können sich die Betreiber den kostspieligen Bau von Pumpwerken und Leitungen zu den nächstgelegenen Kläranlagen ersparen, der andernfalls in einigen Jahren anstünde. „Die Anbauweise in einem Gewächshaus mit gereinigtem Abwasser in Nachbarschaft zu unseren Teichen ist völlig neu für uns, erweist sich aber schon jetzt als Win-Win-Situation für Landwirtschaft und kommunale Wasserunternehmen“, sagt Christian Lampe, Geschäftsführer des Wasserverbandes Gifhorn. „Wir erhoffen uns auch Impulse für die verstärkte Nutzung in der konventionellen Beregnung.“
Das Forschungsprojekt HypoWave+
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Verbundprojekt „HypoWave+ – Implementierung eines hydroponischen Systems als nachhaltige Innovation zur ressourceneffizienten landwirtschaftlichen Wasserwiederverwendung“ im Rahmen der Fördermaßnahme „Wassertechnologien: Wasserwiederverwendung“ innerhalb des Bundesprogramms „Wasser: N“. Wasser: N ist Teil der BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA). Die Fördersumme beträgt 2,8 Millionen Euro. Die Projektpartner im Forschungsverbund unter der Leitung der Technischen Universität Braunschweig, Institut für Siedlungswasserwirtschaft (ISWW), sind das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, die Universität Hohenheim (UHOH), der Abwasserverband Braunschweig (AVB), der Wasserverband Gifhorn (WVGF), IseBauern GmbH & Co. KG, Xylem Water Solutions Deutschland GmbH, Ankermann GmbH & Co. KG, Huber SE und INTEGAR – Institut für Technologien im Gartenbau GmbH.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Projektleitung
Prof. Dr.-Ing. Thomas Dockhorn
Technische Universität Braunschweig, Institut für Siedlungswasserwirtschaft
Pockelsstr. 2a
38106 Braunschweig
Tel. +49 531 391-7937
t.dockhorn@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/isww
Projektkoordination
Dr. Martina Winker
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Hamburger Allee 45
60486 Frankfurt am Main
Tel. +49 69 707 6919-53
martina.winker@isoe.de
www.isoe.de
Weitere Informationen:
https://www.hypowave.de
Unternehmen halten am Homeoffice fest
Zuletzt gab es immer wieder Berichte, dass namhafte Unternehmen ihre Homeoffice-Regelungen einschränken wollen. Die angekündigten „Return-to-Office“-Strategien reichen dabei von neuen Obergrenzen für die Anzahl der Homeoffice-Tage bis zur Wiedereinführung der täglichen Präsenzpflicht. Trotz der medialen Aufmerksamkeit für eine mögliche Abkehr vom Homeoffice belegt eine ZEW-Befragung, dass hybride Arbeitsmodelle in deutschen Unternehmen ungebrochen weit verbreitet sind. Darüber hinaus erwarten Unternehmen für die kommenden zwei Jahre einen weiteren Anstieg der Homeoffice-Nutzung. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des ZEW Mannheim unter rund 1.200 Unternehmen im Juni 2024.
„Laut unserer Befragung arbeiten Beschäftigte in 82 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice. Im stärker ortsgebundenen Verarbeitenden Gewerbe sind es 48 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten mindestens einen Homeoffice-Tag pro Woche ermöglichen, verharrt damit seit der Corona-Pandemie auf einem konstant hohen Niveau. Demnach sehen wir aktuell keine Anzeichen für eine Abkehr der Unternehmen von Homeoffice-Angeboten, die mindestens einen Tag pro Woche umfassen“, kommentiert Studienleiter Dr. Daniel Erdsiek aus dem ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ die Ergebnisse.
Kein Rückgang der Homeoffice-Angebote erwartet
Ein Vergleich der aktuellen Homeoffice-Nutzung mit der Situation vor der Pandemie macht deutlich, wie stark sich das mobile Arbeiten in deutschen Unternehmen etabliert hat. Im Verarbeitenden Gewerbe hat sich der Anteil der Unternehmen mit Homeoffice-Angeboten von 24 Prozent vor der Pandemie auf nun 48 Prozent verdoppelt. In der Informationswirtschaft ist der Anteil mit einem Sprung von 48 Prozent auf 82 Prozent ebenfalls stark angestiegen.
„Mit Blick auf die nächsten zwei Jahre rechnen die Unternehmen auch nicht damit, Angebote mit mindestens einem Homeoffice-Tag pro Woche zurückzufahren. Im Gegenteil: Der Anteil an Unternehmen mit Homeoffice-Angeboten wird laut Erwartungen nochmals ansteigen – auf 88 Prozent in der Informationswirtschaft und 57 Prozent im Verarbeitenden Gewerbe“, so Erdsiek.
Darüber hinaus rechnen die befragten Unternehmen auch mit einem steigenden Anteil der Beschäftigten, die solche Angebote künftig nutzen werden. Beispielsweise erwarten etwa zwei Drittel der Unternehmen in der Informationswirtschaft, dass im Juni 2026 mehr als 20 Prozent ihrer Beschäftigten mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten werden.
Verbreitung mehrtägiger Homeoffice-Modelle verdoppelt sich
Hybride Arbeitsmodelle können vielfältig ausgestaltet und an die betrieblichen Bedarfe angepasst werden. Ein grundlegender und universeller Bestandteil ist jedoch die vereinbarte Homeoffice-Frequenz. Im Wesentlichen lassen sich fünf Homeoffice-Modelle unterscheiden, die von wöchentlich einem bis zu fünf Tagen Homeoffice reichen.
„Aktuell erlauben 42 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft einem Teil ihrer Beschäftigten, an mindestens drei Tagen pro Woche von zuhause zu arbeiten. Vor der Corona-Pandemie war Homeoffice in diesem zeitlichen Umfang hingegen nur in 21 Prozent der Unternehmen möglich“, so Erdsiek. „Auch für die restlichen Homeoffice-Modelle liegt die aktuelle Verbreitung weit über dem Niveau vor der Pandemie – in den meisten Fällen etwa doppelt so hoch. Das gilt sowohl für die Informationswirtschaft als auch fürs Verarbeitende Gewerbe.“
Größere Unternehmen bieten häufiger Modelle mit mehreren Homeoffice-Tagen
In welchem zeitlichen Umfang im Homeoffice gearbeitet werden darf, variiert jedoch stark nach Unternehmensgröße. Dabei gilt: Je größer ein Unternehmen, umso wahrscheinlicher ist es, dass ein Teil der Beschäftigten Angebote mit hoher Homeoffice-Frequenz nutzen kann. Beispielsweise kommen Modelle mit mindestens drei Homeoffice-Tagen in etwa drei Viertel der großen Unternehmen in der Informationswirtschaft (mindestens 100 Beschäftigte) zum Einsatz. Dieser Unternehmensanteil sinkt auf 61 Prozent für mittlere Unternehmen (20 bis 99 Beschäftigte) und beträgt nur 35 Prozent für kleine Unternehmen (fünf bis 19 Beschäftigte).
„Hybride Arbeitsmodelle mit mindestens zwei Homeoffice-Tagen pro Woche werden derzeit von 91 Prozent der großen, 80 Prozent der mittleren und 55 Prozent der kleinen Unternehmen in der Informationswirtschaft genutzt. Im Verarbeitenden Gewerbe liegen diese Unternehmensanteile zwischen 76 Prozent für große und 15 Prozent für kleine Unternehmen.“
Datengrundlage
Die Ergebnisse sind Teil des „ZEW-Branchenreports Informationswirtschaft“ vom Sommer 2024. An der seit 2011 quartalsweise durchgeführten Konjunkturumfrage beteiligten sich im Juni rund 1.200 deutsche Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und der Informationswirtschaft, die sich aus IKT-Branche, Mediendienstleistern und wissensintensiven Dienstleistern zusammensetzt. In jeder Welle der Befragung werden zudem Daten zu aktuellen Schwerpunktthemen im Forschungsfeld Digitale Ökonomik erhoben. Dazu zählen aktuelle IKT-Trends, Investitionen in IKT oder die Diffusion von neuen IKT-Anwendungen. In der aktuellen Ausgabe war das Schwerpunktthema Homeoffice.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Daniel Erdsiek
Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“
Tel.: +49 (0)621 1235-356
E-Mail daniel.erdsiek@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/brepikt/202402BrepIKT.pdf
Chemie: Wasser entscheidend für Fluoreszenz von Biosensoren
Warum Kohlenstoff-Nanoröhren fluoreszieren, wenn sie an bestimmte Moleküle binden, haben Forschende aus Bochum und Texas herausgefunden. Die Nanoröhren gelten als vielversprechende Biosensoren, die für Blutzucker-Monitoring oder Covid-19-Tests nützlich sein könnten. Binden sie an bestimmte Moleküle, verändert sich ihre Fluoreszenz. Was die Licht-Emission erzeugt, haben Forschende der Ruhr-Universität gemeinsam mit einem Team der University of Texas mithilfe der Terahertz-Spektroskopie analysiert. Sie zeigten, dass die Wasserhülle der Biosensoren eine entscheidende Rolle beim Entstehen der Fluoreszenz spielt. Die Ergebnisse sind online am 8. August 2024 in „Nature Communications“ erschienen.
An der Ruhr-Universität Bochum kooperierten die Gruppen von Prof. Dr. Martina Havenith und Prof. Dr. Sebastian Kruß für die Arbeiten, die im Rahmen des Exzellenzclusters „Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, stattfanden. Maßgeblich beteiligt waren die Doktorandin Sanjana Nalige und der Doktorand Phillip Galonska.
Kohlenstoff-Nanoröhren als Biosensoren
Nanoröhren bestehen aus einer einzigen Kohlenstofflage und sind daher als Bausteine für Biosensoren besonders gut geeignet, wie frühere Studien zeigten. Sie strahlen Licht im nahinfraroten Bereich aus, welches tief ins Gewebe eindringen kann, und sich beim Binden von Molekülen verändert. Ihre Oberfläche lässt sich mit Biopolymeren oder DNA-Fragmenten bestücken, wodurch sie spezifisch mit einem Zielmolekül interagieren. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise das Vorhandensein von bestimmten Neurotransmittern detektieren, also Botenstoffen im Gehirn. Obwohl solche Sensoren bereits im Einsatz sind, ist ihr genaues Funktionsprinzip unklar gewesen.
Wasserhülle für Fluoreszenzänderungen entscheidend
Weil die meisten relevanten biologischen Prozesse in wässriger Lösung stattfinden, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Kohlenstoff-Nanoröhren in solchen Umgebungen. Mithilfe der Terahertz-Spektroskopie konnten sie detektieren, wie Energie zwischen den Nanoröhren und der wässrigen Lösung fließt. Entscheidend dafür ist die Hydrathülle der Biosensoren, also die Wassermoleküle in unmittelbarer Umgebung der Nanoröhren. Regt man die Kohlenstoff-Nanoröhren mit Licht an, werden die Nanoröhren zunächst intern angeregt, und anschließend wird ein Teil der Energie als Fluoreszenz abgebeben. Das Forschungsteam zeigte, dass die Energie alternativ an die Hydrathülle abgegeben werden kann. Dabei kommt es zu einem Energiefluss: Nanoröhren, die heller leuchten, transferieren weniger Energie ins Wasser. Nanoröhren, die schwächer fluoreszieren, geben mehr Energie ins Wasser ab.
„Mit der Terahertz-Spektroskopie konnten wir direkt messen, was wir schon lange vermutet hatten“, sagt Sebastian Kruß. „Dieses Wissen kann helfen, Biosensoren für ihren Einsatz in der Forschung oder der Medizin zu optimieren, indem wir die Hydrathüllen der Nanoröhren mit in Betracht ziehen.“ Martina Havenith, Sprecherin des Exzellenzclusters RESOLV, ergänzt: „In dieser interdisziplinären Arbeit haben wir den Fokus nicht auf die Kohlenstoff-Nanoröhren selbst gelegt, sondern auf das Lösungsmittel Wasser. So konnten wir einen bislang unbekannten Zusammenhang zwischen den Veränderungen im Wasser in der Umgebung der Nanoröhren und ihrer Funktion als Biosensor nachweisen. Das ist genau die Art von Forschung, für die unser Exzellenzcluster RESOLV steht.“
Förderung
Die Arbeiten wurden unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (EXC 2033 – 390677874, GRK2376-331085229), der VolkswagenStiftung sowie der National Science Foundation (CBET-2106587).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Für Fragen zur Terahertz-Spektroskopie:
Prof. Dr. Martina Havenith
Physikalische Chemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28249
E-Mail: pc2office@ruhr-uni-bochum.de
Webseite des Lehrstuhls: https://www.ruhr-uni-bochum.de/pc2/index.html.de
Für Fragen zu Kohlenstoff-Nanoröhren:
Prof. Dr. Sebastian Kruß
Funktionale Grenzflächen und Biosysteme
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29946
E-Mail: sebastian.kruss@ruhr-uni-bochum.de
Webseite der Arbeitsgruppe: https://www.ruhr-uni-bochum.de/pc2/kruss/
Originalpublikation:
Sanjana S. Nalige, Phillip Galonska, Payam Kelich, Linda Sistemich, Christian Herrmann, Lela Vukovic, Sebastian Kruss, Martina Havenith: THz Coupling in Carbon Nanotube Sensors Modulates Their Fluorescence, in: Nature Communications, 2024, DOI: 10.1038/s41467-024-50968-9
Klima und Altern: Wie Risiken für ältere Menschen vermindert werden
Die Folgen von Klimawandel und Umweltverschmutzung betreffen ältere Menschen aufgrund ihrer erhöhten Vulnerabilität in besonderem Maße. Auf dramatische Weise zeigen dies extreme Hitzeereignisse wie 2021 im kanadischen British Columbia: Dort war die durchschnittliche Zahl der täglichen Zugänge in Notaufnahmen wegen hitzebedingter Erkrankungen 69 Mal höher als im gleichen Zeitraum zwei Jahre zuvor – besonders häufig versorgt werden mussten Personen über 75 Jahre. Auch in Deutschland sind solche Szenarien denkbar und die Expertise von Geriaterinnen und Geriatern ist gefragt.
In den Fokus rückt dieses bisher noch zu wenig beachtete Thema Professor Jürgen M. Bauer, Ärztlicher Direktor des Geriatrischen Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg sowie Direktor des Netzwerkes Altersforschung der Universität Heidelberg, mit seiner Keynote „Klima und Altern“ am 12. September beim Gerontologie- und Geriatrie-Kongress in Kassel. Dabei beleuchtet er wichtige Fragen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen: Welches sind die spezifischen Risiken für ältere Menschen und wie vermindert man diese – zum Beispiel im Kontext der Pharmakotherapie? Wie verhalten sich Umweltbelastungen und das Konzept des Healthy Aging zueinander? Welche Ansätze des Umweltschutzes bedürfen einer Anpassung in Hinblick auf die ältere Bevölkerung?
In seiner Keynote wird Jürgen M. Bauer die Kongress-Teilnehmer für verschiedene Herausforderungen im Kontext des Klimawandels und der Umweltverschmutzung sensibilisieren. Ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartbares Szenario basiert auf der Annahme, die Anzahl von Hitzeepisoden nehme ebenso zu wie deren Intensität und Dauer. „Besonders gefährlich für ältere Menschen sind die sogenannten tropischen Nächte, bei denen keine ausreichende Abkühlung stattfindet. Vor allem diejenigen, die zu Hause pflegebedürftig sind oder in Pflegeheimen versorgt werden, sind hier besonders bedroht. Wissenschaftlich fundierte Handlungsanweisungen für Pflegende und Angehörige sollten rechtzeitig kommuniziert werden“, erklärt der Experte. Darüber hinaus ist mit regionalen Extremhitzeereignissen um 40 Grad Celsius, sogenannten „Heat Domes“, zu rechnen. Diese können schnell zu einer Überlastung der Notaufnahme-Strukturen führen. Hier wäre eine Anpassung der Katastrophenschutzpläne an sich erforderlich.
Umgebungstemperatur und Medikation im Blick haben
Präventionsmaßnahmen, um mit diesen Herausforderungen erfolgreich umzugehen, können an vielen verschiedenen Stellen ansetzen. Dazu gehört im konkreten Umfeld zum Beispiel die Sicherstellung einer verträglichen Zimmertemperatur, sachkundige Informationen über die empfohlene Lüftung von Räumen, eine ausreichende Hydratation sowie Anpassungen der medikamentösen Therapie. Neben Diuretika und Antihypertensiva sollten bei transdermalen Systemen sowie bei subkutan verabreichten Medikamenten eine Dosisanpassung erwogen werden.
Umweltfreundliche Ernährung muss altersgerecht sein
Auch sind bestimmte Klima- und Umweltschutzmaßnahmen auf ihre Anwendbarkeit für ältere Menschen zu überprüfen. Das gilt zum Beispiel für die sogenannte „Planetary Health Diet“, die die EAT-Lancet Kommission entwickelt hat, um die Gesundheit der Menschen und des Planeten gleichermaßen zu schützen. Empfohlen wird dabei eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung, die einen geringen Anteil an Fleisch- und Milchprodukten beinhaltet. Mehrere aktuelle Studien, die Professor Jürgen M. Bauer vorstellen wird, nahmen unlängst die älteren Menschen in den Blick. „Dabei zeigt sich, dass diese Zielgruppe durch die vorgeschlagene Diät einem erhöhten Risiko für eine Unterversorgung mit bestimmten Nährstoffen ausgesetzt wird. Bei Einhaltung der Empfehlung wird unter Umständen zu wenig Calcium, Vitamin B12 und hochwertiges Protein zugeführt. Das heißt, wir müssen auch hier bei unseren Patientinnen und Patienten genau hinschauen und gegebenenfalls diese Empfehlung modifizieren“, so Bauer.
Einbindung geriatrischer Expertise in Aktionspläne nötig
Auf nationaler Ebene sei es zudem wichtig, Geriaterinnen und Geriater stärker in den Umweltschutz einzubinden – zum Beispiel bei der Erstellung von lokalen Hitzeaktionsplänen. „In größeren Städten sind zudem die verschiedenen Stadtviertel in der Regel sehr unterschiedlich von Hitze, Feinstaub- und Ozonbelastung betroffen. Das heißt, man kann auch in der Praxis und im Krankenhaus aufgrund eines unterschiedlichen Einzugsbereichs mit sehr unterschiedlichen Szenarien konfrontiert sein“, erklärt Bauer. Dies betrifft auch die Gefährdung der älteren Menschen durch eine erhöhte Feinstaubbelastung, welche sowohl das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen als auch für einen beschleunigten funktionellen Abbau erhöht. Um zukünftig mit diesen großen Herausforderungen besser umgehen zu können, seien ein gemeinschaftliches Vorgehen und eine entsprechende politische Willensbildung nötig – und zwar mit Unterstützung durch geriatrische Expertise.
Zur Person:
Professor Jürgen M. Bauer ist Ärztlicher Direktor des Geriatrischen Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg, Agaplesion Bethanien Krankenhauses Heidelberg, sowie Direktor des Netzwerkes Altersforschung der Universität Heidelberg. Von 2016 bis 2018 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und im Jahr 2018 Präsident des Europäischen Geriatrie-Kongresses. 2020 bis 2024 durfte er als Fachkollegiat die Geriatrie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vertreten. Seit 2022 ist er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg und seit kurzem versieht er das Amt des Incoming President der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin.
Jetzt Termin vormerken:
Professor Jürgen M. Bauer
Keynote-Vortrag: „Klima und Altern“
Gerontologie- und Geriatrie-Kongress
Hörsaal 1 im Campus Center auf dem Campus Holländischer Platz der Universität Kassel
Donnerstag, 12. September, 14.15 bis 15 Uhr
Interviewmöglichkeit und Kongress-Akkreditierung:
Sie wünschen ein Gespräch oder Interview mit Professor Jürgen M. Bauer zum Thema Klima und Altern? Gerne helfen wir bei der Terminkoordination. Akkreditieren Sie sich zudem jetzt für den Gerontologie- und Geriatrie-Kongress in Kassel. Einfach mit Kopie Ihres Presseausweises oder einer Redaktionsbestätigung per E-Mail an: presse@dggeriatrie.de
Weitere Informationen:
https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/2298-pm-klima-und-altern-wie-r…
https://www.gerontologie-geriatrie-kongress.org/
Risikobewertung von Schadstoffen: Vom Hörsaal in die Praxis
Gießener Hochschulen richten mit dem Forschungszentrum Neu-Ulrichstein und zwei Fachgesellschaften der Umweltchemie und Ökotoxikologie die Tagung „Umwelt 2024“ aus
Die Risikobewertung von Schadstoffen steht im Mittelpunkt der Tagung „Umwelt 2024“ in Gießen und Homberg (Ohm). Dabei werden grundlagenorientierte und angewandte Forschung verknüpft und Einblicke in aktuelle umweltchemische, ökotoxikologische und regulatorische Themen gewährt. Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) und das Forschungszentrum Neu-Ulrichstein (FNU) in Homberg (Ohm) kooperieren seit vielen Jahren in Ausbildung und Forschung im Bereich der Umweltchemie und Ökotoxikologie und richten in diesem Jahr gemeinsam mit der Fachgesellschaft SETAC (Society of Environmental Toxicology and Chemistry) GLB (German Language Branch) und der GDCh-Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie die gemeinsame Jahrestagung „Umwelt 2024“ der beiden Fachgesellschaften aus.
Erwartet werden rund 250 Teilnehmende aus dem deutschsprachigen Raum und einige internationale Gäste aus Wissenschaft und Industrie. Sie diskutieren vom 8. bis 11. September 2024 die Erkenntnisse nicht nur im Hörsaal, sondern auch direkt am Objekt im Freiland. An der THM, die dieses Jahr die Infrastruktur bereitstellt, werden aktuelle Themen vom theoretischen Modell über den Laborversuch bis hin zu komplexen Ökosystemstudien und computerbasierten Modellierungen präsentiert. Eine Besonderheit der Tagung ist der Feldtag mit rund 25 praktischen Freilanddemonstrationen am Forschungszentrum Neu-Ulrichstein in Homberg (Ohm). Er bietet Einblicke in die praktische Umsetzung komplexer ökotoxikologischer Prüfungen. Nach der Tagung werden die Aufbauten noch einige Zeit für Schülerinnen und Schüler von weiterführenden Schulen der Region zur Verfügung stehen und bei der Orientierung hinsichtlich Ausbildung und Studium unterstützen.
„Die Menge an Kunststoffen, die früher oder später in die Umwelt gelangen und dort potenziell unerwünschte Nebeneffekte verursachen, übersteigt die Biomasse aller Säugetiere mittlerweile bei Weitem“, sagt Prof. Dr. Rolf-Alexander Düring vom Institut für Bodenkunde und Bodenerhaltung der JLU. „Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Chemikalien – bei Plastik zahlreiche unterschiedliche Polymere – ist ein hochaktuelles Thema der Tagung.“
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat im Jahr 2021 die Verschmutzung mit menschengemachten Chemikalien als eine der planetaren Krisen bestätigt. „Damit ist diese Chemikalienbelastung in der Relevanz mit dem Klimawandel und dem Rückgang der biologischen Vielfalt vergleichbar“, so Prof. Düring. „Um die dabei von den Grundlagenwissenschaften erkannten Probleme in praktische Umweltschutzmaßnahmen umzusetzen, ist die Zusammenarbeit mit der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung ein zentraler Erfolgsfaktor“, ergänzt Prof. Dr. Harald Platen vom THM-Kompetenzzentrum für nachhaltige Entwicklung und EnergieSysteme (ZEuUS).
Die beiden Fachgesellschaften der Umweltchemie und Ökotoxikologie – SETAC GLB und GDCh U&Ö – führen grundlagenorientierte und angewandte Forschung im Hinblick auf die Risikobewertung von chemischen Substanzen zusammen. Integriert in die Tagung ist das „Junge Umweltforum der GDCh-Fachgruppe U & Ö, wo Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse präsentieren können.
In den umweltwissenschaftlich ausgerichteten Bachelor- und Masterstudiengängen an der JLU und der THM werden umweltchemische, umweltanalytische und ökotoxikologische Angebote von den Studierenden stark nachgefragt. Die Tagung „Umwelt 2024“ und auch die sonstige Kooperation der Beteiligten bietet den Studierenden über die Grundlagenorientierung an den Hochschulen hinaus Einblicke zum aktuellen Stand der Technik in der Anwendung am Forschungszentrums Neu-Ulrichstein sowie in die Herausforderungen in Forschung und Praxis.
Mit der Tagung bieten die Ausrichter dem wissenschaftlichen Nachwuchs zudem einen attraktiven Einstieg in das Netzwerk aus Wissenschaft, Industrie und Behörden und ermutigen, eigene Forschungsvorhaben vorzustellen. Den besten Arbeiten winken verschiedene Preise, darunter hochdotierte Nachwuchs-Förderpreise der SETAC GLB und der GDCh U&Ö.
Termin
Tagung „Umwelt 2024“: 8.-11. September 2024
Feldtag am Forschungszentrum Neu-Ulrichstein: 10. September 2024
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rolf-Alexander Düring (JLU)
E-Mail: rolf-alexander.duering@umwelt.uni-giessen.de
Prof. Dr. Harald Platen (THM)
E-Mail: harald.platen@lse.thm.de
Prof. Dr. Klaus Peter Ebke (FNU/JLU)
E-Mail: klaus.ebke@umwelt.uni-giessen.de
Weitere Informationen:
https://www.setac-glb.de/tagung-2024 (Programm und Registrierung)
Biodiversitätsverlust: Viele Studierende im Umweltbereich kennen Ursachen nicht so genau
Umweltstudenten weltweit haben Wahrnehmungslücken, was die Ursachen des globalen Biodiversitätsverlusts betrifft. So das Ergebnis einer Umfrage der Goethe-Universität Frankfurt, bei der mehr als 4000 Studierende aus 37 Ländern befragt wurden. Die Lücken sind von Land zu Land verschieden: In manchen Ländern wird eher der Klimawandel als Ursache unterschätzt, in anderen der Faktor invasive Arten, in dritten die Verschmutzung. Die Umfrage zeigt auch, dass länderspezifische Indikatoren die Wahrnehmung stark beeinflussen.
FRANKFURT. Von den geschätzt 10 Millionen, größtenteils noch unentdeckten Tier- und Pflanzenarten auf der Erde könnten in den nächsten Jahrzehnten eine Million aussterben. Dieser Biodiversitätsverlust hätte dramatische Folgen, denn Tiere und Pflanzen sind Multidienstleister: Sie erhalten Ökosysteme, sorgen für ein ausgeglicheneres Klima auf dem Planeten und liefern uns Nahrung sowie Wirkstoffe für Medizin. Kurz: Ohne Artenvielfalt überleben wir Menschen nicht.
Es braucht also dringend konsequente politische Maßnahmen gegen das „sechste Massenaussterben“ der Erdgeschichte. Eine Personengruppe, auf die es besonders ankommt, sind die heutigen Studierenden im Umweltbereich. Viele von ihnen werden in Zukunft voraussichtlich einflussreiche Posten in Umweltpolitik und Wirtschaft besetzen – und mit darüber entscheiden, ob der globale Rückgang der Artenvielfalt effizient bekämpft wird.
Aber wie gut sind die Entscheiderinnen und Entscheider von morgen überhaupt informiert? Können sie die Hauptursachen für den Biodiversitätsverlust als solche identifizieren – und zudem von Faktoren abgrenzen, die gar keinen Einfluss auf die Artenvielfalt haben? „Wir sind die ersten, die diese Fragen in unserer Studie global wissenschaftlich untersucht haben“, so Dr. Matthias Kleespies von der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt.
Zusammen mit anderen Frankfurter Forschern hat Kleespies eine Online-Umfrage bei rund 4400 Studenten der Umweltwissenschaften in 37 Ländern durchgeführt. Diese bekamen eine Online-Fragebogen, der acht Ursachen für den globalen Biodiversitätsverlust auflistet. Darunter die fünf tatsächlichen Hauptgründe: Klimawandel (vermehrte Dürren und andere Folgen der Erwärmung), Übernutzung (etwa Überfischung), Lebensraumverlust (etwa durch Rodungen), Verdrängung durch invasive Arten und schließlich Verschmutzung (Luftverschmutzung, Plastikmüll, Erdölverschmutzung). Zusätzlich waren drei Faktoren aufgeführt, die keinen oder kaum Einfluss auf die Artenvielfalt haben: Elektrosmog, Fabrik- und Fahrzeuglärm sowie das Internet. Die Umweltstudierenden sollten angeben, in welchem Maß die acht Faktoren ihrer Meinung nach für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich sind. Die Skala reichte von 1 (geringer Einfluss) bis 5 (sehr starker Einfluss).
Die ausgefüllten Fragebögen wurden mittels einer speziellen Methode analysiert, die Muster in Daten erkennt. Am Ende bildeten sich so insgesamt acht unterschiedliche Cluster mit Anhäufungen bestimmter, gut voneinander unterscheidbarer Antworttypen heraus. Kleespies erläutert: „Bei Antworttyp 1 zum Beispiel werden alle Hauptursachen erkannt, mit Ausnahme des Klimawandels. Dessen Einfluss auf den Rückgang der biologischen Vielfalt unterschätzen die Studenten.“ Bei Typ 2 wiederum spielt die Verschmutzung eine untergeordnete Rolle, bei Typ 7 der Faktor invasive Arten. Eine Sonderform stellt Typ 3 dar, bei der alle Hauptursachen unterschätzt und diese zudem von den irrelevanten Faktoren wie Lärm gar nicht unterschieden werden. „Zum Glück gab es von diesem Antworttypen vergleichsweise wenige“, sagt Kleespies. Insgesamt kommen die acht Antworttypen in den befragten Ländern in unterschiedlicher Häufigkeit vor.
Im nächsten Auswertungsschritt ging es um die Hintergründe der Antworten: Was bedingt die unterschiedlichen Antworttypen? Dafür bezogen die Forschenden länderspezifische Indikatoren ein: den CO2-Ausstoß des Landes sowie Indikatoren für Wohlstand, Umwelt und Biodiversität. Kleespies: „Wir stellten fest, dass diese Indikatoren die Wahrnehmung der Studenten im jeweiligen Land erheblich beeinflussen.“
Beim Antworttyp 1 zum Beispiel, der den Klimawandel als Treiber unterschätzt. In Ländern mit sehr hohem CO2-Ausstoß – etwa Russland, China, Saudi-Arabien – kommt Typ 1 deutlich häufiger vor. „Warum das so ist, lässt sich mit unseren Daten zwar nicht erklären. Aber wir vermuten, dass die Umweltstudenten in diesen Ländern nicht so sensibilisiert sind. Es fehlt im Studium an Aufklärung darüber, dass auch der Klimawandel den Verlust der Artenvielfalt verstärkt.“ Zudem gehe es ja um den Anteil des eigenen Landes am Klimawandel. Dass der groß sei, werde eventuell nicht so gerne zugegeben.
Bei Antworttyp 2 – Verschmutzung als unterschätzter Faktor – ist ebenso ein Zusammenhang zwischen Bewertung und ländertypischen Indikatoren erkennbar, aber in anderer Form. In wohlhabenden Ländern mit gesünderen Ökosystemen – zum Beispiel Australien, Schweden und Deutschland – unterschätzen die Studierenden den Faktor Verschmutzung häufiger. Vermutlich werde Verschmutzung in diesen Ländern allgemein nicht als Problem wahrgenommen, meint Kleespies, und somit auch nicht als eine der Hauptursachen für den globalen Biodiversitätsverlust. Antworttyp 7 wiederum, der invasiven Arten stark unterschätzt, ist in Länder wie Nigeria und Kenia, in denen invasive Arten weniger häufig sind, eher verbreitet. In Australien und Spanien kommt Typ 7 dagegen nur selten vor – gerade dort stellen invasive Arten ein großes Problem dar.
Welche Schlüsse Kleespies aus der Studie zieht? „Sie zeigt erstmals die großen Wahrnehmungslücken, die die nächste Generation der Entscheidungsträger im Umweltbereich beim Thema Artenvielfaltverlust und seinen Ursachen hat. Diese Lücken müssen geschlossen werden.“ Und da sind die heutigen Entscheidungsträger an den Universitäten und in der Politik gefragt. Sie müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass im Umweltstudium des jeweiligen Landes alle Ursachen des komplexen Problems behandelt werden. „Der Biodiversitätsverlust betrifft uns alle, es ist ein globales Problem. Deshalb braucht es bei Studierenden im Umweltbereich, unabhängig vom Herkunftsland, auch eine globale Sichtweise.“ Die Studie sei ein Appell in diese Richtung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Abteilung Didaktik der Biowissenschaften und Zootierbiologie
Goethe-Universität Frankfurt
Dr. Matthias Kleespies
Tel: +49 (0)69 798-42276
kleespies@em.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Paul W. Dierkes
Tel: +49 (0)69 798-42273
dierkes@bio.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.zoobiology-frankfurt.de/de/forschungsgebiete/umweltbildungsforschung
Originalpublikation:
Matthias Winfried Kleespies, Max Hahn-Klimroth, Paul Wilhelm Dierkes: Perceptions of biodiversity loss among future decision-makers in 37 countries. npj Biodiversity (2024) https://doi.org/10.1038/s44185-024-00057-3
Einführung von Umweltzonen hat mentale Gesundheit gestärkt
Verringert sich die Luftverschmutzung, verbessert sich die mentale Gesundheit. Nachdem Umweltzonen als kommunale Maßnahmen eingerichtet wurden, ist die verkehrsbedingte Luftverschmutzung gesunken – und infolgedessen die Wahrscheinlichkeit für psychische Erkrankungen, zeigt eine neue Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Das Wichtigste in Kürze:
Psychische Erkrankungen verursachen erhebliches Leiden und führen zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Zudem verursachen sie erhebliche direkte Behandlungskosten im Gesundheitssystem sowie indirekte Kosten, beispielsweise durch sinkende ökonomische Produktivität. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die weltweiten Kosten, die durch Depressionen entstehen, auf etwa eine Billion US-Dollar.
Die medizinische Fachliteratur zeigt einen plausiblen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und psychischen Erkrankungen. Eine neue Studie des RWI Essen und des DIW Berlin untersucht den kausalen Effekt im Kontext deutscher Großstädte (über 100.000 Einwohner) anhand administrativer Krankenkassendaten. Aus Datenschutzgründen werden die Individualdaten vor der Analyse auf Postleitzahlebene aggregiert.
Seit 2008 wurden in Deutschland Umweltzonen eingeführt, um EU-Luftqualitätsgrenzen einzuhalten. In diesen Gebieten ist das Befahren mit stark luftverschmutzenden Fahrzeugen verboten. Die vorliegende Studie zeigt, dass sich die Luftqualität durch die Maßnahme deutlich verbessert hat. In den betroffenen Gebieten ist die Belastung durch Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) deutlich gesunken. Nach Einführung der Umweltzonen sind in den betroffenen Gebieten die Feinstaubkonzentrationen um rund 10 Prozent (Reduktion von 2,5 µg/m³) und die Stickstoffdioxid-Werte um etwa 15 Prozent (Reduktion von 4,8 µg/m³) zurückgegangen.
Durch die kombinierte Verringerung von Feinstaub und Stickstoffdioxid verbessert sich die mentale Gesundheit erheblich. Die bessere Luftqualität senkt das Risiko einer diagnostizierten Depression um 3,5 Prozent. In den erfassten Gebieten bedeutet dies, dass die Inzidenz von 6,7 auf 6,5 Prozent sinkt. Ebenso reduziert sich das Risiko einer diagnostizierten Angststörung um 4 Prozent, somit sinkt die Inzidenz in den Gebieten von 6,2 auf 6 Prozent. Darüber hinaus sinkt die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, um etwa 4 Prozent (Reduktion der Inzidenz von 7,3 auf 7 Prozent). Das Risiko, Spezialisten wie Psychotherapeuten oder Psychiater aufsuchen zu müssen, reduziert sich um 5,7 Prozent, was in den Gebieten einer Verringerung der Inzidenz von 6,2 auf 5,9 Prozent entspricht.
Ein Blick auf die betroffenen Personengruppen zeigt: Insbesondere für jüngere Personen (15- bis 29-Jährige) sinkt das Risiko einer psychischen Erkrankung, wenn die Luftqualität steigt. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass die Feinstaubbelastung aufgrund der andauernden Entwicklung des Gehirns bei jüngeren Personen erhebliche Schäden verursachen kann. Außerdem sind letztere aufgrund ihres Lebensstils häufiger hoher Luftverschmutzung in Innenstädten ausgesetzt.
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Umweltzonen in Deutschland pro Jahr etwa 23.000 Fälle diagnostizierter Depressionen verhindert haben, was zu jährlichen Einsparungen bei den öffentlichen Gesundheitsausgaben in Höhe von 150 bis 200 Millionen Euro geführt hat.
Aus der medizinischen Forschung der vergangenen Jahre ist bekannt, dass durch Luftverschmutzung hervorgerufene Entzündungen und oxidativer Stress im menschlichen Körper Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verursachen können. Ähnliche Entzündungsprozesse spielen auch bei der Entwicklung von mentalen Erkrankungen eine Rolle. Insgesamt deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass die verkehrsbedingte Luftverschmutzung erhebliche Auswirkungen auf die mentale Gesundheit hat – und zwar in ähnlicher Größenordnung wie auf die kardiovaskuläre Gesundheit.
Die Studie basiert auf administrativen Gesundheitsdaten einer deutschen Krankenversicherung, geografischen Daten des Umweltbundesamtes (UBA) und kleinräumigen Daten des RWI-GEO-GRID Datensatzes, welche durch das Forschungsdatenzentrum Ruhr am RWI (FDZ Ruhr) bereitgestellt werden. Der Untersuchungszeitraum reicht von 2005 bis 2019.
„Unsere Studie untersucht die Beziehung zwei drängender Probleme mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Wir stellen fest, dass eine bessere Luftqualität in Großstädten auch die mentale Gesundheit erheblich verbessern kann“, sagt RWI-Wissenschaftler Johannes Brehm. „Umweltzonen schützen somit Betroffene, insbesondere junge Menschen. Das ist besonders wichtig, denn die psychische Gesundheit dieser Altersgruppe hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Johannes Brehm, johannes.brehm@rwi-essen.de, Tel.: (0)30 / 2021 598-24
Originalpublikation:
https://www.rwi-essen.de/fileadmin/user_upload/RWI/Publikationen/Ruhr_Economic_P…
Eisen als günstiger Wasserstoffspeicher
ETH-Forschende verwenden Eisen, um Wasserstoff sicher und langfristig zu speichern. Die Technologie könnte in Zukunft für die saisonale Energiespeicherung eingesetzt werden.
Bis 2050 soll Photovoltaik über 40 Prozent des Schweizer Strombedarfs decken. Doch Solarstrom fliesst nicht immer dann, wenn man ihn braucht: Im Sommer gibt es zu viel davon und im Winter, wenn die Sonne seltener scheint und Wärmepumpen auf Hochtouren laufen, zu wenig. Gemäss der Energiestrategie des Bundes will die Schweiz die Winterstromlücke mit einer Kombination aus Importen, Wind- und Wasserkraft sowie durch alpine Solaranlagen und Gaskraftwerke schliessen.
Eine Möglichkeit, den Anteil der Importe und von Gaskraftwerken im Winter möglichst klein zu halten, ist die Produktion von Wasserstoff aus günstigem Solarstrom im Sommer, der dann im Winter versromt werden könnte. Doch Wasserstoff ist hochentzündlich, extrem flüchtig und macht viele Materialien spröde. Um das Gas vom Sommer bis in den Winter zu speichern, sind spezielle Druckbehälter und Kühltechniken erforderlich. Diese benötigen viel Energie und der Bau der Speicheranlagen ist aufgrund der vielen Sicherheitsvorkehrungen sehr teuer. Zudem sind Wasserstofftanks nie ganz dicht, was die Umwelt belastet und zusätzliche Kosten verursacht.
ETH-Forschende um Wendelin Stark, Professor für funktionale Materialien am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, haben nun eine neue Speichertechnik entwickelt, um Wasserstoff saisonal zu speichern. Diese Art der Speicherung ist viel sicherer und günstiger als bestehende Lösungen. Dazu nutzen die Forschenden eine bekannte Technologie und das vierthäufigste Element der Erde: Eisen.
Chemische Speicherung
Um Wasserstoff besser speichern zu können, stützen sich Stark und sein Team auf das Eisen-Dampf-Verfahren, das bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist. Wenn in den Sommermonaten zu viel Solarstrom vorhanden ist, kann damit Wasser aufgespalten werden, um Wasserstoff zu erzeugen. Dieser Wasserstoff wird dann in einen 400 Grad Celsius heissen Edelstahlkessel geleitet, der mit natürlichem Eisenerz gefüllt ist. Dort entzieht der Wasserstoff dem Eisenerz – das chemisch nichts anderes ist als Eisenoxid – den Sauerstoff, wodurch elementares Eisen und Wasser entstehen.
«Dieser chemische Prozess gleicht dem Aufladen einer Batterie. So kann die Energie des Wasserstoffs fast verlustfrei über lange Zeit als Eisen und Wasser gespeichert werden», erklärt Stark. Wird die Energie im Winter wieder benötigt, drehen die Forscher den Prozess um: Sie leiten heissen Wasserdampf in den Kessel, wodurch aus dem Eisen und Wasser wieder Eisenoxid und Wasserstoff entstehen. Der Wasserstoff kann dann in einer Gasturbine oder Brennstoffzelle in Strom oder Wärme umgewandelt werden. Um für den Entladevorgang möglichst wenig Energie zu brauchen, wird die Abwärme der Entladereaktion genutzt, um den Wasserdampf zu erzeugen.
Billiges Eisenerz trifft teuren Wasserstoff
«Der grosse Vorteil der Technologie ist, dass das Ausgangsmaterial Eisenerz einfach und in grossen Mengen zu beschaffen ist. Zudem müssen wir es nicht einmal aufbereiten, bevor wir es in den Kessel geben», sagt Stark. Die Forschenden gehen zudem davon aus, dass man weltweit grosse Eisenerz-Speicher bauen könnte, ohne den Weltmarktpreis von Eisen substanziell zu beeinflussen.
Auch der Kessel, in dem die Reaktion stattfindet, muss keine besonderen Sicherheitsauflagen erfüllen. Er besteht aus nur sechs Millimeter dicken Edelstahlwänden. Die Reaktion läuft unter normalem Druck ab und die Speicherkapazität steigt mit jedem Zyklus. Der Kessel mit Eisenoxid kann für beliebig viele Speicherzyklen wiederverwendet werden, ohne dass man das Eisenoxid austauschen muss. Ein weiterer Vorteil der Technologie ist, dass die Forschenden die Speicherkapazität leicht vergrössern können. Man muss nur grössere Kessel bauen und mehr Eisenerz einfüllen. Alle diese Vorteile machen die Speichertechnologie schätzungsweise rund zehn Mal günstiger als bestehende Verfahren.
Die Verwendung von Wasserstoff hat jedoch auch einen Nachteil: Seine Herstellung und Umwandlung sind im Vergleich zu anderen Energieträgern ineffizient, da dabei bis zu 60 Prozent der Energie verloren geht. Wasserstoff ist daher als Speichermedium vor allem dann interessant, wenn genügend Wind- oder Solarstrom vorhanden ist und andere Optionen nicht in Frage kommen. Dies ist vor allem bei industriellen Verfahren der Fall, die nicht elektrifiziert werden können.
Pilotanlage am Campus Hönggerberg
Die technische Machbarkeit der Speichertechnologie haben die Forschenden anhand einer Pilotanlage am Campus Hönggerberg demonstriert. Diese besteht aus drei 1,4 Kubikmeter grossen Edelstahlkesseln, die die Forschenden mit jeweils zwei bis drei Tonnen am Markt erhältlichen, unbehandeltem Eisenerz gefüllt haben.
«Die Pilotanlage kann langfristig rund zehn Megawattstunden Wasserstoff speichern. Je nachdem wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus vier bis sechs Megawattstunden Strom», erklärt Samuel Heiniger, Doktorand in der Forschungsgruppe von Wendelin Stark. Dies entspricht dem Strombedarf von drei bis fünf Schweizer Einfamilienhäusern in den Wintermonaten. Die Anlage läuft aktuell noch mit Strom aus dem Netz und nicht mit dem auf dem Campus Hönggerberg gewonnenen Solarstrom.
Das soll sich bald ändern: Bis 2026 wollen die Forschenden die Anlage ausbauen und ein Fünftel des Strombedarfs des ETH Campus Hönggerberg im Winter mit eigenem Solarstrom aus dem Sommer decken. Dafür wären Kessel mit einem Volumen von 2’000 Kubikmeter nötig, die rund vier Gigawattstunden grünen Wasserstoff speichern können. Nach seiner Umwandlung in Strom würde der gespeicherte Wasserstoff rund zwei Gigawattstunden Strom liefern. «Diese Anlage könnte als saisonaler Energiespeicher einen kleinen alpinen Stausee ersetzen. Zum Vergleich: Dies wäre etwa ein Zentel der Kapazität des Pumpspeicherkraftwerkes Nate de Drance», sagt ETH-Professor Stark. Zudem würden bei der Entladung zwei Gigawattstunden Wärme anfallen, die die Forschenden in das Heizungssystem des Campus’ integrieren wollen.
Gut skalierbar
Doch würde die Technologie auch für die saisonale Energiespeicherung der gesamten Schweiz funktionieren? Die Forschenden haben dazu erste Berechnungen angestellt: Würde die Schweiz in Zukunft jedes Jahr rund zehn Terrawattstunden Strom aus saisonalen Wasserstoffspeichern beziehen – was zugegebenermassen sehr viel wäre – wären dafür etwa 15 bis 20 TWh grüner Wasserstoff und etwa 10’000’000 Kubikmeter Eisenerz notwendig. «Diese Menge an Eisen entspricht etwa zwei Prozent dessen, was Australien, der grösste Produzent von Eisenerz, jedes Jahr abbaut», erklärt ETH-Professor Stark. Zum Vergleich: Das Bundesamt für Energie rechnet in seinen Energieperspektiven 2050 mit einem Gesamtstromverbrauch von rund 84 TWh im Jahr 2050.
Würde man Tanks bauen, die je etwa eine Gigawattstunde Strom speichern können, hätten diese ein Volumen von rund 1000 Kubikmetern. Dafür wird Bauland von etwa 100 Quadratmetern benötigt. Von diesen Speichertanks müsste die Schweiz rund 10’000 bauen, um im Winter zehn Terrawattstunden (TWh) Strom zu beziehen, was etwa einer Fläche von einem Quadratmeter pro Einwohner entspricht.
Originalpublikation:
Heiniger, SP; Fan Z; Lustenberger UB, Stark WJ: Safe seasonal energy and hydrogen storage in a 1 : 10 single-household-sized pilot reactor based on the steam-iron process. Sustainable Energy & Fuels 2024, 8 (1), 125-132. DOI: 10.1039/D3SE01228J
Weitere Informationen:
https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2024/08/eisen-als-guen…
Resiliente Wissenschaft für eine Welt im Wandel
Neue Strategie der Alexander von Humboldt-Stiftung verabschiedet
Die Alexander von Humboldt-Stiftung definiert ihre Schwerpunkte bis Ende 2028 in einer neuen Strategie, die nun vom Stiftungsrat verabschiedet wurde. Damit setzt die Stiftung den Weg fort, ihre individuelle, länder- und disziplinenübergreifende Förderung herausragender Wissenschaftler*innen weiter auszubauen und an global veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.
Die neue Strategie ist ein Ergebnis des ersten Amtsjahres von Humboldt-Stiftungspräsident Robert Schlögl und wurde maßgeblich von ihm mitgestaltet. „Die Stiftung sieht den Kern ihres Handelns in der Förderung der Wissenschaften mit einem uneingeschränkten Qualitätsanspruch an ihre Forschenden. Darin und in der Verlässlichkeit über die Zeiten liegt unser Wert, beides schafft Nutzen für unser Land. Dieser Nutzen, den wir als Kulturleistung verstehen und ohne Zweckbindung generieren, wird mit der neuen Strategie um die Dimension einer offenen Wissenschaftsdiplomatie erweitert“, so Robert Schlögl. „Gerade in einer sich wandelnden Welt bringen wir den Schatz unseres Netzwerkwissens für unterschiedliche Zielgruppen in die deutschen Diskurse aktiv ein.“
Vier Wirkungsziele
Als Wirkungsziele der neuen Strategie werden die folgenden vier Bereiche gestärkt: der Wissenschaftsstandort Deutschland, die Wissenschaftsfreiheit und der Schutz gefährdeter Forschender, die Kooperation mit dem Globalen Süden sowie die Gesellschafts- und Politikberatung.
- Stärkung des Wissenschaftsstandorts Deutschland
Die Humboldt-Stiftung gewinnt herausragende internationale Forschende für dauerhafte Kooperationen mit Deutschland. Zur Förderung des Wissenschaftsstandortes will die Stiftung beispielsweise Innovations- und Translationsstipendien auf den Weg bringen und als Matchmaker an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft hoch spezialisierte Fachkräfte für Deutschland gewinnen. In Auswahl und Förderung sollen strukturelle Benachteiligungen beseitigt und Prozesse möglichst noch chancengerechter gestaltet werden. - Stärkung der Wissenschaftsfreiheit
Wissenschaftsfreiheit ist für die Humboldt-Stiftung Basis wissenschaftlicher Qualität, Kreativität und Innovation. Aus der konsequenten Verteidigung freiheitlich-demokratischer Werte folgt, dass die Philipp Schwartz-Initiative für gefährdete Wissenschaftler*innen ein unverzichtbares Kerninstrument bleibt. Die Stiftung setzt sich aber auch für mehr Handlungssicherheit bei internationalen Kooperationen ein. - Globale Herausforderungen mit lokaler Expertise angehen
In Kooperationen mit dem Globalen Süden lernt die Stiftung von ihrem Netzwerk vor Ort. Überzeugt, dass weltweite Herausforderungen nur global und unter Rückgriff auf lokale Expertise adressiert werden können, wird Forschung mit Entwicklungsrelevanz gefördert. Der Fokus liegt auf dem systemischen Nutzen, der aus der Forschungstätigkeit der Geförderten für ihre Heimatregion entsteht. - Gesellschafts- und Politikberatung ausbauen
Politik und Gesellschaft profitieren von der Expertise der Humboldtianer*innen. Mit dem Format des „Humboldt-Kosmos“ schafft die Stiftung ein Dach für faktenbasierte Beratung. Science Diplomacy als Zwei-Wege Kommunikation: Wissen des Humboldt-Netzwerkes soll in die Welt getragen und Wissen aus der Welt nach Deutschland gebracht werden.
Jährlich ermöglicht die Alexander von Humboldt-Stiftung über 2.000 Forscherinnen aus aller Welt einen wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland. In weltweit über 140 Ländern pflegt die Stiftung ein fächerübergreifendes Netzwerk von mehr als 30.000 Humboldtianerinnen – unter ihnen 61 mit Nobelpreis.
Weitere Informationen:
https://www.humboldt-foundation.de/entdecken/newsroom/pressemitteilungen/strategie-2024-2028 Original Pressemitteilung
http://www.humboldt-foundation.de/entdecken/ueber-die-humboldt-stiftung/strategie-der-alexander-von-humboldt-stiftung Weitere Infos und PDF der Strategie 2024-2028
4. Hofer Wasser-Symposium: Wie die Menschheit ihre Wasserressourcen sichern kann – jetzt anmelden!
Am 15. und 16. Oktober 2024 veranstaltet das Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa) in Kooperation mit dem Kompetenznetzwerk Wasser und Energie e.V. das 4. Hofer Wasser-Symposium. In den Räumlichkeiten des Instituts für Informationssysteme (iisys) stehen dabei an der Hochschule Hof die Sicherung der globalen, aber auch der regionalen Wasservorräte im Mittelpunkt. Als Redner wird unter anderem Sänger und Wasseraktivist Rolf Stahlhofen („Söhne Mannheims“) erwartet.
Unter dem Leitthema „Sicherung von Wasserressourcen in Dürrezeiten“ erwartet die Teilnehmenden ein interaktives und vernetzendes Programm.
Offen für Fachleute und Öffentlichkeit
Im Rahmen der Ausstellung präsentieren sich neben dem inwa und dem Kooperationspartner Kompetenznetzwerk Wasser und Energie e.V. viele weitere Unternehmen aus der Wasserwirtschaft. „Das Hofer Wasser-Symposium ist eine Fachveranstaltung mit integrierter Ausstellung, die sich an Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Bereich der Wasserwirtschaft richtet. Dies können Verantwortliche der Trinkwasserversorgung oder der Abwasserentsorgung sein, aber auch Unternehmen, die z.B. durch ihre Technik oder durch Software die Wasserwirtschaft gestalten“, so Institutsleiter Prof. Günter Müller-Czygan. Auch Behördenvertreterinnen und -vertreter sowie die interessierte Öffentlichkeit sind zum Wasser-Symposium herzlich willkommen.
Rolf Stahlhofen: Musiker und engagierter Wasseraktivist
Als Keynote-Speaker beschäftigt sich Dr. Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig mit dem „Langjährigen Wasserhaushalt und Dürre unter dem Einfluss des Klimawandels“. Rolf Stahlhofen, Gründer der Water is Right Foundation (Water Is Right Foundation), Sänger und Wasseraktivist, spricht als weiterer Hauptredner zum Thema “Gute Wasserqualität: ein Menschenrecht in Zeiten des Klimawandels“. Der Musiker, der einen Teil seiner Gage stets in seine Stiftung investiert, hat ein klares Ziel: „Wir möchten in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen Menschen ausreichend Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, so Stahlhofen. Seine Vision sei es, bis 2050 das weltweite Wasserproblem weitestgehend zu lösen.
Trotz zuletzt vielem Regens: Thema weiter brandaktuell
Dass das Thema des Symposiums – trotz vielem Niederschlags in Deutschland im ersten Halbjahr 2024 – weiter brandaktuell ist, betont Organisator und Institutsleiter Prof. Günter Müller-Czygan: „Regional hat sich die kritische Situation der Grundwasserpegel sowie der Bodenfeuchte in den oberen Schichten erkennbar verbessert. Aber die Gefahr mangelnder Wasser-Verfügbarkeit in Dürrezeiten bleibt für viele Regionen natürlich unvermindert bestehen. Immer sichtbarer werden die Folgen einer jahreszeitlichen Verschiebung von Niederschlägen. Sommerliche Trockenperioden verlängern sich, die Grundwasserneubildung im Sommer geht weiter zurück, was durch die verringerte Versickerung von Starkregen durch ausgetrocknete Böden verstärkt wird, insbesondere nach längeren Trockenperioden.“ Die Stellvertretende Institutsleiterin Prof. Dr. Manuela Wimmer ergänzt: „Auf der anderen Seite brauchen wir mehr Grün in den Städten, und Land- sowie Fortwirtschaft müssen zukünftig verstärkt bewässert werden, wodurch der zunehmende Wasserbedarf einen weiteren Stressfaktor darstellt. Nicht zuletzt erhöhen Niedrigwasserstände in unseren Gewässern den Druck auf die Wasserwirtschaft, alle wasserrelevanten Bedarfe in ausreichender Menge und Qualität dauerhaft sicherzustellen.“
Innovationstransfer für lokale Entscheidungsträger
Zahlreiche Initiativen der Länder, des Bundes und auch auf EU-Ebene befassen sich derzeit aus unterschiedlicher Perspektive mit einer zukunftsfähigen Wasserressourcensicherung vor dem Hintergrund der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels. Zudem gibt es viele neue technische und organisatorische Impulse aus Wirtschaft und Wissenschaft mit Wasser effizienter umzugehen, eine Mehrfachnutzung zu erhöhen oder alternative Wasserressourcen zu erschließen. „Obwohl viele Lösungen vorhanden sind, ist der Weg in die Praxis aber noch steinig und bedarf einer schnelleren Umsetzung angesichts der zunehmenden Risiken. Dabei stehen die Städte und Kommunen als Gestalter der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung an vorderster Front und benötigen einen wirksamen Innovationstransfer auf die jeweilige lokale Situation“, so Prof. Dr. Manuela Wimmer. Gleichzeitig müssten in Frage kommende Lösungen und Maßnahmen zur Wasserressourcensicherung insbesondere in Dürrezeiten als passender Baustein in die stetig steigende kommunale Aufgabenvielfalt integriert werden.
Innovative Diskussionsformate
Klassische Vortragsformate mit anschließender Diskussion werden beim 4. Hofer Wassersymposium ergänzt durch neuartige, innovative Formate wie einer „Fishbowl-Diskussion“, welche die Möglichkeit bietet, mit den Keynote-Speakern und Vertretern aus Wissenschaft und Unternehmen in den Dialog zu treten. Ein Platz in der „Fishbowl“ ist dabei stets frei, um aktiv teilnehmen zu können, Fragen zu stellen oder Meinungen austauschen zu können.
Anmeldung und Anmeldegebühr
Eine Anmeldung ist bis 16. September 2024 möglich.
Das detaillierte Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter: 4. Hofer Wasser-Symposium – inwa (hof-university.de)
Bild: Rolf Stahlhofen (Quelle: Water is Right Foundation);
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Günter Müller-Czygan
+49 9281 409 – 4683
guenter.mueller-czygan@hof-university.de
Anhang
Wie die Menschheit ihre Wasserressourcen sichern kann
Weniger Dünger für mehr Umweltschutz
DBU fördert innovatives Saatgutprojekt mit 432.000 Euro
Osnabrück. Der ressourcen- und umweltschonende Umgang mit Düngemitteln ist seit Jahren Zankapfel nicht nur innerhalb der Europäischen Union (EU), sondern auch in Deutschland. Erst im Juli lehnte der Bundesrat die vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen am Düngegesetz ab. Linderung für Landwirtschaft und Umwelt verspricht nun ein Verfahren, das die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 432.000 Euro fördert und vom Osnabrücker Biotech-Betrieb SeedForward entwickelt wurde: eine biobasierte Saatgutbehandlung in Kombination mit Mikroorganismen für weniger Düngereinsatz und mehr Umweltschutz.
„Ungeahnte Potentiale nicht nur in Deutschland“
„Das Projekt hat uns sehr überzeugt“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Es ist hoch innovativ und äußerst praxisrelevant. Denn es bündelt die Ziele aller Beteiligten: Gleichbleibende Erträge bei reduziertem Düngemitteleinsatz, ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden. Die Methode schont Wasser und Boden – aber eben auch die Geldbeutel von Bäuerinnen und Bauern, weil sie weniger düngen müssen.“ Bonde weiter: „Die derzeitigen Feldversuche sind vielversprechend und können ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen und regenerativen Agrarwirtschaft sein – mit völlig ungeahnten Potentialen nicht nur in Deutschland.“ Die zuständige Referentin Dr. Susanne Wiese-Willmaring sieht ebenfalls „großes Zukunftspotential“ in dem SeedForward-Projekt, das Anfang dieses Jahres gestartet ist und noch bis Ende 2026 mit Feldversuchen an verschiedenen Standorten im Bundesgebiet läuft. „Die biobasierte Saatgutbehandlung verbessert die Wurzelentwicklung und erhöht damit zugleich die Nährstoffnutzung der Pflanzen“, so Wiese-Willmaring. In der Folge werde die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitserreger und Mangelerscheinungen gesteigert.
Negative Folgen für das Ökosystem minimieren
SeedForward-Gründer Jan Ritter, der gemeinsam mit Jacob P. Rohn die Geschicke des seit 2017 bestehenden Unternehmens mit mittlerweile rund zwei Dutzend Mitarbeitenden leitet, ist jedenfalls optimistisch: „Mit unseren Produkten und Wirkstoffen können wir die Mengen der eingesetzten Stickstoff- und Phosphatdüngemittel substanziell vermindern.“ Und das sei „dringend notwendig, um die negativen Folgen fürs Ökosystem zu minimieren. Denn ein Übermaß an Nährstoffen hat nicht nur für den Boden gravierende Folgen, sondern auch im Wasser: Es kommt zu einem Entzug von Sauerstoff, vermehrtem Algenwachstum – und dem Verlust an Biodiversität.“ Gewässer wie der Dümmer in Niedersachsen „könnten kippen“.
„Hochkomplexer Cocktail aus biobasierten Wirksubstanzen“
Die SeedForward-Entwicklung besteht nach Ritters Worten darin, „dass wir Biostimulanzien auf das Saatgut aufbringen und so das Wurzelwachstum anregen. Durch eine größere Wurzeloberfläche können die Pflanzen mehr Nährstoffe aufnehmen, brauchen also nicht so viel gedüngt zu werden“. Bei den aktuellen Feldversuchen dreht sich alles um Brotweizen, Mais und Raps. Künftig kommen dafür auch Zuckerrüben, Leguminosen und Gemüse in Frage. Die biobasierte Ummantelung von Pflanzensamen sei eine Alternative zur bisherigen Praxis der Beizung mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen mit oftmals natur- und umweltschädigenden Folgen, etwa für Insekten. Zum Einsatz kommt beim SeedForward-Verfahren laut Ritter „ein hochkomplexer Cocktail aus biobasierten Wirksubstanzen“.
Einsatz frei lebender, stickstoff-fixierender Organismen
Das ist aber noch nicht alles. Der SeedForward-Gründer: „Wir applizieren zudem Bakterien, die sich positiv auf die Phosphatmobilisierung auswirken.“ Das sei wichtig, da Phosphat im Boden meistens festgebunden sei und für Pflanzen nicht im gewünschten Maß als Nährstoff zur Verfügung stehe. Hinzu kommt: „Wir setzen zudem frei lebende, stickstoff-fixierende Organismen über Blatt und Boden ein“, so Ritter. Auch das diene dem Ziel, die Pflanzen mit zusätzlichen Nährstoffen zu versorgen – und so Düngemittel zu minimieren. Ritter: „Bei Brotweizen, Mais und Raps werden bundesweit im Durchschnitt pro Hektar derzeit rund 200 Kilogramm Stickstoff ausgebracht. Wir wollen eine Ersparnis von 10 bis 20 Prozent erzielen.“
Überdüngung Gefahr für Menschen, Tiere und Umwelt
Neben Phosphat zählen Stickstoff und Kalium zu den Hauptnährstoffen von Pflanzen, sorgen für deren Wachstum und entscheiden letztlich über den Ernte-Ertrag. Das Problem: Seit Jahren kommt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Ländern zu einer Überdüngung. Brüssel hat deshalb in den vergangenen Jahren mehrfach Vertragsverletzungsverfahren unter anderem gegen Berlin in Gang gebracht. Werden Böden überdüngt, hat das negative Folgen für Menschen, Tiere und Umwelt: Die überschüssigen Nährstoffe können von den Pflanzen nicht mehr aufgenommen werden und gelangen durch Auswaschung nicht nur ins Grundwasser, sondern über Oberflächenabfluss in Flüsse und Meere. Eine erhebliche Rolle im Zusammenhang mit der Stickstoffdüngung spielt Nitrat, das oft als mineralischer Dünger zugeführt wird. Nimmt der Mensch zu viel Nitrat über Nahrung und Trinkwasser auf, besteht die Gefahr der Umwandlung in das krebserregende Nitrit.
Weitere Informationen:
https://www.dbu.de/news/weniger-duenger-fuer-mehr-umweltschutz/ Online-Pressemitteilung
Neue Antibiotika braucht die Welt!
Journalistenseminar „Auf der Suche nach neuen Antibiotika und Wirkstoffen aus Bakterien“ des Leibniz-Instituts DSMZ in Braunschweig am 14. November 2024
Eine zunehmende und besorgniserregende Antibiotika-Krise bedroht Menschen weltweit. Global kommt es immer häufiger zu Antibiotika-Resistenzen und Millionen Menschen versterben daran. Arbeitsgruppen von Wissenschaftlern sind weltweit auf der Suche nach neuen Antibiotika. In diesem Bereich forschen auch die Mitarbeitenden der Abteilung Bioressourcen für die Bioökonomie und Gesundheitsforschung unter der Leitung von Prof. Dr. Yvonne Mast am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig.
Nicht nur die WHO sieht die Antibiotika-Resistenzen als eine globale Bedrohung für die Gesundheit von Menschen an. Mindestens 1,3 Millionen Menschen sterben jährlich weltweit, weil Antibiotika bei ihrer Infektion nicht (mehr) wirken. Die Wissenschaft stellt sich einer der größten Herausforderungen für die Gesundheitsforschung: der Entstehung und Verbreitung multiresistenter Erreger (MRE) entgegenzuwirken, neue Wirkstoffe (insbesondere Antibiotika) zu entwickeln und die Bakteriophagen-Forschung voranzutreiben. Das Leibniz-Institut DSMZ ist die umfangreichste Bioressourcen-Sammlung weltweit und unterstützt global Forschende der Lebenswissenschaften – nicht nur in der Antibiotika- und Bakteriophagen-Forschung.
Der Themenbereich Antibiotika, Resistenzen und Infektionen ist höchst komplex und daher bieten die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts DSMZ Journalisten die Möglichkeit, am 14. November 2024 an einem Journalistenseminar in Braunschweig teilzunehmen und wichtige Einblicke in die moderne Wirkstoffforschung zu erhalten. Ablauf des Journalisten-Seminars „Auf der Suche nach neuen Antibiotika und Wirkstoffen aus Bakterien: „Neue Antibiotika braucht die Welt!“ am 14. November 2024, 10.00 bis 17.00 Uhr, Leibniz-Institut DSMZ, Science Campus Braunschweig-Süd, Gebäude B2:
Vorstellung der vielfältigsten Bioressourcen-Sammlung der Welt und ihrer Forschungsschwerpunkte
Neues aus der Wirkstoffforschung – die Suche nach neuen Antibiotika aus Actinomyceten etc., Prof. Dr. Yvonne Mast
Genetik und Biologie von Streptomyceten als Antibiotika-Produzenten, Dr. Juan-Pablo Gomez Escribano
Die Vielfalt der Actinomyceten und ihre Bedeutung, Dr. Imen Nouioui
Führung durch das Actinomyceten-Labor, Möglichkeit für Fotos und Diskussion mit den beteiligten Forschenden
Aktivierung stiller Antibiotikasynthese-Gencluster zur Findung neuer Wirkstoffe,
Dr. Roman Makitrynskyy
Screening nach neuen Phosphonat-Antibiotika aus Actinomyceten der DSMZ, Alina Zimmermann
Antibiotikaproduzenten aus der Antarktis, Ulrike Tarazona
Phagen und deren Wirksamkeit gegen pathogene Actinomyceten, Dr. Clara Rolland/Dr. Johannes Wittmann
Führung durch das Hauptgebäude des Leibniz-Instituts DSMZ (Abteilungen für Pflanzenviren, Menschliche und Tierische Zellkulturen sowie Mikroorganismen)
Die Teilnahme, inklusive Mittagessen, Getränke und Imbiss, ist kostenlos. Reisekosten können nicht übernommen werden. Anmeldung bis zum 7. November 2024, 10.00 Uhr.
DSMZ-Pressekontakt:
PhDr. Sven-David Müller, Pressesprecher des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Tel.: 0531/2616-300, E-Mail: press@dsmz.de
Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist die weltweit vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen (Bakterien, Archaeen, Protisten, Hefen, Pilze, Bakteriophagen, Pflanzenviren, genomische bakterielle DNA sowie menschliche und tierische Zellkulturen). An der DSMZ werden Mikroorganismen sowie Zellkulturen gesammelt, erforscht und archiviert. Als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist die DSMZ mit ihren umfangreichen wissenschaftlichen Services und biologischen Ressourcen seit 1969 globaler Partner für Forschung, Wissenschaft und Industrie. Die DSMZ ist als gemeinnützig anerkannt, die erste registrierte Sammlung Europas (Verordnung (EU) Nr. 511/2014) und nach Qualitätsstandard ISO 9001:2015 zertifiziert. Als Patenthinterlegungsstelle bietet sie die bundesweit einzige Möglichkeit, biologisches Material nach den Anforderungen des Budapester Vertrags zu hinterlegen. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Das Institut mit Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd beherbergt mehr als 88.000 Bioressourcen und hat fast 230 Beschäftigte. www.dsmz.de
Über die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de
Forschung hat Fischbestände zu optimistisch eingeschätzt: GEOMAR-Experte fordert realistischere Bestandsbewertungen
Es steht schlecht um die Fischbestände weltweit. Bislang galt als Hauptursache der Überfischung, dass die Fischereipolitik Fangmengen stets höher festlegte, als von der Wissenschaft empfohlen. Eine neue Studie zeigt nun, dass auch die Empfehlungen der Wissenschaft oft bereits zu hoch waren. Dr. Rainer Froese vom GEOMAR und Dr. Daniel Pauly von der University of British Columbia ordnen die Ergebnisse ein. In ihrem Perspective Paper, das heute in der Fachzeitschrift Science zusammen mit der neuen Studie erscheint, fordern die beiden Fischerei-Experten einfachere aber genauere Modelle und im Zweifelsfall eine konservativere Bestandsbewertung.
Weltweit sind viele Fischbestände durch Überfischung bedroht oder bereits zusammengebrochen. Ein Grund für diese fatale Entwicklung ist, dass sich die Politik oftmals über die von Wissenschaftler:innen errechneten Höchstfangmengen hinweggesetzt hat. Diese Mengen waren als Grenzwerte gedacht, die es unbedingt einzuhalten galt, um die Bestände nicht zu gefährden. Doch nun zeigt sich, dass auch die Empfehlungen der Wissenschaft bereits deutlich zu hoch waren.
In der Europäischen Union (EU) zum Beispiel wird die Fischerei hauptsächlich durch zulässige Höchstfangmengen, die so genannten Fangquoten, gemanagt. Diese werden vom Europäischen Ministerrat, also den Landwirtschaftsminister:innen der Mitgliedsstaaten, basierend auf wissenschaftlicher Beratung und den Empfehlungen der EU-Kommission beschlossen. Eine neue Studie australischer Wissenschaftler:innen (Edgar et al.) zeigt nun, dass bereits diese wissenschaftliche Beratung oft zu hohe Fangmengen empfiehlt.
Das Fachmagazin Science, in dem die Studie heute veröffentlicht wird, hat zwei der weltweit meistzitierten Fischerei-Experten, Dr. Rainer Froese vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Dr. Daniel Pauly von der University of British Columbia, gebeten, die Ergebnisse einzuordnen. In ihrem Perspective Paper plädieren sie für einfachere, aber realistischere Modelle, die auf ökologischen Grundlagen basieren und für eine im Zweifelsfall konservativere Bestandsbewertung und -bewirtschaftung.
Für die Studie analysierten Edgar et al. Daten von 230 Fischbeständen weltweit und stellten fest, dass Bestandsabschätzungen oft viel zu optimistisch waren. Sie überschätzten, wie viele Fische einer Art es noch gibt und wie schnell sich Fischbestände erholen können. Besonders betroffen sind durch Überfischung geschrumpfte Bestände. Die Überbewertungen führten bei ihnen zu so genannten Phantom-Erholungen: Sie wurden als erholt eingestuft, obwohl sie in Wirklichkeit weiter schrumpften. „Das führte dazu, dass Fangmengen nicht ausreichend reduziert wurden, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre“, erklärt Dr. Rainer Froese, „leider ist dies kein Problem der Vergangenheit. Die bekannten Überschätzungen der Bestandsgrößen aus den letzten Jahren werden auch jetzt nicht zur Korrektur der aktuellen Bestandsgrößen herangezogen.“
Die Untersuchungen von Edgar et al. zeigen außerdem, dass fast ein Drittel der Bestände, die von der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization, FAO) als „maximal nachhaltig befischt“ eingestuft werden, die Schwelle zur Überfischung bereits überschritten haben. Zudem sind weit mehr Bestände zusammengebrochen als bisher angenommen: Innerhalb der Kategorie „überfischt“ schätzen die Autoren der Studie, dass die Zahl der kollabierten Bestände (das sind Bestände, die weniger als zehn Prozent ihrer früheren maximalen Biomasse aufweisen) wahrscheinlich um 85 Prozent höher liegt ist als bisher angenommen.
Aber woher kommt die beobachtete Verzerrung in den Bestandsbewertungen? Die Standard-Bestandsabschätzungen verwenden Modelle, die mehr als 40 verschiedene Parameter enthalten können, zum Beispiel zur Lebensgeschichte der Fische, zu Fangdetails, und zum Fischereiaufwand. Diese Vielzahl von Variablen mache die Abschätzungen unnötig komplex, schreiben Froese und Pauly. Die Ergebnisse könnten nur von wenigen Experten reproduziert werden, die Zugang zu den Originalmodellen und -daten haben. Darüber hinaus seien mehrere der erforderlichen Eingabeparameter unbekannt oder schwer zu schätzen, so dass die Modellierer stattdessen auf weniger belastbare Werte zurückgreifen, die in der Vergangenheit funktioniert haben. Froese: „Solche Praktiken können die Ergebnisse stark auf die Erwartungen der Modellierer beschränken.“
Die Autoren fordern daher eine Überarbeitung der aktuellen Bestandsbewertungsmodelle. Sie plädieren für einfachere, realistischere Modelle, die auf ökologischen Grundlagen basieren. Zudem sollte das Vorsorgeprinzip stärker angewandt werden: Bei Unsicherheiten sollten eher konservative Schätzungen verwendet werden, um die Bestände zu schützen. „Eigentlich ist nachhaltige Fischerei ganz einfach“, sagt Dr. Rainer Froese: „Es darf immer nur weniger Fisch entnommen werden als nachwächst.“ Die Fische müssen sich vermehren können, bevor sie gefangen werden, außerdem braucht es umweltschonende Fanggeräte und die Einrichtung von Schutzzonen. Funktionelle Nahrungsketten müssen erhalten werden, indem weniger Futterfische wie Sardellen, Sardinen Heringe oder auch Krill gefangen werden – das sind die Prinzipien der ökosystembasierten nachhaltigen Fischerei. Froese: „Vier dieser fünf Prinzipien lassen sich auch ohne Kenntnis der Bestandsgröße umsetzen.“
Originalpublikation:
Froese, R., Pauly, D. (2024): Taking stock of global fisheries. Current stock assessment models overestimate productivity and recovery trajectory. Science
DOI: 10.1126/science.adr5487
https://doi.org/10.1126/science.adr5487
Weitere Informationen:
http://www.geomar.de/n9563 Bildmaterial zum Download (nach Ablauf des Embargos)
https://www.geomar.de/entdecken/fischereiforschung Fischereiforschung am GEOMAR
https://www.fishbase.de/ Globale Fischdatenbank von Rainer Froese und Daniel Pauly
http://www.science.org/doi/10.1126/science.adl6282 Studie von Edgar et al.
Alkohol als Speichermedium: Power-to-Methanol könnte zu einem Standbein der Energiewende werden
Effiziente Speichertechnologien sind eine tragende Säule eines regenerativen Energiesystems, um überschüssigen Strom zwischenzuspeichern. Methanol könnte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zukommen. Die große Frage dabei ist, wie sich solche Power-to-Methanol-Systeme in eine künftige Infrastruktur der Erneuerbaren integrieren und wirtschaftlich betreiben lassen. Eine Antwort darauf hat Dr. Stefan Fogel vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) durch aufwendige Modellierung und umfangreiche Simulationen während seiner Dissertation gefunden.
Die unstete Verfügbarkeit von Sonne und Wind stellt ein zukünftiges Energiesystem, das auf erneuerbaren Quellen beruht, vor große Herausforderungen. Herrschen beste Wetterbedingungen, wird mitunter mehr Strom generiert, als das Netz abnehmen kann. Damit die Anlagen dann nicht gedrosselt werden müssen, sind kluge Speicherlösungen gefragt. Eine davon könnte Power-to-Methanol sein. Mit dieser wird Überschussstrom aus Solaranlagen oder Windparks zuerst in Wasserstoff und dann zusammen mit Kohlendioxid-Emissionen aus Industrieprozessen in den einfachsten Vertreter der Alkohole umgewandelt.
„Methanol ist ein sehr guter Energiespeicher und hat auf das Volumen bezogen im Vergleich zu Wasserstoff eine viel höhere Energiedichte“, sagt Dr. Stefan Fogel vom HZDR-Institut für Fluiddynamik. „Als Flüssigkeit lässt es sich auch wesentlich einfacher transportieren und speichern.“ Das macht den Alkohol einerseits zu einem idealen Speichermedium. Andererseits ist er aber auch ein wichtiger Grundstoff in der Chemieindustrie. Wie sich der Herstellungsprozess aber in ein regeneratives Energiesystem integrieren lässt, ist noch nicht umfassend erforscht.
„Arbeiten zur stationären und dynamischen Modellierung und Simulation von Power-to-Methanol-Prozessen auf Basis von Hochtemperatur-Elektrolyseuren sind in der wissenschaftlichen Literatur bisher stark unterrepräsentiert“, erklärt der Chemieingenieur. „Gleiches gilt für deren wirtschaftliche Bewertung.“ Deshalb hat sich Fogel für seine Arbeit auf eben jene Elektrolyse-Systeme fokussiert, die bei Betriebstemperaturen über 600 Grad Celsius reinen Wasserstoff erzeugen. Dieser wird ohne weiteren Separationsaufwand direkt in der Synthesestufe genutzt. Das ist effizienter als die heute etablierten Technologien wie zum Beispiel die alkalische Elektrolyse.
Digitaler Zwilling zeigt Potentiale auf
Den digitalen Zwilling, den er dabei vom Power-to-Methanol-System modelliert hat, nutzte er für umfassende Simulationen. „Ich habe mir angeschaut, was passiert, wenn man das System dynamisch betreibt“, geht er ins Detail. Die Frage ist besonders im Hinblick auf regenerative Energien essentiell. Denn heutige Elektrolyseure werden üblicherweise für einen Betrieb rund um die Uhr ausgelegt. Doch dezentral an einem Windpark oder einer Photovoltaik-Anlage angeschlossen, würden die Systeme nur in Zeiten von Energieüberschuss arbeiten. Das bringt einerseits technische Herausforderungen mit sich, beeinflusst aber andererseits auch wesentlich die Kosten für das produzierte Methanol. „Dabei hat sich gezeigt, dass man einen solchen Prozess durchaus flexibilisieren kann“, erläutert Fogel. „Es wäre in Zukunft also möglich, eine Power-to-Methanol-Anlage mit einer Photovoltaik- oder Windkraft-Anlage zu koppeln, im Teillastbetrieb zu fahren und trotzdem kompetitive Produktionskosten zu erzielen.“
Dass man von diesem Punkt heute allerdings noch weit entfernt ist, zeigt seine techno-ökonomische Bewertung der aus den Simulationen gewonnenen Daten. Denn die ergab, dass die Kosten für das Methanol unabhängig von den Prozessverschachtelungen und den eingesetzten Technologien aktuell nicht konkurrenzfähig sind. Das liegt in erster Linie daran, dass fossile Rohstoffe durch die über Jahrzehnte aufgebaute Infrastruktur heute noch konkurrenzlos billig sind. „Durch die Elektrolyse-Technologie entstehen massive Kapitalkosten für die Investitionen in diese Anlagen“, weiß Fogel. „Bis zu 70 Prozent der Kosten entfallen auf die Investition. Die eigentlichen Produktionskosten sind am Ende gar nicht so hoch.“
Das sieht der Forscher allerdings nur als vorübergehende Phase an, die jede neue Technologie durchlaufen müsse. Denn sollte der Markt für Power-to-Methanol in den kommenden Jahren hochlaufen, würden Skaleneffekte die Kosten reduzieren. „Ich habe in meiner Arbeit auch untersucht, wie sich das Thema in den kommenden 20 Jahren entwickeln könnte“, betont der Chemieingenieur. Dazu führte er eine umfangreiche Literaturrecherche durch und projizierte die Kosten in die Zukunft. Das Ergebnis: Es wird eine drastische Kostenreduktion geben. „Im Jahr 2050 könnten wir mit dem Power-to-Methanol-Prozess den Punkt erreicht haben, an dem wir mit den fossilen Energieträgern gleichauf liegen.“
Für seine Dissertation erhielt Dr. Stefan Fogel den Franz Stolze-Preis 2024. Mit dieser Auszeichnung würdigt die TU Dresden herausragende wissenschaftliche Abschlussarbeiten von Studierenden und jungen Wissenschaftler*innen auf dem Gebiet der Energietechnik.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Stefan Fogel, Institut für Fluiddynamik am HZDR
Tel.: +49 351 260-2254 | E-Mail: s.fogel@hzdr.de
Originalpublikation:
S. Fogel, S. Unger, U. Hampel: Operating windows and techno-economics of a power-to-methanol process utilizing proton-conducting high temperature electrolyzers, in Journal of CO2 Utilization, 2024 (DOI: 10.1016/j.jcou.2024.102758)
S. Fogel, S. Unger, U. Hampel: Dynamic system modeling and simulation of a power-to-methanol process based on proton-conducting tubular solid oxide cells, in Energy Conversion and Management, 2024 (DOI: 10.1016/j.enconman.2023.1179702023)
S. Fogel, H. Kryk, U. Hampel: Simulation of the transient behavior of tubular solid oxide electrolyzer cells under fast load variations, in International Journal of Hydrogen Energy, 2019 (DOI: 10.1016/j.ijhydene.2019.02.063)
Weitere Informationen:
https://www.hzdr.de/presse/methanol Link zur Pressemeldung
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2212982024000933 Link zu Publikation 2024
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S019689042301316X Link zu Publikation 2023
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0360319919306470 Link zu Publikation 2019
Planeten enthalten mehr Wasser als gedacht
Das meiste Wasser eines Planeten befindet sich im Allgemeinen nicht auf der Oberfläche, sondern ist tief im Innern versteckt. Dies wirkt sich auf die mögliche Bewohnbarkeit von fernen Welten aus, wie Modellrechnungen von Forschenden der ETH Zürich und der Princeton University zeigen.
Von der Erde weiss man, dass sie einen Kern aus Eisen, darüber einen Mantel aus Silikatgestein und an der Oberfläche zusammenhängende Wassermassen (Ozeane) hat. Dieses einfache Planetenmodell wurde in der Wissenschaft bisher auch verwendet, wenn es um die Erforschung von sogenannten Exoplaneten ging, die ausserhalb unseres Sonnensystems um einen anderen Stern kreisen. «Erst in den letzten Jahren hat man angefangen zu berücksichtigen, dass Planeten komplexer sind», sagt Caroline Dorn, Professorin für Exoplaneten an der ETH Zürich.
Die meisten der Exoplaneten, die man heute kennt, befinden sich nahe bei ihrem Stern. Es sind deshalb vor allem heisse Welten, die noch keinen ausgekühlten Mantel aus Silikatgestein haben wie die Erde, sondern Ozeane aus geschmolzenem Magma. Wasser löst sich sehr gut in diesen Magma-Ozeanen – im Gegensatz beispielsweise zu Kohlendioxid, das schnell ausgast und in die Atmosphäre aufsteigt.
Unter dem geschmolzenen Silikatmantel befindet sich der Eisenkern. Wie steht es nun mit der Verteilung des Wassers zwischen den Silikaten und dem Eisen? Genau dies untersuchte Dorn zusammen mit Haiyang Luo und Jie Deng von der amerikanischen Princeton University mit Hilfe von Modellrechnungen auf der Basis der grundlegenden physikalischen Gesetze. Ihre Ergebnisse präsentieren die Forschenden in der Zeitschrift Nature Astronomy.
Magmasuppe mit Wasser und Eisen
Um die Resultate zu erklären, muss Studienautorin Dorn etwas ausholen: «Der Eisenkern bildet sich erst mit der Zeit. Anfänglich ist noch ein grosser Anteil Eisen in Form von Tröpfchen in der heissen Magmasuppe vorhanden.» Das in der Magmasuppe gelöste Wasser verbindet sich gerne mit diesen Eisen-Tröpfchen und sinkt mit ihnen zum Kern. «Die Eisen-Tröpfchen verhalten sich wie ein Fahrstuhl, der das Wasser nach unten bringt», erklärt Dorn.
Bisher kannte man dieses Verhalten nur für gemässigte Drücke, wie sie auch in der Erde herrschen. Für grössere Planeten mit höheren Drücken im Innern wusste man nicht, was geschieht. «Dies ist eines der wichtigsten Resultate unserer Studie», sagt Dorn: «Je grösser der Planet und je mehr Masse damit vorhanden ist, umso mehr ist das Wasser geneigt, mit den Eisen-Tröpfchen zum Kern zu sinken.» Eisen kann unter bestimmten Bedingungen bis zu 70-mal mehr Wasser aufnehmen als die Silikate. Das Wasser kommt unter dem enormen Druck im Kern dann aber nicht mehr in Form von Wassermolekülen vor, sondern als Wasserstoff und Sauerstoff.
Grosse Wassermengen auch im Erdinnern
Auslöser für diese Studie waren Untersuchungen zum Wassergehalt der Erde, die vor vier Jahren zu einem überraschenden Resultat kamen: Die Ozeane an der Erdoberfläche enthalten nur einen kleinen Teil der gesamten Wassermenge unseres Planeten. Der Inhalt von mehr als 80 Erdozeanen könnte im Erdinnern versteckt sein. Dies zeigen Simulationen, die berechneten, wie sich das Wasser bei Bedingungen verhält, die auf der jungen Erde geherrscht hatten. Experimente und seismologische Messungen sind damit vereinbar.
Die neuen Erkenntnisse über die Wasserverteilung in Planeten haben drastische Auswirkung auf die Interpretation astronomischer Beobachtungsdaten. Mit ihren Teleskopen im All und auf der Erde können die Astronominnen und Astronomen unter bestimmten Umständen messen, wie schwer und wie gross ein Exoplanet ist. Daraus erstellen sie sogenannte Masse-Radien-Diagramme, aus denen sich Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Planeten ziehen lassen. Ignoriert man dabei wie bisher die Löslichkeit und Verteilung des Wassers, so unterschätzt man die Wassermenge drastisch, bis zum Zehnfachen. «Planeten sind viel wasserreicher als bisher gedacht», sagt Dorn.
Entwicklungsgeschichte verstehen
Die Wasserverteilung ist auch wichtig, wenn man verstehen will, wie Planeten entstehen und sich entwickeln. Das Wasser, das in den Kern gesunken ist, bleibt für immer dort eingeschlossen. Das im Magma-Ozean des Mantels gelöste Wasser hingegen kann während der Abkühlung des Erdmantels ausgasen und an die Oberfläche gelangen. «Wenn man also Wasser in der Atmosphäre eines Planeten findet, dann gibt es wahrscheinlich sehr viel mehr davon im Innern», erklärt Dorn.
Danach sucht das James-Webb-Weltraumteleskop, das seit zwei Jahren Daten aus dem All zur Erde sendet. Es kann Moleküle in der Atmosphäre von Exoplaneten aufspüren. «Nur die Zusammensetzung der oberen Atmosphäre von Exoplaneten kann man direkt messen», erklärt die Forscherin: «Wir wollen in unserer Gruppe die Verbindung von der Atmosphäre zum tiefen Inneren der Himmelskörper machen.»
Besonders interessant sind neue Daten des Exoplaneten namens TOI-270d. «Dort hat man Hinweise gesammelt, dass es solche Interaktionen zwischen dem Magma-Ozean im Innern und der Atmosphäre tatsächlich gibt», sagt Dorn, die an der entsprechenden Publikation zu TOI-270d beteiligt war. Auf ihrer Liste von spannenden Objekten, die sie näher untersuchen will, befindet sich auch der Planet K2-18b, der Schlagzeilen machte, weil es darauf vielleicht Leben geben könnte.
Wasserwelten doch lebensfreundlich?
Wasser gilt als eine der Voraussetzungen, dass sich Leben entwickeln kann. Lange wurde über eine mögliche Bewohnbarkeit von wasserreichen Supererden spekuliert, also von Planeten von der Grösse einiger Erdmassen, deren Oberfläche von einem tiefen, globalen Ozean bedeckt ist. Dann legten Berechnungen nahe, dass zu viel Wasser lebensfeindlich sein könnte. Denn auf diesen Wasserwelten würde am Übergang zwischen Ozean und Planetenmantel eine Schicht von exotischem Hochdruckeis den Austausch lebenswichtiger Stoffe verhindern, so die Argumentation.
Die neue Studie kommt nun zu einem anderen Schluss: Welten mit tiefen Wasserschichten kommen wahrscheinlich nicht häufig vor, da sich der Grossteil des Wassers auf Supererden nicht wie bisher angenommen auf der Oberfläche befindet, sondern im Kern eingeschlossen ist. Daher könnten sogar Planeten mit einem relativ hohen Wasseranteil das Potenzial haben, erdähnliche, lebensfreundliche Bedingungen zu entwickeln, vermuten die Forschenden. Ihre Studie werfe damit ein neues Licht auf die mögliche Existenz von wasserreichen Welten, die Leben beherbergen könnten, so das Fazit von Dorn und ihren Kollegen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Caroline Dorn, ETH Zürich, dornc@ethz.ch
Originalpublikation:
Luo H, Dorn C, Deng J. The interior as the dominant water reservoir in super-Earths and sub-Neptunes. Nature Astronomy, 20. August 2024, doi: 10.1038/s41550-024-02347-z
Fortbildung: Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels
Wie lassen sich die Herausforderungen des Klimawandels in städtischen Gebieten angehen? Wie effektive Lösungen entwickeln und umsetzen? Dies lernen Stadtplanende und Mitarbeitende von Kommunen in der Fortbildung » Klimawandelgerechte Stadtgestaltung « des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP.
Hitzeinseln in den Städten, großflächige Überschwemmungen, kräftige Stürme – der Klimawandel wirkt sich zunehmend auf das tägliche Leben aus. Zwar ist generell bekannt, wie sich Hitze, Starkregen und andere Wetterextreme abfedern lassen: Begrünte Hausfassaden, Bäume und offene Wasserflächen etwa können die Temperatur um einige Grad senken. Dennoch tun sich Städte und Kommunen schwer, solche Ansätze zu realisieren. Wie lassen sich Städte klimaresilient gestalten? Welche Lösungen sind am effektivsten? Und wie lassen sich diese umsetzen – trotz begrenzter Ressourcen und mitunter unterschiedlicher Interessen von Betroffenen und Beteiligten?
Fortbildung » Klimawandelgerechte Stadtgestaltung «
In der Fortbildung »Klimawandelgerechte Stadtgestaltung« können sich Stadtplanerinnen, Stadtplaner und Kommunenmitarbeitende in Maßnahmen rund um den Klimawandel schulen lassen. Die Fortbildung wird vom Fraunhofer IBP angeboten und umfasst sowohl Live-Online-Sessions und selbstgesteuerte Lerneinheiten als auch ein zweitägiges Präsenztreffen am Institutsstandort in Stuttgart. Die Besonderheit: Das kompakte Format ist inhaltlich und didaktisch maßgeschneidert. »Wir vermitteln den Teilnehmenden den aktuellen Stand des Wissens zu den tatsächlichen Wirkungen der Maßnahmen«, erläutert Sabine Giglmeier, Gruppenleiterin am Fraunhofer IBP. »Zudem haben wir Tester*innen in die Entwicklung der Fortbildung mit einbezogen und ihr Feedback in die Gestaltung der Inhalte einfließen lassen.«
Die Teilnehmenden werden für die Herausforderungen des Klimawandels sensibilisiert und praxisnah befähigt, Städte klimaresilient zu gestalten und Anpassungsmaßnahmen zielgerichtet in kommunale Planungsprozesse zu integrieren. Sie erfahren nicht nur, wie sich der Klimawandel in Städten auswirkt, sondern auch, welche potenzielle Anpassungsmaßnahmen was bewirken können. So lernen sie beispielsweise mit dem Stadtklimasimulationsmodell PALM-4U vorab zu berechnen, wie sich bestimmte Maßnahmen in ihrer Stadt oder Kommune konkret auswirken würden. Damit die Software möglichst praxisnah ist, haben die Forschenden des Fraunhofer IBP sie gemeinsam mit Kommunen entwickelt und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten.
Auch die Themen Biodiversität, Stadtgrün, praktische Planung und Umsetzung sowie kommunale Prozesse und Kommunikation stehen auf der Agenda. Geleitet wird die Fortbildung von erfahrenen Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Bauphysik und Stadtplanung.
Teilnahme und Anmeldung
Die Fortbildung wird drei- bis viermal jährlich stattfinden.
Fragen rund um die Fortbildung beantworten die Expertinnen und Experten auf einer Info-Session am 12. September 2024.
Informationen und Anmeldung zur Info-Session: https://www.ibp.fraunhofer.de/de/veranstaltungen-messen/info-session-fortbildung…
Ausführliche Informationen zur Fortbildung und Anmeldung: https://www.ibp.fraunhofer.de/de/veranstaltungen-messen/fortbildung-klimawandelg…
Die Anmeldefrist für den ersten Durchgang endet am 20. September, die Teilnehmerzahl ist auf 15 bis 20 Personen begrenzt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Sabine Giglmeier
Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
sabine.giglmeier@ibp.fraunhofer.de
Johanna Henning
Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
johanna.henning@ibp.fraunhofer.de
Weitere Informationen:
https://www.ibp.fraunhofer.de/de/geschaeftsfelder-produkte/klimawandelangepasste… Klimawandelangepasste Stadtgestaltung
Anhang
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Deutsche Seen im Klimawandel
Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigen anhand von Langzeitdaten aus 46 deutschen Seen, dass die Oberflächentemperatur des Wassers in den letzten 30 Jahren stärker gestiegen ist als die Lufttemperatur. Die Sauerstoffkonzentration im Tiefenwasser hat abgenommen. Modellrechnungen weisen darauf hin, dass sich dieser Trend fortsetzt. Die gute Nachricht: Der Sauerstoffmangel im Tiefenwasser könnte abgemildert werden, wenn weniger Nährstoffe aus Siedlungen, Industrie und Landwirtschaft in die Gewässer gelangen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Ambio veröffentlicht.
Wenn sich Seen erwärmen, sinkt in der Regel ihr Sauerstoffgehalt. Dies hängt zum einen mit der Bindungsfähigkeit des Wassers zusammen, das bei höheren Temperaturen weniger Sauerstoff speichern kann. Zum anderen bildet sich bei wärmeren Temperaturen in einem See eine natürliche Schichtung mit einer wärmeren Oberflächenwasserschicht und einer kälteren Tiefenwasserschicht. Hält diese Schichtung im Sommer über längere Zeit an, kann es passieren, dass der Sauerstoff von den Organismen am Gewässergrund verbraucht wird und mangels Durchmischung kein neuer Sauerstoff in die Tiefenzone gelangt. Dieser Sauerstoffmangel kann für die dort lebenden Organismen problematisch werden.
Wie sich die Wassertemperatur, die Seenschichtung und die Sauerstoffkonzentration in der Tiefenschicht von 46 deutschen Seen unter dem Einfluss des Klimawandels verändern, hat das Forschungsteam nun mit Hilfe von Langzeitmessdaten, die jeweils mindestens 30 Jahre umfassen, und hydrodynamischen Modellen untersucht.
Langzeitdaten: Oberflächentemperatur der Seen in den letzten 30 Jahren mit 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt stärker gestiegen als die Lufttemperatur
Die Auswertung der Langzeitmessdaten zeigt, dass die Oberflächentemperatur zwischen 1990 und 2020 im Jahresmittel über alle Seen um 0,5 Grad Celsius pro Dekade (°C/Dekade) angestiegen ist. Damit haben sich die Seen in Deutschland im gleichen Zeitraum stärker erwärmt, als die Luft mit einem Anstieg von 0,43 °C/Dekade. Die Wassertemperatur in der Tiefe blieb nahezu konstant.
Die Sauerstoffkonzentrationen lagen zwischen 1990 und 2020 bei 51 Prozent der Sommermessungen und sogar bei 62 Prozent der Herbstmessungen unter 2 Milligramm pro Liter (mg/L), eine Konzentration, die als kritischer Schwellenwert für das Überleben vieler sauerstoffbedürftiger Organismen in Seen gilt. „Das Auftreten von sauerstoffarmen Bedingungen hat parallel zu den wärmeren Temperaturen zugenommen, insbesondere im Herbst, weil aufgrund der wärmeren Oberflächentemperaturen die Temperaturschichtung länger stabil bleibt“, ordnet IGB-Forscher Robert Schwefel, Erstautor der Studie, die Ergebnisse ein.
Unter dem Einfluss des Klimawandels ist nicht die höhere Temperatur in der Tiefenschicht das Problem für den Sauerstoffgehalt, sondern die längere Schichtung
Mittels mathematischer Seenmodelle haben die Forscherinnen und Forscher zukünftige Temperatur- und Sauerstoffentwicklungen bis ins Jahr 2099 basierend auf verschiedenen Emissionsszenarien des Weltklimarates (The Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) simuliert, um die mögliche Entwicklung der Seen vorherzusagen. Hierzu wurden 12 Seen verwendet, von denen besonders gute und hochaufgelöste Messdaten zur Kalibrierung der Modelle zur Verfügung standen.
Unter dem pessimistischen Emissionsszenario RCP 8.5, das einen kontinuierlichen Anstieg der Treibhausgase bis zum Ende des Jahrhunderts annimmt, würde die Oberflächentemperatur der Seen bis 2099 um 0,3 °C/Dekade weiter ansteigen. Im mittleren Szenario RCP 4.5 beträgt der Anstieg lediglich 0,18 °C/Dekade. Für das optimistischen Szenario RCP 2.6, in dem der Anstieg der Lufttemperatur auf ca. 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum begrenzt bliebe, wird nur ein minimaler Anstieg um 0,04 °C/Dekade vorhergesagt. Übereinstimmend mit den Beobachtungsdaten der letzten 30 Jahre würde die Temperatur in der Tiefe deutlich weniger stark ansteigen. „Die daraus resultierende zunehmende Temperaturdifferenz zwischen Wasseroberfläche und Tiefenschicht verstärkt die Temperaturschichtung“, erklärt IGB-Forscher Michael Hupfer, der das von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) finanzierte Projekt leitet. So zeigen die Modellrechnungen, dass sich unter dem pessimistischen Emissionsszenario die sommerliche Schichtung bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 38 Tage verlängern würde, im Vergleich zum Zeitraum von 2006 bis 2016 (für RCP 4.5 um 22 Tage und für RCP 2.6 um 13 Tage).
Dies würde auch das Risiko von Sauerstoffmangel in der Tiefenschicht erhöhen: Mit einem Sauerstoffmodell zeigte das Team nämlich, dass die Sauerstoffkonzentrationen in der Tiefenschicht als Reaktion auf die verlängerte Schichtungsperiode um 0,7 bis 1,9 mg/L abnehmen würden (RCP 4,5 um 0,6 mg/L oder RCP 2,6 um 0,2 mg/L). „Das bedeutet, dass vor allem im Herbst größere Bereiche des Tiefenwassers sauerstofffrei blieben. Dies hätte große Auswirkungen z. B. auf die Lebensräume von Fischen und die chemischen Verhältnisse in den Seesedimenten“, sagt IGB-Forscher Robert Schwefel.
Geringere Nährstoffeinträge könnten negative Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt abmildern
Um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, können sonstige Stressfaktoren reduziert werden, zum Beispiel die Belastung durch Nährstoffeinträge wie Nitrat und Phosphat aus urbanen Einleitungen oder der Landwirtschaft. Denn diese wirken im Gewässer wie Dünger – sie kurbeln biologische Prozesse wie das Algenwachstum an und erhöhen so den Sauerstoffverbrauch, weil durch anschließende Abbauprozesse mehr Sauerstoff veratmet wird.
In ihrer Studie hat das Team in Modellrechnungen untersucht, wie sich eine Verringerung der Nährstoffeinträge auf den Sauerstoffhaushalt auswirken würde. Die gute Nachricht: Selbst im pessimistischsten Emissionsszenario führt eine Nährstoffreduktion um eine Trophiestufe zu höheren Sauerstoffkonzentrationen, die die Effekte der Erwärmung ausgleichen würden. Selbst im pessimistischsten Klimaszenario RCP 8.5 stiegen die Sauerstoffkonzentrationen im Tiefenwasser an, wenn ein geringerer Sauerstoffverbrauch im Tiefenwasser, wie er typischerweise bei Reduktion der Nährstoffkonzentrationen eintritt, angenommen wurde. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf den Sauerstoffhaushalt von Seen durch noch mehr Anstrengungen zur Reduzierung der Nährstoffeinträge abgemildert werden können“, sagt Michael Hupfer.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Hupfer, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/michael-hupfer
Dr. Robert Schwefel, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/robert-schwefel
Originalpublikation:
Schwefel, R., Nkwalale, L.G.T., Jordan, S. et al. Temperatures and hypolimnetic oxygen in German lakes: Observations, future trends and adaptation potential. Ambio (2024). https://doi.org/10.1007/s13280-024-02046-z
Weitere Informationen:
http://Außerdem lesenswert zum Thema das IGB Dossier „Seen im Klimawandel“ https://www.igb-berlin.de/sites/default/files/media-files/download-files/IGB_Dos…
Wo soll Wasserstoff in Zukunft produziert werden?
Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben analysiert, in welchen Regionen der Welt Wasserstoff am kostengünstigsten herzustellen wäre, um eine Ökonomie aufzubauen, die auf diesem alternativen Energieträger statt auf fossilen Quellen basiert. Ein Ergebnis: Der Ersatz fossiler Energien durch Strom und Wasserstoff bedeutet keineswegs, dass keine Treibhausgasemissionen mehr auftreten. Die Studie erscheint heute in der Fachzeitschrift Nature Communications.
Die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral werden. Das heisst, dass der Atmosphäre, um den Klimawandel zu bremsen, ab dann netto keine zusätzlichen Treibhausgase mehr hinzugefügt werden. Als ein wesentlicher Baustein, um dieses Ziel zu erreichen, gilt die Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Haushalten bei gleichzeitiger Umstellung auf erneuerbare Stromquellen wie Wasser, Wind und Sonne. Allerdings kann Strom nicht überall als Energielieferant dienen – für bestimmte Anwendungen ist seine Energiedichte nicht ausreichend. Wo höhere Anforderungen gestellt werden, soll Wasserstoff einspringen. Die Luftfahrt, die Landwirtschaft und die Stahlindustrie sind Beispiele für Anwendungen, bei denen durch den Einsatz von Wasserstoff – der teilweise für die Herstellung von Düngemitteln oder synthetischen Kohlenwasserstoffen verwendet wird – die Klimabelastung deutlich reduziert werden kann.
Die Forschenden um Erstautor Tom Terlouw und Projektleiter Christian Bauer vom Labor für Energiesystemanalysen des PSI haben geografische und ökonomische Daten und Prognosen zusammengestellt, um den Aufbau einer Wasserstoffökonomie in vier Szenarien zu beschreiben: Demnach wird der Wasserstoffbedarf 2050 zwischen 111 und 614 Megatonnen pro Jahr betragen – je nach Szenario: Im ersten Szenario macht die Welt weiter wie bisher und verlässt sich auf fossile Energieträger. Im vierten und optimistischsten Szenario betreibt sie konsequenten Klimaschutz und erreicht das 1,5-Grad-Ziel. Aktuell werden weltweit rund 90 Megatonnen Wasserstoff pro Jahr produziert.
Wo ist genug Platz für Elektrolyse?
Zur Herstellung von Wasserstoff existieren verschiedene Verfahren. Aktuell dominiert noch die sogenannte Methan-Dampfreformierung, bei der das Element unter Druck und Hitze aus Erdgas, Erdöl oder Kohle – also fossilen Energieträgern – gewonnen wird. Die optimistischeren Szenarien gehen davon aus, dass stattdessen zunehmend PEM-Elektrolyseure zum Einsatz kommen, also Apparate, die mit Strom und einer Polymer-Elektrolyt-Membran Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Wenn dafür nur grüner Strom aus erneuerbaren Quellen verwendet wird, läuft das Verfahren ohne fossile Energieträger. Es verursacht bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgase als die Methan-Dampfreformierung.
Die zentrale Frage aber war, wo auf der Erde der Wasserstoff auf diese Weise hergestellt werden sollte. «Wir haben dazu vor allem ökonomische Kriterien angelegt», sagt Tom Terlouw. «Sprich, wo ist die Produktion am günstigsten?» Und dabei stellten sich zwei Faktoren als entscheidend heraus: Wo lässt sich der enorme Bedarf an Ökostrom für die Elektrolyse am effizientesten decken, weil alternative Energieträger wie Wind und Sonne reichlich vorhanden sind? Und wo gibt es genügend geeignetes Land, um die zur Produktion notwendigen Anlagen aufzustellen?
Kanada ist ideal, die Schweiz eher nicht
Als eine der besten Regionen für die künftige Wasserstoffproduktion stellten sich zum Beispiel grosse Teile Kanadas heraus: «Dort existieren viele freie Flächen, die sehr windig und daher ideal zum Aufstellen von Windturbinen sind», sagt Terlouw. «Noch dazu gibt es viel Wasser und stabile politische Verhältnisse – zwei Kriterien, die wir jedoch in dieser Studie noch nicht näher betrachtet haben. Aber natürlich spielt auch die Verfügbarkeit von Wasser für die Elektrolyse eine Rolle und ob es sich um ein Land handelt, aus dem man zuverlässig Wasserstoff importieren kann.»
Wenn man diese Kriterien aussen vor lässt, bieten auch die zentralen USA gute Bedingungen sowie Teile Australiens, der Sahara, Nordchinas und Nordwesteuropas. Entweder weil es dort viel Sonne zur Produktion von Solarstrom gibt oder viel Wind und freie Fläche zum Aufstellen von Windenergieanlagen – und der Wasserstofffabriken. Weniger gut zur Produktion eignen sich mitteleuropäische Industrieländer wie die Schweiz oder Deutschland, weil dort kaum verfügbare Flächen für Windräder vorhanden sind und die Sonneneinstrahlung relativ gering ist. Auch andere dicht besiedelte Regionen und Länder wie Japan oder weite Küstenabschnitte der USA und Chinas könnten nur zu vergleichsweise hohen Kosten produzieren. «Wir haben da also eine gewisse Diskrepanz festgestellt zwischen Regionen mit hohem Bedarf an Wasserstoff und Regionen mit grossen, effizienten Produktionskapazitäten», resümiert Terlouw. Diese müssten eine Wasserstoffökonomie durch weltweiten Handel bewältigen, was allerdings weiteren Energieaufwand bedeutet – und politische Kooperation erfordert. Nicht zuletzt besteht der Aufwand darin, dass Wasserstoff in der Regel in gebundener Form – etwa als Ammoniak oder Methanol – transportiert wird. Denn als reines Gas nimmt er zu viel Volumen ein, und für seine deutlich kompaktere, flüssige Form muss er stark gekühlt werden.
Die ökologischen Kehrseiten grünen Wasserstoffs
Die Studie betrachtet auch weitere ökologische Nebeneffekte einer möglichen Wasserstoffökonomie, die in der Öffentlichkeit oft ausser Acht gelassen werden: «Zum einen ist es wichtig zu betonen, dass auch eine funktionierende Wasserstoffökonomie noch Restemissionen an Treibhausgasen produzieren wird», sagt Terlouw. Die Studie beziffert diese Restemissionen auf fast eine Gigatonne CO2-Äquivalenten pro Jahr. Aktuell bewegen sich die Gesamtemissionen um die 40 Gigatonnen. «Die Klimawirkung ganz auf null zu reduzieren, wird nicht möglich sein», bestätigt Christian Bauer.
Das liege vor allem daran, dass auch die Produktion und Verteilung von Wasserstoff mit Emissionen einhergeht. Zum einen geraten geschätzte 2,5 Prozent des Wasserstoffs durch Lecks und Undichtigkeiten in die Atmosphäre, wo der Wasserstoff indirekt selbst als Treibhausgas wirkt. Denn er fördert die Bildung effektiver Treibhausgase wie Methan und Ozon. Zum anderen weisen Elektrolysesysteme sogenannte graue Emissionen auf, welche bei der Herstellung und dem Transport der benötigten Materialien anfallen, selbst wenn die fertigen Anlagen letztlich mit Ökostrom betrieben werden.: «Viele Anlagen und Maschinen, die in der Wasserstoffökonomie zum Einsatz kommen, werden in Ländern hergestellt, deren Produktion auch in absehbarer Zeit noch grossenteils auf fossilen Energieträgern basiert», berichtet Terlouw. «Die meisten Solarmodule etwa stammen heutzutage aus China, wo der Strom noch überwiegend aus Kohlekraftwerken kommt.»
Wer das Ziel der Klimaneutralität ernst meint, muss solche Restemissionen ausgleichen, indem entsprechende Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre gefiltert werden. Dafür böten sich Technologien wie Direct Air Capture an, bei der spezielle Apparate CO2 aus der Luft einfangen. Oder Aufforstung: Die zusätzlich wachsenden Bäume binden gewisse Mengen an Kohlenstoff aus der Luft.
Kritische Materialien
Auch weitere Umwelteffekte einer Wasserstoffökonomie jenseits des Klimas sollten laut Terlouw und Bauer Beachtung finden: In den Maschinen und Anlagen finden diverse Materialien Verwendung, die entweder selbst umweltschädlich sind oder deren Produktion die Umwelt belastet. In Windturbinen sind das etwa Dauermagnete, die auf Seltenen Erden basieren, also Metallen, deren Gewinnung in China nicht den europäischen Umweltstandards genügt. Bei der PEM-Elektrolyse kommt als Katalysator das Metall Iridium zum Einsatz, das allein schon wegen seiner Seltenheit als kritisch gilt. Und die grossen Mengen an Land und Wasser, die für die Herstellung von Wasserstoff benötigt werden, können ebenfalls einen negativen Umweltfaktor darstellen.
«Nicht zuletzt stellt sich da die grosse Frage der sozialen Akzeptanz», gibt Tom Terlouw zu bedenken. «Werden die Menschen akzeptieren, dass Küstenlandschaften zum Beispiel von grossen Wasserstoffproduktionsanlagen eingenommen werden?» In wasserarmen Gebieten müsste das Meerwasser vor der Elektrolyse zunächst entsalzt werden, was zusätzliche Energie und Land erfordert. «Solche Faktoren haben wir in dieser Arbeit noch nicht berücksichtigt», räumt Christian Bauer ein. «Dazu sollen weitere Studien folgen. Wir wollen mögliche Wege der Energiewende aufzeigen. Ob und wie konsequent wir sie dann beschreiten, ist am Ende eine gesellschaftlich-politische Frage.»
Text: Jan Berndorff
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Christian Bauer
Labor für Energiesystemanalysen, Technology Assessment Group
PSI Center for Energy and Climate
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 23 91
christian.bauer@psi.ch
[Deutsch, Englisch]
Tom Mike Terlouw
Labor für Energiesystemanalysen, Technology Assessment Group
PSI Center for Energy and Climate
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 58 37
tom.terlouw@psi.ch
[Englisch, Holländisch, Deutsch]
Originalpublikation:
Future hydrogen economies imply environmental trade-offs and a supply-demand mismatch
Tom Terlouw, Lorenzo Rosa, Christian Bauer and Russell McKenna,
Nature Communications, 15.08.2024
DOI: 10.1038/s41467-024-51251-7
Das Gehirn speichert eine Erinnerung in drei Kopien
Das Gedächtnis speichert von einem Ereignis gleich mehrere „Kopien“ im Gehirn, berichten Forschende der Universität Basel im Fachjournal Science. Die Kopien bleiben unterschiedlich lange im Gehirn erhalten, verändern sich bis zu einem gewissen Grad und werden manchmal im Laufe der Zeit wieder gelöscht.
Dank der Fähigkeit Erfahrungen als Erinnerungen zu speichern können wir aus der Vergangenheit lernen und so auf neue Situationen angemessen reagieren. Da sich die Welt um uns herum stetig ändert, dürfen Erinnerungen nicht einfach ein Archiv der guten alten Zeit sein. Vielmehr müssen sie dynamisch sein, sich im Laufe der Zeit verändern und an neue Umstände anpassen. Nur so helfen sie uns, die Zukunft besser einzuschätzen und uns adäquat zu verhalten. Wie Erinnerungen gespeichert und trotzdem dynamisch bleiben, ist bis heute nahezu unbekannt.
Im Mausmodell erforscht das Team von Prof. Dr. Flavio Donato am Biozentrum der Universität Basel, wie Erinnerungen in unserem Gehirn angelegt werden und wie sie sich im Laufe des Lebens verändern. Die Forschenden haben nun herausgefunden, dass im Hippocampus, einer Hirnregion, die für das Lernen verantwortlich ist, ein einziges Ereignis parallel in mindestens drei verschiedenen Gruppen von Neuronen gespeichert wird. Diese Neuronen entstehen zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Embryonalentwicklung.
Erinnerungskopien verändern sich mit der Zeit
Neuronen, die früh in der Entwicklung entstehen, speichern ein Ereignis langfristig. Ihre Gedächtniskopie ist anfangs so schwach, dass sie nicht vom Gehirn abgerufen werden kann. Im Laufe der Zeit wird die gespeicherte Erinnerung jedoch immer stärker. Auch beim Menschen würde das Gehirn erst nach einiger Zeit auf diese Kopie zugreifen können.
Im Gegensatz dazu ist die Gedächtniskopie desselben Ereignisses, die von den spät entwickelten Neuronen erstellt wird, anfangs sehr stark, verblasst aber mit der Zeit, so dass das Gehirn auf diese Kopie nach längerer Zeit nicht mehr zugreifen kann. Bei einer dritten Gruppe von Neuronen, die zeitlich zwischen den frühen und späten Neuronen gebildet werden, ist die angelegte Kopie fast gleichbleibend stabil.
Die drei unterschiedlichen Erinnerungskopien unterscheiden sich vor allem darin, wie leicht sie sich verändern lassen bzw. an neue Erfahrungen der Umwelt angepasst werden können. Erinnerungen, die von den späten Neuronen nur kurz gespeichert werden, sind sehr formbar und können umgeschrieben werden. Das bedeutet also, wenn wir kurz nach einem Erlebnis wieder daran denken, werden die späten Neuronen aktiv und integrieren neue Informationen in die ursprüngliche Erinnerung. Erinnern wir uns hingegen erst nach langer Zeit an dieses Ereignis, rufen die frühen Neuronen ihre Erinnerungskopie hervor, die jedoch kaum mehr veränderbar ist. «Wie dynamisch Erinnerungen im Gehirn gespeichert werden, ist einmal mehr ein Beweis für die Plastizität des Gehirns und seine enorme Gedächtniskapazität», sagt Erstautorin Vilde Kveim.
Flexible Erinnerungen ermöglichen angemessenes Verhalten
Das Forschungsteam von Flavio Donato hat gezeigt, dass das Abrufen bestimmter Gedächtniskopien und das Timing erhebliche Auswirkungen darauf haben können, wie wir uns an Ereignisse erinnern, die Erinnerungen verändern und nutzen. «Sich zu erinnern, ist für das Gehirn eine enorme Herausforderung und eine beeindruckende Leistung. Einerseits muss es sich an vergangene Ereignisse erinnern, damit wir uns in der Welt, in der wir leben, zurechtfinden können. Andererseits muss es die Erinnerungen an die Veränderungen um uns herum anpassen, damit wir richtige Entscheidungen treffen können», sagt Donato.
Beständigkeit durch Dynamik – für das Gehirn ist dies ein heikler Balanceakt, den die Forschenden jetzt etwas besser verstehen. Das Verständnis darüber, wie Erinnerungen gespeichert und verändert werden, könnte eines Tages auch dazu beitragen, ungewünschte Erinnerungen, die unser Leben beeinträchtigen, abzuschwächen oder verloren geglaubte Erinnerungen wieder hervorzuholen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Flavio Donato, Universität Basel, Biozentrum, E-Mail: flavio.donato@unibas.ch
Originalpublikation:
Vilde A. Kveim, Laurenz Salm, Talia Ulmer, Maria Lahr, Steffen Kandler, Fabia Imhof,
and Flavio Donato: Divergent Recruitment of Developmentally Defined Neuronal Ensembles
Supports Memory Dynamics. Science, doi: 10.1126/science.adk0997
Neu entdeckte Fähigkeit von Comammox-Bakterien könnte helfen die Lachgasemissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren
Forschungsteam findet unkonventionelle Energiequelle für kürzlich entdeckte „grüne“ nitrifizierende Bakterien
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS) der Universität Wien hat herausgefunden, dass die 2015 von ihnen entdeckten Comammox-Bakterien mit der stickstoffreichen organischen Verbindung Guanidin als einziger Energie- und Stickstoffquelle wachsen können. Diese bislang einzigartige Fähigkeit eröffnet neue Möglichkeiten für die gezielte Anzucht dieser geheimnisvollen Mikroben und könnte auch einen Schlüssel für die Reduktion landwirtschaftlicher Lachgas-Emissionen liefern. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich als Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die Nitrifikation, die Umwandlung von Ammoniak über Nitrit zu Nitrat, wird von speziellen Mikroorganismen durchgeführt, die Nitrifikanten genannt werden. Dieser Prozess ist äußerst wichtig für den globalen biogeochemischen Stickstoffkreislauf in praktisch allen Ökosystemen, spielt im globalen Wandel jedoch eine ambivalente Rolle. Einerseits trägt die Nitrifikation zur Emission des starken Treibhausgases und ozonabbauenden Stoffes Lachgas bei und führt zu massiven Düngemittelverlusten in der Landwirtschaft und damit zur Überdüngung der Gewässer. Andererseits ist die Nitrifikation als biologischer Reinigungsschritt für die Nährstoffentfernung in Kläranlagen unverzichtbar und schützt so die Gewässer vor Überdüngung durch übermäßigen Stickstoffeintrag aus Abwasser. Die Studienautor*innen haben nun eine Möglichkeit gefunden, wie möglicherweise Nitrifikanten in der Umwelt gefördert werden könnten, die weniger Lachgas ausscheiden.
„Grüne“ Nitrifikanten
Comammox-Bakterien gelten als „grüne“ Nitrifikanten, da sie im Gegensatz zu vielen anderen Nitrifikanten nur geringe Mengen von Lachgas als Nebenprodukt ihres Stoffwechsels produzieren und Abwasser in Kläranlagen besonders effizient von Stickstoffverbindungen befreien. Seit der Entdeckung der Nitrifikanten im 19. Jahrhundert ging man davon aus, dass diese Mikroorganismen nur Ammoniak und Harnstoff veratmen können. Im Jahr 2015 konnten die Forschungsgruppen um Michael Wagner und Holger Daims dann zeigen, dass einige Nitrifikanten auch das chemisch instabile Cyanat für ihren Energiestoffwechsel nutzen können. „In der jetzt erschienenen Publikation konnte unser Team nun nachweisen, dass Comammox-Bakterien auch mit dem unkonventionellen Substrat Guanidin wachsen können“, erklärt Marton Palatinszky, der Erstautor der Studie: „Die Comammox-Bakterien verwenden dazu einen Transporter und ein von uns strukturell und funktionell detailliert charakterisiertes Enzym, das es ihnen ermöglicht in der Zelle äußert energieeffizient Ammonium aus Guanidin herzustellen“.
Guanidin ist ein Stoffwechsel-Produkt von Mikroorganismen und Pflanzen. Über seine Rolle im menschlichen und tierischen Stoffwechsel ist nur wenig bekannt. Es entsteht in Böden beim Abbau synthetischer Düngemittel-Zusätze sowie im Abwasser während des Abbaus des häufig eingesetzten Medikaments Metformin. Bislang weiß man jedoch nur wenig über die Verbreitung und die weitere Umsetzung von Guanidin in der Umwelt. Das internationale Forschungsteam, an dem neben Forscherinnen der Universität Wien auch Mikrobiologinnen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig (Deutschland) und der Universität Aalborg in Dänemark beteiligt sind, konnte nachweisen, dass Guanidin nicht nur im menschlichen Urin, sondern auch in den Exkrementen von Nutztieren vorkommt und dass Comammox-Bakterien Guanidin in Kläranlagen nutzen. Darüber hinaus konnten sie zeigen, dass Guanidin auch in landwirtschaftlich genutzten Böden von Nitrifikanten verstoffwechselt wird.
Neue Möglichkeiten für Anzucht und Lachgasreduktion
Die Wiener Mikrobiolog*innen versuchen nun, die weitverbreiteten Comammox-Bakterien, von denen bisher weltweit nur ein Stamm im Labor als Reinkultur verfügbar ist, mit Guanidin aus Umweltproben anzureichern und zu isolieren. „Dies erscheint besonders vielversprechend, da keiner der von uns getesteten anderen Nitrifikantenstämme auf Guanidin als alleiniger Energie- und Stickstoffquelle wachsen konnte“, erläutert Katharina Kitzinger, die als Senior Scientist am CeMESS arbeitet. Darüber hinaus will das Team untersuchen, ob die Zugabe von Guanidin zu landwirtschaftlichen Düngern die Häufigkeit von Comammox-Bakterien in Ackerböden steigert und somit landwirtschaftliche Lachgasemissionen verringert werden können.
„Diese Arbeit wäre ohne die enge Zusammenarbeit vieler Forscher*innen, die am im Jahr 2023 gestarteten Exzellenzcluster „Microbiomes drive planetary health“ mitarbeiten nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns ganz herzlich beim Österreichischen Wissenschaftsfond FWF für diese besondere Unterstützung“, sagt Studienleiter Michael Wagner.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Wagner
Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung, Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
T +43-1-4277-91200
michael.wagner@univie.ac.at
www.univie.ac.at
Originalpublikation:
Palatinszky M , Herbold CW, Sedlacek CJ, Pühringer D, Kitzinger K, Giguere AT, Wasmund K, Nielsen PH, Dueholm MKD, Jehmlich N, Gruseck R, Legin A, Kostan J, Krasnici N, Schreiner C, Palmetzhofer J, Hofmann T, Zumstein M, Djinovic-Carugo K, Daims H, Wagner M. Growth of complete ammonia oxidizers on guanidine. Nature.
DOI: 10.1038/s41586-024-07832-z
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07832-z
Weitere Informationen:
https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/
https://rudolphina.univie.ac.at/cluster-of-excellence-wie-mikrobiome-die-gesundh…
Sämtliche allgemein anerkannten Regeln der Technik zur Trinkwasserhygiene müssen angewendet werden
VDI-Stellungnahme zur Verbändeinformation von BTGA, DVGW, figawa, gefma und ZVSHK
(Düsseldorf, 12.08.2024) Mit einer aktuellen „Verbändeinformation“ vom 1. August 2024 möchten BTGA, DVGW, figawa, gefma und ZVSHK den Fachleuten im Bereich der Trinkwasserinstallation eine Hilfestellung hinsichtlich der anzuwendenden Regelwerke leisten. Der VDI begrüßt diesen Ansatz. Jedoch ist die veröffentlichte Liste von Regelwerken aus Sicht des VDI unvollständig. So fehlen entscheidende Regelwerke, z.B. die Richtlinienreihe VDI 6023. Neben VDI 6023, die durch das Umweltbundesamt (UBA) in seiner zentralen Empfehlung zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse als „Dreh- und Angelpunkt“ des sorgfältigen Handelns benannt ist, wurden in der Auflistung der Verbände beispielsweise auch die verpflichtend einzuhaltenden UBA-Bewertungsgrundlagen übersehen.
In Planung und Errichtung sind alle allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtend anzuwenden. Auftragnehmer haben ihre Auftraggeber hinsichtlich der Anwendung zu beraten bzw. diese auf die Risiken etwaiger Nichtbeachtung hinzuweisen. Fachleute und Fachunternehmen, die Trinkwasserinstallationen planen, errichten und betreiben, sollten mindestens die relevanten in VDI 6023 aufgelisteten und in den Schulungen nach VDI 6023 vermittelten Regelwerke anwenden.
Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“
Das Bundesministerium der Justiz legt im „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ fest, was mit dem Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ gemeint ist, wenn dieser in Rechtstexten verwendet wird:
„Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind schriftlich fixierte oder mündlich überlieferte technische Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise (Fachleute, Anwender, Verbraucherinnen und Verbraucher und öffentliche Hand) geeignet sind, dass gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen und die sich in der Praxis allgemein bewährt haben oder deren Bewährung nach herrschender Auffassung in überschaubarer Zeit bevorsteht.“
Einem Regelwerk, das von einem anerkannten Regelsetzer, wie dem DIN, aber ebenso dem VDI, nach dessen festgelegtem Verfahren entwickelt wird, ist bis zur Feststellung des Gegenteils durch einen Gerichtsentscheid zu unterstellen, dass es sich um eine allgemein anerkannte Regel der Technik handelt.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten als generelle Vertragsbestandteile bei Verträgen über technische Leistungen. Ihre Erfüllung ist grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn sie nicht gesondert vertraglich vereinbart wird. Dies leitet sich insbesondere aus §633 (2) BGB ab. Die dort grundsätzlich geschuldete „Beschaffenheit (…), die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann“ wird just durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik konkretisiert.
Hartmut Hardt, Rechtsanwalt, Mitglied im Vorstand der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, erklärt: „Die Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist grundsätzlich freiwillig. Ihre Anwendung gibt Anlass zu der Vermutung, dass das Werk üblichen, per se geschuldeten Standards entspricht. Werden sie nicht angewendet, kehrt sich die Beweislast um, und der Ersteller des Werks muss die Einhaltung der jeweiligen Schutzziele seinerseits nachweisen können.“
Für Trinkwasser gelten besonders strenge Maßstäbe. Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit ist vorsorgend so weit wie möglich auszuschließen. Daher gilt die Nichteinhaltung von allgemein anerkannten Regeln der Technik in Planung, Errichtung oder Betrieb von Trinkwasserinstallation sofort als Mangel.
Ein Fachunternehmen schuldet nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Kunden durch die Inanspruchnahme des Status „Fachunternehmen“ die Kenntnis der einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik und die entsprechende Beratung auf deren Grundlage.
Bauingenieur Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, stellt daher die Frage „Wer haftet eigentlich, wenn ein Handwerksbetrieb aus Unkenntnis oder durch Fehlinformation beispielsweise die VDI 6023 oder die VDI 2050 Blatt 2 nicht anwendet und dies als Mangel gerügt wird?“
Die Verbändeinformation möchte eine Bewertung liefern, welche technischen Regeln als allgemein anerkannt zu betrachten sind. Diese Kategorisierung obliegt tatsächlich jedoch nicht Interessengruppen, sondern ergibt sich durch die tatsächliche Akzeptanz in den Verkehrskreisen, die dann letztlich in der im oben zitierten §633 BGB erwähnten „üblichen Beschaffenheit“ Niederschlag findet. In gerichtsanhängigen Streitfällen greifen Gerichte zur Klärung regelmäßig auf die Dienste von neutralen, sachverständigen Gutachtern zurück.
Arnd Bürschgens, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fachgebiet Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, stellt dazu fest: „Es ist bedauerlich, dass in der genannten Verbändeinformation die VDI 6023, ein zweifelsfrei in der Praxis etabliertes und anerkanntes Regelwerk, übersehen wurde. Dies umso mehr, als sie in einer der als allgemein anerkannte Regel der Technik aufgelisteten Normen, DIN 1988-200 und DVGW W 551 (A), als maßgeblich für die Hygiene in der Trinkwasserinstallation genannt ist.“
Fazit
Die Richtlinienreihe VDI 6023 und weitere VDI-Richtlinien, wie die Reihe VDI 3810, ist also ebenso relevant wie die seitens DIN oder DVGW ausgefertigten Regelwerke. Eine hilfreiche Einordnung der aufgelisteten Veröffentlichungen in ein Gesamtbild der Trinkwasserhygiene liefert die Verbändeinformation aus Sicht des VDI nicht. Dieses Gesamtbild wird seit ca. 25 Jahren allein durch die Richtlinienreihe VDI 6023 gezeichnet, deren erster Weißdruck im Dezember 1999 als ein vom Umweltbundesamt initiiertes Projekt mit genau diesem Ziel erschien. Inzwischen haben sich in vom VDI qualitätsüberwachten Partnerschulungen mehr als 45.000 Fachleute für die hygienebewusste Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasserinstallationen qualifiziert. Die qualitätsgesicherten VDI-Partnerschulungen vermitteln, abgestimmt auf die Tätigkeit der teilnehmenden Person, das umfassende Bild der Trinkwasserhygiene und ermöglichen den Teilnehmenden, in der direkten Interaktion mit praxiserfahrenen, vom VDI geprüften Vortragenden ihr Wissen zu vertiefen und mit diesem Wissen technisch richtig zu handeln.
Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Phys. Thomas Wollstein
Technisch-Wissenschaftlicher Mitarbeiter VDI e.V.
Telefon: +49 211 6214-500
E-Mail: wollstein@vdi.de
VDI als Gestalter der Zukunft
Seit mehr als 165 Jahren gibt der VDI wichtige Impulse für den technischen Fortschritt. Mit seiner einzigartigen Community und seiner enormen Vielfalt ist er Gestalter, Wissensmultiplikator, drittgrößter technischer Regelsetzer und Vermittler zwischen Technik und Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Er motiviert Menschen, die Grenzen des Möglichen zu verschieben, setzt Standards für nachhaltige Innovationen und leistet einen wichtigen Beitrag, um Fortschritt und Wohlstand in Deutschland zu sichern. Der VDI gestaltet die Welt von morgen – als Schnittstelle zwischen Ingenieur*innen, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. In seinem einzigartigen multidisziplinären Netzwerk mit rund 130.000 Mitgliedern bündelt er das Wissen und die Kompetenzen, die nötig sind, um den Weg in die Zukunft zu gestalten.
Weitere Informationen:
https://www.vdi.de/richtlinien/unsere-richtlinien-highlights/vdi-6023
Chemikaliencocktail aus Kunststoffen
Großprojekt untersucht Freisetzung von Additiven im Wasser
Die Plastikabfälle in den Flüssen und Ozeanen geben permanent Chemikalien ins Wasser ab. Bislang war unbekannt, wie groß diese Mengen sind und welche Substanzen besonders stark freigesetzt werden. Im Großprojekt P-LEACH haben Fachleute von vier Forschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft die Zusammensetzung und Konzentrationen vieler verschiedener Substanzen jetzt genau analysiert. Im Fokus stand dabei vor allem die Frage, wie die UV-Strahlung der Sonne die Freisetzung der Chemikalien verstärkt.
In den Flüssen und Ozeanen treiben hunderttausende Tonnen von Plastikmüll. Der Wellenschlag, die UV-Strahlung der Sonne und das salzige Meerwasser führen dazu, dass die Kunststoffe nach und nach in immer kleinere Bruchstücke zerfallen und schließlich als winzige Mikroplastikpartikel in den Meeren treiben. In zahlreichen Studien haben Forschende inzwischen untersucht, inwieweit Meerestiere diese Partikel aufnehmen und ob sie davon krank werden. Weit weniger gut erforscht ist bisher, wie sich die Inhaltsstoffe der verschiedenen Kunststoffe auf das Leben im Meer auswirken – darunter Additive wie Schwermetalle, Flammschutzmittel, Weichmacher, Farbstoffe und viele andere Ingredienzien, die dem Plastik seine vielseitigen Eigenschaften verleihen.
Deshalb haben sich vor gut zwei Jahren mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Großprojekt der Helmholtz-Gemeinschaft zusammengetan, um im Detail zu untersuchen, wie schnell und wie stark Plastik seine Inhaltsstoffe an das Wasser abgibt – und wie sehr diese Substanzen eventuell Meereslebewesen schädigen. Die ersten Projektergebnisse der Experten vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sind jetzt im „Journal of Hazardous Materials“ erschienen. Der Schwerpunkt dieses ersten Fachartikels aus dem P-LEACH-Konsortium liegt auf der chemischen Analyse der Plastik-Inhaltsstoffe – und der Frage, wie die UV-Strahlung der Sonne dazu beiträgt, die chemischen Substanzen aus den Kunststoffen freizusetzen.
Häufige Kunststofftypen im Fokus
Für ihre Experimente hatten die Wissenschaftler zunächst acht typische Massenartikel aus häufig verwendeten Kunststoffen gekauft und diese in wenige Millimeter große Stücke zerkleinert – darunter Gewächshausfolie aus Polyethylen (PE), Schläuche aus Polyvinylchlorid (PVC) und Stecker aus PET. Diese Bruchstücke legten sie anschließend in ein Wasserbad und bestrahlten diese mit einer speziellen UV-Lampe, die das Sonnenlicht über Mitteleuropa für mehrere Monate nachahmt. Zum Vergleich lagerten sie einen Teil des Kunststoffs in Wasserbehältern, die nicht bestrahlt wurden.
Nach dem Experiment wurden die Plastikpartikel entfernt und das Wasser anschließend gründlich auf eine mögliche Freisetzung von Kunststoffadditiven hin untersucht – vor allem auf Metallverbindungen und bestimmte, organische Stoffe sowie auf die Freisetzung kleiner Kunststoffpartikel. Von Interesse waren dabei insbesondere jene Chemikalien, die im Verdacht stehen, gesundheits- und umweltschädlich zu sein, aber nach wie vor nicht verboten oder reguliert sind. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: So fanden sich im Wasser der UV-bestrahlten Proben, deutlich höhere Konzentrationen an Metall-Ionen als in den nicht bestrahlten Proben. Bei den organischen Substanzen war das Bild differenzierter: Einige Substanzen lagen in den UV-bestrahlten Proben ebenfalls in deutlich höheren Konzentrationen vor. Für andere organische Moleküle hingegen war die Konzentration erstaunlich gering. „Eine Entwarnung ist das aber nicht“, sagt der Umweltchemiker Dr. Frank Menger, Erstautor des Fachartikels und am Hereon Experte für organische Chemie. „Wir nehmen an, dass auch diese Substanzen aus dem Kunststoff ins Wasser gelangen, dort aber durch das UV-Licht in kleinere organische Verbindungen umgewandelt werden, sodass die Ausgangsverbindungen nicht mehr direkt nachweisbar sind.“
Fahndung nach bekannten und unbekannten Chemikalien
Bei der Analyse der organischen Inhaltsstoffe haben die Forschenden zwei Dinge genau unter die Lupe genommen. Zum einen wurden die Wasserproben auf 71 bekannte Substanzen untersucht, die bekanntermaßen in vielen Kunststoffen enthalten sind – unter anderem das UV-Schutzmolekül UV-328, das vor einem Jahr in die Liste der Stockholm-Konvention aufgenommen wurde – eine Liste besonders gefährlicher Chemikalien, deren Einsatz weltweit beschränkt oder teils ganz verboten ist. Zum anderen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Wasserproben nach unbekannten Substanzen und Abbauprodukten gefahndet. Dafür kamen spezielle Massenspektrometer zum Einsatz, die in der Lage sind, bestimmte Molekülstrukturen oder Molekülfragmente zu erkennen und daraus auf die Ausgangssubstanz zu schließen. Damit lassen sich auch solche Chemikalien erkennen, die noch recht neu im Markt und relativ unbekannt sind – zum Beispiel neue Klassen von Weichmachern. Bedenkt man, dass weltweit in der Plastikproduktion rund 16.000 verschiedene Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen, wird deutlich, wie anspruchsvoll die Analyse trotz der modernen Massenspektrometrie ist.
Dr. Frank Menger ist begeistert vom Umfang der Studie und des ganzen Projekts. „Wir haben die Analysetechnik und die entsprechende Expertise von vier Instituten zusammengeholt.“ Nur dadurch sei es möglich gewesen, die Wasserproben so umfassend zu analysieren. Dr. Lars Hildebrandt, einer der Wissenschaftler vom Hereon, der sich im Rahmen der Studie mit der komplexen Analyse von Mikroplastikpartikeln und Schwermetallen beschäftigt hat, ergänzt: „Mir sind bislang kaum vergleichbare Studien bekannt, bei denen die Freisetzung von Metallverbindungen wie auch bekannten und unbekannten organischen Verbindungen und zusätzlich kleiner Plastikpartikel aus Kunststoffen unter besonderer Berücksichtigung der Verwitterung durch UV-Strahlung so umfangreich untersucht wurde.“ Allerdings sei bei allem zu bedenken, dass die UV-Strahlung nur ein Faktor ist, der auf das Plastik in der Umwelt einwirkt. Hinzu kommen der Salzgehalt oder der Abbau durch Mikroorganismen. Auch das Alter, die Größe, die Form und die Porosität des Kunststoffs beeinflussen, wie stark Inhalts- und Zusatzstoffe ins Wasser gelangen. Insofern brauche es künftig weitere Studien, die diese Parameter berücksichtigen und deren vielfältige Auswirkungen untersuchen.
„Das P-LEACH Projekt gibt uns die einmalige Gelegenheit, die Abgabe von organischen und anorganischen Chemikalien sowie Mikroplastikpartikeln von verwitternden Kunststoffgegenständen und mögliche Auswirkungen umfassend zu untersuchen, unter Einbeziehung verschiedener Disziplinen wie Umweltchemie, Ökotoxikologie und Humantoxikologie“, so Prof. Dr. Annika Jahnke vom UFZ, die das Projekt koordiniert. In den kommenden Monaten sollen weitere Fachartikel des P-LEACH-Teams erscheinen. Unter anderem Ergebnisse dazu, wie sich die Substanzen auf Bakterien, Algen, Meerestiere und letztlich den Menschen auswirken. So wurde in dem Projekt unter anderem auch untersucht, wie das mit den Plastik-Inhaltsstoffen verschmutzte Wasser den Stoffwechsel von Algen, Schnecken oder lebenden Zellen beeinflusst, darunter Zellen aus dem Körper des Menschen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Frank Menger I Helmholtz-Zentrum Hereon I Institut für Umweltchemie des Küstenraumes | Abteilung Organische Umweltchemie
T: +49 (0) 4152 87-2211 I frank.menger@hereon.de | www.hereon.de
Dr. Lars Hildebrandt I Helmholtz-Zentrum Hereon I Institut für Umweltchemie des Küstenraumes | Abteilung Anorganische Umweltchemie
T: +49 (0) 4152 87-1813 I lars.hildebrandt@hereon.de | www.hereon.de
Prof. Dr. Annika Jahnke I Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
T: +49 (0) 341 6025-1527 I annika.jahnke@ufz.de | www.ufz.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1016/j.jhazmat.2024.135256
Professor Fath durchschwimmt die Elbe
Forscher der Hochschule Furtwangen startet neues Extremsport-Projekt für Gewässerschutz
Prof. Dr. Andreas Fath ist als der “schwimmende Professor“ der Hochschule Furtwangen international bekannt. Um auf die Belastung von Gewässern durch Mikroplastik aufmerksam zu machen, durchschwamm der Wissenschaftler bereits den Rhein, den Tennessee River und die gesamte Donau. Nun steht das nächste Extremsport-Projekt im Namen des Gewässerschutzes an: Am 16. August wird Fath in Smirice im tschechischen Riesengebirge in die Elbe springen, um nur 25 Tage später die Elbmündung in Cuxhaven zu erreichen. Unterwegs werden nicht nur tägliche Wasserproben entnommen, Fath und sein Team betreiben mit einer großangelegten Aufmerksamkeitskampagne Aufklärungsarbeit in Sachen Gewässerschutz.
Tausende Flusskilometer hat er bereits durchkrault, und jedes Mal kündigte der Chemiker, der als Professor der Hochschule Furtwangen am Standort Schwenningen lehrt, an, dass dies nun das letzte Projekt gewesen sei. Doch sein Lebensthema Wasser lässt ihn nicht los. Fath schwimmt seit seiner Kindheit, zwischenzeitig sogar in der deutschen Bundesliga. Während seiner Extrem-Projekte verbringt er acht Stunden pro Tag im Wasser. „Ich kann das eben gut“, sagt er achselzuckend.
Mit der Mischung aus Wissenschaft und Extremsport setzt sich Andreas Fath für sauberes Wasser ein, wie und wo auch immer. Ob er in Flüssen schwimmt, Vorträge hält, Filme zu seinen Projekten präsentiert oder Schulklassen die verschiedenen Module seiner „Wissenswerkstatt“ ausprobieren lässt: Immer geht es darum, für den Schutz des Wassers zu sensibilisieren.
Bei seinem Projekt „PureElbe“ arbeitet Faths gemeinnützige Firma H2Org mit dem Bündnis plastikfreie Natur zusammen. Als Sponsoren unterstützen den Wissenschaftler neben der Hochschule Furtwangen auch die Unternehmen hansgrohe und Arburg.
Auf die 1083 Kilometer der Elbe (geschwommen wird ab Kilometer 11) freut sich Andreas Fath riesig: „Jeder Fluss ist anders. Ich bin sehr neugierig darauf, wie sich die Elbe anfühlen wird“. Auf seiner Reise wird er auch Städte wie Dresden, Magdeburg oder Hamburg durchqueren. Mit Workshops, Seminaren und Presseevents wird der Wissenschaftler mit seinem Team Aufmerksamkeit für Gewässerschutz schaffen. Nebenbei wird sein wissenschaftliches Team – zwei Studierende der Hochschule Furtwangen begleiten die Reise – ständig Wasserproben entnehmen und auswerten. Eine am Neoprenanzug von Andreas Fath befestigte Filtermembran imitiert Fischhaut und liefert so zusätzliche Erkenntnisse.
Die ganze Reise durch die Elbe lässt sich auf der Projektwebseite www.pureelbe.org mitverfolgen – unter anderem auf einer Karte, die genau die Stationen und die durchschwommenen Kilometer dokumentiert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Fath
Infektionsdaten effizient melden – Datenstrategie zur Erfassung und Bereitstellung meldepflichtiger Infektionsdaten
Wie die Qualität meldepflichtiger Infektionsdaten verbessert werden kann, zeigt die aktuell veröffentlichte Studie
Die Covid-19-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig schnelle und qualitative Daten sind, um fundierte gesundheitspolitische Entscheidungen zu treffen. Die Pandemie stellte das deutsche Gesundheitssystem jedoch vor vielfältige Herausforderungen. Schwachstellen gab es vor allem bei der Erfassung und Übermittlung meldepflichtiger Infektionsdaten durch Fax- oder E-Mail-Nachrichten, die weder zeitnah noch im erforderlichen Umfang zur Verfügung standen und ein valides Infektionsgeschehen abbildeten.
Wissenschaftler:innen der Hochschule Pforzheim zeigen in ihrer aktuellen Studie “Infektionsdaten effizient melden – Datenstrategie zur Erfassung und Bereitstellung meldepflichtiger Infektionsdaten”, wie eine effizientere Erfassung und Bereitstellung von Gesundheitsdaten aussehen kann und entwickeln Lösungsansätze für eine zukünftige Datenstrategie. “Die Ausgestaltung einer Datenstrategie ist für Politik, Verwaltung und Wirtschaft eine wichtige Aufgabe”, so die Wissenschaftler:innen. Neben der Konzeption einer Datenstrategie, fokussieren sich die Autor:innen der Studie auf die Themen Datenqualität in Kombination mit Datenbereitstellung und Datenverfügbarkeit. Ausgangslage für die Ist-Analyse sind die Meldedaten der Covid-19-Inzidenz-Zahlen.
Zentrale Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen der Studie:
Anwendung der FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable), um die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit digitaler Daten zu verbessern
Implementierung und Optimierung von IT-Systemen für eine effiziente Datenverarbeitung- und übermittlung
Erhöhung des Automatisierungsgrades und Parallelität der Verarbeitung durch Informationssysteme (DEMIS und ePA)
Standardisierung und Vereinheitlichung der Meldeprozesse kann die Datenerhebung und -bereitstellung deutlich verbessern und Medienbrüche verhindern (Meldungen per Fax oder E-Mail)
Implementierung von Push-Verfahren
Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen im Umgang mit neuen Prozessen und – – IT-Systemen
Regelmäßiges Feedback und Überwachung der Prozessleistung, um Agilität zu ermöglichen
“Nach der Pandemie ist vor der Pandemie (z. B. Influenza)” (Prof. Dr. Ute C. Marx)
Die Studie verdeutlicht, dass eine nationale Datenstrategie den Informationsaustausch zwischen Behörden, Ärzten und Bürgern unterstützt. Zudem erweist sich die Nutzung von FAIR als Standard für den Datenaustausch und die Umsetzung der elektronischen Meldung als gute Grundlage, um künftig eine schnellere, wirkungsvollere Bekämpfung einer Pandemie zu ermöglichen. Das RKI hat bereits Ende 2022 begonnen, Daten nach den FAIR-Prinzipien umzusetzen. Abschließend empfehlen die Autor:innen, das gesamte Meldesystem unter Beachtung eines ganzheitlichen und prozessübergreifenden einheitlichen Ansatzes umzusetzen, um wichtige Gesundheitsdaten für weitere Forschungszwecke zu nutzen.
Die Studie wurde vom NEGZ gefördert.
Über das NEGZ:
Das Nationale E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ) ist Fachnetzwerk und Denkfabrik
zur Digitalen Verwaltung. Es bündelt die Expertise von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, öffentlichen Körperschaften und Verbänden, um die Digitalisierung der deutschen Verwaltung zu unterstützen und voranzutreiben. Das NEGZ veröffentlicht Studien und Impulse, veranstaltet Austauschformate, vermittelt Kompetenzen und bringt diese in die Fachdiskussion ein.
Pressekontakt
Julia Mirach · julia.mitrach@negz.org
Nationales E-Government Kompetenzzentrum e.V.
Tel. 0156 78818008
www.negz.org
Originalpublikation:
https://negz.org/publikation/infektionsdaten-effizient-melden/
Weitere Informationen:
https://negz.org/neue-negz-kurzstudie-erschienen-infektionsdaten-effizient-melde…
Energetische Holznutzung weiter gestiegen
Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschat (LWF) hat zusammen mit C.A.R.M.E.N. e. V. den neuen „Energieholzmarktbericht 2022“ für Bayern veröffentlicht. Der Bericht stellt das Aufkommen und den Verbrauch von Energieholz in Bayern für das Bezugsjahr 2022 gegenüber. Insbesondere der Ukrainekrieg hat sich deutlich auf den Energieholzmarkt ausgewirkt. Auf Grund der Sorge, dass Erdgas und Heizöl nicht für die Wärmeversorgung ausreichen würden, besannen sich viele auf den heimischen Energieträger Holz. In der Folge stiegen die Preise für Holzpellets in bis dahin unerreichte Höhen und auch Brennholz erreichte historische Preisniveaus.
Die milden Wintertemperaturen hätten in den Privathaushalten eigentlich zu einer Abnahme des Holzverbrauchs führen müssen. Allerdings ist die Anzahl der Holzfeuerungsanlagen, insbesondere der Pelletsheizungen, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: Insgesamt heizten 2022 knapp 37 % der bayerischen Haushalte mit Holz. Das wichtigste Energieholzsortiment im Privathaushalt ist nach wie vor das Scheitholz, gefolgt von einem stark wachsenden Anteil Pellets.
Vermutlich haben auch viele Haushalte, die überwiegend mit anderen Brennstoffen heizen, aufgrund der hohen Energiepreise vermehrt Holzbrennstoffe verwendet. Auch bei den Biomasseheizwerken gab es in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs bei der Zahl der Anlagen, sodass auch hier der Verbrauch anstieg.
Der Energieholzmarktbericht Bayern erscheint seit 2010 im zweijährigen Turnus. Dabei werden anhand umfangreicher Befragungen von Privathaushalten, Sägewerken, Hackerunternehmen, Heizwerksbetreibern und Altholzaufbereitern die Holzströme in Bayern erfasst und anhand öffentlicher Daten ergänzt. Der Bericht stellt auch die stoffliche Holzverwendung in Bayern dar und kann somit als ein Rohstoffmonitoring für Holz in Bayern betrachtet werden.
Die Holzbilanz 2022 zeigt, dass 54 % des Holzverbrauchs auf die energetische Verwendung entfallen. Darunter ist ein Großteil Holzreste, die bei der Verarbeitung von Holz zu Produkten wie Bauholz oder Möbeln anfallen sowie bereits gebrauchtes Holz z. B. aus dem Gebäudeabriss oder der Entsorgung von Möbeln. Von dem in den Wäldern eingeschlagenen Frischholz wurden 37 % direkt zu Energieholz (Scheitholz und Holzhackschnitzel) aufbereitet. Gegenüber 2020 stieg der Energieholzverbrauch um 3 %, der gesamte Holzverbrauch für energetische und stoffliche Verwendung stieg um 0,6 %.
Mit den Umfragen haben die teilnehmenden Betriebe auch die Möglichkeit, sich zu aktuellen Herausforderungen in Ihrer Branche zu äußern und Wünsche sowie Forderungen an die Politik zu stellen. Am häufigsten wurde dabei Unzufriedenheit über politische Entscheidungen zum Energieholz, Kritik an weiter zunehmenden bürokratischen Hürden und Sorge über den hohen wirtschaftlichen Druck bei kleinen und mittelgroßen Betrieben geäußert. Der Bericht zeigt allerdings auch, dass Holz als ein verlässlicher und nachhaltiger Rohstoff für unsere Energieversorgung und für die stoffliche Nutzung gesehen wird.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Johannes Metsch; Tel.: 08161 4591 409; Johannes.Metsch@lwf.bayern.de
Originalpublikation:
https://s.bayern.de/energieholzmarktbericht_2022
Beruflich Qualifizierte: Mit der Eignungsprüfung direkt zum Masterstudium
In Rheinland-Pfalz ist die Einschreibung auch ohne Bachelorabschluss möglich – Wissenschaftlicher Artikel beschreibt Erfahrungswerte mit einem Informatik-Fernstudiengang an der Hochschule Trier
Im Zuge der Kultusministerkonferenz zur Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte 2009 haben die Bundesländer ihre Hochschulgesetze angepasst. Während sich Interessierte ohne schulische Studienberechtigung auf dieser Basis in der Regel für Bachelorstudiengänge einschreiben können, besteht in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, durch eine Eignungsprüfung und der Ausübung einer mehrjährigen beruflichen Tätigkeit, direkt ein Masterstudium aufzunehmen.
Die Hochschule Trier bietet dieses Zulassungsverfahren für ihren weiterbildenden, nicht-konsekutiven Master-Fernstudiengang Informatik an. Die Bildungsbiografien der Studierenden sind dabei vielfältig: Viele von ihnen haben zuvor schon ein informatikfernes Studium mit einem Bachelor, Master, Diplom, einer Promotion oder einem Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen, andere haben kein Abitur und sich bereits beruflich qualifiziert. Ohne Erststudium erfolgt der Zugang über die Eignungsprüfung.
Prof. Dr. Konstantin Knorr, Romy Thomm und Andrea Fischer befassen sich in einem wissenschaftlichen Artikel mit den Erfahrungen im Fernstudium Informatik an der Hochschule Trier in den vergangenen 20 Jahren. Sie analysieren die Abschlussnoten von mehr als 300 Studierenden mit und ohne Eignungsprüfung und gehen auf Basis einer webbasierten Umfrage aus dem Mai 2023 auf die Rückmeldungen von Studierenden mit Eignungsprüfung ein.
Für den Notenvergleich wurde der Zeitraum von Januar 2002 bis Januar 2023 berücksichtigt, in dem 313 Personen einen Master- oder Diplomabschluss erreicht haben. Rund 30 Prozent dieser Absolventinnen und Absolventen erhielten über die Eignungsprüfung Zugang und schnitten leicht besser ab, als Studierende, die bereits zuvor einen Bachelorabschluss erworben haben.
An der Umfrage nahmen knapp 43% der angeschriebenen Personen teil, als Ziel für die Auswahl des Fernstudiums nannten sie am häufigsten die folgenden drei Gründe: spezielles Fachwissen erwerben, die Übernahme von Führungspositionen und eine berufliche Neuorientierung. Zudem war keine der befragten Personen arbeitssuchend gemeldet, dieser Aspekt zeigt die guten beruflichen Perspektiven für die Absolventen.
Prof. Dr. Konstantin Knorr, Studiengangsleiter für den Fachbereich Informatik an der Hochschule Trier, zieht folgendes Fazit: „Wir können anhand unserer Erfahrungen und Studien bestätigen, dass die Öffnung von weiterbildenden Masterstudiengängen für beruflich Qualifizierte für mehr Bildungsgerechtigkeit beim Hochschulzugang und beim -studium sorgt.“
Auf Basis ihrer Analyse befürworten Prof. Dr. Konstantin Knorr, Romy Thomm und Andrea Fischer den Zugang für beruflich Qualifizierte über die Eignungsprüfung in den Fernstudiengang Informatik an der Hochschule Trier. Sie sprechen sich dafür aus, die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auch mit Blick auf konsekutive Masterstudiengänge zu untersuchen.
Weiterführende Informationen zum Master-Fernstudiengang Informatik M.C.Sc. und zur Eignungsprüfung finden Sie unter:
https://www.zfh.de/studium/hochschule-trier/informatik-aufbaustudium-mcsc-119/
https://www.hochschuletrier.de/informatik/fernstudium/studium/masterfernstudium/…
Der komplette wissenschaftliche Artikel ist in Ausgabe 2024/1 der Zeitschrift „Lehre. Lernen. Digital!“ erschienen.
Quellenangabe: K. Knorr, R. Thomm, A. Fischer: „Erfahrungen mit der Eignungsprüfung als Zugang für beruflich Qualifizierte zum Masterstudium“, Lehre. Lernen. Digital, Jg. 5, Ausgabe 1, 2024, Seiten 2-8
Für ergänzende Informationen über den wissenschaftlichen Artikel steht Ihnen Romy Thomm zur Verfügung: r.thomm@inf-hochschule-trier.de
Über das zfh
Das zfh – Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund bildet gemeinsam mit 21 staatlichen Hochschulen den zfh-Hochschulverbund. Das zfh ist eine wissenschaftliche Institution des Landes Rheinland-Pfalz mit Sitz in Koblenz und basiert auf einem 1998 ratifizierten Staatsvertrag der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland. Neben den 15 Hochschulen dieser drei Bundesländer haben sich weitere Hochschulen aus Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dem Verbund angeschlossen. Das erfahrene Team des zfh fördert und unterstützt die Hochschulen bei der Entwicklung und Durchführung ihrer Fernstudienangebote. Mit einem Repertoire von über 100 berufsbegleitenden Fernstudienangeboten in wirtschaftswissenschaftlichen, technischen/naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen ist der zfh-Verbund bundesweit größter Anbieter von Fernstudiengängen an Hochschulen mit akkreditiertem Abschluss. Alle zfh-Fernstudiengänge mit dem akademischen Ziel des Bachelor- oder Masterabschlusses sind von den Akkreditierungsagenturen ACQUIN, AHPGS, ASIIN, AQAS, FIBAA bzw. ZEvA zertifiziert und somit international anerkannt. Neben den Bachelor- und Masterstudiengängen besteht auch ein umfangreiches Angebot an Weiterbildungsmodulen mit Hochschulzertifikat. Derzeit über 6.000 Fernstudierende an den Hochschulen des zfh-Verbunds eingeschrieben.
Redaktionskontakt:
zfh – Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund
Ann-Christin Komes
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Eine Bioraffinerie für die Kreislaufwirtschaft von industriellen Reststoffströmen
Am Samstag, den 3. August 2024, eröffnete Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann die Demonstrationsanlage SmartBioH2-BW in Rheinfelden (Baden). Die Bioraffinerie wurde im Rahmen des vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB koordinierten Projekts am Industriestandort von Evonik aufgebaut. Sie nutzt in der Produktion anfallende Spülwässer und Reststoffe, um daraus mithilfe zweier gekoppelter biotechnologischer Verfahren »grünen« Wasserstoff und organische Grundstoffe herzustellen. Nun startet der Testbetrieb unter realen Bedingungen.
Abfall und Abwasser sind weltweit eine bisher nur wenig genutzte Ressource. Mit dem Förderprogramm »Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling« will Baden-Württemberg dies ändern. Seit Oktober 2021 fördert das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit Landesmitteln und Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) den Aufbau modularer Bioraffinerien, um zu erproben, wie mittels nachhaltiger Bioökonomie hochwertige Rohstoffe aus Abfall und Abwasser zurückgewonnen werden können.
Eine der geförderten Demonstrationsanlagen ist die Bioraffinerie des Projekts SmartBioH2-BW, die am 3. August 2024 von Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium, im Rahmen seiner Sommertour eingeweiht wurde. Auch zahlreiche Politiker aus Rheinfelden, dem Landkreis Lörrach sowie einige Abgeordnete im Landtag nahmen die Gelegenheit zur Besichtigung der Anlage wahr.
»Wir brauchen dringend einen gesellschaftlichen Wandel – weg vom Einsatz fossiler oder knapper Ressourcen hin zur Nutzung biobasierter oder im Kreislauf geführter Stoffe. Das Projekt SmartBioH2-BW zeigt vorbildlich, wie ein solch zukunftsweisender Weg aussehen kann«, so Staatssekretär Dr. Baumann. »Hier werden Verfahren, die im kleinen Maßstab einzeln bereits funktionieren, in Demonstrations- und Pilotanlagen kombiniert und erprobt. Dies ist eine wichtige Zwischenstufe, damit die Verfahren im nächsten Schritt in den Kommunen oder in der Industrie zum Einsatz kommen können. Durch den Einsatz dieser Bioraffinerien schützen wir am Ende nicht nur das Klima und unsere Ressourcen, sondern stärken auch die Resilienz des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg in Krisensituationen.«
Seit ein paar Wochen steht die Anlage auf dem Gelände von Evonik in Rheinfelden, die als assoziierter Partner im Projekt beteiligt ist. Die Evonik Industries AG ist eines der weltweit größten Hersteller von Spezialchemikalien. An ihrem Standort in Südbaden produziert Evonik unter anderem Wasserstoffperoxid, das als Desinfektionsmittel – etwa für Joghurtbecher – eingesetzt wird. Hierfür wird, ebenso wie für andere Produktionsprozesse im Werk, Wasserstoff benötigt, den das Unternehmen seit Jahrzehnten direkt vor Ort aus Erdgas produziert.
»Der Standort von Evonik in Rheinfelden hat sich auf die Fahne geschrieben, die grüne Transformation unserer Branche voranzutreiben«, so Hermann Becker, Standortleiter von Evonik. »Mit dem gemeinsamen Forschungsprojekt und der zukunftsweisenden Pilotanlage wollen wir zeigen, wie das im Sinne der Kreislaufwirtschaft gehen kann – sauberer Wasserstoff gewonnen aus Spülwasser und Reststoffen ist eine Win-win-win-Situation für die Umwelt, die Chemieindustrie und die Wissenschaft.«
Intelligent gekoppelte Biotechnologie für die Bioraffinerie
Die Bioraffinerie wurde vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart konzipiert, geplant und aufgebaut. Sie besteht aus zwei gekoppelten Verfahrensmodulen zur biotechnologischen Produktion von Wasserstoff: der fermentativen Dunkelphotosynthese durch Purpurbakterien und einem zweistufigen Prozess mit Mikroalgen.
»Durch die intelligente Kopplung dieser beiden Verfahren zu einem kombinierten Bioraffinerie-Konzept wird es möglich, industrielle feste und flüssige Reststoffströme, die in der Produktion am Standort anfallen und bisher teuer als Abfall und Abwasser entsorgt werden mussten, effizient und ohne Emissionen als Rohstoffe zu nutzen, um daraus den Zukunftsenergieträger Wasserstoff und weitere wertschöpfende biobasierte Produkte herzustellen«, erläutert Dr.-Ing. Ursula Schließmann, stellvertretende Institutsleiterin des Fraunhofer IGB und Koordinatorin des Projekts.
Zunächst galt es hierfür zu untersuchen, wie sich die Reststoffströme des Standorts genau zusammensetzen und ob die Organismen tatsächlich mit ihnen zurechtkommen. Als flüssige Reststoffströme fallen in Rheinfelden Spülwässer an, mit denen die Produktionsanlagen gereinigt werden. Sie enthalten viel Ethanol, einen Alkohol. »Es ist ja denkbar, dass Spülwässer weitere Substanzen enthalten, die toxisch oder hemmend auf die Bakterien und Mikroalgen wirken«, erklärt Schließmann. Die Verfahren wurden daher erst am Fraunhofer IGB separat unter Laborbedingungen mit den Abfallströmen der Evonik getestet und dann in einen größeren Maßstab skaliert.
»Unsere Analysen haben gezeigt, dass das Spülwasser neben Ethanol auch weitere Alkohole sowie Reste der synthetisierten Produkte enthält. Diese beeinträchtigen aber weder das Wachstum der Purpurbakterien noch das der Mikroalgen«, so Schließmann.
Im Juli 2024 wurden die beiden Bioverfahrensmodule zum Werk nach Rheinfelden transportiert und in Betrieb genommen. Nachdem die Verfahrenseinheiten nun miteinander gekoppelt sind, kann der Demonstrationsbetrieb unter realen Bedingungen starten.
Wasserstoffproduktion mit Dunkelfermentation von Purpurbakterien
In der ersten Stufe der Bioraffinerie kommt das Purpurbakterium Rhodospirillum rubrum zum Einsatz, das mittels der Dunkelphotosynthese, einer neuen Art der Fermentation, auch ohne Licht aus verschiedenen Kohlenstoffsubstraten Wasserstoff erzeugen kann. In Rheinfelden dient den Purpurbakterien Ethanol aus dem Spülwasser als Kohlenstoffsubstrat und Energiequelle.
Für ein ausreichendes Wachstum und die Synthese von Wasserstoff musste die Zusammensetzung des Fermentationsmediums angepasst werden, wie sich bereits im Labor in Stuttgart gezeigt hatte. Dann produziert das Bakterium nicht nur den begehrten Wasserstoff, sondern auch weitere nutzbare Produkte wie Carotinoide, fettlösliche Pigmente beispielsweise für die Kosmetik, oder den Biokunststoff Polyhydroxyalkanoat (PHA) – sowie Kohlenstoffdioxid (CO2) als Nebenprodukt. »Da die wasserstoffproduzierenden Enzyme der Purpurbakterien sehr sauerstoffempfindlich sind, ist die präzise Kontrolle des Sauerstoffgehalts bei der Fermentation eine Herausforderung im Betrieb«, ergänzt Dr.-Ing. Susanne Zibek, Leiterin der Bioprozessentwicklung am Fraunhofer IGB.
Mikroalgen binden Nebenprodukt CO2
Um die Emission von CO2 in die Atmosphäre zu vermeiden, wird CO2 in einem weiteren Schritt der zu diesem Zweck angekoppelten Mikroalgenanlage zugeführt. Denn die photosynthetisch wachsenden Mikroalgen benötigen für den Aufbau von Biomasse oder Speicherprodukten – genau wie grüne Pflanzen – CO2 und dazu nur Licht und Nährstoffe.
In der SmartBioH2-Demonstrationsanlage werden Mikroalgen der Art Chlorella sorokiniana in einem mittels LED beleuchteten kompakten Photobioreaktor kultiviert. Der Reaktor zeichnet sich durch einen hohen Automatisierungsgrad aus und bietet viel Volumen auf nur wenig Fläche. Das Verfahren wird so betrieben, dass die Mikroalgen aus dem anfallenden CO2 Stärke als nutzbares Produkt herstellen. Die benötigten Nährstoffe stammen dabei aus einem zweiten in Rheinfelden, diesmal in fester Form anfallenden Reststoffstrom: Ammoniumchlorid.
Auch Mikroalgen sind unter bestimmten Bedingungen in der Lage, Wasserstoff zu bilden. Sie spalten hierzu Wasser mithilfe von Lichtenergie in Wasserstoff und Sauerstoff. »Um den Prozess technisch nutzen zu können, muss der entstehende Sauerstoff auch hier kontinuierlich aus dem System entfernt werden, da er die Wasserstoffproduktion der Algenzellen hemmt«, erläutert Dr. Ulrike Schmid-Staiger, Leiterin der Algenbiotechnologie am IGB. »Ein gänzlich neuer Photobioreaktortyp, der hierzu entwickelt wurde, wird in wenigen Wochen in die Bioraffinerie integriert, um die Gesamtausbeute an Biowasserstoff weiter zu erhöhen«, so die Expertin.
Prozessmodell zur Bewertung
Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung beteiligt sich an dem Projekt mit der Erstellung eines Prozessmodells, das die wichtigsten Inputs und Outputs des gesamten Bioraffineriekonzepts vorhersagen kann. Das Modell bildet auch die Grundlage für die ökologische und ökonomische Bewertung der Bioraffinerie. »So können Verbesserungspotenziale identifiziert und die Entwicklung der eingesetzten Technologien gesteuert werden«, sagt Edgar Gamero Fajardo vom Fraunhofer IPA.
»Auf Basis der praktischen Erfahrungen können wir anschließend ermitteln, ob sich eine Anlage im industriellen Maßstab auch wirtschaftlich rentieren würde. Wichtig ist dabei, dass wir einen hohen Grad an Automatisierung vorgesehen haben, um die Ausbeute der Anlage zu verbessern«, so Schließmann. Aber auch die eingesparten Entsorgungs- und Transportkosten tragen zur Gesamtbilanz bei.
Förderung des Projekts
Das Projekt »SmartBioH2-BW – Biowasserstoff aus industriellen Abwasser- und Reststoffströmen als Plattform für vielseitige Biosynthesewege« wird von Oktober 2021 bis Oktober 2024 durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg im Rahmen des EFRE-Programms »Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling« gefördert.
Kooperationspartner
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (Koordination)
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Universität Stuttgart, Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme IBBS
Universität Stuttgart, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP
Evonik (assoziierter Partner)
Weitere Informationen:
https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2024/eroeffnu…
Kühle Wohnung auch an heißen Tagen
Serie: DBU-Initiative „Zukunft Zuhause“ gibt Tipps für den Sommer
Osnabrück. Im Sommer ist die Hitze in manchen Häusern kaum zum Aushalten. Linderung bringt Kühlung an heißen Tagen – umso mehr, wenn sich auf diese Weise energieintensive Klimaanlagen erübrigen. Welche Lösungen es gibt, stellt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) heute im nächsten Teil einer Serie vor – im Zusammenhang mit ihrer nationalen Informationskampagne „Zukunft Zuhause – Nachhaltig sanieren“. Sie soll einen kompakten und unabhängigen Überblick zum Thema Sanierung vermitteln. Adressaten sind Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, die ihre Ein- oder Zweifamilienhäuser energetisch fit für die Zukunft machen wollen – von Dämmung bis Photovoltaik.
Gut gedämmtes Haus: im Winter warm, im Sommer kühl
An heißen Sommertagen können Außenwände von Gebäuden extrem heiß werden – mit Temperaturen von bis zu 70 Grad Celsius und auf dem Dach sogar über 80 Grad Celsius. Eine kluge Dämmung kann schon viel bewirken. Denn sind Gebäude nicht gedämmt, kommt vor allem die Hitze vom Dach schnell im Inneren an. Der Aufenthalt im Inneren wird dann nicht nur unangenehm, sondern kann zu einer ernsthaften gesundheitlichen Belastung werden. Wegen der Klimakrise werden Hitzewellen voraussichtlich zunehmen – ein effektiver Wärmeschutz für das eigene Zuhause wird deshalb immer wichtiger. Denn ein gut gedämmtes Haus bietet nicht nur im Winter Vorteile, sondern hält auch im Sommer die Innenräume kühl. „Besonders wichtig ist dabei die Dämmung von Dach und Fassade, da sie ansonsten am meisten Sonnenwärme aufnehmen und ins Innere leiten“, sagt DBU-Referent Andreas Skrypietz.
Naturdämmstoffe von Hanfwolle bis Holzfaser und Markisen mit Sensoren
Für die Dämmung des Dachs nutzt man nach seinen Worten am besten flexible, weiche Materialien wie Mineralwolle oder Naturdämmstoffe wie Zellulose, Hanfwolle und Holzfaser. Diese können zwischen oder unter die Sparren platziert werden. Auch eine Dämmung der Fassade lohnt sich. Dafür werden Dämmplatten an der Außenseite der Fassade angebracht und mit einem Putz oder einer Verkleidung versehen. Als Materialien bieten sich etwa Styropor-, Mineraldämm- und Holzweichfaserplatten an. Diese kommen auch zum Einsatz, wenn das Dach neu eingedeckt wird und eine Aufsparrendämmung den Wärmeschutz des bestehenden Dachstuhles verbessert. Viel Hitze gelangt zudem durch Fenster und Glastüren in die Wohnräume. Damit weniger Sonnenstrahlen eindringen, kann man zum Beispiel überhängende Balkone oder Dachvorsprünge bauen, die Schatten spenden. „Auch Rollläden, Markisen und Raffstores bieten guten Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung“, sagt Skrypietz. An Dachfenstern können Rollläden, Außenrollos oder Dachfenstermarkisen angebracht werden. Verfügbar sind mittlerweile auch Markisen, die über Sensoren erkennen, wie viel Licht in den Raum fällt. So lässt sich der Hitzeschutz automatisch anpassen.
Reflektierende Sonnenschutzfolien innen und außen auf Fenster anbringen
Sind keine baulichen Veränderungen möglich, ist ein Sonnenschutz von innen sinnvoll. Ein Manko: Innen angebrachte Rollos, Plissees, Lamellen oder Faltstores reflektieren im Vergleich zum äußeren Sonnenschutz lediglich einen Teil der Wärme. „Ein äußerer Sonnenschutz ist effektiver“, sagt Skrypietz. Preisgünstige Option seien reflektierende Sonnenschutzfolien, die von innen oder außen auf Fenster aufgebracht werden und UV-Strahlen sowie Wärme blockieren. Kühlung von Gebäuden ermöglichen auch Bäume oder Kletterpflanzen, die an Außenwänden und vor Fenstern wachsen und Schatten spenden. Skrypietz: „Auch eine Dach- und Fassadenbegrünung lohnt sich. Sie bietet Isolation gegen Hitze und verbessert das Mikroklima um das Gebäude.“
Auf die Wahl der Baustoffe kommt es an
Bereits bei der Wahl des Baustoffs sollte man laut Skrypietz den Schutz gegen Wärme oder gar Hitze berücksichtigen und auf Materialien wie Kalksandstein, Holz, Ziegel und Stein setzen. Denn natürliche Materialien verbessern nicht nur das Raumklima, sondern regulieren auch die Luftfeuchtigkeit und speichern Wärme. Steinmaterial auf dem Fußboden helfe, den Raum kühl zu halten. Ventilatoren seien zudem eine relativ nachhaltige Option zur Kühlung, „da sie deutlich weniger Energie als Klimaanlagen verbrauchen und die gefühlte Temperatur durch Luftzirkulation senken“. Hochwertige Ventilatoren haben laut Skrypietz eine lange Lebensdauer und verursachen weniger Treibhausgasemissionen. Eine Rolle spielt dabei natürlich auch der Strommix des jeweiligen Haushaltes.
Wärmepumpen auch zum Kühlen
Einige Wärmepumpen sind nicht nur zum Heizen da, sondern auch zum Kühlen. Im Winter zieht die Wärmepumpe Wärme aus externen Quellen wie Luft, Wasser und Boden und gibt sie zum Heizen in den Innenraum ab. Im Sommer funktioniert dieser Prozess umgekehrt: Die Wärmepumpe entzieht dem Innenraum Wärme und leitet sie nach außen. Auch das richtige Lüften ist wichtig für die Raumkühlung. Am besten öffnet man die Fenster in den kühlen Morgenstunden und während der Nacht. Auf diese Weise gelangt die warme Luft mit der gespeicherten Wärme in Wänden, Böden und Decken nach draußen. Die Folge: Die Raumtemperaturen sinken, und es entsteht ein Wärmepuffer, der die Hitze des kommenden Tages abmildert. Wärmeschutz spart also Energie, weil man dank Sonnenschutzvorrichtungen und Gebäudedämmung auf energieintensive Klimaanlagen verzichten kann. Dämmung verlängert zudem die Lebensdauer von Gebäuden, indem sie vor Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und anderen Umwelteinflüssen schützt.
Gesetzliche Vorgaben und Fördermöglichkeiten
Neubauten müssen die Vorgaben zum Schutz gegen Wärme im Gebäudeenergiegesetz (GEG) erfüllen. Diese gelten auch für Anbauten an Bestandsgebäuden, wenn diese 50 Quadratmeter überschreiten. Zuschüsse für energieeffiziente Bauweise erteilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Unterstützung beträgt dabei 15 Prozent der förderfähigen Kosten. Mit einem gültigen individuellen Sanierungsfahrplan, dem sogenannten iSFP, erhöht sich dieser Zuschuss auf 20 Prozent. Nur in Kombination mit der BAFA-Zuschusszusage für den sommerlichen Wärmeschutz kann ein KfW-Ergänzungskredit beantragt werden. Eigentümerinnen und Eigentümer können zudem maximal 150.000 Euro Kredit für eine Effizienzhaus-Sanierung inklusive Wärmeschutz bekommen. Skrypietz: „Wärmeschutz lohnt sich mehrfach: Er spart Energie, Geld und steigert das Wohlbefinden in den eigenen vier Wänden.“
Weitere Informationen:
https://www.dbu.de/news/kuehle-wohnung-auch-an-heissen-tagen/ Online-Pressemitteilung
Zement statt Deponie – Recycling von Müllverbrennungsasche
Ein Abbau von Kupfererz wird heute ab einem Mindestgehalt von 0,3 Prozent als wirtschaftlich angesehen. Bei der Müllverbrennung entsteht Asche, deren Feinfraktion durchschnittlich 0,3 bis 0,5 Prozent Kupfer enthält. Dessen Gewinnung lohnt aber nur, wenn auch die verbleibende mineralische Fraktion weiterverwertet werden kann. Die Universität Duisburg-Essen und Partner aus den Branchen Müllverbrennung und Aufbereitung sowie aus der Zementindustrie haben im Projekt EMSARZEM einen entsprechenden Prozess entwickelt. Ein Praxistest im Industrieformat verlief im vergangenen Juli erfolgreich.
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland etwa 25 Millionen Tonnen Abfall in Verbrennungsanlagen „thermisch behandelt“. Aus den Resten werden mit konventionellen Methoden wie Sieben, Magnet- und Wirbelstromabscheidern rund 600.000 Tonnen Metalle zurückgewonnen. Die verbleibende Müllverbrennungs-Asche (MV-Asche) wird zum Großteil auf Deponien für Basisabdichtungen, Funktionsschichten und weitere Baumaßnahmen verwertet – obwohl noch wertvolle Metalle enthalten sind. „Theoretisch kann die MV-Asche im Straßen- und Erdbau als Ersatzbaustoff eingesetzt werden, was aber 2020 nur zu ca. 17 Prozent geschehen ist. Der größte Teil endet noch immer im Deponiebau“, erklärt Prof. Dr. Rüdiger Deike von der Universität Duisburg-Essen (UDE).
Unter der Leitung der GKS-Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt GmbH haben die insgesamt neun Partner des Projekts EMSARZEM – Einsatz von Müllverbrennungsschlacke als Rohstoff für die Zementherstellung ein wirtschaftliches, industriell umsetzbares Verfahren im Sinne des Urban Minings entwickelt. Dafür wird die Asche, die eine Körnung von 0 bis10 mm hat, in verschiedenen Stufen gemahlen; unterschiedliche Wertstoffe werden mit verschiedenen Trennverfahren extrahiert. Dabei werden die Metalle weitestgehend von der mineralischen Fraktion abgetrennt und wieder in die Metallproduktion übernommen. Der deutlich größere Rest – das Mineralgut – wird abhängig von seiner Korngröße gesäubert, als Rohstoff der Zement- und Betonproduktion zugeführt oder als Ersatz für natürliche Gesteinskörnungen in Betonanwendungen genutzt.
„Mit diesem Prozess können aus einer ursprünglich wertlosen Menge – wertlos deshalb, da sie im Abfall extrem fein verteilt ist –, theoretisch 8.000 Tonnen pro Jahr eines Kupferkonzentrates separiert werden. Darin wären ca. 2.800 Tonnen Kupfer, 20 Tonnen Silber und 100 Kilogramm Gold enthalten. Die Gewinnung wäre aber nur dann wirtschaftlich möglich, wenn die mineralische Fraktion auch verwertet werden kann“, erklärt Prof. Deike.
Deikes Arbeitsgruppe Metallurgie und Umformtechnik konzentriert sich im Projekt auf die detaillierte Untersuchung der separierten Metallfraktionen. Das Team von Prof. Dr. Jutta Geldermann (Produktionsmanagement/UDE) führt Wirtschaftlichkeitsberechnungen durch und erstellt die Ökobilanz dieses Prozesses. „Das Projekt EMSARZEM trägt mit dazu bei, durch die thermische Abfallverwertung zukünftig Rohstoffe zu gewinnen, die sonst unwiederbringlich verloren wären“, erklärt Dr. Ragnar Warnecke der Geschäftsführer der GKS-Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt GmbH.
EMSARZEM wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Hier stellt das BMBF das Projekt in einem Kurzfilm vor: https://video.tu-clausthal.de/film/1398.html
Redaktion: Birte Vierjahn, Tel. 0203/37 9-2427, birte.vierjahn@uni-due.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rüdiger Deike, Metallurgie und Umformtechnik, Tel. 0203/37 9-3455, ruediger.deike@uni-due.de
Lernen aus der COVID-Pandemie: Über die Wirksamkeit von nicht-pharmazeutischen Interventionen
In den Jahren der COVID-19-Pandemie wurde die Wirksamkeit der staatlich angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wie regelmäßige Tests und das Tragen medizinischer Atemschutzmasken, immer wieder angezweifelt. Eine Arbeitsgruppe um DZIF-Forscherin Prof. Alice McHardy am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hat nun durch eine groß angelegte Analyse von Virusgenomdaten herausgefunden, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung bestimmter Maßnahmen wie dem Tragen von medizinischen Masken und dem freien Zugang zu Antigen-Schnelltests deutlich weniger neue Varianten des SARS-CoV-2 Coronavirus nach Deutschland gelangten.
Das neuartige SARS-CoV-2-genannte Coronavirus trat erstmals Ende 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan auf und verbreitete sich rasch weltweit. Der erste Fall in Deutschland wurde im Januar 2020 nachgewiesen. Anfang 2020 wurde SARS-CoV-2 als Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 identifiziert und ab Frühjahr 2020 von der Weltgesundheitsorganisation als Pandemie eingestuft.
In der Frühphase der Pandemie, als weder Impfstoffe noch gezielt wirkende Arzneimittel gegen die Infektion und Erkrankung zur Verfügung standen, wurden sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen (NPI) eingesetzt, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Dazu gehörten die Reduzierung von Kontakten mit Personen außerhalb des eigenen Haushalts, das Tragen von medizinischen Atemschutzmasken und, sobald verfügbar, die breite Verwendung von Antigen-Schnelltests. Im Verlauf der Pandemie wurde die Wirksamkeit einiger dieser Maßnahmen zunehmend in Frage gestellt.
𝗘𝗿𝗳𝗼𝗹𝗴𝘀𝗮𝗻𝗮𝗹𝘆𝘀𝗲 𝘃𝗼𝗻 𝗖𝗢𝗩𝗜𝗗-𝟭𝟵-𝗠𝗮ß𝗻𝗮𝗵𝗺𝗲𝗻 𝗶𝗻 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵𝗹𝗮𝗻𝗱
Die Wissenschaftler:innen Sama Goliaei und Mohammad-Hadi Foroughmand-Araabi aus der Forschungsgruppe von Prof. Alice McHardy vom HZI haben zusammen mit der Gruppe von Prof. Denise Kühnert vom Robert Koch-Institut (RKI) und dem Max-Planck Institut für Geoanthropologie den Erfolg der in Deutschland eingesetzten Interventionen untersucht. Dazu analysierten die Wissenschaftler:innen fast zwei Millionen SARS-CoV-2-Genome, die über die Jahre der Pandemie in der Bevölkerung Deutschlands aufgetreten sind und in einer Datenbank gesammelt wurden. Das Auftreten neuer Virusvarianten in Deutschland im Verlauf der Pandemie – als Maßstab für den Eintrag neuer Varianten aus anderen Teilen der Welt – verglichen sie dann mit der zeitlichen Einführung bestimmter Maßnahmen.
Die Ergebnisse zeigen, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten bestimmter Maßnahmen deutlich weniger neue Virusvarianten nach Deutschland gelangten. Die stärksten Rückgänge verzeichneten die Forschenden nach der Einführung von kostenlosen Antigen-Schnelltests, der Verschärfung der Vorschriften zum Tragen von medizinischen Masken im öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel sowie des persönlichen Bewegungsradius und Zusammenkünften.
𝗡𝘂𝘁𝘇𝘂𝗻𝗴 𝘃𝗼𝗻 𝗚𝗲𝗻𝗼𝗺𝘀𝗲𝗾𝘂𝗲𝗻𝘇𝗲𝗻 𝘇𝘂𝗿 𝗩𝗲𝗿𝗳𝗼𝗹𝗴𝘂𝗻𝗴 𝘃𝗼𝗻 𝗦𝗔𝗥𝗦-𝗖𝗼𝗩-𝟮-𝗩𝗮𝗿𝗶𝗮𝗻𝘁𝗲𝗻
Während der Corona-Pandemie überwachten viele Länder Veränderungen in den Genomen der vorherrschenden SARS-CoV-2 Varianten, um die Ausbreitung sowie das Auftreten neuer Varianten zu verfolgen. Erstautorin Sama Goliaei erläutert: „Aus dieser Überwachung resultierte eine noch nie dagewesene Menge an Genomsequenzen, anhand derer die räumliche Ausbreitung und die Entwicklung der Virusstämme rekonstruiert werden konnte. Wir haben aus diesem Pool 1,8 Millionen SARS-CoV-2-Genomdaten verwendet, die zwischen dem Ende des Jahres 2020 und Anfang 2021 – also im Verlauf der dritten Pandemiewelle in Deutschland – gesammelt wurden.”
Um herauszufinden, wie die Einführung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die Ausbreitung von SARS-CoV-2-Virusvarianten beeinflusste, nutzen die Forschenden einen neuen Ansatz, der als „phylogeographische Bayes-Analyse“ bezeichnet wird.
Die Bayes’sche Phylogeographie ist ein Forschungsgebiet innerhalb der Evolutionsbiologie und Biogeographie, das spezielle statistische Methoden verwendet, um räumliche und zeitliche Muster der Bewegung und Entwicklung von Arten zu identifizieren. Bei diesem Ansatz werden Informationen aus genetischen Daten wie DNA-Sequenzen mit geographischen Daten kombiniert, um die Ausbreitung und Divergenz von Populationen zu rekonstruieren.
𝗘𝗶𝗻𝗳𝗹𝘂𝘀𝘀 𝘃𝗼𝗻 𝗻𝗶𝗰𝗵𝘁-𝗽𝗵𝗮𝗿𝗺𝗮𝘇𝗲𝘂𝘁𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻 𝗜𝗻𝘁𝗲𝗿𝘃𝗲𝗻𝘁𝗶𝗼𝗻𝗲𝗻 (𝗡𝗣𝗜) 𝗮𝘂𝗳 𝗱𝗶𝗲 𝗩𝗲𝗿𝗯𝗿𝗲𝗶𝘁𝘂𝗻𝗴 𝘃𝗼𝗻 𝗦𝗔𝗥𝗦-𝗖𝗼𝗩-𝟮 𝗶𝗻 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵𝗹𝗮𝗻𝗱
Anhand von drei Stichprobenstrategien ermittelten die Forschenden aus dem oben genannten Datensatz die nach Deutschland eingeschleppten SARS-CoV-2-Linien und den jeweiligen Zeitpunkt der Einschleppung. Um den Einfluss der Interventionen auf Einschleppung und Verbreitung dieser Linien herauszufinden, fasste die Gruppe Informationen aus veröffentlichten Quellen zu über 4.000 in Deutschland umgesetzten Interventionen zusammen und klassifizierte diese dann in insgesamt zwölf übergeordnete NPI.
Die Einführungs- und Anwendungszeiträume dieser kategorisierten und klassifizierten NPI wurden dann mit dem geographischen und zeitlichen Vorkommen der Viruslinien in Relation gesetzt, um den Einfluss der Interventionen auf die Einschleppung des Virus und dessen Verteilung innerhalb von Deutschland zu bestimmen.
„Besonders nach der Bereitstellung kostenloser Antigen-Schnelltests und dem Verschärfen der Vorschriften zum Tragen von medizinischen Atemschutzmasken erfolgte ein starker Rückgang bei der Einschleppung neuer SARS-CoV-2-Varianten nach Deutschland“, erklärt Mohammad-Hadi Foroughmand-Araabi. Diese Maßnahmen schränken den Alltag nicht so stark ein wie beispielsweise Kontaktverbote und könnten daher bei zukünftigen Pandemien schnell und umfassend ergriffen werden, um der Virusausbreitung zu begegnen.
„Die Ergebnisse der Analysen haben nicht nur Erkenntnisse zum Virusverhalten während einer Pandemie gebracht“, resümiert Gruppenleiterin Prof. Alice McHardy. „Ganz wesentlich ist auch, dass die in der Studie angewandte Methodik dazu beitragen kann, bei möglichen zukünftigen Pandemien schon in der Frühphase Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und Verbreitung des Erregers auszumachen. Auf diese Weise könnten schneller Hinweise auf die Effektivität von bestimmten NPI erhalten werden.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Alice McHardy
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Alice.McHardy@helmholtz-hzi.de
Originalpublikation:
Goliaei, S., Foroughmand-Araabi, MH., Roddy, A. et al. Importations of SARS-CoV-2 lineages decline after nonpharmaceutical interventions in phylogeographic analyses. Nat Commun 15, 5267 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-48641-2
Weitere Informationen:
https://www.dzif.de/en/learning-covid-pandemic-effectiveness-non-pharmaceutical-… Englische Übersetzug
Virale Artenvielfalt im Abwasser
Umfassende Metagenom-Sequenzierungen des Berliner Abwassers über 17 Monate zeigen, dass man so die Ausbreitung von Krankheitserregern überwachen und Ausbrüche vorhersagen kann. Wie das Team um Markus Landthaler in „Environmental International“ schreibt, haben sie zudem Tausende neuer Viren entdeckt.
Dass Gesundheitsbehörden das städtische Abwasser überwachen, um bestimmte Mikroben wie Polioviren oder SARS-CoV-2 aufzuspüren, ist nicht neu. Eine umfassende Surveillance, die zusätzlich auf bislang unentdeckte und somit unbekannte Viren abzielt, ist dagegen in den meisten Orten der Welt nicht die Norm.
Das könnte sich in der Zukunft ändern. Denn Abwasser ist eine wahre Fundgrube für Daten zu Viren in unserer unmittelbaren Umgebung, zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“ von Professor Markus Landthaler am Max Delbrück Center. Die Wissenschaftler*innen analysierten Proben aus einer Berliner Kläranlage mithilfe der Shotgun-Metagenom-Sequenzierung. Dank dieser Technologie konnten sie alle Viren im Wasser umfassend untersuchen: von der Bestimmung von Virusvarianten bis hin zur Nachverfolgung einzelner Buchstabenänderungen im Erbgut.
Die Verbreitung der Virusvarianten nachvollziehen
Sie fanden dabei zuverlässig alltägliche Viren wie RSV oder Grippe und konnten die saisonale Ausbreitung der Virusvarianten nachvollziehen. Je nach Jahreszeit wiesen sie außerdem typische Besucher im Abwasser nach: Viren, die Spargel infizieren, tauchten im Frühjahr auf, Weintrauben-Viren im Herbst und solche, die es auf Wassermelonen oder die Berliner Mücken abgesehen haben, im Sommer.
Die weit verbreiteten Astroviren, die beim Menschen den Magen-Darm-Trakt befallen, schauten sich die Wissenschaftler*innen genauer an. Sie verglichen, welche Mutationen im viralen Genom im Berliner Abwasser vorkamen und welche anderswo gefunden worden waren. So konnten sie die weltweite Ausbreitung einzelner Stämme nachverfolgen. In angereicherten Proben detektierten und sequenzierten sie außerdem etwa 70 menschliche Pathogene, die seltener zu finden sind. Sie entdeckten Tausende neuartiger Viren und erweiterten so unser Wissen um die virale Artenvielfalt. Doch ihre Analyse machte nicht bei den Viren halt. Die Daten brachten Hunderte Enzyme namens TnpB-Endonukleasen ans Licht, die potenziell in der Biotechnologie nützlich sein können. Das Team veröffentlichte die Studie in „Environment International“.
„Die Überwachung des Abwassers hat meines Erachtens ungeheures Potenzial. Denn Sequenzierungen werden billiger“, sagt Landthaler. „Und mit den Maschinen werden sich auch die Bioinformatik-Werkzeuge verbessern, die wir für die Analyse dieser Daten brauchen.“
Nach bislang unbekannten Viren suchen
Die Forschung an den Abwasserproben hatte während der Coronapandemie begonnen. Dank einer Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben hatte die Arbeitsgruppe von Markus Landthaler Proben aus einer Berliner Kläranlage bekommen. So konnten das Team die Verbreitung und die Wellen der SARS-CoV-2-Varianten verfolgen. Als die Pandemie allmählich abebbte, beschlossen die Wissenschaftler*innen die zwischen März 2021 bis Juli 2022 gesammelten Proben erneut zu untersuchen. „Wir waren neugierig, was da noch zu finden ist“, sagt Dr. Emanuel Wyler, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Landthaler und Erstautor der Studie. „Wir hatten hier ja ein sehr umfassendes Set an Daten, das in seiner Tiefe und Zeitspanne einzigartig ist.“
Die Forscher*innen extrahierten RNA aus den Proben und generierten 116 Bibliotheken komplementärer DNA. Sie speisten die Bibliotheken in einen Sequenzierer ein – und das Ergebnis waren Millionen Messwerte. „Diese Daten zu analysieren, ist eine Herausforderung“, sagt Dr. Chris Lauber, ein auf Bioinformatik spezialisierter Virologe von TWINCORE, dem Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Genomische Daten in die großen Virenfamilien einzusortieren, ist vergleichsweise einfach. Aber eine tiefgehende Analyse, die nach Varianten oder ganz neuen Viren sucht, kann sehr anspruchsvoll sein.“
Dies alles zeige, welches Potenzial die Überwachung des Abwassers hat – um die Evolution pathogener Viren zu untersuchen und im Hinblick auf Public Health und damit für die Gesundheit der Bevölkerung, sagt Landthaler. „Die Analyse des Metagenoms von Abwasser an möglichst vielen Standorten weltweit sollte Priorität haben“, sagt er.
Max Delbrück Center
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscherinnen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patientinnen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Landthaler
Leiter der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“
Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center
+49 30 9406-3026
markus.landthaler@mdc-berlin.de
Dr. Emanuel Wyler
Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“
Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center
+49 30 9406-3009
emanuel.wyler@mdc-berlin.de
Originalpublikation:
Emanuel Wyler et al. (2024): „Pathogen dynamics and discovery of novel viruses and enzymes by deep nucleic acid sequencing of wastewater“. Environment International, DOI: 10.1016/j.envint.2024.108875
Weitere Informationen:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412024004616?via%3Dihub – Paper
https://www.mdc-berlin.de/de/landthaler – AG Landthaler
https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/virenfahndung-der-kanalisation – Virenfahndung in der Kanalisation
Anhang
Der Virenstammbaum zeigt die Verwandtschaftsverhältnisse der bekannten Virengruppen in verschiedenen Farben; die neu im Abwasser entdeckten Viren sind leuchtend hellblau dargestellt.
Endlich den Turbo für die digitale Transformation zünden: Weiterbildung für den Öffentlichen Dienst
Wie können Behörden, Stadtverwaltungen, Landkreise, staatliche Hochschulen und andere öffentliche Einrichtungen erfolgreich die Digitalisierung planen und gestalten? Welche strategischen und praktischen Aspekte gilt es dabei zu beachten? Das erfahren Führungs- und Fachkräfte des Öffentlichen Dienstes in einer mehrteiligen, insgesamt zehntägigen Weiterbildung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), die am 15. Oktober 2024 startet: “Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung”.
Moderne Verwaltung braucht konsequente Digitalisierung – sowohl um alltägliche Bürgerservices wie An- und Ummeldungen, Anträge bei Sozial- und Bauämtern oder Kfz-Angelegenheiten nutzerfreundlich zu ermöglichen, als auch um die internen Prozesse in Behörden und Ämtern effizienter zu gestalten. Doch Deutschland hinkt bei der digitalen Transformation immer noch gewaltig hinterher.
In einer repräsentativen Umfrage des Verbands der Internetwirtschaft vom August 2023 sieht die Mehrheit der 2.500 Befragten ab 18 Jahren (70 %) keine erkennbaren Fortschritte in der digitalen Transformation Deutschlands. Besonders kritisch bewertet wird der Stand der Digitalisierung von Behörden und Verwaltung (63 %), der Ausbau der digitalen Infrastruktur (53 %) und der Cybersicherheit (33 %). Die deutliche Mehrheit der Befragten (86 %) ist der Meinung, dass die aktuelle Digitalpolitik nicht mit den im Koalitionsvertrag formulierten Zielen zur Gestaltung Deutschlands als Vorreiter in der Digitalisierung übereinstimmt.
Europaweiter Vergleich: Deutschland weit abgehängt bei der Digitalisierung
Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017 setzte sich der Bund das Ziel einer weitgehenden Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Konkret sollten 575 Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 von den Bürgern in Anspruch genommen werden können. Gemäß einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft konnten lediglich 105 Vorhaben fristgerecht umgesetzt werden (Stand März 2023). Damit befindet sich Deutschland in Bezug auf den Stand des E-Government laut Digital Economy and Society Index (DESI) im europäischen Vergleich auf Platz 18 der 27 Mitgliedsstaaten.
„Als Gründe für das Scheitern der im OZG festgesetzten Ziele können dabei insbesondere institutionelle Herausforderungen ausgemacht werden“, erklärt Prof. Dr. Heike Papenheim-Tockhorn, Leiterin des Departments Public Management an der HAW Hamburg. Gemeinsam mit Kolleg*innen der HAW Hamburg und externen Fachleuten hat sie eine Weiterbildung für Führungs- und Fachkräfte konzipiert, in der die Erfolgspotenziale und Probleme der Digitalisierung für die Öffentliche Verwaltung analysiert werden und im Dialog mit den Teilnehmenden strategische und lösungsorientiere Ansätze für digitale Transformationsprozesse entwickelt werden. „Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung“ heißt die insgesamt zehntägige Qualifizierung in drei Modulen, die am 15. Oktober 2024 am Campus Weiterbildung der HAW Hamburg startet. Mit einer freiwilligen Fallstudie als Abschlussarbeit haben die Teilnehmenden sogar die Möglichkeit, ein europaweit anerkanntes Hochschulzertifikat mit 6 Credits Points zu erwerben. „Die Weiterbildung hat sehr viele Aspekte der digitalen Transformation erkenntnisreich ausgeleuchtet. Gerade die Mischung unterschiedlicher Lehrender und externer Impulse war besonders gut“, resümierte René Menken, Kämmerer des Landkreises Verden, seine Teilnahme am letztjährigen Durchgang.
Neben strategischen, rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen leuchtet die Weiterbildung auch ganz praktische Aspekte der Digitalisierung aus. Aus Hamburg, hinter München auf Platz zwei im Smart City Index 2023 des Digitalbranchenverbandes Bitkom, berichten Vertreter:innen der Senatskanzlei sowie der Sozial-, Finanz- und der Innenbehörde über ihre Projekterfahrungen. „Hamburg liefert sehr gute Beispiele, wie digitale und persönliche Vernetzung funktioniert. Es war eindrucksvoll, das zu erleben“, berichtet Raphael Klinkert von der Bundenetzagentur in Mainz. Er hat gerade seine Abschlussarbeit für diese Weiterbildung erfolgreich präsentiert und damit ein Hochschulzertifikat mit 6 Credit Points erworben.
Start der Weiterbildung am 15. Oktober 2024 – Frühbucherpreis bis 15. August
Die Weiterbildung “Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung” umfasst an zehn Tagen 54 Stunden in Präsenz am Campus Weiterbildung der HAW Hamburg sowie im Live-Online-Format via Zoom. Sie startet am 15. Oktober 2024 mit vier Präsenztagen. Block zwei erfolgt online vom 11. bis 13. November, der Abschluss findet vom 9. bis 11. Dezember wieder in Präsenz in Hamburg statt. Teilnehmen können Fach- und Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung, die sich und ihre Organisationen für die Herausforderungen der Digitalisierung fit machen wollen und digitale Transformationsprozesse aktiv gestalten möchten. Die Teilnahme kostet 2.580 Euro (bis 15. August gilt ein Frühbucherrabatt für 2.290 Euro).
Alle Teilnehmenden erhalten im Anschluss an den vollständigen Besuch der Weiterbildung einen umfangreichen Weiterbildungsnachweis der HAW Hamburg. Teilnehmende haben zusätzlich die Möglichkeit, ein europaweit anerkanntes Hochschulzertifikat mit 6 Credit Points zu erwerben. Dafür sind zusätzlich eine Fallstudie und Präsentation anzufertigen (Aufwand: 96 Stunden).
Weitere Informationen:
https://www.haw-hamburg.de/weiterbildung/berufsbegleitend/oeffentlicher-dienst-v… Weitere Informationen und Anmeldung
Dem Wasser im Weltall auf der Spur
Für die Frage nach außerirdischem Leben spielen mögliche Wasservorkommen im Weltall eine zentrale Rolle. Neue Daten der Universität Innsbruck helfen dabei, die Spuren von Wasser in astronomischen Beobachtungsdaten zu finden. Eine Forschungsgruppe um Christina M. Tonauer und Thomas Lörting hat Nahinfrarot-Spektren verschiedener Eisformen veröffentlicht. Mit diesen lassen sich insbesondere die Daten des James-Webb-Weltraumtelekops gut einordnen.
Die Forschungsgruppe von Thomas Lörting am Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck beschäftigt sich mit den vielfältigen und besonderen Eigenschaften von Eis und Wasser. So haben die Wissenschaftler:innen im Labor neue Eisformen entdeckt und konnten in der Vergangenheit zeigen, dass Wasser aus zwei unterschiedlichen Flüssigkeiten besteht. Die Arbeitsgruppe ist in der Lage, im Labor auch Eisformen herzustellen, die nicht natürlich auf der Erde vorkommen, in den Weiten des Weltalls aber sehr wohl. „Für die Herstellung dieser Eisformen benötigt es sehr tiefe Temperaturen und/oder einen sehr hohen Druck“, erklärt die Chemikerin Christina M. Tonauer aus dem Team von Thomas Lörting. Die Erkenntnisse zu den Eisformen finden in verschiedenen Bereichen Anwendung. Für die Weltraumforschung sind sie wichtig, weil so die Bedingungen ergründet werden können, unter denen dort Eis entsteht, und wo es zu finden ist.
Zwanzig verschiedene Eisformen sind bisher bekannt. Und während auf der Erdoberfläche nur sogenanntes hexagonales Eis beobachtet wird, vermutet die Wissenschaft im Inneren der Eisgiganten Uranus und Neptun oder auf den von kilometerdicken Eisschichten überzogen Eismonden von Jupiter und Saturn eine Vielzahl unterschiedlicher Eisstrukturen. Zum ersten Mal liefern die Innsbrucker Chemiker:innen nun Spektren dieser Eisformen im Nahinfrarotbereich, einem Frequenzbereich, in dem auch das neue James-Webb-Weltraumteleskop misst. Die im Weltall gemessenen Daten können mit den im Labor in Innsbruck ermittelten Spektren verglichen werden und so Aussagen über Art und Struktur des Eises im All gewonnen werden.
Neue Messmethode entwickelt
Gelungen ist Christina M. Tonauer die Erstellung der Nahinfrarotspektren in Kooperation mit der Forschungsgruppe um Christian Huck am Institut für Analytische Chemie und Radiochemie der Universität Innsbruck, einem Spezialisten der Nahinfrarot-Spektroskopie. „Die große Schwierigkeit war, das Eis für die Dauer der Messung auf minus 196 Grad Celsius zu halten, damit es sich nicht umformt“, erzählt Christina M. Tonauer. „Wir mussten eine Methode entwickeln, um die Proben unter Zuhilfenahme von flüssigem Stickstoff in einem für Raumtemperaturen konzipierten Spektrometer messen zu können.“
Die Wissenschaftler:innen waren erfolgreich und fanden in den Spektren im Wellenlängenbereich von 1 bis 2,5 Mikrometer zahlreiche charakteristische Merkmale, anhand derer etwa die Dichte und Porosität des Eises bestimmt werden können. „In diesem Wellenlängenbereich misst auch einer der Spektrografen am James-Webb-Weltraumteleskop“, erklärt Thomas Lörting. „Unsere Labordaten können als Referenzwerte für die Interpretation von Messungen im All herangezogen werden. So lernen wir vielleicht bald mehr über das Eis und Wasser im All.“
Die Forschung fand im Rahmen der Forschungsplattform Material- und Nanowissenschaften an der Universität Innsbruck statt, die Anfang des Jahres zum Forschungsschwerpunkt Funktionelle Materialwissenschaften (FunMAT) aufgewertet wurde.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Christina M. Tonauer
Institut für Physikalische Chemie
Universität Innsbruck
+43-512-507-58029
christina.Tonauer@uibk.ac.at
https://www.uibk.ac.at/de/physchem/forschung/supercooled/
Thomas Lörting
Institut für Physikalische Chemie
Universität Innsbruck
+43 512 507-58019
thomas.loerting@uibk.ac.at
https://www.uibk.ac.at/de/physchem/forschung/supercooled/
Originalpublikation:
Near-infrared Spectroscopy for Remote Sensing of Porosity, Density and Cubicity of Crystalline and Amorphous H2O Ices in Astrophysical Environment. Christina Tonauer et al. The Astrophysical Journal 2024 DOI: https://doi.org/10.3847/1538-4357/ad4f82
Bevölkerungsweites Gesundheitsscreening: ein Tropfen Blut, viele Diagnosen
Mithilfe von Infrarotlicht und maschinellem Lernen haben Forschende des attoworld-Teams eine Methode entwickelt, den Gesundheitszustand einer Population zu untersuchen.
Stellen Sie sich ein Szenario vor, in dem ein einziger Blutstropfen innerhalb von Minuten umfassende Gesundheitsinformationen liefert. Einem solchen Ziel sind Forschende um Dr. Mihaela Žigman von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) ein Stück nähergekommen. In Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München haben sie ein Gesundheitsscreening-Tool entwickelt, das mithilfe von Infrarotlicht und maschinellem Lernen mehrere Gesundheitszustände mit nur einer Messung erkennen kann.
Die Infrarotspektroskopie ist eine Technik, bei der Infrarotlicht zur Analyse der molekularen Zusammensetzung von Substanzen eingesetzt wird. Es ist, als würde man Molekülen einen Fingerabdruck abnehmen. Bei der Anwendung auf komplexe Bioflüssigkeiten wie Blutplasma kann die Technologie detaillierte Informationen über molekulare Signale liefern. Obwohl die Infrarotspektroskopie seit Langem in der Chemie und der Industrie eingesetzt wird, hat sie sich in der medizinischen Diagnostik noch nicht durchgesetzt.
Dieser Aufgabe hat sich nun ein Team von Forschenden der Broadband Infrared Diagnostics Forschungsgruppe (BIRD) im attoworld-Team unter der Leitung von Dr. Mihaela Žigman angenommen. Nachdem die BIRD-Gruppe bereits die Methode zum molekularen Fingerabdruck von menschlichem Plasma entwickelt hat, arbeiteten die Forschenden nun mit dem Team von Professorin Dr. Annette Peters vom Helmholtz Zentrum München zusammen, das eine groß angelegte Bevölkerungsstudie durchgeführt hat. Gemeinsam haben sie das sogenannte Infrarot-molekulare Fingerprinting auf eine diverse Bevölkerung zum ersten Mal angewendet. Dazu wurde das Blutplasma von Tausenden von Teilnehmern im Rahmen der KORA-Studie, einem umfassenden repräsentativen Gesundheitsforschungsprojekt im Raum Augsburg, gemessen.
Weitreichende Anwendungsmöglichkeiten
Mehr als 5.000 Blutplasmaproben wurden so mittels Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie (FTIR) untersucht. Tarek Eissa und Cristina Leonardo vom BIRD-Team der LMU analysierten die Blutproben mit Infrarotlicht, um molekulare Fingerabdrücke zu vermessen. Das Team wandte maschinelles Lernen an, um die Korrelation zwischen den gemessenen molekularen Fingerabdrücken und den medizinischen Daten zu analysieren. Sie entdeckten, dass diese Fingerabdrücke wertvolle Informationen enthalten, die ein schnelles Gesundheitsscreening ermöglichen. Ein mehrstufiger Computeralgorithmus ist nun in der Lage, zwischen verschiedenen Gesundheitszuständen zu unterscheiden, darunter anormale Blutfettwerte, verschiedene Blutdruckveränderungen und Typ-2-Diabetes, aber überraschenderweise auch Prädiabetes, einer Vorstufe des Diabetes, die oft übersehen wird.
Der Algorithmus konnte den Forschenden zufolge sogar Personen herausfiltern, die gesund waren und über den Untersuchungszeitraum von mehreren Jahren gesund blieben. Das ist aus zwei Gründen von Bedeutung: Erstens erleben die meisten Menschen in jeder beliebigen Population anormale gesundheitliche Veränderungen. Da wir alle unterschiedlich sind und uns im Laufe der Zeit verändern, ist es daher alles andere als trivial, völlig gesunde Personen zu identifizieren. Zweitens leiden sehr viele Menschen an mehreren Krankheiten in verschiedenen Kombinationen. Traditionell würden Ärzte für jede Krankheit einen neuen Test benötigen.
Mit dem neuen Ansatz lässt sich jetzt nicht nur eine Krankheit feststellen, sondern eine ganze Reihe von Gesundheitsproblemen und komplexen -zuständen mit mehreren Krankheiten gleichzeitig. Darüber hinaus kann es die Entwicklung des metabolischen Syndroms Jahre vor dem Auftreten von Symptomen vorhersagen und so ein Zeitfenster für Interventionen schaffen.
Die neue Studie legt den Grundstein dafür, dass der molekulare Infrarot-Fingerabdruck in Zukunft zu einem Routinebestandteil von Gesundheitsuntersuchungen werden könnte. Er soll Ärzten ermöglichen, Krankheiten effizienter zu erkennen und zu behandeln. Das ist wichtig bei Stoffwechselstörungen, wie erhöhtes Cholesterin und Diabetes, bei denen frühzeitig getroffene Maßnahmen die Gesundheit erheblich verbessern können.
Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode könnten noch weiter reichen: In dem Maße, wie die Forscher die Methodik verfeinern und ihre Fähigkeiten durch Technologieentwicklung ausbauen, könnten noch mehr Gesundheitszustände nach klinischer Erprobung in das Diagnoserepertoire aufgenommen werden. Das könnte zu einem personalisierten Gesundheitsscreening führen, bei der der Einzelne regelmäßig seinen Gesundheitszustand überprüfen lässt und potenzielle Probleme erkennt, lange bevor sie ernst werden.
Die Infrarotspektroskopie in Kombination mit dem maschinellen Lernen hat nach Ansicht der Autoren das Potenzial, die Gesundheitsdiagnostik zu verändern. Mit einem einzigen Tropfen Blut und Infrarotlicht, so die Forschenden, stehe ein leistungsfähiges Werkzeug zur Verfügung, die Gesundheit im Auge zu behalten, Probleme effizienter zu erkennen und die Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Mihaela Žigman
Ludwig-Maximilians-Universität, Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Tel.: 49.89.289-54062
mihaela.zigman@mpq.mpg.de
https://www.attoworld.de
https://attoworld.de/bird.html
Originalpublikation:
Tarek Eissa, Cristina Leonardo, Kosmas V. Kepesidis, Frank Fleischmann, Birgit Linkohr, Daniel Meyer, Viola Zoka, Marinus Huber, Liudmila Voronina, Lothar Richter, Annette Peters, Mihaela Žigman: Plasma infrared fingerprinting with machine learning enables single-measurement multi phenotype health screening. Cell Reports Medicine 2024
https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2024.101625
Gut geschützt auf Reisen Reiseimpfungen: Was Rheuma-Betroffene beachten sollten
Dank neuer Therapien in der Rheumatologie können immer mehr Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ohne Einschränkungen Fernreisen unternehmen und müssen nicht auf bestimmte Urlaubsziele verzichten. Wichtig ist, neben einem gut geplanten Aufenthalt am Zielort, jedoch eine umfassende fachliche Reiseberatung zu erforderlichen Schutzimpfungen. Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh) erklären, worauf geachtet werden sollte.
Nach dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) sind rund 1,5 bis 2,1 Millionen Erwachsene in Deutschland von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen betroffen. Sie zählen aus infektiologischer Sicht zu einer Risikogruppe. Bereits das Autoimmungeschehen, das der Erkrankung zugrunde liegt, macht sie anfälliger für Infektionskrankheiten, hinzu kommt die immunmodulierende Medikation. „Manche Rheuma-Medikamente hindern das Immunsystem auch daran, effektiv und dauerhaft auf eine Impfung zu reagieren“, erklärt Dr. med. Ioana Andreica, Rheumatologin am Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne. „Diese begrenzte Wirksamkeit, auch bei Erstimpfungen, sollte mit den Patient:innen besprochen werden.“ Wann und mit welchem Erfolg geimpft werden kann, hängt von der Art und Dosierung der Medikation ab, sowie von der Aktivität der entzündlich-rheumatischen Erkrankung . Generell gilt:
- Es sollte nicht in einen Krankheitsschub „hineingeimpft“ werden.
- Totimpfstoffe sind grundsätzlich sicher. Allerdings kann der Impfschutz schwächer ausfallen.
- Unter Immunsuppression sollten Lebendimpfstoffe möglichst vermieden werden.
- Als nicht immunsuppressiv gelten zum Beispiel Hydroxychloroquin, Sulfasalazin und Apremilast.
- Als immunsuppressiv gelten einige Biologika wie beispielsweise TNF-Blocker, Abatacept oder Rituximab. Auch hochdosierte Glukokortikoide, Azathioprin und hochdosiertes Methotrexat, sowie Kombinationstherapien dämpfen die Immunantwort.
- Impfungen sollten idealerweise vor einem Therapiestart mit immunsuppressiven Medikamenten erfolgen.
Empfohlene Reiseimpfungen – Überprüfung von Standard- und Indikationsimpfungen nicht vergessen
Für Personen mit eingeschränkter Immunfunktion gelten prinzipiell dieselben Impfempfehlungen wie für andere Reisende auch. Je nach Reiseziel sollte ein Impfschutz gegen Cholera, Dengue, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Gelbfieber, Japanische Enzephalitis, Meningokokken-Infektionen, Tollwut und Typhus angestrebt werden. Einige Impfungen werden im internationalen Reiseverkehr vorgeschrieben wie beispielsweise die Impfungen gegen Gelbfieber, Meningokokken-Impfung, PoliomyelitisImpfung oder die Masern-Impfung.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Institut empfiehlt auch im Rahmen einer reisemedizinischen Impfberatung einmal die Standard- und Indikationsimpfungen zu überprüfen und, wenn notwendig, diese zu vervollständigen. Diese sind: Tetanus, Diphtherie, HPV, Herpes zoster, Pertussis, Masern, Meningokokken-Infektionen (ACWY), Pneumokokken, Influenza, Hepatitis A und B, Poliomyelitis und COVID-19. Seit diesem Jahr sind die Standardimpfungen um die Meningokokken B Impfung ergänzt.
„Für die meisten dieser Impfungen gibt es Totimpfstoffe, die auch bei Immungeschwächten sicher sind. Die Impfungen bzw. Impfserien sollten spätestens zwei Wochen vor Reisebeginn abgeschlossen sein, um eine ausreichende schützende Immunität und das Abklingen oder eine Behandlung etwaiger unerwünschter Arzneimittelwirkungen vor Reise-antritt zu gewährleisten,“ sagt Andreica. Unter Umständen werde aber nur ein eingeschränkter Impfschutz aufgebaut. Im Falle der Hepatitis A-Impfung wird deshalb seit kurzem eine zusätzliche Impfdosis empfohlen.
Gelbfieberimpfung und Impfung gegen Dengue
Der wichtigste Lebendimpfstoff unter den Reiseimpfungen ist die Gelbfieberimpfung, die etliche tropische Länder verpflichtend vorschreiben. „Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem besteht die Gefahr, dass der Lebendimpfstoff die Gelbfiebererkrankung auslöst, gegen die er schützen soll. Denn das geschwächte Immunsystem kann die abgeschwächten Viren im Lebendimpfstoff nicht wirksam abwehren“, sagt Andreica. Um solche Impfkomplikationen zu vermeiden, wäre theoretisch eine Immunsuppressionspause von ca. 3 Monaten oder länger, je nach Immunsuppression, vor und 4 Wochen nach der Lebendimpfung erforderlich. Dies ist in der Regel und wegen der Gefahr eines Schubes der rheumatischen Erkrankung für die Patient:innen nicht möglich. Neue Daten zeigen, dass unter Umständen die Gabe einer Gelbfieber-Impfung unter einer leichten Immun-suppression möglich ist. Laut der im Dezember 2020 aktualisierten Fachinformation für Stamaril (Gelbfieberimpfstoff) ist eine Impfung unter niedrig dosierter Cortisoneinnahme möglich. Auch die erst kürzlich zugelassene Dengueimpfung ist ein Lebendimpfstoff, der bei Immunsupprimierten nicht verabreicht werden darf. Weil Erfahrungswerte noch fehlen, gilt dies selbst unter geringer Immunsuppression als kontraindiziert.
„Eine enge Zusammenarbeit beim Thema der Reiseimpfungen zwischen Patient:innen, Reisemediziner:innen, Hausärzt:innen und Rheumatolog:innen ist unerlässlich und die beste Voraussetzung für einen komplikationslosen und erholsamen Aufenthalt im Reise-land“, betont auch DGRh-Präsident Prof. Dr. med. Christof Specker aus Essen. „Neben den Impfungen sollten dann auch weitere Themen in der Beratung zur Sprache kommen, die für Rheuma-Betroffene wichtig sind, wie beispielweise Sonnenschutz oder Wechselwirkungen zwischen Immunsuppressiva und einer notwendigen Malariaprophylaxe.“
Quellen:
Reisen und Rheuma, Dr. med. Ioana Andreica, Rheumazentrum Ruhrgebiet Herne, Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Fachgesellschaft Reisemedizin e.V. (DFR) 2023
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) zu Reiseimpfun-gen, Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 14 | 2024 ,4. April 2024, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/14_24.pdf?__b…
Albrecht, K., Binder, S., Minden, K. et al. Systematisches Review zur Schätzung der Prä-valenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen in Deutschland. Z Rheumatol 82, 727–738 (2023). https://doi.org/10.1007/s00393-022-01305-2
Angelin M, Sjölin J, Kahn F, Ljunghill Hedberg A, Rosdahl A, Skorup P, Werner S, Woxe-nius S, Askling HH. Qdenga® – A promising dengue fever vaccine; can it be recom-mended to non-immune travelers? Travel Med Infect Dis. 2023 Jul-Aug;54:102598. doi: 10.1016/j.tmaid.2023.102598. Epub 2023 Jun 2. PMID: 37271201
Letícia Wigg de Araújo Lagos, Ariane de Jesus Lopes de Abreu, Rosângela Caetano, José Ueleres Braga, Yellow fever vaccine safety in immunocompromised individuals: a sys-tematic review and meta-analysis, Journal of Travel Medicine, Volume 30, Issue 2, March 2023, taac095, https://doi.org/10.1093/jtm/taac095
Wagner N, Assmus F, Arendt G, Baum E, Baumann U, Bogdan C, Burchard G, Föll D, Garbe E, Hecht J, Müller-Ladner U, Niehues T, Überla K, Vygen-Bonnet S, Weinke T, Wiese-Posselt M, Wojcinski M, Zepp F. Impfen bei Immundefizienz : Anwendungshinwei-se zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Ge-sundheitsschutz. 2019 Apr;62(4):494-515. German. doi: 10.1007/s00103-019-02905-1. PMID: 30899964.
Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert
Der Sauerstoffgehalt in den Gewässern auf unserer Erde nimmt rapide und dramatisch ab – vom Teich bis zum Ozean. Der fortschreitende Sauerstoffverlust bedroht nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlage großer Bereiche der Gesellschaft und den gesamten Planeten, urteilen die Autor:innen einer internationalen Studie mit Beteiligung des GEOMAR, die heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde. Sie fordern, den Sauerstoffverlust der Gewässer als planetare Belastbarkeitsgrenze anzuerkennen, um globale Überwachung, Forschung und politische Maßnahmen zu fokussieren.
Sauerstoff ist eine grundlegende Voraussetzung für das Leben auf dem Planeten Erde. Der Verlust von Sauerstoff im Wasser, auch als aquatische Desoxygenierung bezeichnet, stellt eine unmittelbare Bedrohung für das Leben im Wasser dar. In einer heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Studie beschreibt ein internationales Forschungsteam, welche Gefahren der fortschreitende Sauerstoffverlust auch für die Lebensgrundlage weiter Bereiche der Gesellschaft und für die Stabilität des Lebens auf unserem Planeten darstellt.
Frühere Forschungen haben eine Reihe globaler Prozesse identifiziert, die als planetare Belastbarkeitsgrenzen bezeichnet werden. Werden diese Belastbarkeitsgrenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großräumiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen („Kipp-Punkte“), und die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine Stabilität, wird gefährdet. Zu den derzeit neun planetaren Grenzen gehören unter anderem der Klimawandel, die Veränderung der Landnutzung und der Verlust der biologischen Vielfalt. Die Autor:innen der neuen Studie argumentieren, dass der Sauerstoffverlust der Gewässer sowohl auf andere planetare Grenzprozesse reagiert als auch diese reguliert und deswegen als weitere planetare Grenze definiert werden sollte.
„Es ist wichtig, dass die Sauerstoffabnahme in der Hydrosphäre auf die Liste der planetaren Grenzen gesetzt wird“, sagt Erstautor Dr. Kevin Rose, Professor am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York. „Dies wird helfen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unsere aquatischen Ökosysteme und damit auch die Gesellschaft insgesamt zu schützen.“
In allen aquatischen Ökosystemen, von Bächen und Flüssen über Teiche, Seen und Stauseen bis hin zu Küsten und dem offenen Ozean, ist die Sauerstoffsättigung in den vergangenen Jahrzehnten rapide und erheblich gesunken. Seen und Stauseen haben seit 1980 Sauerstoffverluste von 5,5 beziehungsweise 18,6 Prozent erlitten. Der Ozean hat seit 1960 im globalen Durchschnitt mehr als zwei Prozent seines Sauerstoffs verloren. Prozentual klingt dies nach wenig, absolut bedeutet es aber aufgrund des riesigen Volumens des Weltozeans eine ungeheure Menge an Sauerstoff – und die Geschwindigkeit der Abnahme nimmt weiter zu. Die Wassermenge mit extremer Sauerstoffarmut (hypoxisch) beziehungsweise ohne jeglichen Sauerstoff (anoxisch) ist bei allen Gewässertypen dramatisch gestiegen, mit immer sichtbarer werdenden Konsequenzen für die betroffenen Ökosysteme.
„Ursachen des aquatischen Sauerstoffverlusts sind die globale Erwärmung durch Emissionen von Treibhausgasen und der Eintrag von Nährstoffen als Folge der Landnutzung“, sagt Ko-Autor Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Steigen die Wassertemperaturen, nimmt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser ab. Dazu kommt eine ausgeprägtere Schichtung der Wassersäule, weil sich wärmeres, salzärmeres Wasser mit geringer Dichte auf das darunter geschichtete kältere, salzigere Tiefenwasser legt. Das behindert den Austausch der sauerstoffarmen Tiefenschichten mit dem sauerstoffreicheren Oberflächenwasser. Nährstoffeinträge von Land fördern zusätzlich Algenblüten, die dazu führen, dass mehr Sauerstoff verbraucht wird, wenn mehr organisches Material absinkt und in der Tiefe von Mikroben zersetzt wird.“
Bereiche im Meer, in denen so wenig Sauerstoff vorhanden ist, dass Fische, Muscheln oder Krebse nicht mehr überleben können, bedrohen nicht nur die Organismen selbst, sondern auch Ökosystemdienstleistungen wie Fischerei, Aquakultur, Tourismus und kulturelle Praktiken. Mikrobiotische Prozesse in sauerstoffarmen Regionen erzeugen darüber hinaus verstärkt Treibhausgase wie Lachgas und Methan, was zu einer weiteren Verstärkung der Erderwärmung und damit einer wesentlichen Ursache der Sauerstoffabnahme führen kann.
Die Autoren warnen: Wir nähern uns kritischen Schwellenwerten des Sauerstoffverlusts in den Gewässern, die mehrere andere planetare Grenzen beeinflussen werden. Professor Dr. Rose: „Gelöster Sauerstoff reguliert die Rolle von Meeres- und Süßwasser bei der Steuerung des Erdklimas. Die Verbesserung der Sauerstoffsättigung in Gewässern hängt von der Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen ab, einschließlich der Klimaerwärmung und der Abwässer aus bewirtschafteten Landschaften. Wird der Sauerstoffmangel in den Gewässern nicht adressiert, wird dies letztlich nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die Wirtschaft und die Gesellschaft auf globaler Ebene beeinträchtigen.“
Die Trends bei der Sauerstoffverarmung der Gewässer sind ein deutliches Warnsignal und ein Aufruf zum Handeln, das verhindern muss, diese planetare Grenze zu überschreiten. Die Studie von Professor Rose und seinen Kolleg:innen wird den Weg für weitere Forschung ebnen und die Tür für neue Regulierungsmaßnahmen öffnen. Sie entstand im Umfeld des Netzwerks Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO), das ebenso wie das Programm Global Ocean Oxygen Decade (GOOD) der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen von Professor Oschlies geleitet wird.
Originalpublikation:
Rose, K.C., Ferrer, E.M., Carpenter, S.R. et al. (2024): Aquatic deoxygenation as a planetary boundary and key regulator of Earth system stability. Nature Ecology and Evolution, doi https://doi.org/10.1038/s41559-024-02448-y
Weitere Informationen:
http://www.geomar.de/n9519 Bildmaterial zum Download
https://www.ioc.unesco.org/en/go2ne Global Ocean Oxygen Network (GO2NE)
https://oceandecade.org/actions/global-ocean-oxygen-decade Global Ocean Oxygen Decade (GOOD)
Blutfettprofile bestätigen: Hochwertige pflanzliche Öle sind besser für die Gesundheit als Butter
Die Umstellung von einer Ernährung mit einem hohen Gehalt an gesättigten tierischen Fetten zu einer Ernährung, die reich an pflanzlichen ungesättigten Fetten ist, beeinflusst die Fettzusammensetzung im Blut. Das wiederum beeinflusst das langfristige Krankheitsrisiko. Eine kürzlich in Nature Medicine veröffentlichte Studie, die von einem Forscherteam des DIfE, der Chalmers University of Technology in Schweden sowie mehrerer anderer Universitäten durchgeführt wurde, zeigt, dass es möglich ist, diätetisch bedingte Fettveränderungen im Blut genau zu messen. Diese können dann direkt mit dem Entstehungsrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht werden.
Eine Pressemitteilung der Chalmers University of Technology Schweden
„Unsere Studie bestätigt mit noch größerer Gewissheit als bisher die gesundheitlichen Vorteile einer Ernährung mit einem hohen Anteil an ungesättigten pflanzlichen Fetten, wie sie beispielsweise in der mediterranen Diät vorkommen. Das könnte dabei helfen, gezielte Ernährungsempfehlungen für diejenigen zu formulieren, die am meisten von einer Änderung ihrer Essgewohnheiten profitieren würden“, sagt Dr. Clemens Wittenbecher, Forschungsleiter an der Chalmers University of Technology und Hauptautor der Studie.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hebt die Bedeutung einer gesunden Ernährung zur Vorbeugung chronischer Krankheiten hervor und empfiehlt, gesättigte tierische Fette, die zum Beispiel in Butter enthalten sind, durch pflanzliche ungesättigte Fette, wie sie beispielsweise aus Olivenöl bekannt sind, zu ersetzen, um das kardiometabolische Risiko zu reduzieren. Allerdings ist die Sicherheit dieser Richtlinien aufgrund von Einschränkungen in bestehenden Studien bisher moderat.
Die hier beschriebene Studie hebt diese Einschränkungen auf, indem sie die Fette im Blut, auch bekannt als Lipide, mit einer Methode namens Lipidomik genau analysiert. Diese sehr detaillierten Lipidmessungen ermöglichten es den Forschenden, Ernährung und Krankheit in einer innovativen Kombination verschiedener Studientypen zu verknüpfen. Dieser neuartige Ansatz verbindet Ernährungsinterventionsstudien – die stark kontrollierte Diäten verwenden – und bereits durchgeführte Kohortenstudien mit langfristiger Gesundheitsüberwachung.
Überwachung der Blutfette bei Änderungen im Lebensmittelkonsum
Ein Teil dieser Forschung wurde in einer diätetischen Interventionsstudie von der University of Reading in Großbritannien durchgeführt, an der 113 Männer und Frauen teilnahmen. Über 16 Wochen konsumierte eine Studiengruppe eine Ernährung mit einem hohen Gehalt an gesättigten tierischen Fetten, während die andere einer Ernährung folgte, die reich an ungesättigten pflanzlichen Fetten war. Die Blutproben wurden mittels Lipidomik analysiert, um spezifische Lipidmoleküle zu identifizieren, welche die unterschiedlichen Ernährungsweisen der Proband*innen widerspiegelten.
„Wir haben die Auswirkungen auf die Blutfette mit einem Multi-Lipid-Score (MLS) zusammengefasst. Ein hoher MLS zeigt ein gesundes Blutfettprofil an. Eine hohe Aufnahme von ungesättigten pflanzlichen Fetten sowie eine geringe Aufnahme von gesättigten tierischen Fetten können dazu beitragen, solche positiven MLS-Werte zu erreichen“, sagt Erstautor Dr. Fabian Eichelmann vom DIfE und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
Die MLS-Ergebnisse aus der Ernährungsinterventionsstudie hat das Forscherteam statistisch mit dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes in großen, zuvor durchgeführten Beobachtungsstudien in Verbindung gebracht. Die gemeinsame Datenanalyse von beiden Studientypen zeigte, dass Teilnehmende mit einem höheren MLS, was auf eine vorteilhafte Zusammensetzung der Nahrungsfette hinweist, ein deutlich reduziertes Risiko hatten, kardiometabolische Erkrankungen zu entwickeln.
Ernährungsumstellung zeigt Wirkung
Zusätzlich untersuchte die aktuelle Studie, ob Personen mit niedrigen MLS-Werten, die auf eine hohe Aufnahme gesättigter Fette hinweisen, speziell von einer gesünderen Ernährung profitieren. Die mediterrane Ernährung, die sich auf die Bereitstellung von mehr ungesättigten pflanzlichen Fetten konzentriert, wurde in der großen Ernährungsinterventionsstudie PREDIMED angewandt. Mithilfe dieser Studie fanden die Forschenden heraus, dass die Prävention von Typ-2-Diabetes tatsächlich bei den Personen am ausgeprägtesten war, die zu Studienbeginn niedrige MLS-Werte aufwiesen.
„Die Ernährung ist so komplex, dass es oft schwierig ist, aus einer einzelnen Studie schlüssige Beweise zu ziehen. Unser Ansatz, Lipidomik zu verwenden, um Interventionsstudien mit streng kontrollierten Diäten mit prospektiven Kohortenstudien mit langfristiger Gesundheitsverfolgung zu kombinieren, kann die aktuellen Einschränkungen in der Ernährungsforschung überwinden,“ erklärt Wittenbecher.
Mehr Informationen zu anderen großen Kohorten- und Interventionsstudien:
- Deutsche EPIC-Potsdam-Studie – Nordic diet, Mediterranean diet, and the risk of chronic diseases: the EPIC-Potsdam study
[https://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12916-018-1082-y] - Harvards Nurses‘ Health Studies – Die Nurses’ Health Study und Nurses’ Health Study II gehören zu den größten Untersuchungen zu Risikofaktoren für bedeutende chronische Krankheiten bei Frauen [https://nurseshealthstudy.org/]
- PREDIMED-Studie – Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet Supplemented with Extra-Virgin Olive Oil or Nuts
[https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa1800389]
Wissenschaftliche Ansprechpartner: - Dr. Fabian Eichelmann
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am DIfE
- Tel.: +49 33200 88 – 2454
- E-Mail: fabian.eichelmann@dife.de
Dr. Clemens Wittenbecher
Assistant Professor, Department of Life Sciences, Chalmers University of Technology, Schweden
Tel.: +46 31 772 80 50
E-Mail: clemens.wittenbecher@chalmers.se
Hinweis
Die Kontaktpersonen sprechen sowohl Englisch als auch Deutsch. Clemens Wittenbecher spricht außerdem Spanisch. Sie stehen für Live- und vorab aufgezeichnete Interviews zur Verfügung. Die Chalmers Universität verfügt über Podcast-Studios und Rundfunk-Filmausrüstung vor Ort und kann bei Anfragen für Fernseh-, Radio- oder Podcast-Interviews unterstützen.
Originalpublikation:
Eichelmann, F., Prada, M., Sellem, L., Jackson, K. G., Salas-Salvadó, J., Razquin-Burillo, C., Estruch, R., Friedén, M., Rosqvist, F., Risérus, U., Rexrode, K. M., Guasch-Ferré, M., Sun, Q., Willett, W. C., Martinez-Gonzalez, M. A., Lovegrove, J. A. Hu, F. B., Schulze, M. B., Wittenbecher, C.: Lipidome changes due to improved dietary fat quality inform cardiometabolic risk reduction and precision nutrition. Nature Medicine (2024) [Open Access]
[https://doi.org/10.1038/s41591-024-03124-1]
Weitere Informationen:
https://news.cision.com/chalmers/r/blood-fat-profiles-confirm-health-benefits-of… englische Originalmeldung der Chalmers University of Technology in Schweden
Hochschulkooperation ausgebaut: Abwässer der indischen Pharmaindustrie werden gereinigt
Im Rahmen des Projekts pharmIn2 reisten Vertreter des Bayerisch-Indischen Zentrums für Wirtschaft und Hochschulen (BayIND) und des Instituts für nachhaltige Wassersysteme (inwa) der Hochschule Hof nach Indien. Das Projekt zielt darauf ab, die innovative Abwasserbehandlungstechnologie namens a3op® an den indischen Markt zu adaptieren, die vom bayerischen Unternehmen up2e! für die Behandlung von stark verschmutztem Industrieabwasser entwickelt wurde. Im Rahmen des Projekts soll die Technologie für die Reinigung pharmazeutischer Industrieabwässer in Indien eingesetzt werden.
Unter Verwendung von Abwasserproben eines großen südindischen Pharmaunternehmens wurde parallel dazu mit der Pilotierung der geplanten Anlage begonnen, die zu Beginn des Jahres von up2e! nach Indien exportiert worden war. Die neue Technologie könnte in Indien einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in Bezug auf den Schutz von Wasserressourcen leisten.
Erfolgreiche Pilotprojekte
Technische Ingenieure aus Deutschland überwachten die Online-Pilotierung. Vertreterinnen des BayIND und des inwa der Hochschule Hof waren ebenfalls anwesend, um dem wichtigen Meilenstein beizuwohnen. Die Pilotierung wird genutzt, um anhand der Testergebnisse die Technologie an die Bedingungen des indischen Marktes anzupassen. Die nun in Hyderabad installierte Pilotanlage ist derzeit in einem 40 Fuß Container untergebracht. Sie wird als vorgeprüfte und betriebsbereite Einheit geliefert. Dies macht Nachrüstungen oder Neuinstallationen nicht nur einfach, sondern auch äußerst zeitsparend. Umgebungsdruck und -temperatur sorgen für einen sicheren, zuverlässigen und einfach zu steuernden Betrieb.
Innovative Technik
Die angestrebte Wasseraufbereitung wird bei dieser Technik durch die Kombination von idealer Ozonauflösung mit der gleichzeitigen Einbringung von Schallenergie erreicht. Die patentrechtlich geschützte und einzigartig konzipierte Gas-Masse-Transfervorrichtung – der Roturi – erreicht eine fein verteilte Ozonauflösung und einen Gastransfer in die wässrige Lösung. Für spezielle Anwendungen wird er mit der Einführung von Schallenergie kombiniert, wodurch ein akustisch aktivierter fortschrittlicher Oxidationsprozess (a3op®) mit erhöhter Reaktionskinetik entsteht.
Dazu Projektleiter Prof. Günter Müller-Czygan: „Mit dem a3op®-Verfahren steht eine Behandlungstechnologie zur Reduzierung von Spurenstoffen wie z.B. Medikamentenresten zur Verfügung, die am Ort des Abwasseranfalls effizient und flexibel einsetzbar ist und eine teure zentrale Behandlung in einer kommunalen Kläranlage weitestgehend vermeiden kann.“ Die ersten Laborergebnisse liegen demnach bereits vor. In Bezug auf die CSB-Reduzierung hat die Pilotierung sehr gute Ergebnisse geliefert. Da es sich jedoch um eine Pilotanlage handelt, müssen verschiedene Studien unter unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt werden, um zu analysieren, welche die besten Ergebnisse in kürzester Zeit und zu einem ökologisch vertretbaren Preis liefern könnte. Dies wird noch etwa 1-2 Monate dauern.
Wichtige Kooperationen
Auch in Bezug auf den Ausbau bereits bestehender Beziehungen nach Indien sowie die Erweiterung der Netzwerke mit Vertretern von Industrie, öffentlichen Einrichtungen und Universitäten konnten auf der Reise bedeutende Fortschritte erzielt werden. Die Vertreterinnen des BayIND und des inwa der Hochschule Hof trafen sich mit Vertretern bedeutender Universitäten und akademischer Einrichtungen in Pune, Chennai und Hyderabad, um die Zusammenarbeit auszubauen. Gesprächspartner waren dabei in erster Linie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Umweltverschmutzung, Biowissenschaften, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Diese schlugen Kontakte zu großen Pharmaunternehmen, gemeinsamen Kläranlagen und relevanten Verbände vor, für welche der Export der innovativen Technologie von Interesse sein könnte. Zudem wurden Strategien erörtert, wie das Projekt zu einem höheren Bekanntheitsgrad auf dem indischen Markt gelangen könnte.
Lernplattform gestartet
Die Gespräche konzentrierten sich auf innovative Technologien zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung im Abwasserbereich und auf nachhaltige industrielle Verfahren. Außerdem konnten Studierende dieser Universitäten für die Teilnahme an einer im Rahmen des Projekts entwickelten Lernplattform gewonnen werden. Die Lernplattform dient als Drehscheibe für den Wissenstransfer und beleuchtet das Projekt, die Technologie, ihre Funktionsweise und ihre Vorteile. Die Gewinnung von Studierenden für die Lernplattform war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg des Projekts pharmIn2, da deren Feedback für die Optimierung der Lernplattform genutzt werden soll.
Förderung
Das Projekt pharmIn2 wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Programm Exportinitiative Umweltschutz (EXI) gefördert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Günter Müller-Czygan
+49 9281 409 – 4683
guenter.mueller-czygan@hof-university.de
Beseitigung von PFAS aus Wasser: Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen optimieren PerfluorAd®-Verfahren
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) bergen aufgrund ihrer hohen Stabilität und ihrer allgegenwärtigen Verbreitung Gefahren für Mensch und Umwelt. Mit der Aufbereitungstechnologie PerfluorAd® haben Fraunhofer UMSICHT und die Cornelsen Umwelttechnologie GmbH ein marktreifes Verfahren entwickelt, das PFAS kostengünstig und effektiv aus wässrigen Medien entfernt. Das aktuelle NRW-Vorhaben Perfluor.Dat verfolgt eine umfassende datenbasierte Prozessoptimierung, u. a. um das Verfahren an die Erfordernisse internationaler Märkte anpassen zu können.
PFAS sind in unzähligen Industrie- und Alltagsprodukten enthalten – ob in Medizintechnik, Feuerwehrlöschschäumen und Li-Ionen-Batterien oder in Textilien, Kosmetika und Verpackungen. Über die Luft und Abwässer gelangen sie in die Umwelt, wo sie Böden und Wasser kontaminieren. Von dort geht es in die Nahrungskette und letztendlich in den menschlichen Organismus. Die human- und ökotoxikologischen Wirkungen der über 10 000 verschiedene Chemikalien umfassenden Stoffgruppe sind eindeutig belegt. Aktuell fehlen für viele Anwendungen jedoch noch Alternativen.
Vorreiter in Deutschland
Bereits seit 2008 arbeiten Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen gemeinsam an der Beseitigung von PFAS aus kontaminiertem Wasser und Abwasser – und sind damit Vorreiter in Deutschland. Die Kooperation führte zur Entwicklung des patentgeschützten PerfluorAd®-Verfahrens, um speziell Medien wie Löschwasser, die erhöhte PFAS-Konzentrationen und/oder hohe organische Hintergrundgehalte aufweisen, wirtschaftlich aufzureinigen. Aber auch viele weitere Wasseraufbereitungsprojekte und Dekontaminierungen von PFAS-belasteten Systemen wurden bereits durchgeführt. Dabei wird je nach Anwendungsfall der PFAS-spezifische Ausfällungsprozess des PerfluorAd®-Verfahrens mit etablierten Aufbereitungstechnologien wie Ionenaustausch, Membranverfahren oder Aktivkohleadsorption kombiniert. Das Ergebnis ist eine Minimierung der Gesamtmenge des zu entsorgenden PFAS-Abfalls.
Mit dem Start des neuen Vorhabens wird das PerfluorAd®-Verfahren nun weiterentwickelt. In den nächsten drei Jahren werden im Rahmen von Perfluor.Dat sowohl der PFAS-spezifische Ausfällungsprozess als auch der Abtrennungsschritt für den PFAS-haltigen Niederschlag intensiviert. Zum Einsatz kommen dabei einerseits funktionale Co-Additive, andererseits neue analytische Methoden zur Prozessüberwachung und -kontrolle. Des Weiteren werden auch die in den vergangenen Jahren angefallenen Prozessdaten aus unterschiedlichsten Anwendungsfällen über eine Mustererkennung analysiert. Bestenfalls resultiert hieraus ein Prozessmodell, das durch Untersuchungen in einem mobilen Versuchsreaktor verifiziert werden kann.
Internationalisierung im Blick
Beim Kick-off-Treffen von Perfluor.Dat hat das interdisziplinäre Team zu den Kernthemen chemische Prozessoptimierung, Analytik und Datenerhebung drei Fachgruppen gebildet. Dr. Stefano Bruzzano, der Projektkoordinator von Fraunhofer UMSICHT, betont die Bedeutung des Vorhabens: »Wir haben durch das neue F&E-Vorhaben die Weichen stellen können, um unser PerfluorAd®-Verfahren für die Zukunft noch leistungsfähiger und flexibler zu gestalten.« Dabei haben die Beteiligten längst nicht nur die nationalen Anwendungsfälle und den hiesigen Markt im Blick. Die Erkenntnisse aus Perfluor.Dat sollen auch die zunehmende Internationalisierung des PerfluorAd®-Verfahrens unterstützen, die zum Teil unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen erfolgt.
Perfluor.Dat – Chemistry/Analytics/Numerics
Perfluor.Dat war Teil des Innovationswettbewerbs Green.Economy.IN.NRW und wird durch Land und EU gefördert.
Weitere Informationen:
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2024/perfl…
Komplettes Erbgut und Gift-Gene der Mikroalge der Oder-Katastrophe entschlüsselt
Im Sommer 2022 verendeten in der Oder rund 1.000 Tonnen Fische, Muscheln und Schnecken. Die Katastrophe war zwar vom Menschen verursacht, doch die unmittelbare Todesursache war das Gift einer Mikroalge mit dem wissenschaftlichen Sammelnamen Prymnesium parvum, oft auch ‚Goldalge‘ genannt. Seitdem haben sich diese Einzeller dauerhaft in der Oder angesiedelt. Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) jetzt das Erbgut der Mikroalge sequenziert. Dabei konnten sie die Gensequenzen ausmachen, die für die Giftbildung verantwortlich sind. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht.
Prymnesium parvum s.l. (sensu lato), umgangssprachlich Goldalge genannt, steht für eine ganze Gruppe von Mikroalgen, die mit einer Größe von 5 bis 10 Mikrometern zwar winzig sind, aber verheerende Schäden anrichten können. Denn diese Algen können Zellgifte bilden, so genannte Prymnesine. Diese zerstören die Kiemen von Fischen und Filtrierern wie Muscheln und Schnecken im Wasser und greifen auch andere Körpergewebe an. Die Folge: Tod durch Sauerstoffmangel oder Kreislaufversagen.
Mikroalge ist nicht gleich Mikroalge:
Bisherige Untersuchungen zur Morphologie, Abstammung und Genetik haben gezeigt, dass Prymnesium parvum s.l. eine große Diversität aufweist: Mindestens 40 genetisch unterscheidbare Stämme mit unterschiedlichem Erbmaterial sind bekannt. Je nach Toxinproduktion werden drei Typen unterschieden: A, B und C. Bisher gab es nur ein Referenzgenom – eine vollständige „Abschrift“ des gesamten Erbguts – für den Typ A.
Nahe Verwandtschaft der Mikroalge ODER1 mit Brackwasserstämmen aus Dänemark und Norwegen:
Ein internationales Team um die IGB-Forscher Dr. Heiner Kuhl, Dr. Jürgen Strassert, Prof. Dr. Michael Monaghan und PD Dr. Matthias Stöck hat nun im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums geförderten Projekts ODER~SO das gesamte Erbgut (Genom) des Algenstamms aus der Oderkatastrophe sequenziert. Dabei identifizierten sie auch Gensequenzen, die für die chemische Struktur der Toxine und damit für deren Eigenschaften verantwortlich sind. Der sequenzierte Stamm erhielt die Bezeichnung ‚ODER1‘ und wurde dem Typ B zugeordnet.
Die Forschenden erstellten zudem einen genetischen Stammbaum verschiedener Prymnesium parvum-Stämme. Dieser zeigt, dass der ODER1-Stamm am engsten mit einem Typ B-Stamm, K-0081, der bereits 1985 aus Brackwasser im Nordwesten Dänemarks isoliert wurde, sowie mit weiteren Typ B-Stämmen aus Norwegen (RCC3426, KAC-39 und K-0374) verwandt ist. Diese Ähnlichkeit ist auf die geographische Nähe zurückzuführen, gibt aber keinen direkten Aufschluss darüber, wie die Alge in die Oder gelangte.
Referenzgenom für Überwachung von Algenblüten:
Nach der Entschlüsselung eines Typ-A-Referenzgenoms und nun des Typ-B-Referenzgenoms sind somit zwei sehr unterschiedliche Mikroalgen der Gruppe abgedeckt, die Entschlüsselung des Typ-C-Referenzgenoms steht noch aus. „Die Entschlüsselung des zweiten Referenzgenoms von Prymnesium parvum s.l. ermöglicht wichtige Einblicke in die genetische Basis und die strukturelle Variabilität der Toxine der verschiedenen Prymnesium-Typen. Kürzlich wurde gezeigt, dass der Gift-Typ die Toxizität beeinflusst. Nun können wir also die potenzielle Giftigkeit zukünftiger Algenblüten besser abschätzen“, sagt IGB-Forscher Dr. Jürgen Strassert, Koautor der Studie.
Nächster Forschungsschritt: Molekulare Methoden zur Toxinanalyse entwickeln und Einflussfaktoren untersuchen:
Derzeit kann die Toxinbildung nicht direkt überwacht werden. Das Toxin verdünnt sich im Wasser zu stark, außerdem gibt es bisher keine Standardmethoden, auch nicht für Typ A. „Einer der nächsten Forschungsschritte des IGB-Teams wird nun sein, über den Nachweis der Expression bestimmter Toxinsynthese-Gene eine Giftbildung auf molekularer Ebene analysieren zu können“, ergänzt IGB-Forscher Dr. Heiner Kuhl, Erstautor der Studie.
Die Umweltbedingungen spielen sowohl für die Vermehrung der Algen als auch für die Bildung von Toxinen und damit für das Auftreten von toxischen Algenblüten eine wichtige Rolle. „Die Entschlüsselung der Gene für die Toxinbildung ist daher entscheidend, um nun die Umweltbedingungen zu analysieren, unter denen die Algen zu diesen Blüten neigen und möglicherweise spezifische Toxine in unterschiedlichen Mengen produzieren“, sagt IGB-Forscher Matthias Stöck, der die Studie geleitet hat.
Außerdem lesenswert das IGB Fact Sheet > Oder-Katastrophe: Was wissen wir über die Goldalge Prymnesium parvum? https://www.igb-berlin.de/news/oder-katastrophe-was-wissen-wir-ueber-die-goldalg…
Die Studie wurde im Rahmen des Projekts ODER~SO durchgeführt. ODER~SO ist ein vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) koordiniertes Verbundprojekt mit drei weiteren Forschungseinrichtungen: dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und der Universität Duisburg-Essen. Weiterer wissenschaftlicher Partner ist das Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow. ODER~SO wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert. Zur Projektwebseite: https://www.oder-so.info/
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. Matthias Stöck, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/matthias-stoeck
Dr. Heiner Kuhl, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/heiner-kuhl
Originalpublikation:
Heiner Kuhl, Jürgen F.H. Strassert, Dora Čertnerová, Elisabeth Varga, Eva Kreuz, Dunja K. Lamatsch, Sven Wuertz, Jan Köhler, Michael T. Monaghan, Matthias Stöck: The haplotype-resolved Prymnesium parvum (type B) microalga genome reveals the genetic basis of its fish-killing toxins, Current Biology, 2024, ISSN 0960-9822, https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.06.033. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982224008170)
Weitere Informationen:
https://www.igb-berlin.de/news/komplettes-erbgut-und-gift-gene-der-mikroalge-der…
Die Wärmewende findet Stadt: Geothermie kann laut acatech Studie Fernwärme befeuern
Eine Grundvoraussetzung der Energiewende ist die Wärmewende. Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre weisen der Geothermie hierbei nun eine erweiterte Rolle zu: Um in der Wärmeversorgung fossile durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen, könnte sie zu einer Schlüsseltechnologie werden. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Geothermische Technologien in Ballungsräumen: ein Beitrag zur Wärmewende und zum Klimaschutz“ von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.
Mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland fällt für die Wärmeversorgung an. Der Anteil an Erneuerbaren Energien deckt dabei aktuell nur rund ein Sechstel des Energiebedarfs ab. Das Potenzial für den Umstieg auf eine CO2-neutrale Wärmeversorgung auf preisstabiler Basis und ohne Importrisiken ist groß. Das gilt insbesondere für Ballungsräume. Denn von den jährlich im deutschen Fernwärmenetz transportierten 80.700 Gigawattstunden Wärme beanspruchen die 81 Großstädte und Metropolregionen mit ihren industriellen Kernen einen großen Anteil. Die acatech Studie setzt den Schwerpunkt daher auf urbane Räume: Sie vereinen große Bedarfe mit hoher Abnahmedichte. Zudem verfügen sie überwiegend über die benötigten Wärmeverteilnetze, die eine Einspeisung großer Energiemengen ermöglichen. Geothermische Anlagen benötigen wenig Platz und sind emissionsarm zu betreiben: Eigenschaften, die in dicht besiedelten Gebieten von Vorteil sind.
„Ballungsräume sind ein ideales Einsatzgebiet, insbesondere für mitteltiefe bis tiefe hydrothermale Geothermie. Damit kann auf kleiner Fläche ausreichend Wärme bereitgestellt werden“, erklärt Studienleiter und acatech Mitglied Rolf Emmermann. „Zudem eignet sich Geothermie dank ihrer Speicherkapazitäten zur klimaneutralen Kälteversorgung, was angesichts des voranschreitenden Klimawandels in urbanen Räumen von wachsender Bedeutung sein wird. Geothermie verbindet CO2-neutrale Wärme- und Kälteversorgung effektiv miteinander und trägt damit zur Sektorkopplung bei.“ Die Sektorkopplung umfasst die Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr und ist ein entscheidender Erfolgsfaktor der Energiewende.
Noch weitgehend ungenutzt: Potenziale für den Wärmemarkt
Von Deutschlands jährlichem Endenergieverbrauch für Wärme im Niedrigtemperaturbereich (rund 800 Terawattstunden) werden bisher nur etwa zehn Terawattstunden geothermisch bereitgestellt, größtenteils durch oberflächennahe Systeme. Dieser Wert lässt sich deutlich steigern: Werden nur zehn Prozent des natürlichen Potenzials wirtschaftlich nutzbar gemacht, dann kann die Geothermie einen Beitrag von 20 Prozent des gesamten deutschen Wärmemarkts leisten. „Damit könnten kleinere Kommunen und auch Großstädte zu einem signifikanten Anteil mit klimaneutraler Wärme versorgt werden, die unabhängig von Jahreszeiten oder Wetter zuverlässig zur Verfügung steht“, ergänzt Rolf Emmermann.
Großraum München als Blaupause für Umstieg auf geothermische Wärmeversorgung
Eine Stadt, der das bald gelingen könnte, ist München. Die Metropole verfügt über geothermische Nutzungen in unterschiedlichen Stockwerken zur Wärme- und auch Kälteversorgung. Bis 2040 soll hier die Fernwärme durch hydrothermale tiefe Geothermie vollständig CO2-neutral geliefert werden. Als erste bayerische Kommune hat München gemäß dem Wärmeplanungsgesetz im Mai 2024 einen Wärmeplan veröffentlicht, in dem der Ausbau und die Optimierung von Wärmenetzen (Fernwärme, Nahwärme) eine wichtige Rolle spielt.
Verbesserte Voraussetzungen für Ausbau der Geothermie
Bisher waren geothermische Maßnahmen aufgrund preisgünstiger fossiler Brennstoffe häufig nicht wirtschaftlich darstellbar. Dazu erschwerte ein mangelnder Informationsstand die öffentliche Akzeptanz von Eingriffen in den geologischen Untergrund. Die technologische Entwicklung der vergangenen zehn Jahre begünstigt die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Ausbau und Betrieb der Geothermie deutlich – angefangen beim kostenintensivsten Faktor, dem Bohrprozess.
Neue, wirtschaftliche Bohrverfahren machen den Einsatz effizienter und sicherer. Seismische Risiken sind bei sachgemäßer Durchführung zu vernachlässigen. Zudem sind die verwendeten Werkstoffe beständiger gegen Korrosion und lassen sich dadurch länger verwenden. Auch die Leistungsfähigkeit der Wärmepumpen ist gestiegen und erlaubt es, Wärmequellen verschiedener Temperaturniveaus effizient in Wärmenetze zu integrieren. Hochtemperatur-Wärmepumpen können bis zu 200 Grad Celsius erreichen. Damit kann Geothermie zukünftig auch für Industriezweige zu einer wirtschaftlichen Alternative werden – beispielsweise für die Niedertemperaturbedarfe der Lebensmittel- oder auch die Chemiebranche. Nicht zuletzt machen verfügbare Daten, deren gestiegene Qualität und erweiterte Kenntnisse über den jeweiligen Untergrund Projekte planbarer und wirtschaftlicher umsetzbar.
Wärmeversorgung resilient und wertschöpfend gestalten
„Vom Ausbau der Geothermie kann der Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland mehrfach profitieren. Die Versorgungssicherheit mit klimaneutral gewonnener Wärme aus heimischen Ressourcen wächst und erhöht die Resilienz auf dem Wärmemarkt. Zusätzlich lassen die technologischen Entwicklungen perspektivisch erwarten, dass Geothermie vielseitiger und für weitere Anwendungen einsetzbar sein wird. Damit erschließt sie neue Wertschöpfungspotenziale und kann einen Beitrag für die Souveränität leisten. Jetzt gilt es, Bund, Länder und Kommunen, aber auch Wissenschaft, Energie- und Wohnungswirtschaft sowie Umweltschutzorganisationen zu einem engen Schulterschluss zu bewegen. Nur so gelingt es, den Ausbau aufzugleisen und die Wärmewende erfolgreich umzusetzen“, so acatech Präsident Jan Wörner.
Handlungsempfehlungen für einen Geothermie-Hochlauf
Ergänzend zu den Impulsen aus dem „Eckpunktepapier für eine Erdwärmekampagne“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) weist die acatech Studie mit weiteren Handlungsempfehlungen den Weg zu einer nationalen Geothermie-Strategie. Dazu zählen öffentliche Programme, die Untergründe erkunden und daraus erschließbare lokale Potenziale ableiten. Anreize für private und kommunale Investoren können dazu beitragen, das Wärmenetz auszubauen und zu transformieren. Eine staatliche Risikoabsicherung kann dabei maßgeblich unterstützen. Auch eine strategische Planung der Wärmeversorgung, wie sie das Wärmeplanungsgesetz verpflichtend vorsieht, kann den Geothermie-Ausbau nachhaltig fördern. Weitere Maßnahmen wie die CO2-Bepreisung tragen zum Interesse an klimaneutraler Wärmeversorgung bei.
Nicht zuletzt gilt es, alle Geothermie-Akteure eng miteinander zu vernetzen und auch die Öffentlichkeit bereits in die Planungsphasen einzubeziehen, um Vorbehalten abzubauen, die Akzeptanz zu erhöhen und Projekte zu beschleunigen.
Weiterführende Informationen
acatech am Dienstag, 9. Juli 2024, 18.30 Uhr „Geothermische Technologien in Ballungsräumen“, Online-Veranstaltung via Zoom acatech am Dienstag: Geothermische Technologien in Ballungsräumen – acatech
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Clemens Wolf Pressesprecher
Referent Strategische Kommunikation
Medien & Politik acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
T 089 52 03 09 875
M 0172 144 58 59
c.wolf@acatech.de
www.acatech.de
Weitere Informationen:
https://www.acatech.de/allgemein/geothermie-ballungsraeume/
Anhang: Pressemitteilung: Geothermie in Ballungsräumen
Klima und Biodiversität schützen, Hochwasser vorbeugen: Stellungnahme zur Revitalisierung von Mooren und Auen
Naturnahe Moore und Auen schützen als Kohlenstoffspeicher das Klima. Durch ihren Wasserrückhalt puffern sie Hochwasser- und Trockenperioden ab. Nicht zuletzt sichern sie Lebensräume für gefährdete Arten. In Deutschland sind jedoch rund 94 Prozent der Moore trockengelegt sowie nahezu alle Überflutungsgebiete (Auen) von den Flüssen abgeschnitten. Die heute erschienene Stellungnahme „Klima – Wasserhaushalt – Biodiversität: Für eine integrierende Nutzung von Mooren und Auen“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina betont die Notwendigkeit der Wiedervernässung von Mooren und der Renaturierung von Auen.
Die Stellungnahme zeigt Handlungsoptionen auf, um die nationalen und internationalen Verpflichtungen im Klima-, Gewässer- und Biodiversitätsschutz zu erreichen und diese Flächen trotzdem wirtschaftlich nutzen zu können. „Moore speichern etwa zehn Prozent des globalen Süßwassers. Auen erfüllen wichtige Funktionen des Wasserrückhalts bei Hochwasser bzw. des Wasserrückstroms in Trockenzeiten. Nirgendwo in Mitteleuropa ist die Artenvielfalt so hoch wie in diesen Feuchtgebieten“, sagt Leopoldina-Mitglied Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Er ist einer der Sprecher der Arbeitsgruppe, die die Stellungnahme erarbeitet hat. „Für einen erfolgreichen Transformationsprozess hin zu naturnahen Moor- und Auenflächen brauchen wir einen systemischen Ansatz, der Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam denkt und zugleich den Wasserhaushalt, verschiedene Nutzungsoptionen, aber auch rechtliche Aspekte berücksichtigt.” Prof. Dr. Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, ebenfalls Sprecher der Arbeitsgruppe, ergänzt: „Die Bewältigung all dieser Aufgaben ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, zu der viele Institutionen und Akteure beitragen. Wie wichtig natürliche Überflutungsflächen sind, wurde bei den letzten Hochwasserkatastrophen in Bayern, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen abermals deutlich.“
In der Stellungnahme beschreiben die Autorinnen und Autoren den aktuellen Zustand der Moore und Auen in Deutschland. Um die Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen, müssten bis 2050 nahezu alle entwässerten Moorflächen Deutschlands wiedervernässt werden. Die am 17. Juni 2024 vom EU-Umweltrat verabschiedete Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) legt Ziele zur Wiedervernässung von Mooren und Renaturierung von Auen für die Europäische Union fest. Auch die UN-Biodiversitätskonvention hat bis 2030 den Schutz und die Renaturierung von mindestens 30 Prozent der weltweiten Land-, Süßwasser- und Meeresflächen festgeschrieben. Dabei sollten jene Flächen Vorrang haben, die überproportional zum Klima- und Biodiversitätsschutz beitragen. Dazu zählen Moore und Auen.
Die Stellungnahme betont, dass der Schutz der noch intakten Moore und frei fließenden Gewässer die höchste Priorität haben sollte. Bei der Wiedervernässung trockengelegter Moore müssten Lösungen für die Flächenkonkurrenz gefunden werden. Alle Akteure aus Bund, Ländern und Kommunen, aus Verwaltung, Verbänden, die Landeigentümerinnen, -eigentümer sowie Landnutzende müssen in diesen Prozess eingebunden werden, so die Mitglieder der Arbeitsgruppe. Es sollten schnell realisierbare Maßnahmen anhand einheitlicher Kriterien identifiziert werden. Hierzu zählen insbesondere Wiedervernässungsmaßnahmen in Schutzgebieten sowie auf Flächen, deren Eigentümerinnen und Eigentümer eine hohe Bereitschaft zeigen, kurzfristig auf alternative Nutzungen überzugehen oder einem Flächentausch zuzustimmen. Bei der Renaturierung von Auen gelte es zu prüfen, bei welchen Flüssen der mit der Renaturierung verbundene Nutzen höher zu gewichten ist als die Nutzung der Auenflächen durch den Menschen.
Für trockengelegte Moorstandorte, die intensiv für die Landwirtschaft genutzt werden, empfiehlt die Stellungnahme, gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten neue Nutzungskonzepte zu entwickeln und finanziell zu fördern, beispielsweise die Umstellung auf sogenannte Paludikulturen zur Erzeugung von Biomasse (wie Rohrkolben, Schilf und Erlen), Beweidung auf Nassweiden oder die Nutzung als Standort für Photovoltaikanlagen. Die Fachleute sprechen sich außerdem dafür aus, Ökosystemleistungen zu honorieren. Wenn der Moorschutz in den CO2-Emissionshandel einbezogen wird, könnten Landbesitzende ökonomisch davon profitieren, dass ihre Flächen wiedervernässt werden. Im Gegenzug sollten klimaschädliche Subventionen, die noch immer die Entwässerung der Landschaft fördern, abgeschafft werden.
Die Stellungnahme wurde von der interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe „Klima, Biodiversität, Rohstoffe: Für eine integrierte Nutzung von Mooren und Auen“ erarbeitet. Beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fächern Ökologie, Biologie, Hydrologie, Soziologie, Agrartechnik und Umweltökonomie sowie den Rechtswissenschaften. Weitere Informationen zur Arbeitsgruppe: https://www.leopoldina.org/politikberatung/arbeitsgruppen/moore-und-auen/
Die Stellungnahme „Klima – Wasserhaushalt – Biodiversität: Für eine integrierende Nutzung von Mooren und Auen“ ist auf der Website der Leopoldina abrufbar: www.leopoldina.org/mooreundauen
Im Kontext der Stellungnahme ist heute ergänzend das digitale Dossier „Vom Wandel nasser Landschaften” erschienen: https://interaktiv.leopoldina.org/mooreundauen
Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina:
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.
Medienkontakt:
Julia Klabuhn
Kommissarische Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 (0)345 472 39-800
E-Mail: presse@leopoldina.org
Weitere Informationen:
http://www.leopoldina.org/mooreundauen
https://interaktiv.leopoldina.org/mooreundauen
Klimagerechte Entwicklung von Stadt und Land
TU Braunschweig leitet zwei neue Climate Future Labs
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Stadt und ihre Menschen aus? Welche Anpassungen sind nötig? Und wie können Städte unter Beteiligung von Bürgerinnen klimagerecht entwickelt werden? Das untersuchen Wissenschaftlerinnen der Technischen Universität Braunschweig zukünftig in zwei neuen Zukunftslaboren am Zentrum Klimaforschung Niedersachsen. Die sogenannten „Climate Future Labs“ werden aus dem Programm zukunft.niedersachsen des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung mit jeweils bis zu fünf Millionen Euro für sechs Jahre gefördert.
„Die Förderung der beiden Climate Future Labs zur klimagerechten Stadtentwicklung unterstreicht die herausragende Rolle unserer Universität in der Stadtforschung vor dem Hintergrund des Klimawandels“, betont die Präsidentin der TU Braunschweig, Angela Ittel. „Die beiden Zukunftslabore ermöglichen es, unseren Wissenschaftlerinnen im Verbund mit weiteren niedersächsischen Universitäten und außeruniversitären Partnerinnen, innovative Lösungen für die drängenden Herausforderungen des Klimawandels zu entwickeln und unser Engagement für eine nachhaltige Zukunft zu stärken.“
Urban Climate Future Lab für Niedersachsen und darüber hinaus
Hitze, Starkregen, Hochwasser, Dürre: Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf Städte und die vielen Menschen, die dort leben. Ziel des Urban Climate Future Labs (UCFL) unter der Leitung von Professorin Vanessa Carlow des Institute for Sustainable Urbanism der TU Braunschweig ist es, das komplexe Zusammenspiel zwischen Klimawandel, Klimawandelanpassung und Urbanisierung zu erforschen. Daran werden Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover, der Leuphana Universität Lüneburg sowie der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft und dem Climate Service Center Germany zusammenarbeiten. Beteiligt sind Disziplinen wie Architektur, Städtebau und Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Ingenieurwesen, Psychologie, Governance, Umweltwissenschaften, Geografie, Physik und Klimawissenschaften. Um nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu forschen, plant das Urban Climate Future Lab strategische Partnerschaften mit Städten, Gemeinden, Industrie und Zivilgesellschaft.
In der ersten Phase wird das UCFL untersuchen, wie die unterschiedlichen Siedlungstypen in Niedersachsen zum Klimawandel beitragen und wie sie gleichzeitig davon betroffen sind. Denn noch ist unklar ist, wie genau die verschiedenen Siedlungstypen – zum Beispiel Groß-, Mittel- oder Kleinstädte, Dörfer, Industriegebiete oder Stadtviertel – zum Klimawandel beitragen, wie sie davon betroffen sind und welche Risiken oder Potenziale mit Blick auf Klimawandelanpassung bestehen. In der zweiten Projektphase stehen dann die Transformationsmöglichkeiten im Mittelpunkt: Wie kann das Siedlungssystem und wie können Orte in Niedersachsen so umgestaltet werden, dass die Auswirkungen des Klimawandels reduziert und die Resilienz und Nachhaltigkeit insgesamt erhöht werden? Auch wenn Niedersachsen im Fokus des Projekts steht, will das Forschungsteam Strategien und Modelle entwickeln, die für Stadtregionen weltweit anwendbar sind.
„Städte und Stadtregionen sind besonders stark von Klimawandel betroffen – auch in Niedersachsen. Als Sprecherin des multi-disziplinären Forschungsverbunds ‚Urban Climate Future Lab‘ freue ich mich, in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem UCFL-Team und vielen weiteren Partnerinnen aus Städten und Gemeinden wissenschaftlich fundierte Entwicklungspfade für die nachhaltige Transformation Niedersachsens zu erarbeiten“, sagt Professorin Vanessa Carlow, Leiterin des Institute for Sustainable Urbanism und Sprecherin des neuen UCFL Zukunftslabors. „Für den Wandel hin zu einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Zukunft in Stadt und Land wollen wir innovative Planungs-, Mobilitäts-, Produktions- und Energiesysteme gemeinsam entwickeln. Dies schließt auch neue Formate der Beteiligung von Bürgerinnen, neue Governance-Ansätze, ein neues Verständnis des Umgangs mit Klimarisiken, sowie neue physikalische Modelle ein, die auf den spezifischen Merkmalen des urbanen Systems mit seinen unterschiedlichen Siedlungs- und Landschaftstypen und der Lebenswirklichkeit der Menschen basieren.“
Klimawissen und Stadtgestaltung
Als weiteres Climate Future Lab zum Thema klimagerechter Stadtentwicklung startet das Projekt „Open Planning Cultures. Design Principles for Transformative Spaces (OPEN_CULTURES)“ unter der Leitung von Professorin Tatjana Schneider, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt der TU Braunschweig, an dem Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig, des Julius Kühn-Instituts und der Universität Oldenburg beteiligt sind. OPEN_CULTURES knüpft an das gemeinsame Stadtentwicklungsprojekt der TU Braunschweig und der Stadt Braunschweig Co_Living Campus an. Ziel ist es, zu untersuchen, wie Klimawissen durch Gestaltungsprinzipien, die die Klimaanpassung in der Stadtentwicklung und Raumplanung direkt unterstützen, in nachhaltiges Leben übersetzt werden kann. Um diese „Übersetzungslücke“ zu schließen, will „OPEN_CULTURES“ das komplexe Verhältnis zwischen Klimawissen und der Praxis von Stadtgestaltung und nachhaltigem Leben in drei Sub-Labs entwirren.
So wollen die Wissenschaftler*innen die Rolle von Partizipation bei der Schaffung von klima-sensiblen Formen der Stadtgestaltung betrachten. Das zweite Sub-Lab beschäftigt sich mit der Frage, wie die Gestaltung von Gebäuden klima-sensible Formen des städtischen Lebens unterstützen kann. Das dritte Sub-Lab untersucht die Art und Weise, wie Vorstellungen über den Klimawandel Alltagspraktiken beeinflussen und darin reproduziert werden, und wie Klimawandel anders erzählt werden könnte, um zu einer nachhaltigen Lebenspraxis zu motivieren. Das interdisziplinäre Forschungskonsortium verfolgt dabei einen partizipativen und transdisziplinären Ansatz, der Gebäude und grüne Infrastrukturen zusammen mit sozialen und symbolischen Dimensionen untersucht und durch die Entwicklung von Gestaltungsprinzipien auf gerechte, gleichberechtigte und inklusive Formen der Klimaanpassung fokussiert.
„Das Zukunftslabor ist eine fantastische Möglichkeit, die für unsere Gesellschaft und Umwelt so wichtigen Fragestellungen der klimagerechten Gestaltung von Stadt interdisziplinär zu betrachten“, sagt Professorin Tatjana Schneider, Leiterin des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt der TU Braunschweig und Sprecherin des Projekts. „Besonders an unserem Ansatz ist hierbei die Zusammenarbeit von Geistes- und Sozialwissenschaften mit gestalterischen und technischen Disziplinen. Das Projekt wird außerdem von einer breiten Allianz aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, gemeinwohlorientierten Vereinen und anderen Organisationen unterstützt, die sich für zukunftsfähige Quartiere und Nachbarschaften einsetzen. Wir freuen uns sehr, dieses Vorhaben gemeinsam auf den Weg zu bringen.“
Resiliente Wälder
Neben der Projektleitung der beiden Zukunftslabore zu „Klimagerechter Stadtentwicklung und Raumplanung“ ist die TU Braunschweig außerdem an einem Labor zum Thema „Auswirkungen des Klimawandels auf das Ökosystem Wald“ beteiligt. „FoResLab“, geleitet von der Universität Göttingen, geht der Frage nach, wie Wälder resilient gegenüber Klimaveränderungen gestaltet werden können. Um das zu untersuchen, wollen die Wissenschaftler*innen inter- und transdisziplinäre Forschung mit Formaten der Wissenschaftskommunikation und des Wissenstransfers verbinden.
Projektdaten
Insgesamt wurden für die vier Climate Future Labs am Zentrum Klimaforschung Niedersachsen 14 Projekte eingereicht. Sie werden mit jeweils bis zu fünf Millionen Euro aus dem Programm zukunft.niedersachsen des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung gefördert. Der Förderzeitraum beläuft sich, vorbehaltlich einer positiven Zwischenevaluation, auf sechs Jahre.
UCFL – Urban Climate Future Lab
Das UCFL ist ein multidisziplinäres Team aus Wissenschaftlerinnen der Technischen Universität Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover, der Leuphana Universität Lüneburg, der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft und dem Climate Service Center Germany. Ergänzt wird diese Expertise durch einen Beirat aus national und international renommierten Expertinnen, die zur weltweiten Resonanz der Ansätze und Methoden beitragen wollen. Sprecherin des Labs ist Professorin Vanessa Miriam Carlow, Leiterin des Institute for Sustainable Urbanism und Sprecherin des Forschungsschwerpunktes Stadt der Zukunft der TU Braunschweig. Ko-Sprecher*innen sind Professorin Astrid Kause, (Leuphana Universität) und Professor Martin Prominski (Leibniz Universität Hannover).
OPEN_CULTURES
Neben Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen der TU Braunschweig sind Forschende des Julius Kühn-Instituts und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg am Zukunftslabor „Open Planning Cultures. Design Principles for Transformative Spaces (OPEN_CULTURES)“ beteiligt. Sprecherin des Projekts ist Professorin Tatjana Schneider vom Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt der TU Braunschweig. Ko-Sprecherinnen sind Professor Martin Butler von der Universität Oldenburg und Dr. Mona Quambusch vom Julius Kühn-Institut. OPEN_CULTURES wird Forschungsakteurinnen in Niedersachsen und darüber hinaus vernetzen. Dazu arbeitet das Projektteam mit einem internationalen inter- und transdisziplinären Netzwerk, das wissenschaftliche Einrichtungen, verschiedene Praxispartnerinnen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen zusammenbringt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
UCFL Urban Climate Future Lab
Technische Universität Braunschweig
SpACE Lab at ISU – Institute for Sustainable Urbanism
Mühlenpfordtstraße 23
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-3537
E-Mail: contact@urbanclimatefuturelab.de
www.urbanclimatefuturelab.de
OPEN_CULTURES
Technische Universität Braunschweig
Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt
Schleinitzstraße 19
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-2347
E-Mail: gtas@tu-braunschweig.de
www.gtas-braunschweig.de
Effiziente plastikfressende Pilze in Süßgewässern identifiziert
Das Vorkommen von Kunststoffen in unserer Umwelt stellt eine zunehmende Belastung für die Natur und für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Potsdam haben nun Pilze aus Süßgewässern identifiziert, die Kunststoffpolymere aus Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi effizient abbauen können. Entgegen bisheriger Annahmen war dafür keine Vorbehandlung der Kunststoffe notwendig. Die Studie wurde in Science of the Total Environment veröffentlicht.
Kunststoffe aus Polymeren können jahrzehntelang in der Umwelt verbleiben, da sie von Bakterien im Boden oder Gewässer nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Weltweit wird deshalb an praxistauglichen und nachhaltigen Methoden für den Umgang mit Kunststoff- und Gummiabfällen geforscht. Ein Forschungsteam des IGB und der Universität Potsdam hat 18 Pilzstämme aus Süßgewässern ausgewählt und ihre Fähigkeit untersucht, Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi abzubauen. Diese gehören zu den am häufigsten in der Umwelt vorkommenden Kunststoffen. Die Ergebnisse zeigen, dass Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia, and Trichoderma ein hohes Potenzial zum Abbau von Kunststoffen besitzen.
Pilze gut an „Plastiksphäre“ angepasst:
In den letzten Jahren konnten Forscherinnen und Forscher bereits zeigen, dass es Mikropilze gibt, die auch komplexe Polymere zersetzen und damit für den biologischen Schadstoffabbau – Bioremediation – geeignet sind.
Doch warum sind die Pilze so gute Kunststoff-Recycler? „Pilze produzieren Enzyme, die selbst chemische Verbindungen aus vielen Makromolekülen wie Kunststoff aufspalten können. Außerdem sind sie mit ihren invasiven Wachstumsformen und ihrer Fähigkeit, Biofilme zu bilden und mit bereits bestehenden Biofilmen zu interagieren, gut an das Leben in der Plastiksphäre angepasst“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart, der die Studie leitete.
Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten dem Team, dass sich die Zellwände einiger Pilze verformen, wenn sie die Kunststoffe besiedeln. „Das sind wahrscheinlich strukturelle Anpassungen der Myzelien, die es ihnen ermöglichen, beispielsweise das wasserabweisende Polyurethan zu besiedeln“, sagt Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB und Erstautorin der Studie.
Die FT-IR-Spektroskopie zur Analyse von Veränderungen in der Feinstruktur der Pilze und die DOC-Analyse zur Bestimmung ihrer Stoffwechselaktivität lieferten Hinweise darauf, dass die anfängliche enzymatische Aktivität der Pilze zur Bildung von Zwischenprodukten führt, die den Pilzen als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen, indem sie die Konzentration des für das Pilzwachstum verfügbaren löslichen organischen Kohlenstoffs erhöhen. „So schaffen sich die Pilze durch den Abbau immer wieder neue Nahrung“, sagt Sabreen Dawoud.
Keine Vorbehandlung durch UV-Licht, Ozonisierung oder andere chemische oder thermische Verfahren nötig:
Die Studie zeigte auch, dass Pilze Polymere ohne jegliche Vorbehandlung der Kunststoffe und ohne Zugabe von Zuckern als Energiequelle abbauen können.
Um den mikrobiellen Abbau von Kunststoffpolymeren zu initiieren, wurden in vielen Studien zunächst UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Vorbehandlungen eingesetzt, um die Kunststoffpolymere effektiv zu oxidieren und reaktive funktionelle Gruppen zu erzeugen, bevor das Polymer mit Pilzen beimpft wurde. Diese Behandlungen wurden in dieser Studie nicht angewandt und scheinen für die Pilzaktivität nicht wesentlich zu sein. Es wurde jedoch noch nicht untersucht, ob solche Behandlungen die Geschwindigkeit des Abbauprozesses verändert hätten.
Und das sind die erfolgreichen Plastikfresser:
Unter den ausgewählten Stämmen zeigten Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma ein besonders hohes Potenzial zum Abbau von Polyethylen, Polyurethan und Reifengummi. Einige der terrestrischen Vorkommen dieser Pilze sind beim Menschen bisher nur wenig beliebt: Fusarien sind zum Beispiel in der Landwirtschaft als Schadpilze für Getreide und Mais bekannt. Auch Botryotinia kann verschiedene Pflanzenkrankheiten auslösen. Trichoderma-Arten sind Fadenpilze, die weltweit verbreitet im Boden, in Pflanzen, in verrottenden Pflanzenresten oder auch in Holz leben. Sie sind wichtige Zersetzer und stehen in Wechselwirkung mit Pflanzen, anderen Mikroorganismen und dem Boden. Arten der Gattung Penicillium spielen hingegen eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Penicillin und Lebensmitteln wie Schimmelkäse.
Die Forschenden testeten auch, ob bestimmte Pilzarten nur bestimmte Arten von Kunststoff oder Gummi abbauen können und welcher Kunststoff am besten von Pilzen zersetzt wird. Das Ergebnis: Polyurethan erwies sich von allen getesteten Kunststoffen als am besten abbaubar. „Die Kenntnis effizienterer Pilzstämme, insbesondere für den biologischen Abbau von Polyurethan, trägt dazu bei, großtechnische Recyclingkonzepte für Kunststoffabfälle zu entwickeln“, sagt Hans-Peter Grossart.
Methodik:
Die Studie beschreibt die Probenahme und Identifizierung von 18 Pilzstämmen aus den Seen Stechlin und Mirow in Nordostdeutschland und klassifiziert sie anhand der molekularen Daten ITS, SSU und LSU. Die Stämme wurden auf ihre cellulo-, lignino- und chitinolytische Aktivität und ihre Fähigkeit zum Abbau verschiedener Kunststoffe, darunter Polyethylen, Polyurethan, Reifenkautschuk und Polyethylen niedriger Dichte, untersucht. Die Abbauversuche wurden sowohl auf Agar- als auch auf Flüssigmedien durchgeführt, mit optischen Auswertungen zur Beobachtung des Kunststoffabbaus und Respirationsversuchen zur Messung des O2-Verbrauchs und der CO2-Produktion. Nach der Inkubation wurden das Frischgewicht und der gelöste organische Kohlenstoff (DOC) gemessen und die Pilzmyzelien mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) analysiert. Für die Datenanalyse wurde die Software R verwendet, wobei ANOVA, Dunn-Test und lineare Regression eingesetzt wurden, um die Ergebnisse zu vergleichen und Korrelationen zwischen ihnen zu bestimmen.
Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff:
PU ist eines der am weitesten verbreiteten umweltschädlichen Polymere. Es wird in vielen Industriezweigen verwendet und eignet sich besonders für langfristige Anwendungen, bspw. für Schaumstoffe, Elastomere für Sportbekleidung oder medizinische Geräte, Beschichtungen und Dichtstoffe. PU ist daher für raue Umweltbedingungen ausgelegt.
PE macht etwa ein Drittel der gesamten Kunststoffnachfrage in Europa aus, was zum Teil auf seine umfangreiche Verwendung für Verpackungen zurückzuführen ist.
Mikroplastik aus Reifen trägt zu den größten Verschmutzungen durch Mikroplastik bei, darunter Reifenabriebpartikel, recycelte Reifenkrümel und Rückstände aus der Reifenreparatur.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/sabreen-samuel-ibrahim-dawoud
Prof. Hans-Peter Grossart, Forschungsgruppenleiter „Aquatische mikrobielle Ökologie“ am IGB und Professor für “ Aquatische mikrobielle Ökologie und funktionelle Biodiversität“ an der Universität Potsdam: https://www.igb-berlin.de/profile/hans-peter-grossart
Originalpublikation:
Sabreen S. Ibrahim, Danny Ionescu, Hans-Peter Grossart: Tapping into fungal potential: Biodegradation of plastic and rubber by potent Fungi.
Science of The Total Environment, Volume 934, 2024,173188, ISSN 0048-9697,
https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.173188.
Weitere Informationen:
https://www.igb-berlin.de/news/effiziente-plastikfressende-pilze-suessgewaessern…
Forschende der TU Darmstadt weisen erstmals Mikroplastik in Weinbergen nach
Auch in den Böden von Weinbergen findet sich umweltschädliches Mikroplastik. Das geht aus einer Studie unter Leitung der TU Darmstadt hervor. Dabei weisen Weinbaugebiete sogar einen höheren Gehalt an Mikroplastik auf als andere landwirtschaftlich genutzte Böden. Ob die Flächen biologisch oder konventionell bewirtschaftet werden, hat indes offenbar keinen Einfluss auf die Schadstoffmenge. Allerdings ist die Vielfalt der gefundenen Kunststoffe (Polymere) unter biologischem Anbau deutlich geringer.
Die räumliche Verbreitung von Mikroplastik deutet darauf hin, dass die kleinen Kunststoffteilchen bei stärkerem Regen zur Erosion tendieren. Das berge ein Risiko, dass die Schadstoffe in Flüsse oder Seen weitertransportiert werden könnten, warnen die Forschenden in der nun im renommierten Journal „Science of The Total Environment“ veröffentlichten Studie der TU Darmstadt und der Universität Trier. In den Gewässern wiederum nehmen beispielsweise Fische das Mikroplastik auf. Außerdem kann dieses ins Trinkwasser gelangen.
Als Mikroplastik werden winzige Kunststoffreste bezeichnet, die schwer abbaubar und damit problematisch für die Umwelt sind. Im Weinbau kommt Plastik in vielerlei Formen zum Einsatz: Netze schützen Trauben vor Vögeln. Sie bestehen ebenso aus Plastik wie beispielsweise Klammern, die zum Befestigen der Rebstöcke genutzt werden. All das sind potenzielle Quellen von Mikroplastik in Weinbergsböden.
Bei der aktuellen Erhebung handelt es sich um die weltweit erste Untersuchung von Weinbergsböden auf Mikroplastik. Die Forschenden inspizierten dafür Böden in verschiedenen, sowohl konventionell als auch biologisch bewirtschafteten Weinbergen in den Anbaugebieten Mosel und Saar. Die Untersuchung gibt daher zunächst lediglich Aufschluss über die Verbreitung von Mikroplastik in typischen Weinbergsböden dieser Region. Es kann aber vermutet werden, dass auch in anderen Weinanbaugebieten die Belastung ähnlich hoch ist.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entnahmen Bodenproben und bereiteten sie im Labor des Fachgebiets Bodenmineralogie und Bodenchemie am Institut für Angewandte Geowissenschaften (Fachbereich Material- und Geowissenschaften) der TU Darmstadt auf. Dabei wurden Mikroplastikpartikel mit einer Größe bis zu 20 Mikrometer aus dem Bodenmaterial extrahiert und gereinigt. Anschließend analysierten die Forschenden die Partikel mittels chemischer Bildgebungsverfahren und Bildauswertung mit einem Infrarot-Spektroskop.
„Mikroplastik im Boden kann sich negativ auf die Bodenfunktionen, wie den Nährstoffumsatz, auswirken“, sagt Koautor Dr. Collin J. Weber, Bodenchemiker an der TU Darmstadt. „Jedoch kann derzeit keine direkte Gefahr für den Weinanbau oder gar den Wein aufgezeigt werden.“ Dr. Manuel Seeger, Geograph an der Universität Trier, erklärt, Hauptquelle des Mikroplastiks in Weinbergen sei vermutlich die Alterung und der Zerfall von Plastikgegenständen, die im Weinanbau verwendet werden. „Chemische Pflanzenschutzmittel, die ebenfalls Mikroplastik beinhalten können, spielen vermutlich eher eine nachgeordnete Rolle“, sagt er.
Die gewonnenen Erkenntnisse könnten genutzt werden, um künftig Kunststoffeinträge in Böden durch den Weinbau zu vermindern. „Veränderte Managementstrategien der Weingüter sowie eine Nutzung anderer, kunststofffreier Materialien könnten die Umweltbelastung deutlich verringern“, erklärt Weber. „Das wäre ein wichtiger Schritt zum Erhalt und Schutz unserer Böden als Lebensgrundlage.“ Der Einsatz von Plastik im Weinbau ist bisher nicht gesetzlich geregelt.
Die TU Darmstadt übernahm bei dem Projekt die Konzeption, Planung, Methodenentwicklung, Analytik und Datenauswertung. Die Universität Trier stellte insbesondere den Kontakt zu den Weingütern her, unterstützte die Geländearbeiten und Probenahmen und trug Fachwissen zur Bodenerosion in Weinbergen bei.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Collin J. Weber
TU Darmstadt
Bodenmineralogie und Bodenchemie
weber@geo.tu-darmstadt.de
06151/16-20468
Dr. Manuel Seeger
Universität Trier
Physische Geographie
seeger@uni-trier.de
ß651/201-4557
Originalpublikation:
Jenny Klaus, Manuel Seeger, Moritz Bigalke und Collin J. Weber: “Microplastics in vineyard soils: First insights from plastic-intensive viticulture systems”. In: “Science of
The Total Environment”, Nr. 947 (2024).
https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.174699
Virale Artenvielfalt im Abwasser
Umfassende Metagenom-Sequenzierungen des Berliner Abwassers über 17 Monate zeigen, dass man so die Ausbreitung von Krankheitserregern überwachen und Ausbrüche vorhersagen kann. Wie das Team um Markus Landthaler in „Environmental International“ schreibt, haben sie zudem Tausende neuer Viren entdeckt.
Dass Gesundheitsbehörden das städtische Abwasser überwachen, um bestimmte Mikroben wie Polioviren oder SARS-CoV-2 aufzuspüren, ist nicht neu. Eine umfassende Surveillance, die zusätzlich auf bislang unentdeckte und somit unbekannte Viren abzielt, ist dagegen in den meisten Orten der Welt nicht die Norm.
Das könnte sich in der Zukunft ändern. Denn Abwasser ist eine wahre Fundgrube für Daten zu Viren in unserer unmittelbaren Umgebung, zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“ von Professor Markus Landthaler am Max Delbrück Center. Die Wissenschaftler*innen analysierten Proben aus einer Berliner Kläranlage mithilfe der Shotgun-Metagenom-Sequenzierung. Dank dieser Technologie konnten sie alle Viren im Wasser umfassend untersuchen: von der Bestimmung von Virusvarianten bis hin zur Nachverfolgung einzelner Buchstabenänderungen im Erbgut.
Die Verbreitung der Virusvarianten nachvollziehen
Sie fanden dabei zuverlässig alltägliche Viren wie RSV oder Grippe und konnten die saisonale Ausbreitung der Virusvarianten nachvollziehen. Je nach Jahreszeit wiesen sie außerdem typische Besucher im Abwasser nach: Viren, die Spargel infizieren, tauchten im Frühjahr auf, Weintrauben-Viren im Herbst und solche, die es auf Wassermelonen oder die Berliner Mücken abgesehen haben, im Sommer.
Die weit verbreiteten Astroviren, die beim Menschen den Magen-Darm-Trakt befallen, schauten sich die Wissenschaftler*innen genauer an. Sie verglichen, welche Mutationen im viralen Genom im Berliner Abwasser vorkamen und welche anderswo gefunden worden waren. So konnten sie die weltweite Ausbreitung einzelner Stämme nachverfolgen. In angereicherten Proben detektierten und sequenzierten sie außerdem etwa 70 menschliche Pathogene, die seltener zu finden sind. Sie entdeckten Tausende neuartiger Viren und erweiterten so unser Wissen um die virale Artenvielfalt. Doch ihre Analyse machte nicht bei den Viren halt. Die Daten brachten Hunderte Enzyme namens TnpB-Endonukleasen ans Licht, die potenziell in der Biotechnologie nützlich sein können. Das Team veröffentlichte die Studie in „Environment International“.
„Die Überwachung des Abwassers hat meines Erachtens ungeheures Potenzial. Denn Sequenzierungen werden billiger“, sagt Landthaler. „Und mit den Maschinen werden sich auch die Bioinformatik-Werkzeuge verbessern, die wir für die Analyse dieser Daten brauchen.“
Nach bislang unbekannten Viren suchen
Die Forschung an den Abwasserproben hatte während der Coronapandemie begonnen. Dank einer Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben hatte die Arbeitsgruppe von Markus Landthaler Proben aus einer Berliner Kläranlage bekommen. So konnten das Team die Verbreitung und die Wellen der SARS-CoV-2-Varianten verfolgen. Als die Pandemie allmählich abebbte, beschlossen die Wissenschaftler*innen die zwischen März 2021 bis Juli 2022 gesammelten Proben erneut zu untersuchen. „Wir waren neugierig, was da noch zu finden ist“, sagt Dr. Emanuel Wyler, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Landthaler und Erstautor der Studie. „Wir hatten hier ja ein sehr umfassendes Set an Daten, das in seiner Tiefe und Zeitspanne einzigartig ist.“
Die Forscher*innen extrahierten RNA aus den Proben und generierten 116 Bibliotheken komplementärer DNA. Sie speisten die Bibliotheken in einen Sequenzierer ein – und das Ergebnis waren Millionen Messwerte. „Diese Daten zu analysieren, ist eine Herausforderung“, sagt Dr. Chris Lauber, ein auf Bioinformatik spezialisierter Virologe von TWINCORE, dem Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Genomische Daten in die großen Virenfamilien einzusortieren, ist vergleichsweise einfach. Aber eine tiefgehende Analyse, die nach Varianten oder ganz neuen Viren sucht, kann sehr anspruchsvoll sein.“
Dies alles zeige, welches Potenzial die Überwachung des Abwassers hat – um die Evolution pathogener Viren zu untersuchen und im Hinblick auf Public Health und damit für die Gesundheit der Bevölkerung, sagt Landthaler. „Die Analyse des Metagenoms von Abwasser an möglichst vielen Standorten weltweit sollte Priorität haben“, sagt er.
Max Delbrück Center
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscherinnen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patientinnen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Landthaler
Leiter der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“
Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center
+49 30 9406-3026
markus.landthaler@mdc-berlin.de
Dr. Emanuel Wyler
Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“
Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center
+49 30 9406-3009
emanuel.wyler@mdc-berlin.de
Originalpublikation:
Emanuel Wyler et al. (2024): „Pathogen dynamics and discovery of novel viruses and enzymes by deep nucleic acid sequencing of wastewater“. Environment International, DOI: 10.1016/j.envint.2024.108875
Weitere Informationen:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412024004616?via%3Dihub – Paper
https://www.mdc-berlin.de/de/landthaler – AG Landthaler
https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/virenfahndung-der-kanalisation – Virenfahndung in der Kanalisation
Anhang
Der Virenstammbaum zeigt die Verwandtschaftsverhältnisse der bekannten Virengruppen in verschiedenen Farben; die neu im Abwasser entdeckten Viren sind leuchtend hellblau dargestellt.
Wege zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit
Halbzeit für das »Zentrum für Klimaneutrale Produktion und Ganzheitliche Bilanzierung ZKP«. Die erfolgreiche Bilanz: Seit der Eröffnung im Herbst 2022 wurden insgesamt 25 Projekte zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Unternehmen abgeschlossen. Im Frühling 2024 starteten weitere 37 Projekte – viele davon in kleineren und mittelständischen Unternehmen.
Die Anforderungen an Unternehmen steigen: Sie sollen klimaneutral und nachhaltig sein, ebenso ihre Produkte. Doch welche Maßnahmen passen zum Unternehmen und wie groß ist deren Einfluss? Für Betriebe aus Baden-Württemberg gilt: Sie können bei der Beantwortung solcher Fragen auf das »Zentrum für Klimaneutrale Produktion und Ganzheitliche Bilanzierung«, kurz ZKP, setzen. Es befindet sich auf dem Stuttgarter Technologie- und Innovationscampus S-TEC. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie zwei Institute der Universität Stuttgart sind an dem Zentrum beteiligt.
Treibhausgasreduktion und Aufbau eigener Kapazitäten
Das S-TEC ZKP bietet Unternehmen ein umfangreiches Angebot auf dem Weg zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit. »Das erste Themenfeld umfasst Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion«, erläutert Dr. Daniel Wehner, Leiter des Zentrums. Doch wie viel Emissionen lassen sich mit einer konkreten Maßnahme einsparen? Die Firmen können zum einen eigene Ideen mitbringen, zum anderen bietet das Zentrum einen großen Pool an verschiedenen Maßnahmen sowie umfassendes Know-how dazu. Ein zweiter Themenschwerpunkt liegt darin, die Unternehmen selbst zu befähigen, Analysen durchzuführen – etwa Ökobilanzen und Carbon Footprints sowohl für einzelne Produkte als auch für das gesamte Unternehmen. Eine Analyse an sich reicht jedoch nicht aus, vielmehr müssen die Ergebnisse an die benötigten Stellen gebracht werden. Über digitale Lösungen integrieren die Forschenden die Nachhaltigkeit daher in verschiedene Prozesse und Unternehmensbereiche – vom Nachhaltigkeitsmanagement über die Produktentwicklung bis hin zum Einkauf. Auch unterstützen sie bei der prozessualen und organisatorischen Verankerung, wenn es um Material Compliance oder produktbezogene Umweltanforderungen geht.
Starkes Interesse auch bei kleineren und mittelständischen Unternehmen
Das Interesse der Unternehmen ist groß: Seit Eröffnung des Zentrums im Herbst 2022 wurden insgesamt 25 Projekte abgeschlossen, im Frühling 2024 gingen weitere 37 Projekte an den Start. »Der KMU-Anteil liegt bei über 50 Prozent, es profitieren also auch kleinere Unternehmen«, freut sich Wehner.
Besonders groß ist das Interesse an Quick Checks (QC), mit denen Unternehmen eine Ersteinschätzung zu bestimmten Fragestellungen erhalten – schnell und mit geringem Aufwand. Beim »Quick-Check Data Readiness Produktnachhaltigkeit« geht es um die Frage, wie gut ein Unternehmen auf bestimmte Anforderungen im Bereich der Produktnachhaltigkeit vorbereitet ist und wie die Ausgangslage verbessert werden kann. Wichtig ist das etwa im Kontext der Batterieverordnung, bei der der CO2-Fußabdruck nach spezifischen Anforderungen berechnet werden muss. Auch zeigt der Quick-Check wichtige Handlungsoptionen auf. »Je nach Stand des Unternehmens legen wir einen unterschiedlichen Schwerpunkt. Setzt ein Unternehmen bereits Ökobilanzen für andere Zwecke ein, überprüfen wir, ob und wie sich diese auf die neuen Anforderungen übertragen lassen. Bei Unternehmen ohne Ökobilanz-Erfahrung schauen wir grundsätzlicher: Sind beispielsweise die nötigen Daten in verschiedenen Unternehmenssystemen verfügbar?«, beschreibt Wehner.
Weitere Projekte fokussieren sich auf Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion, sei es auf Produkt- oder Herstellungsebene. Denn für Unternehmer*innen ist es vielfach schwer einzuschätzen, welche der zahlreichen möglichen Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion sich unter den Rahmenbedingungen des eigenen Unternehmens am besten eignen, um die Emissionen möglichst effizient zu senken. Schließlich erfordern solche Maßnahmen viel Entwicklungsarbeit ebenso wie die Einführung neuer Prozesse – es ist daher elementar, die möglichen Einsparungen verschiedener Maßnahmen im Vorfeld genau einschätzen zu können. Auch hier können Quick Checks schnelle Ersteinschätzungen liefern.
Bewerbungen bis Ende März 2025 möglich
Bewerbungen können jederzeit bis Ende März 2025 eingereicht werden. Die Projekte werden durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg gefördert. Die nächste Projektfreigabe steht im Herbst 2024 an (Bewerbungsschluss 30.09.2024). Um den Aufwand möglichst gering zu halten, ist die Bewerbung bewusst kurz und einfach gestaltet. In einer aktuellen Webinar-Reihe können sich Unternehmen über bisherige Projektergebnisse und weitere Fördermöglichkeiten informieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Daniel Wehner
Leiter des S-TEC Zentrums
daniel.wehner@ibp.fraunhofer.de
Originalpublikation:
https://www.ibp.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/pi_2024-07-we…
Weitere Informationen:
https://s-tec.de/zentren/zentrum-fuer-klimaneutrale-produktion-und-ganzheitliche…
Anhang
Wege zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit
Einsatz von PortBins im Stadthafen Rostock zur Sammlung von Plastikmüll aus der Warnow
Gemeinsame Pressemitteilung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und der Universität Rostock.
In einer gemeinsamen Initiative der Universität Rostock und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), unterstützt durch das Hafen- und Seemannsamt der Hanse- und Universitätsstadt Rostock, wurden im Stadthafen Rostock Müllbehälter zur Sammlung von Plastikmüll aus der Warnow in Betrieb genommen. Mit dieser Maßnahme soll der Plastikmüll aufgefangen werden, bevor er in die Ostsee gelangt und zu Meeresmüll wird.
Im Rahmen des Projektes wird ein Jahr lang der in Müllbehältern, so genannten PortBins, gesammelte Abfall analysiert. Wissenschaftler der Universität Rostock und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) untersuchen die Mengen und Arten des Mülls sowie die Herkunft der Abfälle. Diese Analysen sollen dazu beitragen, Strategien zur Müllvermeidung zu entwickeln.
„Mit den PortBins können wir nicht nur den aktuellen Müll aus der Warnow entfernen, sondern auch wertvolle Daten sammeln, die uns helfen, langfristige Lösungen zu finden“, sagt Mona-Maria Narra, Projektleiterin an der Universität Rostock.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Einfluss von Ereignissen wie Feierlichkeiten der Hanse- und Universitätsstadt oder Starkregen auf das Müllaufkommen in der Warnow. Durch die gezielte Analyse dieser Ereignisse sollen weitere Maßnahmen erarbeitet werden, um den Eintrag von Kunststoffen in die Flüsse und letztlich in die Meere zu minimieren. Der Einsatz der PortBins im Stadthafen Rostock markiert einen wichtigen Schritt hin zu einem saubereren Hafenbereich und einer nachhaltigeren Zukunft für die Ostsee.
Der für das Hafen- und Seemannsamt zuständige Senator Dr. Chris von Wrycz Rekowski betont die Bedeutung des Projekts für die Stadt: „Dieses Vorhaben ergänzt sehr gut unsere bereits bestehenden Initiativen „MeinHafenDeinHafen“ und „WASSER.WARNOW.WIR“. Wir wollen den Stadthafen für alle Besucher zu einem attraktiven öffentlichen Raum entwickeln. Umweltschutz und Sauberkeit gehören dazu, vorrangig natürlich durch Müllvermeidung, aber zusätzlich eben auch durch Müllbeseitigung. Der testweise Einsatz der PortBins bietet hierfür eine vielversprechende Lösung, die wir durch unser Mitwirken im Projekt gern unterstützen.“
Eine öffentliche Leerung der PortBins inklusive Fragestunde findet am 25. Juli 2024 um 10:00 Uhr am Haedge-Becken im Rostocker Stadthafen statt.
Die Untersuchung ist Teil des Interreg South Baltic-Projektes „Circular Ocean-bound Plastic“, in dem ähnliche Maßnahmen gleichzeitig in Partnerstädten in Polen, Dänemark und Schweden durchgeführt werden. Ziel ist es, die Umweltbedingungen in den Hafenstädten rund um die südliche Ostsee zu verbessern und die Ostsee durch gemeinsame Anstrengungen sauber zu halten. Durch den Einsatz moderner Technologien und die Zusammenarbeit internationaler Partner soll die Verschmutzung der Ostsee reduziert und das Bewusstsein für die Bedeutung sauberen Wassers gestärkt werden.
Fragestunde und öffentliche Leerung der PortBins
Wann? Donnerstag, 25. Juli 2024 um 10 Uhr
Wo? am Haedge-Becken im Rostocker Stadthafen
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Mona-Maria Narra
Projektleiterin „Circular Ocean-bound Plastic“
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Universität Rostock
E-Mail: mona-maria.narra@uni-rostock.de
Telefon: +49 381 498-3410
Weitere Informationen:
http://Mehr unter https://circularoceanplastic.eu
Klimaanpassung und Wassersicherheit: TUD und UFZ beteiligen sich an internationalem Forschungsprojekt
Der weltweit fortschreitende Klimawandel geht mit erheblichen Problemen für die Trink- und Nutzwassersicherheit einher: Folgen fallen je nach Region unterschiedlich aus, Dürren und Hochwasser nehmen zu, lassen sich aber schwer vorhersagen, und für die Wassersicherheit müssen regionale Lösungen erarbeitet werden.
Dieser Aufgabe stellt sich jetzt ein internationales Forschungsteam unter Leitung der kanadischen Wissenschaftler:innen Prof. Lori Bradford und Prof. Graham Strickert von der University of Saskatchewan, zusammen mit Forscher:innen der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ).
Der weltweit fortschreitende Klimawandel geht mit erheblichen Problemen für die Trink- und Nutzwassersicherheit einher. Dabei fallen die Folgen für einzelne Regionen höchst unterschiedlich aus. Hinzu kommt, dass Dürren und Hochwasserereignisse deutlich zunehmen, ihr konkretes Auftreten jedoch schwer vorhersagbar ist. Welche Konsequenzen dies für die Gesellschaft, insbesondere die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und deren langfristige Versorgungssicherheit hat, ist nach derzeitigem Forschungsstand unklar. Unstrittig ist jedoch, dass regionale Lösungen für die Wassersicherheit erarbeitet werden müssen.
Dieser Aufgabe stellt sich jetzt ein internationales Forschungsteam unter Leitung der kanadischen Wissenschaftler:innen Prof. Lori Bradford und Prof. Graham Strickert von der University of Saskatchewan. Auch Forscher:innen der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) beteiligen sich an dem Vorhaben zur Klimaanpassung und Wassersicherheit. Das Projekt „Klima-Kollaboratorium: Gemeinsame Entwicklung von angewandten Theater-Entscheidungslaboren zur Erforschung von Klimawandelanpassung und -minderung“ mit einem Budget von etwa zwei Millionen Euro wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der National Science Foundation (NSF) in den USA, dem New Frontiers in Research Fund (NFRF) in Kanada und UK Research and Innovation (UKRI) in Großbritannien finanziert. Die DFG stellt rund 500.000 Euro für das deutsche Forschungsteam zur Verfügung.
Entscheidend ist, dass die Lösungsideen zu Wassersicherheit und Klimaanpassung nicht allein von einzelnen Wissenschaftler:innen entwickelt werden. Stattdessen wird die lokale Bevölkerung aktiv in Gestaltungsprozesse eingebunden. Dazu werden aktuelle Politikprozesse analysiert und durch Theatermethoden, wie z.B. Rollenspiele, Möglichkeiten zu ihrer Transformation gemeinsam erarbeitet.
„Die Theatermethoden sollen den Bürger:innen helfen, Klimaprobleme besser zu verstehen und eigene Erfahrungen einzubringen. Die Einbindung lokaler Akteure ist der Schlüssel zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Gemeinsam können wir realistische und relevante Ansätze für die Wassersicherheit schaffen“, erklärt Prof. Sina Leipold, die am UFZ das Department Umweltpolitik leitet.
Gemeinsam mit Prof. Andreas Hartmann vom Institut für Grundwasserwirtschaft der TU Dresden führt Prof. Leipold das deutsche Team an, das sich auf die sorbische Gemeinde Rietschen im Landkreis Görlitz konzentriert. In Zusammenarbeit mit Bürgermeister Ralf Brehmer, den Bürger:innen, der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) und der unteren Wasserbehörde Görlitz wird das Projekt durchgeführt.
Prof. Hartmann von der TUD ist für die wasserwirtschaftlichen Simulationen und Projektionen mit einem Grundwassermodell verantwortlich. Seine Expertise in der Modellierung von Grundwasserressourcen trägt dazu bei, realistische Szenarien für Wasserverfügbarkeit und -bedarf zu entwickeln. „Diese Simulationen sind entscheidend, um die Auswirkungen der Klimaanpassungsmaßnahmen auf die Grundwasserverfügbarkeit zu bewerten und den lokalen Gemeinschaften fundierte Empfehlungen zu geben“, erklärt er.
Der Projektstart ist für Oktober 2024 vorgesehen. Geplant ist eine Laufzeit von drei Jahren. Die während der Laufzeit gesammelten Daten zu wasserwirtschaftlichen Szenarien werden anschließend analysiert und in verschiedene Modelle zur Klimaanpassung und Wassersicherheit übersetzt, um deren Umsetzbarkeit zu prüfen. „Die wasserwirtschaftlichen Simulationen helfen uns, den lokalen Gemeinschaften realistische Szenarien für ihre zukünftige Wasserversorgung zu geben und mit ihnen gemeinsam praktikable Handlungsoptionen zu entwickeln“, ist Andreas Hartmann überzeugt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Kontakt
Prof. Andreas Hartmann
Institut für Grundwasserwirtschaft
TU Dresden
Tel.: +49 351 463-42551
E-Mail: andreas.hartmann@tu-dresden.de
Prof. Sina Leipold
Leiterin Department für Umweltpolitik
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig
E-Mail: sina.leipold@ufz.de
Weitere Informationen:
Wird das Grundwasser knapp? Auf Arbeit mit Prof. Dr. Andreas Hartmann
https://youtu.be/p8MaYmYToEc
Frühwarnsystem für Europa und den Mittelmeerraum soll vor Naturkatastrophen schützen
JLU koordiniert EU-Projekt zur Früherkennung von Extremwetterereignissen
Um den Mittelmeerraum und Europa besser vor Naturkatastrophen und Extremwetter zu schützen, fördert die Europäische Union im Rahmen eines von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) koordinierten Forschungsprojekts die Entwicklung eines Frühwarnsystems. Die JLU-Klimatologin Dr. Elena Xoplaki und Prof. Dr. Jürg Luterbacher forschen im Rahmen des Horizon-Europe-Projekts MedEWSa (Mediterranean and Pan-European Forecast and Early Warning System against Natural Hazards) an der frühzeitigen Erkennung von Extremwetter, Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, Erdrutschen und Waldbränden, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können.
Laut Copernicus-Klimawandeldienst der Europäischen Kommission war der Juni 2024 der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen und der 13. Monat in Folge mit einem monatlichen Temperaturrekord. Sowohl im vergangenen Jahr als auch im Jahr 2024 haben intensive und langanhaltende Hitzewellen, Trockenheit und großflächige Waldbrände erhebliche Schäden angerichtet. Im Juli 2023 riefen die lokalen Behörden in 16 italienischen Städten eine Hitzewarnung der Stufe Rot aus. Auf den Inseln Sizilien und Sardinien wurden Höchsttemperaturen von 49 Grad Celsius gemessen, ein neuer Rekord. Zudem gab es 2023 mehrere große Überschwemmungen und lokale Sturzfluten, wie zum Beispiel in Griechenland, Libyen, Bulgarien und der Türkei. Im Juni 2024 führte das verheerende Hochwasser in Deutschland zu mehreren Todesopfern und erheblichen wirtschaftlichen Schäden.
Diese Ereignisse zeigen, dass insbesondere die europäischen und afrikanischen Länder des Mittelmeerraums Naturgefahren und extremen Wetterereignissen besonders ausgesetzt sind. Um die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu verbessern und die Auswirkungen solcher Gefahren abzumildern, müssen Maßnahmen über regionale Grenzen hinweg koordiniert werden. Das Projekt MedEWSa (2023-2026), das von Horizon Europe mit fünf Millionen Euro gefördert wird, entwickelt ein vernetztes Frühwarnsystem für vielfältige natürliche Gefahren, das Ersthelfer unterstützt und eine fundierte Entscheidungsfindung erleichtert. Damit leistet es einen direkten Beitrag zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum der Europäischen Union.
Im Jahr 2022 initiierte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, eine globale Anstrengung, um bis Ende 2027 alle Menschen auf der Erde mit Frühwarnsystemen (EW4ALL) vor Wetterextremen zu schützen. Das MedEWSa-Projekt unterstreicht die Bedeutung der Forschung und der Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen bei der Verbesserung der Frühwarnsysteme in Europa und im Mittelmeerraum. Es zielt darauf ab, Zusammenarbeit, Forschung, Innovation und die Verbreitung von Wissen und Technologien zur Unterstützung der EU-Politik bei der Bewältigung globaler Herausforderungen zu fördern.
Das Horizon-Projekt will ein vernetztes Frühwarnsystem bereitstellen, das sich über den Mittelmeerraum und die angrenzenden Länder erstreckt. Es baut auf bestehenden regionalen und nationalen Infrastrukturen auf, füllt Lücken, nutzt innovative Technologien (inklusive Künstlicher Intelligenz/Maschinelles Lernen) und entwickelt darauf basierend neue Produkte und Anwendungsmöglichkeiten. Besonderes Augenmerk wird auf aktuelle und neu entstehende Hotspots für Extremereignisse, gefährdete Gebiete und gefährdete Gemeinschaften gelegt. Im Mittelpunkt von MedEWSa steht eine Reihe sorgfältig ausgewählter Paare von Pilotstandorten in Europa und Afrika. Auf diese Weise sollen Diskrepanzen aufgedeckt, die Zusammenarbeit gefördert und die Übertragbarkeit der MedEWSa-Tools demonstriert werden. Zudem entwickelt MedEWSa auch innovative Finanzlösungen durch Risikotransfer auf die Kapitalmärkte.
Zu dem Konsortium des von der JLU und ihrem Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung (ZEU) koordinierten Projekts gehören unter anderem die Weltorganisation für Meteorologie, ECWMF, Forschungsorganisationen, nationale Wetterdienste, lokale und nationale Regierungen, Unternehmen, Rotes Kreuz und viele andere Einrichtungen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Elena Xoplaki
Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung (ZEU) / Institut für Geographie
Telefon: +49 641 99 36212
Mail: Elena.Xoplaki@geogr.uni-giessen.de
Weitere Informationen:
https://www.medewsa.eu/
https://www.uni-giessen.de/de/fbz/zentren/zeu/activities/researchprojects/medews…
Wie sich pflanzliche Kältespezialisten an die Umwelt anpassen können
Evolutionsbiologen der Universitäten Heidelberg, Nottingham und Prag haben anhand der Löffelkräuter untersucht, welchen Einfluss die Duplikation des Genoms auf das Anpassungspotential von Pflanzen hat. Die Ergebnisse zeigen, dass Polyploide – Arten mit mehr als zwei Chromosomensätzen – eine Anhäufung von strukturellen Mutationen mit Signalen für eine mögliche lokale Anpassung aufweisen können. Sie sind damit in der Lage, immer wieder von Neuem ökologische Nischen zu besetzen.
Internationales Team von Evolutionsbiologen untersucht genomische Grundlagen für das Anpassungspotential von Löffelkräuter
Pflanzliche Kältespezialisten wie die Löffelkräuter haben sich gut an die Kaltklimate der Eiszeitalter angepasst. Im Wechsel verschiedener Eis- und Warmzeiten entwickelten sie eine Vielzahl von Arten, die auch eine Vervielfachung der Genome zur Folge hatte. Evolutionsbiologen der Universitäten Heidelberg, Nottingham und Prag haben untersucht, welchen Einfluss diese Genomduplikation auf das Anpassungspotential von Pflanzen hat. Die Ergebnisse zeigen, dass Polyploide – Arten mit mehr als zwei Chromosomensätzen – eine Anhäufung von strukturellen Mutationen mit Signalen für eine mögliche lokale Anpassung aufweisen können. Sie sind damit in der Lage, immer wieder von Neuem ökologische Nischen zu besetzen.
Die Gattung der Löffelkräuter aus der Familie der Kreuzblütengewächse hat sich vor mehr als zehn Millionen Jahren von ihren Verwandten aus dem Mittelmeerraum abgespalten. Sind deren direkte Nachfahren unter anderem auf Trockenstress spezialisiert, haben die Löffelkräuter – lateinisch Cochlearia – mit Beginn des Eiszeitalters vor 2,5 Millionen Jahren die kalten und arktischen Lebensräume erobert. Wie sich Cochlearia in den vergangenen zwei Millionen Jahren wiederholt an den raschen Wechsel von Eis- und Warmzeiten anpassen konnte, haben Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Marcus Koch in früheren Forschungen untersucht. Unter anderem entwickelten sich in dieser Gruppe der neu entstandenen kaltangepassten Pflanzen separate Genpools, die in den Kaltregionen in Kontakt miteinander kamen. Im Genaustausch konnten so Populationen mit multiplen Chromosomensätzen entstehen. Immer wieder in ihrer Genomgröße reduziert, konnten sie anschließend erneut und wiederholt kaltgeprägte ökologische Nischen besetzen.
Dennoch ist, wie Marcus Koch betont, bislang nur wenig bekannt über die genomischen Mechanismen und Potentiale, mit denen sich Pflanzen an rasche Umweltveränderungen anpassen können. „Das ist umso erstaunlicher, da ein Großteil unserer wichtigsten Kulturpflanzen ebenfalls polyploid ist, also vervielfachte Chromosomensätze aufweist. Und gerade dieser Umstand ist das Resultat einer starken Selektion während des Züchtungs- und Ausleseprozesses“, sagt Prof. Koch, dessen Forschungsgruppe „Biodiversität und Pflanzensystematik“ am Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg angesiedelt ist.
Im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeiten wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Levi Yant ein diploides Referenzgenom mit zwei Chromosomensätzen einer alpinen Löffelkrautart – Cochlearia excelsa – sequenziert und ein sogenanntes Pangenom rekonstruiert. Es führt verschiedene Genomsequenzen zusammen und kann damit aufzeigen, welche genetischen Variationen zwischen Individuen und weiteren Arten bestehen. Dazu wurden mehr als 350 Genome von verschiedenen Cochlearia-Arten mit unterschiedlichen Chromosomensatzzahlen analysiert. „Die Ergebnisse zeigen überraschenderweise, dass Polyploide tatsächlich häufiger als diploide Arten genomische Strukturvarianten mit Signalen für eine mögliche lokale Anpassung aufweisen“, erläutert Prof. Yant, der an der University of Nottingham (Großbritannien) auf dem Gebiet der Evolutionären Genomik forscht.
Diese strukturellen Mutationen sind durch die zusätzlichen Genomkopien versteckt und damit ein Stück weit vor Selektion geschützt, denn die Anhäufung von Strukturvarianten kann auch zum Funktionsverlust führen. Mit ihren Modellierungen konnte das internationale Forschungsteam außerdem zeigen, dass die polyploidspezifischen Strukturvarianten gerade auch in den Genregionen erscheinen, die eine wesentliche Rolle bei zukünftigen Klimaanpassungen spielen könnten. Eine detaillierte Analyse der genomischen Daten ergab, dass es sich hier vor allem um biologische Prozesse der Samenkeimung oder der Resistenz gegen Pflanzenkrankheiten handelt, so Dr. Filip Kolář, der an der Karls-Universität Prag und an der Tschechischen Akademie der Wissenschaften forscht.
Dennoch sei es vermutlich sehr unwahrscheinlich, dass die heute in Mitteleuropa vorkommenden Cochlearia-Arten den Klimawandel letztlich überleben werden, wie Prof. Koch hervorhebt. „Insbesondere die diploide Cochlearia excelsa kann im österreichischen Hochgebirge nicht weiter in höhere und kältere Bereiche wandern, da diese Löffelkraut-Art die Gipfelregionen zum Teil schon erreicht hat. Auch das Pyrenäen-Löffelkraut aus dem mitteleuropäischen Hügel- und Bergland wird es schwer haben.“ Die Forscherinnen und Forscher konnten aber zeigen, dass der gesamte Genpool insbesondere in den polyploiden Kältespezialisten vor allem in den nördlichen Regionen der Erde überdauern kann. Die evolutionäre Geschichte dieser Kreuzblütler liefert damit Hinweise darauf, wie Pflanzen künftig mit den Auswirkungen des Klimawandels zurechtkommen könnten.
Die Arbeiten wurden insbesondere im Rahmen einer Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) – eines ERC Starting Grants für Levi Yant – durchgeführt. Das kooperierende Team der Universität Heidelberg hat in den vergangenen 25 Jahren das Cochlearia-Modellsystem entwickelt und dafür Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten. Veröffentlicht sind die Forschungsergebnisse in „Nature Communications“.
Kontakt:
Universität Heidelberg
Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marcus Koch
Centre for Organismal Studies
Telefon (06221) 54-4655
marcus.koch@cos.uni-heidelberg.de
Originalpublikation:
T. Hämäla, C. Moore, L. Cowan, M, Carlile, D. Gopaulchan, M.K. Brandrud, S. Birkeland, M. Loose, F. Kolár, M.A. Koch, L. Yant: Impact of whole-genome duplications on structural variant evolution in Cochlearia. Nature Communications 15, 5377 (2024), https://doi.org/10.1038/s41467-024-49679-y
Weitere Informationen:
http://www.cos.uni-heidelberg.de/de/forschungsgruppen/biodiversitaet-und-pflanze… – Forschungsgruppe Marcus Koch
Weniger Luftverschmutzung: Emissionshandel nützt auch der Gesundheit
Das EU-Emissionshandelssystem ist nicht nur gut für die Reduktion von CO2 und damit für das Klima. Es führt auch zu erheblichen Gesundheitsvorteilen durch weniger Luftverschmutzung und spart damit mehrere Hundert Milliarden Euro ein. Das zeigt ein Team der Universität Hamburg in einer jetzt erschienenen Studie.
Das Forschungsteam vom Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg untersuchte die indirekten Auswirkungen des Europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) auf gefährliche Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid, Feinstaub und Stickoxide. „Dass der EU ETS als Europas zentrales Klimaschutzinstrument seinen eigentlichen Job macht und Treibhausgasemissionen reduziert, ist bereits gut belegt,“ sagt Jonas Grunau. „Aber wir wissen noch zu wenig darüber, welche Nebenwirkungen das System hat.“
Um solche Nebenwirkungen zu untersuchen, führte das Team aus Hamburg eine Analyse durch, wie das EU ETS die Emission von Luftschadstoffen reduziert haben könnte, und quantifizierte die vermiedenen Gesundheitsschäden mit offiziellen Kostensätzen des Umweltbundesamtes. Sie berechneten, wie sich die Mengen von Luftschadstoffen in der EU von Beginn des Emissionshandels 2005 bis 2021 in regulierten Sektoren, wie beispielsweise dem Stromsektor, im Vergleich zu unregulierten Sektoren entwickelt haben. Die Ergebnisse zeigen einen Rückgang von 15 Millionen Tonnen (Mt) Schwefeldioxid, 1 Mt Feinstaub und 5 Mt Stickoxiden.
„Während unsere Studie eine erste Abschätzung auf aggregierter Ebene liefert, sollten weitere Analysen untersuchen, wo die Reduktionen genau stattfinden und welche Personengruppen konkret von diesen profitieren“, ergänzt Dr. Piero Basaglia.
Neben dem Emissionshandel haben wahrscheinlich auch europäische Emissionsstandards für Luftschadstoffe zu den Reduktionen beigetragen, da diese im selben Zeitraum verschärft worden sind. Doch selbst wenn das Forschungsteam direkte Effekte von Emissionsstandards in vollem möglichen Umfang von der Schätzung abzieht, ergeben sich vermiedene Gesundheitsschäden in Höhe von mehr als hundert Milliarden Euro.
„Europäischer Klimaschutz reduziert CO2 und vermeidet dadurch Klimaschäden, besonders für zukünftige Generationen und auch außerhalb Europas. Aber gleichzeitig bringt uns der Emissionshandel hier und heute substanzielle Vorteile für unsere Gesundheit. Dies kann ein wichtiger motivierender Faktor für die Unterstützung von Klimapolitik sein“, folgert Prof. Dr. Moritz Drupp aus den Ergebnissen der Studie.
Für Rückfragen:
Stephanie Janssen
Universität Hamburg
Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS)
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Tel.: +49 40 42838-7596
E-Mail: stephanie.janssen@uni-hamburg.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Moritz Drupp
Universität Hamburg
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS)
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Hamburg Center for Health Economics (HCHE)
Tel.: +49 40 42838 6171
E-Mail: Moritz.Drupp@uni-hamburg.de
Jonas Grunau
Universität Hamburg
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS)
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Tel.: +49 40 42838 3288
E-Mail: jonas.sebastian.grunau@uni-hamburg.de
Originalpublikation:
Basaglia P., Grunau J., Drupp M.A. (2024): The European Union Emissions Trading System might yield large co-benefits from pollution reduction; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS); https://doi.org/10.1073/pnas.2319908121
Studie zu Post-COVID: Welche Faktoren das Risiko beeinflussen
Das Risiko für Post-COVID-Symptome ist geringer nach einer Omikron-Infektion sowie nach einer vierten Impfung, und wenn man eine Infektion bereits gut überstanden hat. Das zeigt eine bundesweite Befragung von fast 110.000 Teilnehmenden der NAKO Gesundheitsstudie, die Angaben zu langanhaltenden Folgebeschwerden nach einer Corona-Infektion und ihrer Impfgeschichte gemacht haben. Die Daten im „Journal of Infection“ verdeutlichen, dass das Risiko an Post-COVID zu erkranken im Vergleich zur frühen Phase der Pandemie insgesamt rückläufig ist.
Schon früh während der Corona-Pandemie gab es Berichte über Fälle anhaltender Folgebeschwerden der Infektion. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet solche neuen oder anhaltenden Symptome zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion, die nicht durch andere Ursachen erklärt werden können, als Post-COVID-Zustand. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Universitätsmedizin Halle die Informationen von 109.707 Teilnehmenden der NAKO Gesundheitsstudie zu ihrem selbstberichteten Gesundheitszustand ausgewertet. Die Befragung fand im Herbst 2022 rückblickend auf die Pandemie statt.
Mehr als 80 Prozent der Befragten hatten drei oder mehr COVID-19-Impfungen erhalten und 60 Prozent gaben an, bereits eine COVID-19-Infektion durchgemacht zu haben. Die Teilnehmenden konnten im Online-Fragebogen maximal 21 mögliche Post-COVID-Symptome von körperlicher Erschöpfung über Kreislaufprobleme bis hin zu Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen angeben. 35 Prozent berichteten über mindestens ein anhaltendes Post-COVID-Symptom vier bis zwölf Monate nach der Infektion. Von Personen die Post-COVID-Symptome berichtet haben, gab ein Viertel neun oder mehr der abgefragten Symptome an.
Risiko für Post-COVID bei Omikron am geringsten
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klassifizierten die Virusvarianten, die für eine bestimmte Infektion verantwortlich sind, nach den Zeiträumen der Dominanz in den nationalen Überwachungsdaten in Deutschland. Infektionen bis Dezember 2020 wurden als Wildtyp eingeordnet, zwischen Januar und Juni 2021 als Alpha-Variante, zwischen Juli und Dezember 2021 als Delta-Variante und ab Januar 2022 als Omikron-Variante.
„Wie unsere Auswertung zeigt, hat die Virusvariante einen Einfluss auf das Risiko für Post-COVID, wobei das Risiko bei den neuen Virusvarianten zu sinken scheint. Eine Omikron-Infektion war deutlich seltener mit Post-COVID-Symptomen verbunden“, sagt Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik an der Universitätsmedizin Halle.
Geringeres Post-COVID-Risiko nach vierter Impfung und bei wiederholten Infektionen, wenn die erste Infektion gut überstanden wurde
„Bei wiederholten Corona-Infektionen stellten wir ebenfalls einen Unterschied fest. Wer nach einer Infektion kein Post-COVID entwickelt hat und nochmals erkrankte, hatte ein geringeres Risiko für Post-COVID, als Personen, die sich erstmalig infizierten”, ergänzt Prof. Mikolajczyk.
Die Analyse zeigt außerdem, dass eine vierte Impfung das Post-COVID-Risiko verringerte. Für die Phasen, in denen frühere Virusvarianten dominierten, schien die Anzahl der Impfungen keinen direkten Einfluss auf die Entstehung von Post-COVID zu haben, wenn man Vergleiche innerhalb der jeweiligen Virusvariante anstellte.
„Auch wenn das bedeutet, dass die vorangegangenen Impfungen nicht direkt vor Post-COVID schützten, ist doch von einem indirekten Schutz auszugehen. Denn die Geimpften hatten laut derzeitiger Studienlage eine geringere Wahrscheinlichkeit, an symptomatischen Corona-Infektionen zu erkranken oder einen schweren Verlauf zu erleiden, die wiederum mit einem höheren Risiko für Post-COVID verbunden waren“, so Prof. Mikolajczyk.
Die Forschenden beobachteten zudem eine dynamische Phase nach der Impfung, abhängig vom zeitlichen Abstand zu einer Infektion. Wenn im Zeitfenster von drei Monaten nach der Impfung eine Corona-Infektion auftrat, berichteten die Teilnehmenden etwas häufiger von Post-COVID-Symptomen als Personen, bei denen die Infektion in einem größeren Abstand zur Impfung eingetreten ist. Hier bräuchte es zusätzliche Studien, insbesondere solche, die das immunologische Repertoire vor der Infektion erforschen, um diesen Effekt weiter zu untersuchen.
„Unabhängig von der weiterhin nicht komplett geklärten Ursache von Post-COVID gibt es Hoffnung für alle, die bislang kein Post-COVID entwickelt haben. Personen, die nach einer früheren Infektion kein Post-COVID hatten, hatten laut unserer Auswertung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der nächsten Infektion keine Folgebeschwerden”, berichtet Professor Dr. André Karch von der Universität Münster und Letztautor der Studie. “Unsere Erkenntnisse geben Zuversicht, dass das Auftreten von Post-COVID, wie schon im letzten Winter beobachtet, deutlich rückläufig ist. Für alle weiterhin noch offenen Forschungsfragen rund um COVID-19, sind die umfassenden Informationen der NAKO Gesundheitsstudie vor und nach der Pandemie sowie aus laufenden Befragungen der Teilnehmenden eine wertvolle Basis für zukünftige Studien”, sagt Prof. Karch.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk
Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik
Universitätsmedizin Halle
E-Mail: imebmi@medizin.uni-halle.de
Originalpublikation:
Mikolajczyk, R, Diexer, S, Klee, B et al. Risk of Post-COVID Condition Under Hybrid Immunity – Results from the German National Cohort (NAKO). Journal of Infection. June 17, 2024. https://doi.org/10.1016/j.jinf.2024.106206
Weitere Informationen:
https://www.journalofinfection.com/article/S0163-4453(24)00140-3/fulltext
Phosphor-Recycling: Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger
Phosphor ist ein wichtiger Pflanzennährstoff und damit unverzichtbar für die Nahrungsmittelproduktion. Die weltweiten Phosphorvorkommen sind jedoch begrenzt. Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm spielt daher eine wichtige Rolle bei der Sicherung der zukünftigen Versorgung. Die TU Braunschweig treibt diese Rückgewinnung mit ihrem Projekt „P-Net“ maßgeblich voran. Im Mittelpunkt steht dabei die Erzeugung des kristallinen Phosphorprodukts Struvit. Erster Erfolg des Projekts: Auf der Kläranlage Braunschweig testen die Projektpartner großtechnisch ein Verfahren zur Struvitfällung, um künftig die durch die Klärschlammverordnung geforderte Rückgewinnungsquote zu erreichen.
Klärschlamm ist nicht nur Abfall, sondern auch eine ergiebige Phosphorquelle. Rund 60.000 Tonnen Phosphor enthalten die rund zwei Millionen Tonnen Klärschlamm, die jährlich in deutschen Kläranlagen anfallen. Daraus könnten rund 40 Prozent des Phosphorbedarfs für Mineraldünger gedeckt werden. Bislang wurde der Schlamm jedoch meist verbrannt, die phosphorreiche Asche entsorgt. Teilweise wurde der Klärschlamm auch als Dünger auf die Felder ausgebracht. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung hat die Bundesregierung 2017 auch die Verwertung neu geregelt. So müssen Betreiber von Kläranlagen spätestens ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlamm oder der Klärschlammverbrennungsasche zurückgewinnen und recyceln. Eine landwirtschaftliche Ausbringung, wie in Braunschweig seit Jahrzehnten üblich, ist dann ebenfalls nicht mehr möglich.
Ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen
Hier setzt das Verbundprojekt „P-Net“ an, das von der TU Braunschweig koordiniert wird. Die Forschenden verfolgen das Phosphor-Recycling auf der sogenannten Struvit-Schiene. Bei diesem Verfahren werden durch Fällung und Kristallisation kristalline Phosphorprodukte hergestellt, insbesondere Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit). Dabei war Struvit zunächst ein Nebenprodukt oder vielmehr ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen, das bei hohen Konzentrationen von Ammonium, Phosphat und Magnesium entsteht. Die Struvitkristalle führen häufig zu Verkrustungen, unter anderem an Rohrleitungen, Wärmetauschern und Ventilen, und damit zu Störungen im Betrieb. Deshalb wurden Verfahren entwickelt, um das Struvit gezielt zu fällen und damit besser kontrollieren zu können. Auf den Kläranlagen in Gifhorn und Braunschweig haben die Anlagenbetreiber solche Verfahren bereits installiert.
Ziel von „P-Net“ ist es, diese Anlagen zu optimieren. Denn bislang lassen sich mit der Struvitfällung zwischen fünf und 30 Prozent Phosphor aus dem Klärschlamm zurückgewinnen. Damit die Anlagenbetreiber den gesetzlichen Grenzwert von unter zwei Prozent Phosphor in der Trockenmasse des Faulschlamms einhalten können, ist das zu wenig. „Deshalb wollen wir die Struvit-Schiene so weit ertüchtigen, dass sie in wirtschaftlicher Betriebsweise künftig auch die Anforderungen der Klärschlammverordnung erfüllt. Das heißt, wir intensivieren den Prozess, um möglichst so viel Phosphat aus dem Klärschlamm herauszuziehen, dass der Grenzwert an Phosphor im Schlamm, der noch gestattet ist, eingehalten werden kann“, erklärt Projektleiter Professor Thomas Dockhorn vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig. Ein solches Verfahren hat der Wissenschaftler bereits vor fast 20 Jahren entwickelt und sich damals auch patentieren lassen. Je nach Anlagenbetrieb können so bis zu 70 Prozent des Phosphats aus dem Klärschlamm herausgelöst werden. Im Unterschied zu anderen Verfahren, die Phosphat aus Klärschlamm oder Klärschlammasche zurückgewinnen, erfolgt die Rücklösung hier rein biologisch und benötigt keine weiteren Betriebsmittel.
Vorhandene Technik der Kläranlage wird genutzt
In Braunschweig ist es von besonderem Vorteil, dass die vorhandene Verfahrenstechnik durch Umnutzung für die neue Verfahrensstufe verwendet werden kann, sodass die Anlagenbetreiber hohe Investitionen vermeiden können. Hierzu nutzen die Projektpartner vom Abwasserverband Braunschweig und der Stadtentwässerung Braunschweig einen der drei Faulbehälter mit 2.100 von insgesamt 11.000 Kubikmetern für die sogenannte biologische Phosphor-Remobilisierung.
War in Braunschweig die bisherige Verfahrensführung auf die Rückgewinnung von bis zu einer Tonne Struvit pro Tag ausgelegt, sollen es künftig mit dem optimierten Verfahren rund zwei Tonnen sein. „Das ist nicht nur deshalb toll, weil es eine verfahrenstechnische Alternative zur Phosphor-Rückgewinnung aus der Asche sein kann, sondern weil wir auch die vorhandene Anlagentechnik nutzen können“, freut sich Thomas Dockhorn. So könne das Phosphat direkt auf der Kläranlage zurückgewonnen und weiterhin regional in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Auch für den Abwasserverband Braunschweig wäre das ein großer Erfolg. „Die Landwirte des Abwasserverbands Braunschweig könnten mit dem so zur Verfügung stehenden P-Dünger die Düngewirkung des Klärschlamms substituieren und müssten nicht auf mineralischen Dünger zurückgreifen“, ergänzt Dr. Franziska Gromadecki, Geschäftsführerin des Abwasserverbands Braunschweig, der Eigentümer der Kläranlage Braunschweig ist.
Zugelassen für den Ökolandbau
Was zurückbleibt, ist einerseits Klärschlamm mit geringem Phosphorgehalt und andererseits ein Produkt mit hoher Düngewirkung. Projektleiter Dockhorn nutzt Struvit selbst für seine eigenen Pflanzen im Institut und zu Hause: „Das ist ein hervorragender Langzeitdünger, der mindestens die gleiche Düngewirkung hat wie ein herkömmlicher Mineraldünger.“ Die weißen Kügelchen, die der Wissenschaftler seinen Pflanzen verabreicht und die bei der Fällung entstehen, müssen für die Landwirtschaft allerdings noch aufbereitet werden. In dieser Form sind sie zu klein bzw. zu unregelmäßig, um sie mit den Landwirtschaftsmaschinen auf die Felder zu bringen. Der Projektpartner Soepenberg standardisiert den Dünger und verarbeitet ihn unter anderem zu Pellets. In großmaßstäblichen Feld-Versuchen wird der erzeugte Struvit-Dünger durch das Julius-Kühn-Institut bereits auf dem Acker getestet. Als EU-Düngemittel ist Struvit inzwischen auch für den ökologischen Landbau zugelassen.
Auch andere Anlagenbetreiber sind dabei, ähnliche Verfahren zur Struvitfällung großtechnisch umzusetzen. Um das Phosphorrecycling über die Struvit-Schiene bundesweit voranzutreiben, hatten die P-Net-Projektpartner kürzlich zu einem Erfahrungsaustausch nach Braunschweig eingeladen. Für Professor Dockhorn ist das ein wichtiger Schritt, denn bisher bevorzugen viele Anlagenbetreiber noch den Weg über die Verbrennung, bei der der Klärschlamm komplett verbrannt und der Phosphor anschließend aus der Asche herausgelöst werden soll. „Hierzu wollen wir eine Alternative anbieten“, sagt der Wissenschaftler. „Deshalb wollen wir uns vernetzen und gemeinsam zeigen, dass unser Verfahren der Struvitfällung funktioniert, damit es Nachahmer findet“, sagt Dockhorn. „Um ein echtes Struvit-Düngemittelsegment zu etablieren, braucht es eine kritische Masse.“
Projektdaten
Das Projekt „P-Net“ wird über fünf Jahre bis Mitte 2025 mit rund 3,46 Millionen Euro gefördert. Davon entfallen 924.000 Euro auf die TU Braunschweig. Projektpartner im Verbund sind das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Braunschweig, das Institut für sozial-ökologische Forschung, das Julius Kühn-Institut, der Abwasserverband Braunschweig, die Stadtentwässerung Braunschweig GmbH, der Abwasser- und Straßenreinigungsbetrieb Stadt Gifhorn, die PFI Planungsgemeinschaft GmbH & Co. KG und die SF-Soepenberg GmbH.
Regionales Phosphor-Recycling: BMBF-Fördermaßnahme RePhoR
Die Bundesregierung hat die Rückgewinnung von Phosphor im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess II) als wichtigen Baustein zur Etablierung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft verankert und mit der im Oktober 2017 in Kraft getretenen Novellierung der Klärschlammverordnung die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Ziel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Maßnahme Regionales Phosphor-Recycling (RePhoR) ist es, durch innovative wirtschaftliche Lösungen zum regionalen P-Recycling einen Beitrag zur Umsetzung der neuen Klärschlammverordnung zu leisten. Durch die damit verbundene verstärkte Nutzung von Sekundärphosphor aus der Kreislaufwirtschaft sollen der Verlust von Phosphor und die Abhängigkeit Deutschlands von Phosphorimporten deutlich reduziert werden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Thomas Dockhorn
Technische Universität Braunschweig
Institut für Siedlungswasserwirtschaft
Pockelsstraße 2a
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-7937
E-Mail: t.dockhorn@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/isww
Digitalisierung schadet Arbeitern und sorgt für Ungleichheit
Neue digitale Technologien am Arbeitsplatz wirken sich unterschiedlich auf die Gesundheit von Beschäftigtengruppen aus. Bei Beschäftigten, die hauptsächlich manuellen Tätigkeiten nachgehen („Arbeiter“), verschlechtert sich der Gesundheitszustand und Krankentage nehmen zu, während sie sich auf Beschäftigte, die wissensintensive (Büro-)Tätigkeiten ausüben („Angestellte“), nicht auswirken. Allerdings verringern gezielte Schulungsmaßnahmen und eine unterstützende Unternehmenskultur die negativen Auswirkungen. Das zeigen Wissenschaftler/innen vom ZEW Mannheim sowie den Universitäten Konstanz und Edinburgh in einer Studie über gesundheitliche Auswirkungen der Digitalisierung.
Diese basiert auf repräsentativen Befragungs- und Sozialversicherungsdaten von rund 3200 Arbeitnehmer/innen von 2011 bis 2019, die vom ZEW und weiteren Partnern erhoben wurden.
Der Einsatz neuer digitaler Technologien, wie das Internet der Dinge/Dienste, KI oder Big Data, führt in allen Berufen zu mehr Arbeitskomplexität, Zeit- und Leistungsdruck. „Arbeiterinnen und Arbeiter wiesen aber schon vor der Einführung neuer Technologien einen schlechteren Gesundheitszustand als Angestellte auf. Diese Unterschiede vergrößerten sich durch die Digitalisierung“, erklärt Oliver Schlenker, Ko-Autor der Studie und Wissenschaftler am ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“.
Er ergänzt: „Diese Ergebnisse bestätigen eine etablierte Theorie aus der Organisationspsychologie nach der vor allem diejenigen Beschäftigten Stress durch technologischen Wandel und eine gesteigerte Komplexität der Tätigkeiten erfahren, die bisher wenig Berührungspunkte damit hatten. Und das trifft vor allem auf Beschäftigte in manuellen Tätigkeiten zu.“
Richtiges Training und Gewöhnung an komplexe Aufgaben machen den Unterschied aus
Indem man die Arbeitnehmer/innen gezielt unterstützt, kann man den durch Technik verursachten Stress („Technostress“) aber auch entgegenwirken, wie Oliver Schlenker betont: „Wir haben erste Hinweise darauf, dass gezielte Schulungen sowie die Unterstützung durch Vorgesetzte helfen, diesen ‚Technostress‘ zu verringern. Führungskräfte haben demnach die direkte Möglichkeit, durch gezielte Hilfe den Krankenstand zu verringern und die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu verbessern.“
Digitalisierung verschärft Ungleichheiten
Werden keine Maßnahmen ergriffen, fördert die Digitalisierung bestehende Ungleichheiten, wie Schlenkers Kollegin Prof. Dr. Melanie Arntz, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs und Ko-Autorin, erläutert: „Arbeiterinnen und Arbeiter weisen im Schnitt ein niedrigeres Bildungsniveau als Büroangestellte auf und verdienen weniger. Mit der Digitalisierung verstärkt sich zusätzlich die gesundheitliche Ungleichheit. KIs der neuen Generationen, wie ChatGPT, werden immer stärker eingesetzt. Umso wichtiger ist es, dass sich gesundheitliche Ungleichheiten zwischen beiden Beschäftigtengruppen nicht verstärken oder verfestigen, sondern frühzeitig gegengesteuert wird. Schließlich beeinflusst eine schlechtere Gesundheit langfristig die Produktivität und damit auch das Einkommen.“
Über die Studie
Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Nutzung neuer digitaler Spitzentechnologien und den gesundheitlichen Auswirkungen auf Beschäftigte. Hierzu verknüpften die Wissenschaftler/innen repräsentative Befragungs- und Sozialversicherungsdaten von Arbeitnehmern und deren Betrieben im Zeitraum von 2011 bis 2019. Die vom ZEW in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB), und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erhobene Befragung bietet umfangreiche Hintergrundinformationen zu den befragten Personen und erlaubt es damit durch den Vergleich statistisch ähnlicher Individuen über die Zeit kausale Effekte zu identifizieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Oliver Schlenker
Wissenschaftler im Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherung“
Telefon +49 (0)621 181-315
E-Mail oliver.schlenker@zew.de
Prof. Dr. Melanie Arntz
Stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherung“
Telefon +49 (0)621 181-159
E-Mail melanie.arntz@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24027.pdf
Hochwasserresilienz: BMBF-Verbundprojekt KAHR forscht für einen nachhaltigen Wiederaufbau nach Flutkatastrophen
Das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021 war eine der größten Naturkatastrophen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie Wissenschaft einen nachhaltigen und klimaresilienten Wiederaufbau nach einer solchen Flutkatastrophe unterstützen kann, zeigt der von der Universität Stuttgart in enger Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen University koordinierte Forschungsverbund KAHR. In den betroffenen Regionen hat KAHR den Neu- und Wiederaufbauprozess begleitet und mitgestaltet.
Mehr Resilienz schaffen
Was kann Wissenschaft zum Gelingen des Neu- und Wiederaufbaus nach einer Flutkatastrophe beitragen? Hierum geht es am 26. Juni 2024 beim dritten Wissenschaft-Praxis-Dialog des Forschungsverbundes „Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz (KAHR)“ für den Wiederaufbau der flutbetroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz. „Das Ahrtal war und ist von der Flutkatastrophe im Juli 2021 besonders betroffen“, erklärt Verbundkoordinator Prof. Jörn Birkmann, Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) der Universität Stuttgart. 135 Menschen verloren im Ahrtal ihr Leben. Auf rund 40 Kilometern Länge zerstörte die Flut tausende Gebäude sowie eine Vielzahl an Straßen, Brücken und weitere Infrastrukturen. Die Überflutungen führten in Deutschland zu einem finanziellen Schaden von schätzungsweise 40 Milliarden Euro. „Der Neu- und Wiederaufbau muss ein Mehr an Resilienz schaffen, damit wir für zukünftige Ereignisse besser gerüstet sind“, betont Birkmann.
Forschung mit den Akteur*innen vor Ort
Seit drei Jahren begleitet der überregionale und interdisziplinäre Forschungsverbund erfolgreich den Wiederaufbauprozess. Themen sind beispielsweise die Erforschung von Schadensmustern, die Verlagerung besonders schutzwürdiger Infrastrukturen wie Schulen oder Pflegeheime, Vorsorgemaßnahmen für besonders verwundbare Bevölkerungsgruppen, die hochwasserresiliente Gestaltung von Brücken oder Sportstätten, die Schaffung von Retentionsflächen, eine hochwasserresiliente Stromversorgung, verbesserte Vorhersagemodelle und eine risikobasierte Raumplanung. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Einbeziehung, Beratung und Vernetzung der Akteurinnen vor Ort. Haushaltsbefragungen und Expertinnen-Interviews zeigen unter anderem, dass der großen Mehrheit der Befragten vor der Katastrophe nicht klar war, dass sie in einem überflutungsgefährdeten Gebiet wohnten. Zudem hatten zum Zeitpunkt der Befragung im Sommer 2022 erst etwa die Hälfte der Befragten Vorsorgemaßnahmen umgesetzt. „Die Information der Bevölkerung zu Risiken und Vorsorgemöglichkeiten ist also essentiell“, sagt Birkmann.
Empfehlungen für den Wiederaufbau sind praxisrelevant
Ein Teil der im Zuge des Projektes entstandenen „10 Empfehlungen für einen zukunftsgerichteten und klimaresilienten Wiederaufbau“ sind inzwischen in der Praxis angekommen und unter anderem in die Begründung für höhere Schutzstandards und höhere Finanzierungshilfen im Wiederaufbau eingeflossen. „Das Ahrtal befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt in der klimaresilienten Hochwasservorsorge. KAHR konnte hier über grundlegende Erkenntnisse viele Impulse, beispielsweise für die zukünftige Gestaltung von Brücken und die technische Hochwasservorsorge, beisteuern“, resümiert Prof. Holger Schüttrumpf, Ko-Sprecher des Verbunds und Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW) der RWTH Aachen University. Darüber hinaus finden seit Projektbeginn fast wöchentlich Beratungstermine für die Bevölkerung zu privaten Hochwasserschutzmaßnahmen statt. KAHR hat zudem Einsatzkräfte des Bevölkerungsschutzes geschult und Erzählabende für Betroffene und Helfende veranstaltet.
Wichtige Forschungsfragen und Handlungsfelder offen
„Wir haben in den letzten drei Jahren im Verbund und gemeinsam mit den betroffenen Menschen viel erreicht. Dennoch bleiben noch wichtige Fragen und Handlungsfelder offen, die weitere wissenschaftliche Forschung erfordern“, sagt Birkmann. So sollen Schutzkonzepte in Zukunft stärker als bisher die jeweiligen Schutzwürdigkeiten der potenziell betroffenen Siedlungsbereiche thematisieren und klassifizieren. Handlungsbedarf besteht auch bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz im Wiederaufbau. Die Umsetzung von Hochwasserrückhaltebecken bedarf weiterer wissenschaftlicher Forschung, auch bezogen auf die Umsetzbarkeit und die Auswirkungen auf Umwelt und Landschaft. Des Weiteren gibt es konkrete Umbauplanungen für einzelne Quartiere oder Nutzungen, die bisher aber noch nicht umgesetzt wurden. „Die Begleitung dieser Transformationsprozesse durch die Wissenschaft wäre aus unserer Sicht wichtig, um nicht nur die Effektivität von Maßnahmen, sondern auch deren Akzeptanz näher zu beleuchten“, betont Birkmann abschließend.
Zum Wissenschaft-Praxis-Dialog
Der Wissenschaft-Praxis-Dialog findet am Mittwoch, 26. Juni 2024, 17:00-20:00 in der Landskroner Festhalle, Im Bülland, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler statt.
Die Veranstaltung kann über YouTube live verfolgt werden:
Zum Projekt KAHR
Das Projekt Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz (KAHR) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programmes Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) mit rund fünf Millionen Euro gefördert. Es forscht zu den von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Unter Koordination der Universität Stuttgart und der RWTH Aachen University beteiligen sich elf weitere Partner aus Universitäten, Helmholtz-Zentren, außeruniversitären Forschungsinstituten und Praxispartner an dem Projekt. KAHR läuft noch bis zum 31.12.2024. Am 26. November 2024 findet eine abschließende Synthese-Konferenz statt. Eine Publikation zu den Projektergebnissen ist geplant.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Jörn Birkmann (Projektkoordination, Sprecher des Verbunds), Universität Stuttgart, Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung, Tel.: +49 711 685-66332, E-Mail: joern.birkmann@ireus.uni-stuttgart.de
Weitere Informationen:
http://www.hochwasser-kahr.de/index.php/de/ Weitere Informationen auf der Projektwebsite
http://www.youtube.com/@iww-rwth/streams Live-Stream des Wissenschaft-Praxis-Dialogs
Grubenwasser in Südafrika: Nachhaltig aufbereitet
Im Ruhrgebiet wurde über 150 Jahre lang Steinkohle abgebaut – mit weitreichenden Folgen für das Wassermanagement in der Region. In Südafrika, einem der größten Bergbauländer der Welt, unterstützen Wasseringenieur:innen und Gewässerexpert:innen des Zentrums für Wasser- und Umweltforschung der Universität Duisburg-Essen nun mit Lösungsansätzen zum nachhaltigen Gewässermanagement. Das Verbundprojekt MAMDIWAS* wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,3 Millionen Euro gefördert.
Der Bergbau in Südafrika hat erhebliche Auswirkungen auf die Wasserqualität und -verfügbarkeit. Durch den Bergbau werden das Grundwasser und die Oberflächengewässer mit Schwermetallen, Säuren und anderen giftigen Substanzen verschmutzt, der Grundwasserspiegels sinkt und die lokale Wasserversorgung wird beeinträchtigt. Langfristig entstehen in den aquatischen Ökosystemen erhebliche ökologische Schäden.
„Gemeinsam mit lokalen Partnern aus Forschung und Industrie wollen wir die ökologischen und finanziellen Herausforderungen angehen, die durch das unbehandelte, vom Bergbau beeinflusste Wasser (MIW) entstehen“, erklärt Prof. Dr. Stefan Panglisch. „Wir wollen demonstrieren, wie dieses Wasser aufbereitet werden kann, um es beispielsweise als Trinkwasser oder zur Bewässerung weiterzuverwenden.“ Gleichzeitig wird das Potenzial für das Recycling von Rohstoffen erforscht, die sich im Minenwasser befindet, was zusätzliche ökonomische und ökologische Vorteile verspricht.
Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Wiederverwendung von Wasser und Materialien. „Diese Maßnahme soll nicht nur technologische Innovationen anregen, sondern auch das Unternehmertum und die aktive Beteiligung der lokalen Gemeinden fördern und die nachhaltige Entwicklung in der Region unterstützen“, betont Panglisch.
Das Projekt hat außerdem zum Ziel, den ökologischen Zustand der Flüsse nachhaltig zu verbessern, die durch Grubenwasser belastet sind. Hierfür wird ein regionales Konzept für integriertes Wasserressourcen-Management entwickelt, das spezifisch auf die Bedürfnisse der betroffenen Gebiete zugeschnitten ist.
„Unser Ziel ist es, die Transformation von einer bergbaubasierten Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Nachbergbau-Region voranzutreiben. In diesem Kontext ist das Ruhrgebiet ein Paradebeispiel dafür, wie Strukturwandel erfolgreich durch gezielte Maßnahmen zur wirtschaftlichen Diversifizierung und umfangreiche Umweltmaßnahmen gelingen kann. Diese Erfahrungen bieten wertvolle Erkenntnisse für Südafrika, wo ähnliche Herausforderungen bestehen“, sagt Panglisch.
*Das Verbundprojekt MAMDIWAS (Making mining-influenced water a driver for change to improve water security in South Africa) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Die UDE erhält 725.000€. Zu den deutschen Partnern des Verbundprojekts gehören das IWW Zentrum Wasser, das Wuppertal Institut und die SiMA-tec GmbH. Auf südafrikanischer Seite sind die Stellenbosch University und die University of South Africa beteiligt. Darüber hinaus arbeitet der Verbund mit 13 assoziierten Partnern wie der Ruhrkohle AG und dem südafrikanischen Energiekonzern Eskom zusammen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stefan Panglisch, Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik/ Wassertechnik, Tel. 0203 379 3477, stefan.panglisch@uni-due.de
Förderung der Digitalisierung im Bauwesen
Hochschule München und Bayerischer Bauindustrieverband stärken gemeinsam digitale Kompetenzen
Der Bayerische Bauindustrieverband (BBIV) und die Hochschule München (HM) investieren mit ihrer neuen Förderinitiative in die Ausbildung digitaler Kompetenzen und die Forschung im Bereich der digitalen Transformation und Digitalisierung im Bauwesen. Die Initiative fördert den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Lehre und Praxis und vertieft die enge Kooperation zwischen beiden Institutionen.
Investition in die Zukunft des Bauwesens
Ziel der Initiative ist es, die Bedeutung digitaler Technologien wie Building Information Modeling (BIM), Digital Twin und künstliche Intelligenz in der Bauindustrie proaktiv zu fördern. Die finanzielle Unterstützung des BBIV ermöglicht die Anstellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters, der sich sowohl auf die Entwicklung moderner Lehrmodule als auch auf die Durchführung von Forschungsprojekten konzentriert. Diese Module vermitteln den Studierenden digitale Kompetenz und werden sie im Hinblick auf die digitale Transformation noch besser auf zukünftige Aufgaben und Herausforderungen in der Praxis vorbereiten.
Forschung und Wissenstransfer als zentrale Elemente
Die Initiative legt einen starken Fokus auf den intensiven Austausch zwischen dem Verband, seinen Mitgliedsunternehmen und der HM in Forschungsthemen rund um die digitale Transformation im Bauwesen. In den Forschungsprojekten wird neues Wissen generiert, das direkt in die Lehre integriert werden kann und mit dem BBIV sowie seinen Mitgliedsunternehmen geteilt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass das neu erworbene Wissen nicht nur theoretisch vermittelt, sondern auch praktisch überprüft und reflektiert wird. Dieser Prozess fördert den Transfer von akademischem Wissen in die Praxis und ermöglicht eine kontinuierliche Rückkopplung, um die Praxistauglichkeit und den Nutzen der entwickelten Lösungen zu gewährleisten.
Langfristige Vorteile der Investition
„Die Partnerschaft stellt sicher, dass zukünftige Fachkräfte die erforderlichen digitalen Transformationen in der Bauindustrie vorantreiben können. Ein intensiver Wissenstransfer zwischen akademischen Experten und Fachleuten aus der Bauindustrie wird sicherstellen, dass die neuesten technologischen Fortschritte direkt am Bau umgesetzt werden“, bekräftigt Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes.
„Jede Investition in die digitale Bildung ist eine Investition in die Zukunft der Baubranche,“ erklärt Prof. Dr. Cornelius Preidel, Forschungsprofessor für Bauinformatik und digitales Planen an der HM und Vorstandsvorsitzender von buildingSMART Deutschland. „Durch diese Kooperation bereiten wir unsere Studierenden darauf vor, die Produktivität und Effizienz in der Praxis zu steigern und somit Lösungen für zentrale Herausforderungen in der Bauindustrie zu entwickeln.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Cornelius Preidel
E-Mail: cornelius.preidel@hm.edu
Auszeichnung für die Erforschung von Babylauten
Würzburg. Erst vor wenigen Monaten, im März 2024, hat Prof. Dr. Kathleen Wermke ihr erstes Sachbuch über Babygesänge herausgegeben. Auf über 200 Seiten beschreibt sie unterhaltsam und fundiert, wie aus Weinen Sprache wird. Jetzt soll ein Fachbuch zur frühen Sprachentwicklung folgen. Die Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) an der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist von der Carl Friedrich von Siemens Stiftung eingeladen worden, ab Herbst ein Jahr lang am Stiftungssitz in München ungestört und konzentriert an ihrem wissenschaftlichen Werk zu arbeiten. In dieser Zeit ist Kathleen Wermke von ihren universitären Verpflichtungen freigestellt. Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung vergibt das Fellowship-Stipendium jährlich an zwei herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen und Nationalitäten. Einige Ergebnisse dieser Fellowships wurden in der ‚Edition der Carl Friedrich von Siemens Stiftung‘ veröffentlicht, die im C.H. Beck Verlag erscheint.
„Ich freue mich außerordentlich über diese Auszeichnung, weil sie meine bisherige Forschung würdigt und mir die Möglichkeit gibt, meine wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenzufassen und weiterzugeben. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Kathleen Wermke. Die Verhaltensbiologin erforscht seit Jahrzehnten auf fast allen Kontinenten das Weinen, Quieken und Brabbeln von Säuglingen und Kleinkindern. Dabei analysiert sie die unterschiedlichen Melodien, Intervalle und rhythmischen Betonungen der Laute, also Elemente der späteren Prosodie der Umgebungssprachen. Mit ihrem Team hat sie dabei entdeckt, dass sich bereits in den ersten Lebenstagen die Melodiekontur im natürlichen Weinen von Neugeborenen rund um den Globus unterscheidet. Damit könne der Babygesang im ersten Lebensjahr als das entscheidende fehlende Puzzlestück betrachtet werden, um die Evolution vom Tiergesang zur menschlichen Lautsprache besser zu verstehen.
Weltweit erste Vorsprachliche Diagnostik anhand von Säuglingslauten
Bevor Kathleen Wermke 2003 nach Würzburg kam, forschte und lehrte sie viele Jahre am Institut für Medizinische Anthropologie der Charité in Berlin. An die Poliklinik für Kieferorthopädie des UKW kam sie, um gemeinsam mit einem interdisziplinären Ärzteteam das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb aufzubauen. Eine frühzeitige Diagnostik potenzieller Störungen in der Sprech- und Sprachentwicklung ist nicht nur bei Lippen-Kiefer-Gaumenspaltbildungen wichtig, sondern auch bei anderen Erkrankungen wie etwa angeborenen Hörstörungen oder Atemwegsproblemen.
Das Team in der Kieferorthopädie betrat vor 20 Jahren absolutes Neuland. „Um überhaupt einen frühen Hinweis auf eine mögliche Entwicklungsstörung erkennen zu können, mussten wir zunächst erforschen, wie sich aus dem Weinen der Säuglinge über Gurr- und Brabbellaute einfache Silben und erste Wörter bilden und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Das war damals auch für Kinder ohne Risikofaktoren für die frühe Sprachentwicklung nicht bekannt. Wir brauchten Kontrollgruppen“, sagt die 63-Jährige rückblickend. So entstand im Laufe der Jahre ein besonderes Archiv mit Babylauten und die einzigartige, international gefragte Kompetenz, diese frühen Laute geeignet auszuwerten.
Im geplanten Fachbuch wird Kathleen Wermke ihre Theorien zur vorsprachlichen Entwicklung sowohl mit modernen Konzepten zur Sprachevolution als auch mit ihren klinischen Erfahrungen verbinden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Kathleen Wermke wermke_k@ukw.de
Weitere Informationen:
https://www.ukw.de/behandlungszentren/zentrum-fuer-vorsprachliche-entwicklung-un… Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen
https://www.cfvss.de/programm/fellow-programm/ Carl Friedrich von Siemens Fellowship
Verschiebung von Wolken vom Tag zur Nacht verstärkt die globale Erwärmung
In einem wärmer werdenden Klima verändern sich die Wolkenmuster so, dass sie die globale Erwärmung noch verstärken. Eine Forschergruppe um Prof. Dr. Johannes Quaas von der Universität Leipzig sowie Hao Luo und Prof. Yong Han von der Sun-Yat-sen Universität in China hat herausgefunden, dass die Wolkendecke zunehmend asymmetrische Veränderungen zeigt: Sie nimmt tagsüber stärker ab als nachts. Diese Asymmetrie führt dazu, dass die kühlende Wirkung der Wolken tagsüber abnimmt und die wärmende Wirkung nachts zunimmt, was die globale Erwärmung verstärkt. Ihre neuen Erkenntnisse haben die Forschenden gerade in dem renommierten Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.
Wolken: Mehr als nur Wettergeschehen
Tagsüber reflektieren Wolken das Sonnenlicht zurück in den Weltraum und kühlen dadurch die Erdoberfläche. Nachts hingegen wirken sie wie eine Decke, die die Wärme zurückhält. Dadurch bleibt die Erdoberfläche warm. „Aus diesem Grund haben Wolken einen entscheidenden Einfluss auf das Klima auf der Erde“, sagt der Meteorologe Quaas.
In ihrer Untersuchung nutzten die Wissenschaftler:innen Satellitenbeobachtungen sowie Daten aus der sechsten Phase des Coupled Model Intercomparison Project (CMIP6), das umfassende Klimamodelle und Szenarien zur Verfügung stellt. Diese Modelle decken historische Daten von 1970 bis 2014 sowie Projektionen bis zum Jahr 2100 ab.
„Da die Wolkendecke im globalen Maßstab tagsüber stärker abnimmt als nachts, führt das am Tag zu einer Verringerung des kurzwelligen Albedoeffekts und zu einer Verstärkung des langwelligen Treibhauseffekts in der Nacht“, erklärt Hao Luo, der Erstautor der Studie.
Klimamodelle und ihre Bedeutung
Klimamodelle sind unerlässlich, um die komplexen Prozesse und Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems zu verstehen und vorherzusagen. Sie helfen Wissenschaftler:innen, mögliche zukünftige Szenarien zu entwickeln und die Auswirkungen verschiedener Faktoren wie Treibhausgase, Aerosole und Wolken auf das Klima zu analysieren.
Johannes Quaas von der Universität Leipzig betont: „Die Asymmetrie der Änderung der Wolkenbedeckung ist ein wichtiger Faktor, der hier neu entdeckt wurde. Unsere Studie zeigt, dass diese Asymmetrie zu einer positiven Rückkopplung führt, die die globale Erwärmung verstärkt.“ Wolken, so der Forscher, ändern sich demnach durch den Klimawandel. Insgesamt gebe es etwas weniger Wolken, was eine zusätzliche Erwärmung der Erde bedeute.
Die Mechanismen hinter der Asymmetrie
Diese tägliche Asymmetrie der Wolkenbedeckung lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Eine Hauptursache ist die zunehmende Stabilität in der unteren Troposphäre, die durch steigende Treibhausgaskonzentrationen verursacht wird. Diese Stabilität führt dazu, dass sich Wolken tagsüber weniger leicht bilden können, während sie nachts stabil bleiben oder sogar zunehmen.
Yong Han, Co-Autor der Studie, erläutert: „Die Veränderung der Wolkendecke ist nicht gleichmäßig über den Tag verteilt. Tagsüber, wenn die Sonneneinstrahlung am stärksten ist, haben wir eine größere Abnahme der Wolken beobachtet. Nachts, wenn die Erdoberfläche normalerweise abkühlt, hält die Wolkendecke die Wärme zurück und verstärkt dadurch den Treibhauseffekt.“
Ein Blick in die Zukunft
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Reduktion von Treibhausgasen noch dringlicher ist, da die Wolkenbedeckung nicht nur einfach auf die Erwärmung reagiert, sondern diese über den neuen Effekt noch weiter verstärkt“, warnt Johannes Quaas. Weitere Studien sind nach Ansicht der Wissenschaftler:innen notwendig, um Änderungen der Wolkenbedeckung besser zu verstehen. Auch Änderungen beispielsweise von Vegetation und ihrer Biodiversität stehen im Fokus der an der Universität Leipzig laufenden Studien, ebenso wie die Rolle der abnehmenden Luftverschmutzung.
Originaltitel der Veröffentlichung in „Science Advances“:
„Diurnally asymmetric cloud cover trends amplify greenhouse warming“, DOI: 10.1126/sciadv.ado5179
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Johannes Quaas
Institut für Meteorologie / Theoretische Meteorologie
Telefon: +49 341 97-32931
E-Mail: johannes.quaas@uni-leipzig.de
Originalpublikation:
„Diurnally asymmetric cloud cover trends amplify greenhouse warming“, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ado5179
NutriAct-Ernährungsstudie zeigt: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren senken Bauchfett und kardiometabolisches Risiko
Aktuelle Ergebnisse aus dem Kompetenzcluster der Ernährungsforschung „NutriAct“ belegen, dass ein Ernährungsmuster mit hohem Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren das viszerale Fettgewebe unabhängig von einer Gewichtsabnahme reduziert und somit das kardiometabolische Risiko bei älteren Menschen verbessert. Die Erkenntnisse könnten neue Wege zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eröffnen und zu verbesserten Ernährungsempfehlungen für die Bevölkerung ab 50 führen. Die Studie wurde von Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt und im Fachjournal Nutrients veröffentlicht.
Gefährliches Bauchfett
Übergewichtsbedingte metabolische Störungen wie Dyslipidämie und Insulinresistenz sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere bei älteren Personen. Einen entscheidenden Einfluss darauf hat das viszerale Fettgewebe, besser bekannt als Bauchfett. Dabei handelt es sich um Fettzellen, die unter der Muskelschicht im Bauch liegen und die inneren Organe umgeben. Eigentlich dient das viszerale Fettgewebe als Energiereserve bei fehlender Nahrung, doch es hat auch zahlreiche negative Eigenschaften. So kann es unter anderem die Freisetzung von Entzündungs- und anderen Botenstoffen steigern und gefäßschädigende Blutfette begünstigen. Menschen mit zu viel Bauchfett leiden häufig unter Bluthochdruck und haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber und Typ-2-Diabetes. Obwohl eine Gewichtsreduktion als effektives Mittel zur Verringerung des Bauchfetts angesehen wird, ist der langfristige Erfolg oft begrenzt. Bei älteren Menschen, die per se ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben, kann ein Gewichtsverlust hinsichtlich der Muskulatur sogar nachteilig sein. Daher werden in den Leitlinien für ältere Erwachsene ein moderater Kalorienverzicht und eine Aufrechterhaltung der Muskelmasse empfohlen.
Zwei Ernährungsweisen im Vergleich
Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftler*innen vom DIfE und der Charité – Universitätsmedizin Berlin innerhalb des Kompetenzclusters der Ernährungsforschung „NutriAct“ die Auswirkungen eines speziellen Ernährungsmusters auf das viszerale Fettgewebe und das kardiometabolische Risikoprofil untersucht. Für die dreijährige NutriAct-Ernährungsstudie wurden 502 Männer und Frauen im Alter von 50 bis 80 Jahren per Zufallsprinzip einer Interventionsgruppe oder einer Kontrollgruppe zugeordnet. Die Interventionsgruppe folgte dem NutriAct-Ernährungsmuster mit einem hohen Anteil an einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, vorwiegend pflanzlichen Proteinen und Ballaststoffen. Sie erhielten dafür speziell hergestellte Lebensmittel und nahmen innerhalb von 12 Monaten an elf Kleingruppensitzungen einschließlich Ernährungs-, Koch- und Lebensstilberatung teil. Die Kontrollgruppe hingegen ernährte sich entsprechend den Standard-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und erhielt ein Jahr lang drei Ernährungsberatungen sowie einige kostenlose konventionelle Lebensmittel.
MRT-Untersuchung zeigt klare Ergebnisse
Zur Analyse des viszeralen Fettgewebes wurde bei einer Teilgruppe von 300 Proband*innen zu Beginn und nach 12-monatiger Ernährungsintervention eine Untersuchung im Magnetresonanztomographen (MRT) durchgeführt. Diese Messmethode ist gegenüber der üblicherweise genutzten Messung des Taillenumfangs viel präziser und gilt als Goldstandard. Die MRT-Untersuchung zeigte eine signifikante Reduktion des viszeralen Fettgewebes bei der Interventionsgruppe, während es bei der Kontrollgruppe keine Veränderungen gab. „Diese Reduktion wurde maßgeblich durch die erhöhte Aufnahme von mehrfach ungesättigten Fettsäuren vermittelt und ging mit einer Verbesserung des kardiometabolischen Risikomarkers LDL-Cholesterin einher. Die veränderte Aufnahme von einfach ungesättigten Fettsäuren, Proteinen und Ballaststoffen scheint hier nicht der wesentliche Treiber für den Effekt auf das viszerale Fettgewebe gewesen zu sein“, sagt Prof. Knut Mai, Leiter der Abteilung Humanernährung am DIfE. Interessanterweise war dieser Effekt unabhängig vom leichten Gewichtsverlust, der sich in beiden Gruppen zeigte, was die Bedeutung der spezifischen Nährstoffzusammensetzung hervorhebt. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, das Verständnis über die Rolle von bestimmten Nährstoffen und Ernährungsmustern bei der Reduktion des viszeralen Fettgewebes und der Verbesserung des kardiometabolischen Profils zu vertiefen.
Ernährungsempfehlungen für 50 Plus optimieren
„Die Ergebnisse sind besonders relevant für ältere Menschen, die ein erhöhtes Risiko für kardiometabolische Erkrankungen haben“, erklärt Nina Meyer, Erstautorin der Studie. „Die spezifische Ernährungsweise könnte als präventive Maßnahme gegen solche Erkrankungen dienen, ohne dass eine drastische Gewichtsreduktion notwendig und ein Verlust der Muskelmasse zu befürchten ist.“ Die Erkenntnisse der Studie könnten genutzt werden, um Ernährungsempfehlungen für Menschen ab 50 Jahre zu verbessern und die individuelle Ernährungsberatung anzupassen. „Das NutriAct-Ernährungsmuster kann im Vergleich zu anderen Diätformen einfacher in den Alltag integriert werden und dazu beitragen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der breiten Bevölkerung zu senken“, sagt Meyer. In zukünftigen Untersuchungen wollen die Forschenden die zugrunde liegenden Mechanismen dieser Effekte weiter aufklären und den Einfluss des Ernährungsmusters auf andere kardiovaskuläre Systeme, wie zum Beispiel die Herzfunktion, genauer analysieren.
Hintergrundinformationen
Zusammensetzung der Nahrung [tägl. Aufnahme in % der Gesamtenergie] in der NutriAct-Ernährungsstudie
NutriAct-Ernährungsmuster:
Fett: 35-40 %
> gesättigte Fettsäuren: ≤ 10 %
> einfach ungesättigte Fettsäuren: 15-20 %
> mehrfach ungesättigte Fettsäuren: 10-15 %
Eiweiß: 15-25 %
Kohlenhydrate: 35-45 %
Ballaststoffe: ≥ 30 g
Kontrolldiät:
Fett: 30 %
> gesättigte Fettsäuren: ≤ 10 %
> einfach ungesättigte Fettsäuren: ≥ 10 %
> mehrfach ungesättigte Fettsäuren: 7-10 %
Eiweiß: 15 %
Kohlenhydrate: 55 %
Ballaststoffe: ≥ 30 g
Kompetenzcluster der Ernährungsforschung „NutriAct“
Das Verbundprojekt „Nutritional Intervention for Healthy Aging: Food Patterns, Behavior, and Products“ – kurz NutriAct – war eins von vier vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 12 Millionen Euro geförderten Kompetenzclustern der Ernährungsforschung. Zentrales Ziel des 2015 gestarteten Verbundprojekts war es, den Gesundheitsstatus der Fünfzig- bis Siebzigjährigen zu verbessern. Dafür bündelte der Forschungsverbund in Berlin/Brandenburg Ernährungsforschung und -wirtschaft. Der wissenschaftliche Vorstand des DIfE, Prof. Tilman Grune, leitete den Verbund, an dem über 30 Forschungseinrichtungen und Unternehmen beteiligt waren. Der Förderzeitraum von NutriAct endete mit dem 31.03.2022, die Ergebnisse werden jedoch weiterhin ausgewertet und veröffentlicht.
Die NutriAct-Ernährungsstudie war ein bedeutendes Teilprojekt und verfolgte das Ziel, mit dem spezifischen NutriAct-Ernährungsmuster altersbezogene Zivilisationskrankheiten zu vermeiden, die Funktion von Herz und Blutgefäßen sowie die Kognition und den Stoffwechsel zu verbessern, einer Leberverfettung vorzubeugen und die Muskelmasse zu erhalten. Die teilnehmenden 319 Frauen und 183 Männer zwischen 50 und 80 Jahren hielten sich dabei für drei Jahre an die vorgegebene Ernährungsintervention.
Taillenumfang richtig messen
Mithilfe eines Maßbands kann der Taillenumfang selbst gemessen werden, idealerweise vor dem Frühstück. Stellen Sie sich mit dem Gesicht zum Spiegel, die Füße ca. 15 cm auseinander. Der Oberkörper sollte frei sein. Die Messstelle befindet sich in der Mitte zwischen dem untersten Rippenbogen und dem Oberrand des Beckenknochens. Atmen Sie bei der Messung aus (ohne den Bauch einzuziehen).
Der Taillenumfang sollte
> bei Frauen nicht über 88 cm und
> bei Männern nicht über 102 cm liegen.
Bei größeren Werten liegt eine bauchbetonte Adipositas vor und das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzkrankheiten, Schlaganfälle und Typ-2-Diabetes ist deutlich erhöht. Personen, die einen größeren Taillenumfang und einen BMI über 25 kg/m2 haben, sollten ihre Hausärztin bzw. ihren Hausarzt für einen weiteren Risikocheck aufsuchen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Knut Mai
Leiter der Abteilung Humanernährung am DIfE und Komm. Klinikdirektor an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin
E-Mail: knut.mai@dife.de / knut.mai@charite.de
Nina Meyer
Medizinische Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité ─ Universitätsmedizin Berlin
E-Mail: nina.meyer@charite.de
Originalpublikation:
Meyer, N. M. T., Pohrt, A., Wernicke, C., Pletsch-Borba, L., Apostolopoulou, K., Haberbosch, L., Machann, J., Pfeiffer, A. F. H., Spranger, J., Mai, K.: Improvement in Visceral Adipose Tissue and LDL Cholesterol by High PUFA Intake: 1-Year Results of the NutriAct Trial. Nutrients 16(7):1057 (2024). [Open Access]
[https://doi.org/10.3390/nu16071057]
Biodiversität in Gewässern erforschen und schützen
Eine neue Versuchsanlage am Limnologischen Institut der Universität Konstanz ermöglicht es, die Entwicklung der Artenvielfalt in Gewässern wie dem Bodensee zu untersuchen. Möglich wurde sie durch die Förderung der Gips-Schüle-Stiftung.
Wie verändert sich die Biodiversität in Gewässern wie dem Bodensee? Welche Faktoren nehmen Einfluss darauf? Und was kann man künftig ändern, um dem Artenschwund Einhalt zu gebieten? Das Forschungsvorhaben Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) am Limnologischen Institut der Universität Konstanz will diese Fragen beantworten. Die dazu neu installierte Versuchsanlage macht es Wissenschaftler*innen der Universität Konstanz möglich, die Biodiversität unter verschiedenen Bedingungen zu verfolgen; und das über lange Zeiträume.
Seit den 1970er Jahren hat die durchschnittliche Anzahl der Individuen pro Art im Süßwasser in Flüssen und Seen um 83% abgenommen. „Dieser sehr beunruhigende Rückgang der Biodiversität ist allerdings nur wenig verstanden und wir wissen so gut wie gar nichts über die Vielfalt innerhalb von Arten, die eine wichtige Rolle bei der Reaktion von Ökosystemen auf Störungen spielt“, sagt Lutz Becks, Professor für Aquatische Ökologie und Evolution an der Universität Konstanz. „Biodiversitätsforschung ist daher so wichtig und dringlich, nicht nur um zu verstehen, wie es zu diesen Veränderungen kommt bzw. gekommen ist, sondern auch um vorhersagen zu können, was künftig anders gemacht werden muss.“ Letztlich geht es darum, dass die Biodiversität nach dem Rückgang wieder zunehmen kann, und dass wir mit den gewonnenen Erkenntnissen entsprechende Maßnahmen einleiten, die diese fördern.
Versuchsanlage schafft ideale Voraussetzungen für die Forschungsexperimente
Die 600-Liter-Tanks der Anlage, auch Mesokosmen genannt, sind groß genug, um die Diversität in ihrer Komplexität gut abbilden zu können. Sie werden mit planktonhaltigem Bodenseewasser befüllt. Indem die Wassertanks Experimente mit echtem Seewasser ermöglichen, dies aber in einem abgetrennten Bereich, sind sie vergleichbar mit einem in sich geschlossenen Miniatur-Biotop. In diesem kontrollierten Umfeld können die Wissenschaftler*innen Umwelteinflüsse simulieren und dabei ganz spezifische Aspekte der Artenentwicklung unter die Lupe nehmen. Mesokosmen schaffen dadurch eine wichtige Brücke zwischen Labor- und Freilandforschung. „Großartig an dieser Anlage ist, dass wir nicht nur einzelne Arten erfassen, sondern auch die Vielfalt innerhalb der einzelnen Arten und ihre Interaktionen untereinander beobachten können“, so Becks. „Und wir können Bedingungen verändern, also manipulieren. Dies ermöglicht es uns beispielsweise, Stressfaktoren wie die Temperatur zu ändern und zu messen, welchen Einfluss dies auf die Planktongemeinschaften hat.“
Ein entscheidendes Merkmal der Anlage wird die automatisierte Bilderfassung zur Bestimmung der Lebensgemeinschaften sein. „Wir freuen uns sehr, dieses zukunftsträchtige Forschungsvorhaben zu unterstützen, das ökologische Forschung mit moderner KI-Technologie verbindet,“ sagt Stefan Hofmann, Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung.
Die Pilotanlage soll bis zum Herbst 2024 intensiv getestet werden, bevor mit dem Bau weiterer Tanks fortgefahren wird. Die komplette Anlage wird 34 Tanks umfassen. Auch Studierenden soll die Anlage neue Möglichkeiten eröffnen. „Wir planen unter anderem, die Anlage in Praktika im Bachelor- und Masterstudiengang einzusetzen. So können wir die nächste Generation von Wissenschaftler*innen an modernste Methoden und grundlegende Fragestellungen heranführen. Gleichzeitig können wir mit Hilfe der Studierenden entsprechend große Datenmengen generieren und bearbeiten“, meint Becks.
Zur Gips-Schüle-Stiftung
Die Gips-Schüle-Stiftung fördert vielseitige Projekte in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Nachwuchs und Lehre. Neben dem Forschungsvorhaben Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) fördert sie die Gips-Schüle-Forschungsgruppe Communication and Collective Movement an der Universität Konstanz Außerdem gehört sie seit 2019 zum Fördererkreis des Deutschlandstipendiums an der Universität Konstanz. Der Chemiker Manuel Häußler erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Nachwuchspreis der Gips-Schüle-Stiftung in der Kategorie Technikwissenschaften.
Faktenübersicht:
- Das Forschungsprojekt Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) untersucht, unter welchen Bedingungen sich Biodiversität verändert. Mittels spezieller Mikroskop-Anlagen und unter Einsatz von KI sollen unterschiedliche Planktongemeinschaften identifiziert, beobachtet und deren Entwicklung unter verschiedenen, simulierten Umwelteinflüssen ausgewertet werden.
- Die Pilotanlage mit vier Tanks wurde Ende April 2024 im Limnologischen Institut aufgebaut und in Betrieb genommen.
- Das Projekt wird seit 2023 durch die Gips-Schüle-Stiftung gefördert. Die für 2024 neu bewilligte Fördersumme beläuft sich auf 230.000 Euro.
1,9 Mio. Euro für Verbundprojekt: Biodiversität im Wasser als Indikator für die Gesundheit der Menschen
Im Abwasser einer Großstadt finden sich verschiedenste Bakterien, Viren, Pilze und andere mikroskopisch kleine Lebewesen. Wie sich die Vielfalt dieses sogenannten aquatischen Mikrobioms verändert und was sich daraus über die Gesundheit der Stadtbevölkerung ableiten lässt, erforscht ein neues Monitoring-Verbundprojekt unter Leitung von Forschenden der Universität Hamburg.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Biologie werden dafür entlang der Abwasserströme der Hansestadt Hamburg Proben nehmen und die mikrobiotische Artenvielfalt untersuchen. Die Zusammensetzung wird dabei vor allem durch den Menschen bestimmt, etwa durch die vermehrt eingesetzten Antibiotika, die andere Bakterien im Wasser zerstören oder zu Resistenzen führen. Zudem gelangen immer mehr Giftstoffe, Weichmacher und Mikroplastik in den Wasserkreislauf und verändern die Biodiversität. Der Klimawandel verstärkt diese Entwicklungen.
Die Mitarbeitenden des Forschungsverbundes „Molekulares Monitoring der bakteriellen Biodiversität im Wasserkreislauf (MOMOBIO)“ möchten nun herausfinden, welche Kleinstlebewesen an welchen Stellen in Hamburg im Wasser zu finden sind. Dafür nutzen sie bioinformatorische Analysemethoden und führen beispielsweise molekulargenetische Untersuchungen durch, um einen umfassenden Datensatz für die Bestimmung der Artenvielfalt zu erstellen. Kombiniert mit Modellierungsansätzen aus der Ökologie wollen sie das Monitoring als indirektes Maß für die Gesundheit von Mensch und Tier nutzbar machen.
„Nicht erst in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass das menschliche Abwasser ein sehr guter Indikator ist, um etwa die Verbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung vorherzusagen. Wir möchten im Rahmen des Projekts ein Instrument für Hamburg entwickeln, das aus der Analyse des aquatischen Mikrobioms zuverlässige Aussagen zu Gesundheitsfragen ermöglicht“, erklärt Verbundkoordinator Prof. Dr. Wolfgang Streit, Leiter der Abteilung Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität Hamburg. Ziel sei ein multidisziplinäres Langzeitmonitoring mikrobieller Biodiversitätsveränderungen.
Dafür arbeiten im Rahmen von MOMOBIO Arbeitsgruppen der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sowie „Hamburg Wasser“, das Institut für Hygiene und Umwelt als Aufsichtsbehörde der Stadt Hamburg und die Nichtregierungsorganisation „Life Science Nord“ zusammen. Nach einer einjährigen Konzeptionsphase erhält MOMOBIO in der Förderlinie „BiodivGesundheit – Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nun für die kommenden drei Jahre 1,9 Millionen Euro, um das Vorhaben umzusetzen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Streit
Universität Hamburg
Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften
Fachbereich Biologie
Tel.: +49 40 42816-463
E-Mail: wolfgang.streit@uni-hamburg.de
Weitere Informationen:
https://www.fona.de/de/massnahmen/foerdermassnahmen/biodivgesundheit.php Förderlinie „BiodivGesundheit – Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit“
Biologischer Abbau von Mikroplastik durch „PlasticWorms“
An der Fakultät Bioingenieurwissenschaften der Hochschule Weihenstphan-Triesdorf (HSWT) wird ein innovatives biologisches Verfahren entwickelt, bei dem Würmer und Mikroorganismen Mikroplastik in Kläranlagen abbauen können.
Mikroplastik ist in aller Munde und oft so klein, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. Es entsteht an vielen Stellen des täglichen Lebens und verursacht große Probleme für Mensch und Umwelt. Da Mikroplastik auch im Abwasser vorkommt und nach heutigem Stand der Technik in Kläranlagen noch nicht vollständig entfernt werden kann, sind neue Lösungsansätze gefragt. Abhilfe könnte das Forschungsprojekt PlasticWorms https://www.hswt.de/forschung/projekt/1841-plastic-worms der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) schaffen.
Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart https://www.hswt.de/sabine-gruener-lempart, Inhaberin der HTA-Forschungsprofessur https://www.hightechagenda.de/ „Sustainable Bioengineering“ an der Fakultät Bioingenieurwissenschaften, ist es zusammen mit ihrem Team gelungen, durch den Einsatz von Würmern und Mikroorganismen in einem biologischen Verfahren Mikroplastik abzubauen Die entwickelte Technologie soll nun in einer Kläranlage in der Praxis erprobt und optimiert werden, um sich als ideale Ergänzung zu den bisherigen drei Reinigungsstufen in Kläranlagen zu etablieren.
Würmer und Mikroorganismen – ein starkes Team gegen Mikroplastik
Der Abbau von Mikroplastik erfolgt in einem Biorieselbettreaktor, der natürliche Lavasteine aus der Vulkaneifel enthält. Deren poröse Oberfläche bietet einen optimalen Lebensraum für Mikroorganismen und Würmer. Bakterien und Pilze bilden dort einen Biofilm, der als Grundlage für den Abbau des Mikroplastiks dient. Zusätzlich werden Würmer wie Egel oder Fadenwürmer eingesetzt, die in Symbiose mit den Mikroorganismen leben. Die Würmer übernehmen die Vorzerkleinerung der Kunststoffpartikel, während die Mikroorganismen den Kunststoff in seine molekularen Bestandteile zerlegen. Das Ergebnis: schadstofffreie Biomasse und mikroplastikfreies Wasser für Mensch und Umwelt.
Im Labormaßstab konnte bereits gezeigt werden, dass der biologische Abbau von Mikroplastik funktioniert. Der Kooperationspartner ZWT Wasser- und Abwassertechnik GmbH aus Bayreuth https://www.zwt.de/ konstruiert aktuell eine Pilotanlage im industriellen Maßstab von fünf Kubikmetern. Diese wird voraussichtlich ab Juli 2024 in der Kläranlage Petershausen (Landkreis Dachau) https://petershausen.de/rathaus/eigenbetrieb-wasser-abwasser/abwasser/ eingesetzt. Die innovative Technologie basiert ausschließlich auf natürlichen Materialien, Prozessen und Lebewesen und hat damit das Potenzial, sich als nachhaltiges Standardverfahren in Kläranlagen zu etablieren und langfristig Mensch und Umwelt durch mikroplastikfreies Wasser zu schützen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) https://www.zim.de/ZIM/Navigation/DE/Home/home.html gefördert.
Wissenstransfer für die Bevölkerung
Um die Bürgerinnen und Bürger über das Forschungsprojekt und die Pilotanlage zu informieren, wird eine Informationstafel https://www.hswt.de/fileadmin/Redaktion/News_und_Veranstaltungen/ZFW/2024/Infota… vor Ort in Petershausen aufgestellt. In Kooperation mit der youknow GmbH https://you-know.de/ aus München ist zudem ein aussagekräftiges Video zum Projekt PlasticWorms entstanden (siehe unten).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Fakultät Bioingenieurwissenschaften
HTA-Forschungsprofessur „Sustainable Bioengineering“
Am Hofgarten 10, 85354 Freising
E-Mail: sabine.gruener-lempart@hswt.de
Telefon: +49 8161 71-3842
Weitere Informationen:
Video zum Projekt „PlasticWorms“
https://www.hswt.de/forschung/projekt/1841-plastic-worms HSWT-Projektseite von „PlasticWorms“
Lokale Sturzflut-Gefahr vorhersagen
– Forschende der Universität Freiburg entwickeln Index um die Gefahr von Sturzfluten einzuordnen, der lokale Gegebenheiten berücksichtigt
– In die Vorhersage fließen neben Niederschlagsdaten hydrologische und hydraulische Modelle ein
– „Mit Hilfe der Vorhersagen können Alarm- und Einsatzpläne verbessert werden“, sagt Prof. Dr. Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Universität Freiburg
Aktuell sind große Teile Baden-Württembergs und Bayerns von Starkregen, Hochwasser und deren Folgen betroffen. Neben Flusshochwassern bergen Sturzfluten in solchen Situationen eine große Gefahr. Diese sind schwer vorherzusagen, da bei ihrem Auftreten neben dem Niederschlag viele weitere Faktoren entscheidend sind. Ein Team unter der Leitung von Wissenschaftler*innen der Universität Freiburg hat nun einen Index entwickelt, der die jeweils erwartete lokale Gefahr von Sturzfluten angibt. Prof. Dr. Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Universität Freiburg, koordiniert das Projekt.
In den sogenannten Sturzflutindex (SFI) fließen neben dem Niederschlag Eigenschaften des jeweiligen Gebiets mit ein. Relevant ist etwa, wie viel Wasser die lokalen Böden aufnehmen können: Handelt es sich um versiegelte Flächen? Ist der Boden bereits feucht oder gesättigt? In welchem Maße ist er mit Pflanzen bedeckt? Eine weitere Frage ist, wie das Wasser abfließt: Ist die Gegend flach oder hügelig? Treffen mehrere spontan gebildete Flüsse an einer Stelle aufeinander? Auf Basis von Bodenkarten und Daten etwa zu Landnutzung und Versiegelung berechnen die Forschenden diese lokalen Gegebenheiten mit Hilfe von hydrologischen und hydraulischen Computermodellen.
Risiko-Klassen geben an, wie gefährlich erwartete Sturzfluten werden
Besonders gefährlich sind Sturzfluten dann, wenn das Wasser mit hoher Geschwindigkeit fließt, der Wasserstand hoch ist, oder bei einer Kombination aus beiden Faktoren. In solchen Fällen könnten Fußgängerinnen oder Fahrzeuge Halt verlieren und weggeschwemmt werden. Um die Gefahr in einem bestimmten Gebiet abzuschätzen, haben die Wissenschaftlerinnen vier Risiko-Klassen definiert: Keine bis geringe Gefahr, mäßige Gefahr, erhebliche bis große Gefahr oder sehr große Gefahr. Bei dieser Einordnung beziehen die Wissenschaftler*innen historische Erfahrungswerte mit ein. In welche Klasse ein Gebiet fällt, hängt davon ab, welcher Anteil der lokalen Flächen laut Modell von gefährlichen Sturzfluten betroffen sein wird.
Bewohner*innen rechtzeitig warnen und langfristig vorsorgen
Um den SFI zu testen, bestimmten die Forschenden Gefahren bei früheren Hochwassern anhand historischer Daten. Tatsächlich sagte der Index die jeweils betrachteten Sturzfluten korrekt vorher. „Der SFI bietet einen deutlichen Mehrwert gegenüber bloßen Starkregenwarnungen“, sagt Weiler. „Mit Hilfe der Vorhersagen können Bewohner*innen betroffener Gebiete in Zukunft hoffentlich rechtzeitig gewarnt werden, Alarm- und Einsatzpläne objektiviert und verbessert werden. Langfristig hilft der Index, vorzusorgen und die lokalen Gefahren durch Sturzfluten zu verringern. Um seinen Einsatz voranzutreiben, sind wir bereits mit mehreren Landesämtern im engen Kontakt.“
Der SFI wurde im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts AVOSS (Auswirkungsbasierte Vorhersage von Starkregen und Sturzfluten auf verschiedenen Skalen: Potentiale, Unsicherheiten und Grenzen) entwickelt. An der Forschung beteiligt sind Wissenschaftlerinnen mehrere Universitäten und Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland, die mit Meteorologinnen und Ingenieurbüros zusammenarbeiten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Weiler
Professur für Hydrologie
Tel.: 0761 / 203-3535
E-Mail: markus.weiler@hydrology.uni-freiburg.de
Weitere Informationen:
https://freidok.uni-freiburg.de/data/246016
https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/neues-forschungsprojekt-warnsystem…
https://www.avoss.uni-freiburg.de/
HydroSKIN: Smarte Gebäudefassade der Universität Stuttgart für den „Blauen Kompass“ des Umweltbundesamts nominiert
Straßen wurden zu Flüssen, Keller überflutet: In den vergangenen Wochen haben massive Regenfälle und Überschwemmungen in Deutschland verheerende Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Eine Erfindung der Universität Stuttgart könnte solche Verwüstungen künftig verhindern: HydroSKIN, eine revolutionäre Fassadentechnologie des Sonderforschungsbereichs „Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von Morgen“ macht unsere Gebäude und Städte weltweit wetterfest gegen Starkregen und Hitze.
Gebäude in „Funktionskleidung“
Die leichten Fassadenelemente aus mehreren Textillagen und Membranen nehmen Regenwasser auf. Das entlastet die Kanalisation und beugt Hochwasser vor. An heißen Tagen wird die Textilfassade mit Wasser befeuchtet und kühlt damit durch Verdunstung Gebäude und Stadtraum nachhaltig ohne Klimaanlage. Die Fassadenelemente können aufgrund ihres geringen Gewichtes mit Leichtigkeit an Neubauten sowie bestehenden Gebäuden angebracht werden – und das in vielfältigen Designs. Zudem können die Textilien zu 100 Prozent rezykliert und sogar aus PET-Flaschenabfällen hergestellt werden.
Regenwasser aufnehmen und intelligent nutzen
Seit 2022 untersuchen Forschende der Universität Stuttgart, wie sich die Fassade bei Starkregen und extremer Hitze verhält. „Es zeigte sich, dass die HydroSKIN-Fassade mehr als das Doppelte an Regenwasser aufnehmen kann im Vergleich zu einer gleich großen Dachfläche desselben Gebäudes“, erklärt Christina Eisenbarth, die HydroSKIN im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren erfunden und entwickelt hat. „Dies trägt dazu bei, den sogenannten Oberflächenabfluss, sprich Regenwasser, welches durch asphaltierte und betonierte Flächen direkt in die Kanalisation geführt werden muss und bei Überschreiten der Aufnahmekapazität für Überschwemmungen sorgt, um ganze 54 Prozent zu reduzieren. Und das, wenn nur ein Viertel einer Gebäudefassade mit HydroSKIN ausgestattet ist.“
Das scheinbar „überschüssige Nass“ wird von der Fassade ins Gebäudeinnere geleitet und kann dort etwa für die Waschmaschine, für den, die Toilettenspülung und Pflanzenbewässerung genutzt werden. In einem Wohngebäude könnte so bis zu 46 Prozent Frischwasser gespart werden. „HydroSKIN ist damit mehr als nur eine Fassade – es ist ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz und zur Ressourcenschonung in unseren Städten“, sagt Prof. Lucio Blandini, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren und stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1244.
Natürliche Kühlung für Gebäude und Städte
An heißen Tagen wirkt die HydroSKIN-Fassade wie ein feuchter Wadenwickel bei Fieber: Durch den natürlichen Verdunstungsprozess kühlt HydroSKIN Gebäude und den Stadtraum. Während gewöhnliche Gebäudeoberflächen unter der sengenden Sommersonne Temperaturen von über 90 °C erreichen können, senkt HydroSKIN die Oberflächentemperatur auf bis zu 17 °C herunter. Ein einziger Quadratmeter dieser Fassade kann die Aufheizung von 1,8 Quadratmetern Beton oder 1,4 Quadratmetern Asphalt vollständig ausgleichen. „Stellen Sie sich vor, wir könnten dieses System weit verbreiten, so würden die rot leuchtenden, heißen Punkte unserer Städte auf einer Wärmebildkarte plötzlich wieder blau-grün und kühl werden, ohne dass wir dabei kostbare städtische Bauflächen verlieren“, erklärt Eisenbarth. Die Kühlleistung der Fassade ist beeindruckend: 5,7 Quadratmeter HydroSKIN kühlen so stark wie eine Klimaanlage – damit können auch Energiekosten eingespart werden.
HydroSKIN soll zur Baupraxis der Zukunft gehören
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese vielversprechende Technologie schnellstmöglich in die Baupraxis zu überführen, um unsere gebaute Umwelt für künftige Starkregenereignisse besser zu wappnen“, so Eisenbarth. „HydroSKIN ist seit über einem Jahr ein Start-Up in der Technologie-Transfer-Initiative GmbH der Universität Stuttgart und wir sind hochmotiviert, nun erste Projekte umzusetzen.“
„Am Demonstratorhochhaus D1244 werden in diesem Jahr zwei Etagen mit der HydroSKIN-Fassade gebaut werden, um die Nachrüstbarkeit von konventionellen Fassaden mit den leichten HydroSKIN-Fassadenelementen und das dabei entstehende architektonische Potenzial zu zeigen“, erläutert Dr. Walter Haase, der das Projekt als Ingenieur der Luft- und Raumfahrt mitbegleitet hat und Geschäftsführer des SFB 1244 der Universität Stuttgart ist.
Parallel soll weiter an der Technologie geforscht werden. „In unserem Sonderforschungsbereich möchten wir in Zukunft die globale Anwendbarkeit der HydroSKIN-Technologie in verschiedenen Klimazonen und im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Bestandsgebäuden umfangreich untersuchen“, sagt Prof. Oliver Sawodny, Leiter des Instituts für Systemdynamik und Sprecher des Sonderforschungsbereiches 1244.
Sie möchten das Forschungsteam von HydroSKIN unterstützen? Dann geben Sie bis 18. Juni Ihre Stimme ab. Das Projekt ist unter den 20 Finalisten beim Bundeswettbewerb „Blauer Kompass“ des Umweltbundesamts. Für „HydroSKIN – Gebäudefassadenelemente gegen Hochwasser und Hitze“ können Sie online kostenfrei und unverbindlich abstimmen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Fachlicher Kontakt: Christina Eisenbarth, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart E-Mail: christina.eisenbarth@ilek.uni-stuttgart.de Tel.: +49 152 3466 2964
https://www.ilek.uni-stuttgart.de
Weitere Informationen:
https://www.hydro-skin.com/
https://www.sfb1244.uni-stuttgart.de/projekte/c-integrative-bauelemente/c01-adap…
https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/meldungen/Hochwasserschutz-b…
https://www.sfb1244.uni-stuttgart.de/
Ergänzung vom 12.06.2024
Wenn Sie das Forschungsprojekt „HydroSKIN – Gebäudefassadenelemente gegen Hochwasser und Hitze“ beim Bundeswettbewerb „Blauer Kompass“ des Umweltbundesamts unterstützen wollen, geben Sie Ihre Stimme bis 18. Juni ab unter:
https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/werkze…
Zwei Fliegen mit einer Klappe: Grundwasserreinigung und Wärmespeicherung
Thermische Energie in Grundwasserleitern zu nutzen, kann einen wichtigen Beitrag zum CO2-freien Wärmemanagement leisten. Vor allem oberflächennahe Grundwasserleiter in Städten und Industriearealen sind häufig mit Schadstoffen verunreinigt. Damit können sie nicht ohne weiteres als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Forschende des UFZ, der Universität Kiel und der Firma Eneotech haben nun am UFZ-Standort in Leipzig eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Sie soll als Wärmetauscher dienen, zugleich Schadstoffe aus dem Grundwasser entfernen – und könnte Blaupause sein für eine CO2-arme, energetische Bewirtschaftung kontaminierter Grundwasserleiter generell.
Grundwasserleiter, so genannte Aquifere, sind wichtig, weil sie vielerorts Trink- oder Brauchwasser liefern. Sie können aber noch eine andere wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Darauf setzen UFZ-Forschende in Leipzig: Sie nutzen einen bis zu 5 Meter mächtigen Grundwasserleiter, in dem unter dem UFZ-Gelände in rund 12 Meter Tiefe das Grundwasser mit einer konstanten Temperatur von 14 Grad Celsius und einer Geschwindigkeit von ca. einem Meter pro Tag durch den sandigen Kies strömt. „Wenn man dem Grundwasserleiter im Sommer das Wasser entnimmt, und ihm über Wärmetauscher die Kälte entzieht, kann man damit Gebäude kühlen und das erwärmte Wasser zurück in den Untergrund pumpen. Fördert man nun das eingespeiste erwärmte Wasser im Winter aus dem Grundwasserleiter, lässt sich die gewonnene Wärme zum Heizen von Gebäuden nutzen“, erklärt Prof. Holger Weiß, der das Forschungsprojekt KONATES koordiniert. Das Besondere an dem Vorhaben: Die Forschenden wollen mit einer sogenannten ATES (Aquifer Thermal Energy Storage)-Anlage nicht nur Wärme und Kälte für einen künftigen CO2-freien Wissenschaftspark erzeugen, sondern auch das mit chlorierten Kohlenwasserstoffen belastete Grundwasser reinigen, eine Altlast, wie sie an vielen Stadt- und Industriestandorten zu finden ist.
Im Wissenschaftspark Leipzig hat das Team um den Geologen Holger Weiß deswegen eine Pilotanlage errichtet. Darin wird das Grundwasser aus dem Aquifer über einen Brunnen nach oben gepumpt und in zwei Container geleitet. Dort wird das Wasser erwärmt und in aufeinanderfolgenden Zyklen zurück in den Untergrund gepumpt. „Unsere Modellierungen mit der UFZ open source Modellierungsplattform OpenGeoSys haben ergeben, dass bei den konkreten hydraulischen Randbedingungen sogar für den flachen Aquifer eine Wärmerückgewinnung von 25 Prozent möglich ist. Ein höherer Wirkungsgrad ist in der Erprobungsphase (proof-of-concept) und auf dieser Maßstabsebene auch erst mal nicht beabsichtigt“, sagt Holger Weiß. Zum anderen wird in Feldexperimenten untersucht, welche Mikroorganismen bei unterschiedlichen Temperaturen im Grundwasser vorkommen und ob diese die Schadstoffe im Grundwasser abbauen. „Aus früheren Untersuchungen an einem ähnlichen Grundwasserleiter bei Wittstock, dem Testfeld der Uni Kiel (TestUM), wissen wir zum Beispiel, dass sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft zwischen 45 und 60 Grad Celsius Wassertemperatur drastisch ändert“, berichtet der UFZ-Forscher. Unklar ist aber, ob die Mikroorganismen, die bei diesen hohen Temperaturen überleben, genau jene chlorierten Kohlenwasserstoffe abbauen, die den Aquifer im Untergrund des UFZ-Areals belasten. Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass dort vor allem Mikroorganismen der Gattung Dehalococcoides weit verbreitet sind, die chlorhaltige Verbindungen abbauen können. Die Forschenden erwärmen deswegen das entnommene Wasser auf bis zu 80 Grad Celsius und ermitteln dann, bei welcher Temperatur die Bakterien am effizientesten Schadstoffe abbauen.
Untersuchen wird das Forschungsteam auch, welche biogeochemischen Auswirkungen der mikrobielle Abbau auf die technische Ausrüstung hat. So können die Mikroorganismen bei erhöhten Temperaturen Biofilme bilden, die die kleinen Filterschlitze in den Brunnen verstopfen. Zudem kann es zur Korrosion an Anlagenteilen und zu Problemen bei der Behandlung des in Leipzig sehr harten Grundwassers kommen, wenn dort insbesondere Kalk, aber auch Eisen durch die Erwärmung ausfällt. Außerdem werden die Forschenden neue Reinigungsmethoden erproben. Stand der Technik ist bislang, dass die chlorierten Kohlenwasserstoffe über Aktivkohle absorbiert werden – mit dem Nachteil, dass diese hinterher aufwendig regeneriert oder entsorgt werden muss. Als nachhaltigere Alternative sollen in der Anlage neue, am UFZ entwickelte Zeolith-Adsorber getestet werden. „Diese Filtermaterialien können vor Ort regeneriert und dann wieder eingesetzt werden“, sagt Holger Weiß.
Aus den beiden Containern wird das entnommene und behandelte Grundwasser anschließend über einen zweiten Brunnen zurück in den Aquifer gepumpt. Dort kühlt es sich auf dem weiteren Weg zur UFZ-Grundstückgrenze ab. In einem dritten, abstromig gelegenen Brunnen wird überwacht, dass das Grundwasser beim Verlassen des Geländes den vorgegebenen Temperaturgrenzwert von 16 Grad Celsius nicht überschreitet. Insgesamt zwölf auf der Anlage verteilte Messstellen geben zudem Auskunft, wie sich im Grundwasserleiter die Temperaturen und die Schadstoffbelastung entwickeln und welche Bakterienstämme bei welchen Temperaturen die Schadstoffe abbauen.
Bis Mitte 2025 haben die Forschenden im Projekt KONATES nun Zeit für die Experimente – Zeit, die sie brauchen, um die Leistungsgrenzen der ATES-Pilotanlage zu ermitteln. Anschließend erstellen sie einen Leitfaden mit Empfehlungen, wie sich die saisonale Wärmespeicherung mit Sanierungsmaßnahmen des Grundwassers ideal kombinieren lässt. „Ziel ist, CO2-arme energetische Bewirtschaftungssysteme zunächst für den Wissenschaftspark Leipzig zu entwickeln“, sagt Holger Weiß. Für die Methodik sieht er bundesweit ein großes Potenzial. „In vielen industriellen und urbanen Gegenden finden sich chemische Altlasten wie etwa chlorierte Kohlenwasserstoffe. Da bei der geothermischen Nutzung kontaminierter Grundwässer diese zu reinigen sind, könnte man mit diesem klimaneutralen Verfahren der Wärmebewirtschaftung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
Das Projekt KONATES (KONtaminiertATES) hat eine Laufzeit bis 07/2025. Es wird über das BMBF-Fachprogramm Geoforschung für Nachhaltigkeit (GEO:N) im BMBF-Themenschwerpunkt „Möglichkeiten und Grenzen thermischer Energiespeicherung in Aquiferen“ gefördert. Projektpartner sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Institut für Geowissenschaften, Kompetenzzentrum Geo-Energie (KGE)) und die Firma eneotech Umwelt GmbH.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Holger Weiß
Department Umweltinformatik
holger.weiss@ufz.de
Weitere Informationen:
https://www.ufz.de/index.php?en=49504
https://www.fona.de/de/themen/geoforschung-fuer-nachhaltigkeit.php
Thromboserisiko durch Zuckerersatzstoff Erythrit? Charité-Forscher für Studie ausgezeichnet
Studie zeigt: Süßstoff Erythrit erhöht womöglich Thrombose- und Infarktgefahr und kann somit besonders für Risikogruppen gefährlich werden. Herzstiftung zeichnet Forscher des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) mit Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung aus
Der häufig verwendete Süßstoff „Erythrit“ gilt als natürliche und gut verträgliche Alternative für Zucker. Zugleich steht der Zuckerersatzstoff unter Verdacht, die Gefahr für Thrombosen und Infarkte zu erhöhen. Was bedeutet das für die Verbraucher? Zuckerersatzstoffe werden zum Beispiel in großen Mengen von der Nahrungsmittelindustrie in hochverarbeiteten Lebensmitteln (sogenannte „Processed foods“) verwendet, um deren Zucker- und Kaloriengehalt zu reduzieren. Mediziner sehen besonders kritisch, dass von Herstellerseite vor allem vulnerablen Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, Adipositas) die Einnahme von Süßstoffen als zucker- und kalorienreduzierte Option empfohlen wird. Denn diese Personen weisen aufgrund ihrer Vorerkrankungen bereits ein erhöhtes Thromboserisiko auf.
Ein internationales Forscherteam hat nun anhand von Blutproben bei mehr als 4.000 Probanden aufzeigen können, dass erhöhte Blutkonzentrationen des Zuckeralkohols Erythritol (daher der Name „Erythrit“) mit thromboembolischen Komplikationen in Verbindung stehen. Beteiligt an der Studie ist Dr. med. Marco Witkowski, Facharzt für Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC), Campus Benjamin Franklin. Ihre Studienergebnisse haben Witkowski und seine Forscherkollegen hochkarätig im Journal „Nature Medicine“ (1) publiziert. Für seine Forschung im Rahmen der Studie wurde Dr. Witkowski von der Deutschen Herzstiftung mit dem Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10000 Euro dotiert. „Ein Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Herz- und Gefäßereignissen war zwar aufgrund von epidemiologischen Studien vermutet, jedoch bis dahin nur unzureichend untersucht worden“, erklärt der Arzt und Wissenschaftler Dr. Witkowski zur Studie.
„Die prämierte Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag für mehr Sicherheit von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem erhöhten Infarktrisiko. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass besonders für vulnerable Personen hochverarbeitete Lebensmittel, die den Zuckersatzstoff Erythrit enthalten, Gesundheitsrisiken bergen können“, betont der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Diskussion über Sicherheit von Zuckerersatzstoffen
Die Deutsche Herzstiftung vergibt alljährlich den Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung gemeinsam mit dem DGK-Zentrum für kardiologische Versorgungsforschung (DGK-ZfkVF). Ausgezeichnet wird eine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Versorgungsforschung von Herz- und Kreislauf-Erkrankungen. Die Arbeit von Dr. Witkowski und Kollegen hatte nach ihrer Erstveröffentlichung 2023 eine große öffentliche Diskussion über die Sicherheit von Zuckerersatzstoffen ausgelöst.
Erythrit wird aus Mais gewonnen und gerne als Zuckeraustauschstoff genutzt, da die Substanz nahezu frei von Kalorien ist und den Blutzucker- und Insulinspiegel nicht beeinflusst – wodurch das Süßungsmittel auch für Menschen mit Diabetes mellitus attraktiv ist. In natürlicher Form kommt Erythritol in verschiedenen Lebensmitteln vor wie Pilzen oder Pistazien.
Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen fehlen
Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Substanz zwar in die Blutbahn aufgenommen wird, aber dann wieder nahezu vollständig über die Nieren ausgeschieden wird. Zudem fehlten Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Süßstoffen und kardiovaskulären Ereignissen untersuchten. „Damit bleibt unklar, welche Süßstoffe potenziell gefährlich für Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren sind“, erklärt Dr. Witkowski. „Das Fehlen von Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen stellt ein relevantes Problem in der Versorgung der Bevölkerung dar.“
In der prämierten Studie unter Beteiligung der DHZC-Forscher wurden nun über drei Jahre hinweg mehr als tausend Personen mit einem hohen Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt beobachtet und mit unabhängigen Patientenkohorten aus den USA (über 2100 Personen) und Deutschland (über 830 Personen) verglichen. Bei Teilnehmern, bei denen es in dieser Zeit zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder gar Tod kam, wurde im Blut ein erhöhter Erythritol-Spiegel festgestellt. In einem Laborversuch wurde zudem nachgewiesen, dass der Zuckeraustauschstoff die Blutgerinnung und damit die Bildung von Gerinnseln (Thromben) beschleunigte.
In einer weiteren kleinen Studie (1) haben Dr. Witkowski und sein Team die Konzentration im Blut direkt nach dem Konsum von Erythritol in acht gesunden Studienteilnehmern gemessen. „Die Einnahme von Erythritol führte zu einem starken und mehrere Tage anhaltenden Anstieg der Erythritolspiegel im Blut. Dieser lag deutlich über den Schwellenwerten, die mit einem erhöhten Thrombosepotenzial in den vorherigen Untersuchungen verbunden war“, erklärt der Wissenschaftler.
Noch viele Fragen offen, weitere Studien nötig
Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt sind, bewerteten die Ergebnisse mit Zurückhaltung, da zu viele Fragen noch offen seien. Vielmehr sollten die Daten als wichtiger Hinweis genutzt werden, Erythritol wie auch andere Zuckerersatzstoffe in umfassenden Langzeituntersuchungen weiter unter die Lupe zu nehmen. Bis dahin muss auf Zuckeraustauschstoffe nicht verzichtet werden, sie sollten allerdings generell nur in mäßigen Mengen konsumiert werden.
In seiner Arbeitsgruppe möchte Dr. Witkowski nun Süßstoffe und andere Nahrungsmittelbestandteile „systematisch auf ihre thrombogenen Effekte untersuchen“. Ziel sei, „Patienten – insbesondere jene mit kardiometabolischen Erkrankungen wie Diabetes oder Adipositas – besser über Risiken aufklären zu können und Gefäßkomplikationen zu vermeiden“, erklärt der prämierte Arzt und Wissenschaftler.
(wi/ne/DZHC)
Literatur:
(1) Witkowski, M. et al. The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29, 710–718 (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9
Informationen rund um das Thema Zucker: https://herzstiftung.de/zucker-herz-in-gefahr
Zusatzinformation: Aktuelle Studie zu Süßstoff Xylit
Infarktrisiko auch durch Süßstoff Xylit?
Höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut sind offenbar ebenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie unter Federführung von Dr. Marco Witkowski und seinem Forscherteam der Cleveland Clinic (Ohio, USA) und der DHZC-Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Charité-Campus Benjamin Franklin. Die Studie erschien im European Heart Journal (1).
Xylit, auch bekannt als „Birkenzucker“, ist ein Zuckeralkohol ähnlich wie Erythrit, der als kalorienarmer Süßstoff in Lebensmitteln und Getränken verwendet wird. Außerdem soll er eine karieshemmende Wirkung haben. Er kommt nach Angaben des DHZC in geringen Mengen auch in Obst oder Gemüse vor und wird deshalb als „natürlicher Süßstoff“ beworben. „Unsere Forschung an Blutproben und in Laborversuchen deutet jedoch auf mögliche Risiken von Xylit hinsichtlich einer erhöhten Thromboseneigung und zeigt, dass Süßstoffe aus der Gruppe der Zuckeralkohole nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind – insbesondere für Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken –, für die sie oft gehalten werden“, wird Dr. Witkowski in einer DHZC-Meldung zitiert.
Literatur:
(1) Witkowski M. et al., Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk, European Heart Journal, 2024; ehae244, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae244
Quelle: Deutsches Herzzentrum der Charité (DHZC)
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www.herzstiftung.de
Originalpublikation:
Witkowski, M. et al. The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29, 710–718 (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9
Anhang
PM_Erythrit-thrombose-Risiko_2024-06-12_FIN
Schifffahrt schadet der Biodiversität in Europas Flüssen
Anhand umfangreicher Langzeitdaten zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), dass die Binnenschifffahrt in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Verlust der biologischen Vielfalt von Fischen, Muscheln, Schnecken und Kleinkrebsen in europäischen Flüssen beigetragen hat – und dazu, dass die verbliebenen Tiergemeinschaften immer einheitlicher werden und flusstypische Arten verloren gehen. Invasive Arten hingegen nehmen deutlich zu. Die Forschenden zeigen auch, wie diese Effekte durch ein besseres Ufer- und Landmanagement abgemildert werden könnten.
Das internationale Forschungsteam mit Prof. Sonja Jähnig und Dr. Christian Wolter vom IGB hat Datensätze zur Biodiversität in europäischen Flüssen zusammengetragen und modelliert, wie sich Belastungen durch Schiffsverkehr, Hafendichte und Schleusen auf die Artenvielfalt im Wasser auswirken. Die ausgewerteten Zeitreihen von Fischen und größeren wirbellosen Tieren, wie Insektenlarven, Kleinkrebse, Muscheln und Schnecken, umfassten mehr als 19.500 Beobachtungen von über 4.000 Probestellen aus den letzten 32 Jahren.
Bestände flusstypischer Fischarten wie Barbe, Nase oder Zährte gehen zurück:
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie zeigen, geht die Binnenschifffahrt mit einem Rückgang der biologischen Vielfalt in den befahrenen Flüssen einher. Das betrifft sowohl den Reichtum und die Häufigkeit von Arten, als auch die Vielfalt der ökologischen Gilden, also der Gruppen von Arten mit gleichen Ansprüchen an bestimmte Umweltfaktoren, wie zum Beispiel die Strömung. Bei den Fischen gingen so in den letzten Jahrzehnten viele flusstypische Fischarten wie Barbe, Nase oder Zährte zurück und invasive Arten wie die Schwarzmundgrundel breiten sich aus.
„Wir haben festgestellt, dass die Artengemeinschaften in den Flüssen immer homogener werden. Auch in den europäischen Flüssen gibt es keine typischen Unterschiede in der Fauna mehr. Das Problem ist, dass sich dadurch die Nahrungsnetze verschieben können und auch die Widerstandsfähigkeit der Gewässer abnimmt“, sagt Prof. Sonja Jähnig.
Wellen und Rückströmungen von Schiffen: Verringerte Geschwindigkeit und Flachwasserzonen würden helfen:
Schiffe selbst beeinträchtigen die Artenvielfalt und die funktionelle Biodiversität von Fischen und großen wirbellosen, bodenlebenden und strömungsempfindlichen Arten, denn die von Schiffen verursachten Wellen und Rückströmungen üben einen Selektionsdruck aus: Fische, die ihre Eier in Gelegen an Substrate wie Steine oder Pflanzen heften, haben bessere Vermehrungschancen als Arten, deren frei schwimmende Eier weggespült werden. Schiffswellen erodieren die Ufer und setzen Sedimente frei, was die Lebensräume sowohl für Fische als auch für Wirbellose verschlechtert.
„Lebensräume mit unterschiedlichen Strömungen sind für die Artenvielfalt essentiell. Eine Verringerung der Schiffsgeschwindigkeit und die Schaffung von flachen Lebensräumen, die vor Schiffswellen geschützt sind, könnten einige dieser negativen Auswirkungen der Wellen mildern“, sagt Prof. Sonja Jähnig.
Nicht nur die Schiffe selbst, sondern auch der Gewässerausbau mit Häfen, Schleusen, Kanälen und Deckwerken schadet:
Negative Auswirkungen auf das Leben in unseren Flüssen hat neben den Schiffen oft auch die begleitende Infrastruktur: Schwere Deckwerke aus Beton oder Steinen, häufig eingesetzt, um die Ufererosion zu verhindern, beeinträchtigen beispielsweise die Lebensräume im Uferbereich und führen nachweislich zu einer geringeren Fischvielfalt.
Außerdem wird die Fahrrinne vieler Wasserstraßen regelmäßig ausgebaggert, um die Tiefe zu erhalten, was Lebensräume und Tiere am Gewässergrund schädigt.
Mehrere Stressoren können zusammenwirken: Renaturierung von Uferzonen würde Biodiversität besser schützen:
Das Forschungsteam untersuchte auch, wie die Schifffahrt mit anderen Stressoren zusammenwirkt. Wie stark der Einfluss des Schiffsverkehrs war, hängt von der lokalen Landnutzung und der zusätzlichen Degradation der Uferbereiche ab. Für Fische sind die negativen Auswirkungen in Flussabschnitten, die in städtischen oder stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten liegen, am stärksten, da hier Belastungen durch hohe Nähr- und Schadstoffeinträge hinzukommen.
Auf Muscheln, Schnecken und Krebse wirkt sich der Ausbau von Fließgewässern zu Wasserstraßen vor allem dann negativ aus, wenn auch die Ufer stark degradiert sind. Bei starker Uferdegradation geht die Kanalisierung zudem mit einer Zunahme invasiver Arten einher.
„Diese verstärkenden Effekte zeigen uns, dass die Wiederherstellung von Uferlebensräumen sehr sinnvoll sein kann. Breite, nicht landwirtschaftlich genutzte Uferzonen können als Puffer gegen Nährstoffeinträge wirken. Die Ufervegetation ist ein natürlicher Erosionsschutz und bietet vielen Tierarten Lebensraum, Struktur, Schatten, Nahrung und Verbindung zum Umland. So können die negativen Auswirkungen der Kanalisierung reduziert werden“, sagt Dr. Christian Wolter.
Ökologisch wichtige Flüsse wie die Oder weitgehend von der Schifffahrt ausnehmen:
„Der Branchenverband Inland Navigation Europe (INE) beschreibt in seinem Post-COVID-Programm, dass die Binnenschifffahrt in Europa in den nächsten 25 Jahren um 50 Prozent wachsen soll. Es gäbe nicht nur mehr und größere Schiffe, auch die Infrastruktur würde ausgebaut. Das bedeutet mehr Wehre, größere Schleusen und Häfen sowie zusätzliche Wasserstraßen. Angesichts der Schäden für die biologische Vielfalt muss jedoch für jeden Fluss sorgfältig abgewogen werden, ob der Nutzen als Wasserstraße die hohen ökologischen Kosten wirklich rechtfertigt. So ist beispielsweise der geplante Ausbau der Oder ernsthaft zu hinterfragen“, so Dr. Christian Wolter.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Sonja Jähnig, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/sonja-jaehnig
Dr. Christian Wolter, IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/christian-wolter
Originalpublikation:
Sexton, A.N., Beisel, JN., Staentzel, C. et al. Inland navigation and land use interact to impact European freshwater biodiversity. Nat Ecol Evol 8, 1098–1108 (2024). https://doi.org/10.1038/s41559-024-02414-8
Weitere Informationen:
https://www.igb-berlin.de/news/schifffahrt-schadet-der-biodiversitaet-europas-fl…
Neues Handlungskonzept soll Messungen an staugeregelten Gewässern verbessern
Vom 4. bis 6. Juni 2024 trafen sich Vertreter/-innen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), von Landesämtern, sowie von Wasserwirtschafts-verbänden, um gemeinsam Durchflussmessungen an staugeregelten Gewässern zu optimieren. Das Anwendertreffen organisierte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Kooperation mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Spree-Havel. Ziel des Treffens war die Erarbeitung eines Handlungskonzepts.
„Die Bestimmung der Abflussmengen von Fließgewässern mit Wehren oder anderen Querbauwerken sind aufgrund der geringen und unsteten Strömung besonders herausfordernd“, sagt Dr. Ole Rößler. Der Hydrologe ist Ansprechperson der BfG für alle Fragen rund um das Thema Hydrometrie und war für die Vorbereitung und Durchführung des 10. „ADCP Anwendertreffens“ verantwortlich.
Neben dem Erfahrungsaustausch der Teilnehmenden standen bei dem Treffen Durchflussmessungen an zwei Standorten der Havel im Mittelpunkt. Die Messungen fanden in sogenannter Regatta-Form statt: Dazu befuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit (Mess-)Booten zeitgleich eine vorher abgestimmte Strecke. Die eigentliche Messung fand mittels Ultraschall-Doppler-Profil-Strömungsmesser (ADCP) statt. ADCP-Messgeräte erfassen die lokale Strömungsgeschwindigkeit eines Fließgewässers über die sogenannte Doppler-Frequenzverschiebung. Dabei sendet das Messgerät ein Schallsignal aus und ermittelt aus der Frequenzverschiebung des Rückstrahls von Streukörpern in der Wassersäule, wie etwa Plank-ton oder umhertreibenden Sedimente, die Fließgeschwindigkeit.
„Die Kenntnis über Fließgeschwindigkeiten und -richtungen ermöglicht es, die Abflussmenge an einem bestimmten Punkt eines Gewässers zu bestimmen. Dieses Wissen ist einerseits eine wichtige Grundlage für die Schifffahrt. Andererseits helfen uns diese Daten auch bei unseren Bestrebungen, die ökologische Qualität eines Gewässers zu erhalten oder wiederherzustellen“, sagt Thomas Born vom WSA Spree-Havel, Mitorganisator der Veranstaltung. „Die Weiterentwicklung einer qualitativ und quantitativ hochwertigen Grundlagendatenerfassung ist für die WSV von elementarer Bedeutung, gerade vor dem Hintergrund, dass die wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Flussgebiete immer vielfältiger werden“, so Thomas Born weiter.
Handlungsempfehlung zu Messungen in staugeregelten Gewässern
Am letzten Veranstaltungstag trugen die Teilnehmer/-innen die Erfahrungen aus ihren Regionen bei der Messung staugeregelter Gewässer zusammen und diskutierten über die Ergebnis-se des Vortrags. Dies dient der BfG im Nachgang als Basis für das eigentliche Handlungskonzept, das zeitnah ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt werden soll.
Veranstaltungsort des ADCP-Anwendertreffens war das Haus der Flüsse Havelberg. Das Natura 2000-Informationszentrum des Biosphärenreservates Mittelelbe ist Anlaufstelle für naturinteressierte Gäste und Anwohner/-innen Havelbergs und Umgebung. „Der fachliche Austausch und die Vernetzung im Rahmen der Umweltforschung gehören neben der Förderung von nachhaltigen Wirtschaftsformen und der naturschutzfachlichen Entwicklung unserer wertvollen Flussauen zu den Kernthemen des Biosphärenreservates Mittelelbe. Fachveranstaltungen wie das ADCP-Anwendertreffen stärken insbesondere den notwendigen Wissenstransfer in Region und sind daher auch in Zukunft sehr gern in unseren Informationszentren gesehen.“, freut sich Fachbereichsleiter Philipp Ritzmann.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Ole Rößler, Referat M1 Hydrologische Grundsatzangelegenheiten, Hydrometrie, Gewässerphysik. E-Mail: roessler@bafg.de
Rana Bengül, Referat M1 Hydrologische Grundsatzangelegenheiten, Hydrometrie, Gewässerphysik. E-Mail: benguel@bafg.de
Weitere Informationen:
https://www.bafg.de/DE/3_Beraet/2_Exp_quantitaet/Hydrometrie_M1/hydrometrie_node…
https://www.wsa-spree-havel.wsv.de/Webs/WSA/Spree-Havel/DE/Startseite/startseite…
https://www.haus-der-fluesse.de/
Expertenliste zu Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser
Nur kurze Zeit nach rekordträchtig warmen Frühsommerwochen überzogen Gewitterfronten Deutschland mit ebenso ungewöhnlich starken wie ausdauernden Regenfällen. In der Folge traten viele Flüsse über die Ufer und überfluteten Städte und Dörfer. Vor allem der Süden des Landes meldete mancherorts so viel Regen wie nur alle 50 bis 100 Jahre und anschließende Jahrhunderthochwasser. Bislang sind vier Todesopfer zu beklagen, das Ausmaß der Schäden ist noch nicht absehbar, dürfte aber gewaltig sein. Deutlich zeigt sich, wo Städte und Gemeinden die Aufgabe zum Risikomanagement und Hochwasserschutz ernst genommen haben – und wo nicht.
Forschende der Universität Potsdam stehen den Medien zu Fragen rund um Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser sowie den Folgen für Natur und Gesellschaft zur Verfügung.
Prof. Dr. Axel Bronstert ist Professor für Hydrologie und Klimatologie an der Universität Potsdam und stellvertretender Sprecher des Graduiertenkollegs „NatRiskChange“. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Klimawandel, hydrologische Extremereignisse, Hochwasser- oder Dürrevorhersage sowie Sturzfluten und der Einfluss des Klimawandels auf den Wasserhaushalt.
E-Mail: axel.bronstert@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Sascha Oswald ist Professor für Wasser- und Stofftransport in Landschaften an der Universität Potsdam. Er ist Leiter der DFG-Forschungsgruppe „Cosmic Sense“ zur innovativen Messung der Bodenfeuchte. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Auswirkung des Klimawandels auf Bodenfeuchte und Grundwasser.
E-Mail: sascha.oswald@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Annegret Thieken ist Professorin für Geographie und Naturrisikenforschung an der Universität Potsdam, Sprecherin des Graduiertenkollegs „NatRiskChange“ und Leiterin des Forschungsprojekts „ExTrass“ zu urbaner Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Auswirkungen und Management von Hochwasser, Starkregen und Hitze sowie Vorsorge und Klimaanpassung in Städten.
E-Mail: annegret.thieken@uni-potsdam.de
Dr. Klaus Vormoor ist Geograf und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Auswirkungen von Klima- und Landbedeckungsänderungen auf hydrologische Prozesse und Extreme sowie Monitoring- und Vorhersagesysteme, beispielsweise zu Wasserverfügbarkeit und Dürren.
E-Mail: klaus.vormoor@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Thorsten Wagener ist Professor für die Analyse hydrologischer Systeme an der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen der Einfluss des Klimawandels auf den hydrologischen Kreislauf, Extreme im Wasserkreislauf wie Hochwasser und Dürren, Computermodelle zur Vorhersage des Wasserkreislaufs einschließlich Quantifizierung von Unsicherheiten.
E-Mail: thorsten.wagener@uni-potsdam.de
Medieninformation 06-06-2024 / Nr. 053
Matthias Zimmermann/Dr. Stefanie Mikulla
Universität Potsdam
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
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Neue Erkenntnisse über den Einfluss des Zelleintrittswegs von SARS-CoV-2-Viren auf den Ausgang der Infektion
Ein internationales Forschungsteam hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie das SARS-Coronavirus-2 in Zellen eindringt und welche Folgen dies hat. Als Helfer des Oberflächenproteins ACE2 spielt die Serinprotease TMPRSS2 eine wichtige Rolle bei der Verstärkung der Zellinfektion: Sie verstärkt und beeinflusst die daraus resultierende Immunantwort, erhöht den Zelltod und treibt die Virusentwicklung voran. TMPRSS2-Proteine aus verschiedenen Säugetierarten können ebenfalls die Infektion verstärken. Diese Erkenntnisse könnten zur Entwicklung künftiger Behandlungs- und Präventionsstrategien beitragen. PNAS berichtet in seiner Ausgabe vom 04.06.2024 über die Ergebnisse.
Das Coronavirus SARS-CoV-2 nutzt primär den Oberflächenrezeptor ACE2, um in Zellen einzudringen. Die Serinprotease TMPRSS2, die ebenfalls als Transmembranprotein in den Zellmembranen verankert ist, wirkt als Helfer. Zellen, die sowohl ACE2 als auch TMPRSS2 auf ihrer Oberfläche tragen, zeigen höhere Infektionsraten mit SARS-CoV-2. Bisher war unklar, in welchem Ausmaß die Anwesenheit von TMPRSS2 den Zelleintritt verbessert, ob das für alle Virusvarianten gleichermaßen der Fall ist und ob es nur für Infektionen beim Menschen gilt.
Der Einfluss des TMPRSS2-vermittelten Zelleintritts auf die Virus- und Wirtseigenschaften und den Verlauf der Infektion
Ein Forschungsteam unter Leitung von Dr. Richard Brown, ehemaliger Gruppenleiter, derzeit Gastwissenschaftler im Fachgebiet „Forschung Veterinärmedizin“ des Paul-Ehrlich-Instituts und Forscher in der Gruppe „Computational Virology“ von Dr. Daniel Todt an der Ruhr-Universität Bochum, ging diesen Fragen nach. Hierzu infizierten die Forschenden Wirtszellen mit und ohne TMPRSS2-Proteine auf ihren Zelloberflächen mit verschiedenen Virusvarianten und beobachteten sowohl das Virus als auch den Wirt im Zellmodell.
Mit elektronenmikroskopischen Analysen konnte eine verbesserte Aufnahme der Viruspartikel in die Wirtszellen beobachtet werden. Auch ging das Forschungsteam der Frage nach, ob der TMPRSS2-assoziierte Zelleintritt die angeborenen Immunantworten des Wirts und die Evolution des viralen Genoms beeinflussen. Nicht zuletzt interessierte die Frage, ob die beobachtete Verbesserung des SARS-CoV-2-Eintritts eine konservierte Eigenschaft von TMPRSS2-Proteinen aus evolutionär unterschiedlichen nicht menschlichen Spezies ist.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Studie sind:
- Die TMPRSS2-vermittelte Virusaufnahme erfolgt über zelluläre Vesikel (Endosomen). Bisher war man davon ausgegangen, dass Endosomen umgangen werden, wenn SARS-CoV-2 über TMPRSS2 in die Zelle gelangt.
- Ebenso neu war die Beobachtung, dass neuere Varianten wie Omikron ebenfalls von einer Verbesserung der durch TMPRSS2-vermittelten Virusaufnahme in die Wirtszelle profitieren, obwohl das Protein nicht unbedingt für den Zelleintritt erforderlich ist.
- Eine effizientere TMPRSS2-vermittelte Virusaufnahme verstärkt die Infektion. Die Genomreplikation (Vermehrung der Genomkopien in den infizierten Zellen) wird ebenso erhöht wie die Produktion neuer infektiöser Viren. Infolgedessen werden die Immunreaktionen der infizierten Wirtszellen verstärkt und der Zelltod tritt schneller ein.
- Nicht nur menschliche TMPRSS2-Proteine, sondern auch solche aus anderen Säugetierarten können die SARS-CoV-2-Infektion verstärken.
Diese Ergebnisse verdeutlichen ein kompliziertes Gleichgewicht zwischen der Effizienz der Virusaufnahme, den Immunreaktionen der Zellen und dem durch die Infektion ausgelösten Zelltod.
Originalpublikation:
Qu B, Miskey C, Gömer A, Kleinert RDV, Calvo Ibanez S, Eberle R, Ebenig A, Postmus D, Nocke MK, Herrmann M, Itotia TK, Herrmann ST, Heinen N, Höck S, Hastert FD, von Rhein C, Schürmann C, Li X, van Zandbergen G, Widera M, Ciesek S, Schnierle BS, Tarr AW, Steinmann E, Goffinet C, Pfaender S, Krijnse Locker J, Mühlebach MD, Todt D, Brown RJP (2024): TMPRSS2-mediated SARS-CoV-2 uptake boosts innate immune activation, enhances cytopathology and drives convergent virus evolution.
Proc Natl Acad Sci U S A 121 (23): e2407437121.
DOI: 10.1073/pnas.2407437121
Weitere Informationen:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2407437121 – DIe Studie bei PNAS
https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2024/08-neue-erkenntnisse-zelleintritt-sa… Diese Pressemitteilung auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts
Anhang
Kurzes Audiozitat zu den Ergebnissen der Studie
Mehr als 1.500 Bürgerinnen und Bürger tauchten ein in die Welt der Gewässer
Am 2. Juni 2024 veranstaltete die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) anlässlich ihres 75-jährigen Jubiläums einen Tag der offenen Tür. Ca. 1.500 Gäste jeden Alters informierten sich zwischen 11 und 18 Uhr vor Ort und aus erster Hand bei den BfG-Expertinnen und -Experten zu Themen wie Klimawandel, Spurenstoffe in Gewässern und Biodiversität. Egal ob Drohne, Wasserfahrzeuge, Pflanzenarten, Wassertiere oder Wasserproben und Sedimente – für Klein und Groß gab es etwas Neues zu lernen und zu entdecken.
Wissenschaft erklärt, verständlich und kreativ für Groß und Klein
„Es ist beeindruckend, wie viele Menschen uns an diesem Tag besucht haben und wir sind überwältigt vom großen Interesse an den vielfältigen Arbeitsbereichen der BfG.“, so Dr. Birgit Esser, Präsidentin der BfG, über den besucherreichen Abschluss der Jubiläums-Aktivitäten zum 75-Jahre-Jubiläum der BfG. „Im Fokus der Veranstaltung stand für uns, wissenschaftlich komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen – und zwar anhand konkreter Themen, an denen wir forschen und zu denen wir beraten.“ Und das Rezept ging aus Sicht der BfG auf, was sich zum einen an der hohen Verweildauer der Besucherinnen und Besucher und zum anderen aus den vielen Gesprächen vor Ort ableiten lässt. Das reichhaltige Mitmach-Angebot für alle Altersklassen leistete ebenso einen Beitrag. „Nicht zuletzt die Freude und Begeisterung der BfG-Kolleginnen und Kollegen selbst ist ausschlaggebend, um andere für die Themen rund um die Bundeswasserstraßen zu begeistern.“, ergänzt Dr. Sebastian Kofalk, Referatsleiter des für die Veranstaltungsorganisation verantwortlichen Teams.
So laut wie ein Frosch – oder ein Löwe?
Gewässer eintauchen. An der Station „Schallmessung“ zum Beispiel staunten die Besucherinnen und Besucher nicht schlecht: Einzelne Kinder bewiesen, dass sie so laut wie ein Löwe brüllen können. An anderer Stelle versuchten Kinder, Steine zu verstecken. Da sie diese zuvor durch Berührung „zum Leuchten“ gebracht hatten, konnten die Steine mit Live-Temperaturmessungen entdeckt werden. Normalerweise unterwegs im Auftrag für die Bundeswasserstraßen, ergaben sich so ganz neue Einsatzgebiete für die BfG-Drohne, deren Wärme-Sensoren an diesem Tag einen neuen Einsatzzweck erhielten. Weiter ging es mit vielen Pflanzen zum Anfassen, Riechen, Meiden und Bestaunen an der Station „Botanischer Streichelzoo“. Durch die Vielfalt der Pflanzen verstanden die Besuchenden den Unterschied von heimischen und zugezogenen Pflanzen, sogenannten Neophyten, die bei der Unterhaltung und Pflege der Bundesstraßen wichtig sind.
Auch die unterschiedliche Wasserspeicherkapazität von Auwald-, Wiesen- und Ackerboden konnten die Kinder durch das Eintauchen verschiedener Schwämme nachempfinden. Kreativ ging es auch an der Station zu den Algen zu. Durch das Mikroskop zeigten sich unterschiedlichste geometrische Formen, die nur in dieser vergrößerten Ansicht sichtbar sind. Nicht nur junge Gäste staunten über die Formen und Farben – und die andere Perspektive beim Einsatz eines Mikroskops. Und dass der Rhein die Region prägt und die Menschen beschäftigt, wurde in der Expertensprechstunde „Klimawandel“, deutlich. Wie verändert sich der Rhein, wenn die Gletscher abschmelzen? Sind Niedrigwasser normal oder außergewöhnlich und wie geht es weiter? Viele Bürgerinnen und Bürger schätzten diese lockere Gesprächsrunde beim Tag der offenen Tür. Und wer sich die Frage stellte, wie man Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in der BfG werden kann, erhielt vor Ort bei den Auszubildenden oder den Personalexperten/-innen selbst die Antworten.
Ergänzend zu den Stationen fanden mehr als 30 Führungen durch die BfG-Gebäude und einige Labore statt. So erhielten insgesamt ca. 350 Personen einen detaillierteren Blick hinter die Kulissen der Ressortforschungseinrichtung, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) gehört. Die Laborführungen, zum Teil als kreatives Mitmach-EscapeLab konzipiert, waren schnell ausgebucht. Im EscapeLab galt es, die Ursache für die Erkrankung eines Fisches zu erforschen. Die Besucher/-innen wurden mit Kittel und Schutzbrillen selbst im Labor tätig, um das Rätsel zu lösen.
Gewässerkunde und Wasserwirtschaft in Koblenz studieren
Gemeinsam mit Universität Koblenz und Hochschule Koblenz wurden auch die kooperativen Studiengänge für den Bachelor und Master of Science Gewässerkunde und Wasserwirtschaft vorgestellt. „Das Interesse am Studienangebot war hoch und eine Präsentation im Zusammenhang mit den Arbeitsbereichen der BfG gab uns einen anschaulichen Rahmen.“, so Prof. Dr. Lothar Kirschbauer von der Hochschule Koblenz, dem auch Dr. Jan Fleischhauer von der Universität Koblenz zustimmt.
An insgesamt 17 Ständen präsentierte das BfG-Team weitere Themen. Die Website der BfG bietet hierzu ein umfassendes Informationsangebot. Auch viele der am Tag der offenen Tür gezeigten wissenschaftlichen Poster stehen auf der Website im Bereich „informiert“ zum Download bereit.
Sie haben Fragen zu den Inhalten der Infothek oder suchen Kontakt zu den Expertinnen und Experten der BfG? Für eine Kontaktaufnahme nutzen Sie bitte die Kontaktdaten der BfG-Pressestelle. Entsprechend Ihrer individuellen Frage vermittelt Ihnen die Pressestelle bei Bedarf einen Kontakt zu BfG-Expertinnen und -Experten.
Weitere Informationen:
https://www.bafg.de/DE/Service/Presse/_doc/2024/240605_Tag-der-offenen-Tuer_Nach…
Angst vor Umweltbelastung, aber Kritik an staatlichen Umweltschutzmaßnahmen
Junge Menschen interessieren sich für den Klimawandel und seine Folgen. Die Maßnahmen der Bundesregierung zu dessen Bekämpfung sehen sie jedoch kritisch. Trotzdem lehnen die meisten von ihnen Diskursangebote von äußerst rechten Akteurinnen und Akteuren ab. So das Ergebnis einer qualitativen Fallstudie des Forschungsprojekts „Rechtsextremismus in ökologischen Transformationsräumen: Diskursangebote, Resonanzwege und demokratische Alternativen (RIOET)“.
Marleen Hascher, Sozialwissenschaftlerin und Autorin der Studie, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für demokratische Kultur der Hochschule Magdeburg-Stendal und dort Teil des RIOET-Projektteams. Ein Überblick über die Ergebnisse.
Zeitz: Junge Menschen haben Angst vor Umweltbelastung, aber kritisieren staatliche Umweltschutzmaßnahmen
Beispielsweise junge Menschen in Zeitz (Sachsen-Anhalt): Sie befürworten tendenziell den Braunkohleausstieg, sehen den Klimawandel als reale Gefahr an und beschweren sich über Umweltbelastung durch den Braunkohleabbau in ihrer Nähe. Gleichzeitig haben sie Verständnis für Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und stehen Windkraftanlagen eher skeptisch gegenüber. Sie fürchten, dass diese nicht wirklich umweltfreundlich sind, unästhetisch aussehen und keine sichere Stromversorgung bieten können.
Klimaschutzdiskurse: Einfallstor für rechte Akteur:innen
Diese Skepsis machen sich auch rechte Akteur:innen zu Nutze: Sie eignen sich Themen wie den Schutz des „Deutschen Waldes“, die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder die Ablehnung von Windkraftanlagen an und nutzen diese als Einfallstor, um eine nationalistische Agenda zu verbreiten und sich gegen Klimaschutzmaßnahmen zu positionieren.
Politische Bildung als Mittel gegen äußerst rechte Narrative
Die Studie zeigt: Wenn junge Menschen über äußerst rechte Akteur:innen vorinformiert sind, haben sie weniger Interesse an deren Diskursangeboten. Selbst wenn sie einzelne Einstellungen (z. B. Ablehnung von Windkraftanlagen, Sorge um bezahlbare Energie) mit ihnen teilen, grenzen sie sich trotzdem von ihnen ab. Dies begründen sie mit der antidemokratischen Grundhaltung der Akteur:innen.
Marleen Hascher hierzu: „Wir müssen jungen Menschen auf regionaler und bundesweiter Ebene demokratische Werte sowie Wissen über antidemokratische rechte Akteur:innen vermitteln. Insbesondere bei klimapolitischen Themen sollen demokratische und effektive Lösungen aufgezeigt werden.“ Hierbei, so Hascher, empfehle sich die Nutzung der sozialen Medien sowie die Förderung von Medienkompetenz, so dass „Fake News“ äußerst rechter Akteur:innen schnell erkannt würden. Zudem sollten Umweltschutzorganisationen zum Thema „Vereinnahmung durch rechte Akteur:innen“ sensibilisiert werden.
Befragung von 60 jungen Menschen
Insgesamt wurden 60 junge Menschen im Alter von 17 bis 26 Jahren aus Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Nordhessen mit qualitativen Interviews für die Studie befragt. Zudem wurden auch Expert:innen aus Jugendarbeit, politischer Bildung und Wissenschaft interviewt. Für das Forschungsprojekt kooperiert die Hochschule Magdeburg-Stendal mit der Hochschule Düsseldorf; gefördert wird es wird von dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Weitere Informationen:
https://idk-lsa.de/publikationen/ Situationsanalysen der Forschungsregionen in Ost- und Westdeutschland
KIT-Experten zu den Hochwasserereignissen im Mai/Juni 2024 in Süddeutschland
Außergewöhnlich lang anhaltender und starker Regen führte großflächig zu Überschwemmungen
Ein regenreicher Mai und Rekordniederschläge zum Monatsende führten in Deutschland zu großflächigen Überschwemmungen. Innerhalb von 48 Stunden fielen im Süden und Westen Bayerns sowie im Osten Baden-Württembergs Regenmengen von mehr als 100 Litern pro Quadratmeter, binnen 120 Stunden kamen nicht selten mehr als 200 Liter pro Quadratmeter zusammen. Durch das folgende Hochwasser kamen sechs Menschen ums Leben (Stand 06.06.2024) und es entstanden hohe Sachschäden.
Während das Hochwasser noch im Gange war, haben Forschende des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine historische Einordnung des Ereignisses vorgenommen und Regionen nach dem Grad der zu erwartenden Schäden klassifiziert.
„Das Besondere an diesem Niederschlagsereignis war, dass über einen relativ langen Zeitraum und eine große räumliche Ausdehnung viel Niederschlag gefallen ist“, sagt Professor Michael Kunz, wissenschaftlicher Sprecher des CEDIM und Co-Autor der Studie. „Wenn wir die Niederschläge lokal betrachten, konnten wir solche Ereignisse in Deutschland in den letzten 60 Jahren durchaus schon häufiger beobachten. Betrachtet man aber die Niederschlagssummen über einem größeren Gebiet, beispielsweise von rund 35 000 Quadratkilometern, was der Fläche Baden-Württembergs entspricht, dann waren die Niederschlagsmengen durchaus außergewöhnlich.“ Von Oberschwaben bis zum Donaumoos entsprächen diese einem Ereignis, das statistisch seltener als einmal in hundert Jahren vorkomme.
Vor allem die Ausdehnung unterscheide das Ereignis von der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021, so Kunz: „Damals fiel der Regen in kürzerer Zeit und über einem deutlich kleineren Gebiet mit sehr steilen Hängen, an denen das Wasser schnell in das Tal floss. Die großräumigen Niederschlagssummen im Mai/Juni 2024 überstiegen die vom Juli 2021 dagegen deutlich.“
Neben einer hydrologischen Einordnung des Hochwassers geben die Forschenden des CEDIM in ihrem Bericht auch eine erste Einschätzung des zu erwartenden Schadensausmaßes in den beiden am stärksten betroffenen Bundesländern: „Insbesondere die Region Günzburg und das Gebiet darum in Bayern hat es besonders erwischt“, so Dr. James Daniell vom CEDIM, ebenfalls Co-Autor der Studie. „Aber letztendlich ist in allen Landkreisen, in denen auch der Katastrophenfall ausgerufen wurde, mit meist hohen Schäden zu rechnen.“
Über das Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM)
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des CEDIM, einer interdisziplinären Einrichtung des KIT, forschen zu Katastrophen, Risiken und Sicherheit. Das Ziel ist es, natürliche und menschengemachte Risiken in einer sich rasch verändernden, von Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel geprägten Welt genauer zu verstehen, früher zu erkennen und besser zu bewältigen.
Weitere Informationen:
https://www.cedim.kit.edu/download/FDA_Hochwasser2024_SD_final.pdf
Für Interviewwünsche oder weiterführende Informationen stellt der Presseservice des KIT gern den Kontakt zu den Experten her. (presse@kit.edu)
Bitte wenden Sie sich an Sandra Wiebe, E-Mail: sandra.wiebe@kit.edu , Tel.: 0721 608-41172.
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Mikro-Veränderungen im Gehirn bei Post-COVID-Patient*innen
Einfluss von COVID-19-Infektion auf die Mikrostruktur des Gehirns nachgewiesen / Veränderungen in zerebralen Netzwerken korrelieren mit Schwere der Infektion und Symptomen / Veröffentlichung in Nature Communications
Ein Teil der Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren, leiden langfristig an neurologischen Symptomen wie kognitiven Beeinträchtigungen, Geruchsverlust und Ermüdbarkeit. Dass diese Beschwerden mittels Bildgebung nachweisbar sind, zeigt jetzt eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Freiburg, die am 18. Mai 2024 im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde. Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe fand heraus, dass bei Post-Covid-Patientinnen die Mikrostruktur im Gehirn im Vergleich zu Gesunden verändert ist. Die betroffenen Gehirnareale standen in Zusammenhang mit den Symptomen der jeweiligen Patientinnen. Dabei ging das Ausmaß der zerebralen Veränderung einher mit der Schwere der Infektion und der Stärke der Beschwerden. Für ihre Studie hatten die Forscherinnen mittels Magnetresonanztomographie (MRT) die Gehirne von Post-COVID-Patientinnen, gesunden Kontrollpersonen und COVID-19-Erkrankten ohne Langzeitsymptome untersucht. Nun gilt es die genaue Ursache zu klären und darauf aufbauend neue Therapieformen zu entwickeln.
„Unsere Forschung zeigt, dass COVID-19 auch langfristig strukturelle Veränderungen im Gehirn verursachen kann. Wenn wir diese Veränderungen besser verstehen, könnte es gelingen gezielte Behandlungen für Betroffene von Post-COVID zu entwickeln und deren Lebensqualität zu verbessern“ , sagt Erstautor Prof. Dr. Jonas A. Hosp, Oberarzt an der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Neue Erkenntnisse zu Post-COVID-Symptomen
Die Studie umfasste 89 Post-COVID-Patientinnen, 38 Personen, die eine COVID-19-Infektion ohne anhaltende Symptome überstanden haben, und 46 gesunde Kontrollpersonen. Die Forscherinnen verwendeten fortschrittliche MRT-Techniken, um die Mikrostruktur des Gehirns zu analysieren. Die Forschenden fanden heraus, dass bei Menschen, die eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben, die Gehirnstruktur – insbesondere der Grauen Substanz – verändert war. Außerdem konnten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Symptomen des Post-COVID-Syndroms und verschiedenen Netzwerken des Gehirns nachgewiesen werden. „Wir wissen noch nicht, wodurch diese Veränderungen nach einer COVID-19-Infektion ausgelöst werden. Auch müssen wir mit weiterer Forschung herausfinden, ob es sich dabei um dauerhafte Veränderungen handelt oder diese sich im Laufe der Zeit zurückbilden“, sagt Dr. Alexander Rau, Funktionsoberarzt an der Klinik für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Originalpublikation:
Originaltitel der Publikation: „Cerebral microstructural alterations in Post-COVID-condition are related to cognitive impairment, olfactory dysfunction and fatigue“
DOI: 10.1038/s41467-024-04256-0
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-024-48651-0
Nachhaltiges Grundwassermanagement – Ein Landkreis macht’s vor: So geht guter Umgang mit Grundwasser
Der besonders von Trockenheit und Hochwasser betroffene Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt zeigt, wie vorausschauendes Grundwassermanagement aussehen kann. Eine Projektgruppe unter Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hat ein Papier mit Pioniercharakter erarbeitet: Alle Interessengruppen, von der Landwirtschaft über den Wasserversorger bis hin zu Landesbetrieben und Umweltverwaltung, haben gemeinsam Lösungsvorschläge zum nachhaltigen Schutz des Grundwassers entwickelt. Das „Leitbild 2040 Grundwasser – Ziele und Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement im Landkreis Mansfeld-Südharz“ wird am 7. Juni 2024 an den Landrat übergeben.
Die Grundwasserkörper sollen in einem guten Zustand sein. Das fordern Umweltschützer, die sie als ökologischen Lebensraum erhalten wollen, genauso wie Land- und Forstwirte, die sie als Lebensgrundlage für ihre Kulturen brauchen, und Wasserversorger, die Trinkwasser für die Bevölkerung gewinnen. Als Folge von Klimawandel und menschlicher Einwirkung sind Menge und Qualität des Grundwassers in Deutschland aber nicht überall nachhaltig gesichert.
Im Landkreis Mansfeld-Südharz hat sich der örtliche Wasserversorger wegen Uranfunden im Grundwasser bereits 2018 für einen Anschluss an die Fernwasserversorgung entschieden. Seitdem ist der Landkreis weitgehend abhängig von der Rappbodetalsperre als einziger Versorgungsquelle. Durch den Verlust von Wasserschutzgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels könnten Grundwasservorkommen in Zukunft erheblich beeinträchtigt sein und wichtige Funktionen wie die Notversorgung nicht mehr garantieren.
Solche Herausforderungen und Unsicherheiten ebneten den Weg für die ISOE-Nachwuchsforschungsgruppe regulate, als sie 2021 versuchte, alle identifizierbaren Interessenvertreter*innen im Landkreis an einen Tisch zu bringen. Dass ein präventives Grundwassermanagement vor Ort notwendig ist, sahen auch die Stakeholder so – und konnten für die vierjährige Mitarbeit in der Projektgruppe gewonnen werden.
Gegenläufige Interessen konstruktiv zusammengebracht
Beim Thema Wasser stehen sich im politischen Alltag Bauernverbände, Forstwirte, Wasserversorger, Umweltschützer, Landesbetriebe für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und die Verwaltung oft unversöhnlich gegenüber. Dass die Projektgruppe alle an der Wassernutzung interessierten Parteien erfolgreich an einen Tisch gebracht hat, ist wegweisend. Dr. Fanny Frick-Trzebitzky, Co-Projektleiterin am ISOE, zeigt sich überzeugt: „Es ist gelungen, gemeinsam Lösungsvorschläge zum nachhaltigen Schutz des Grundwassers zu formulieren. Die Ergebnisse werden nun von den Projektteilnehmenden aktiv in ihre Verbände und Institutionen getragen.“ Was es für die Kreisverwaltung deutlich leichter mache, die Umsetzung anzugehen.
Mehr Schutz, mehr Zusammenarbeit: Das empfiehlt das Leitbild
Um Quantität und Qualität des Grundwassers vor Ort bis 2040 und darüber hinaus zu sichern, empfiehlt das gemeinsam erarbeitete Leitbild nun:
- das Messstellen-Netz zu erweitern, um eine bessere Datenbasis über das verfügbare Grundwasser sowie über menschgemachte Verschmutzungen zu erhalten.
- das Datenmanagement zu zentralisieren, damit Behörden, Versorger, Landwirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Daten nutzen können.
- das Wasserentnahmeentgelt („Wassercent“) anzuheben, um Schutzmaßnahmen zu finanzieren; etwa um Landwirte zu entschädigen, die nicht düngen und so das Grundwasser schützen.
- Grundwasserschutzzonen einzurichten und Flächen zu entsiegeln bzw. nicht neu zu versiegeln.
- durch Umweltbildung den Wert von Grundwasser für Privatpersonen erfahrbar zu machen.
Die Beteiligten drängen insbesondere auf die Gründung einer ständigen Arbeitsgruppe („Wasserrat Mansfeld-Südharz“), um die angeregten Maßnahmen besser zu unterstützen.
Kick-off für den Umsetzungsprozess
Der Maßnahmenkatalog, der heute an die Stellvertreterin des Landrats, Frau Christiane Beyer, übergeben wird, sei dabei als weit gesteckte Handlungsempfehlung zu verstehen, die die Mobilisierung „einiger Ressourcen“ erfordere, so Frick-Trzebitzky vom ISOE. Steffen Hooper vom Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz ergänzt: „Es braucht nun zusätzliches Geld und Personal, um Prioritäten zu bestimmen, Konflikten im Verwaltungsalltag vorzubeugen und zumindest zu einer punktuellen Umsetzung des Leitbilds zu kommen.“
Zur Entstehung des „Leitbilds 2040“
Das „Leitbild 2040 Grundwasser – Ziele und Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement im Landkreis Mansfeld-Südharz“ ist zwischen 2021 und 2024 im Rahmen des Forschungsprojekts „regulate – Regulation von Grundwasser in telegekoppelten sozial-ökologischen Systemen“ entstanden. Telekopplung meint die an einem Ort spürbaren ökologischen und sozialen Auswirkungen von Ressourcennutzung an einem anderen Ort. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hatte die Projektleitung inne.
Neben den Forscher*innen von ISOE, Goethe-Universität in Frankfurt am Main und Rheinland-Pfälzischer Technischer Universität Kaiserslautern-Landau waren am Leitbildprozess folgende Interessengruppen beteiligt: das Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz, der Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen der Stadt Sangerhausen, der Bauernverband Mansfeld-Südharz e.V., der Wasserverband Südharz, der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, die Agrargesellschaft Riestedt mbH & Co. KG, das Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz, der Forstbetrieb Beyme GbR sowie die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH.
Das „Leitbild“ steht als Download zur Verfügung: https://www.isoe.de/fileadmin/Edit/PDF/Pr/regulate/isoe_regulate_Leitbild-2040-G…
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Fanny Frick-Trzebitzky
Leiterin des Bereichs Praktiken und Infrastrukturen,
Leiterin der Nachwuchsgruppe regulate
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Hamburger Allee 45
60486 Frankfurt am Main
Tel. +49 69 707 6919-55
frick@isoe.de
www.isoe.de
Weitere Informationen:
https://www.isoe.de/forschung/nachwuchsgruppe-regulate/
https://regulate-project.eu/
Achema 2024: Kritische Rohstoffe aus Abwasser rückgewinnen und wieder in die Wertschöpfungskette bringen
Der Verbrauch natürlicher Ressourcen durch moderne Industriegesellschaften führt schon heute zu einer bedenklichen Verknappung essentieller Rohstoffe. Das betrifft unter anderem Phosphor, für den es in der EU kaum noch Quellen gibt. Daher gewinnt die Rückgewinnung aus Abwasser an Bedeutung. Ein Forscherteam der RPTU schafft die verfahrenstechnischen Grundlagen, um Phosphor und weitere Rohstoffe aus Abwasserströmen und Klärschlamm zu erschließen und für industrielle Prozesse nutzbar zu machen. Auf der Prozessindustrie-Messe Achema in Frankfurt stellte das Team sein Vorhaben vom 10. bis 14. Juni am Forschungsstand Rheinland-Pfalz vor.
Phosphor ist ein wichtiger Grundstoff für die Düngemittelproduktion und damit auch für die Produktion von Nahrungsmitteln. Er wird von der Europäischen Kommission in einer Liste mit 30 kritischen Rohstoffen geführt, die ein großes Versorgungsrisiko bei gleichzeitiger hoher ökonomischer Bedeutung aufweisen.
Potential zur Rückgewinnung bieten kommunale Abwässer, in die große Mengen an Phosphor aus Privathaushalten und Industrie eingetragen werden. Hier setzt die Forschungsarbeit an, die im Rahmen des Graduiertenkollegs „WERA“ (Wertstoff Abwasser) an der RPTU stattfindet und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.
WERA hat mehrere Ziele im Blick: „Wir arbeiten an Lösungsansätzen, um die Phosphor-Konzentration in kommunalen Abwässern vom Zulauf bis zum Ablauf um circa den Faktor 100 zu senken“, erläutert Professor Dr. Sergiy Antonyuk, Sprecher des Graduiertenkollegs und Leiter des Lehrstuhls für die Mechanische Verfahrenstechnik an der RPTU.
„Gleichzeitig geht es uns darum, den entfernten Phosphor stofflich so aufzubereiten, dass er im Sinne des Kreislaufprinzips der Industrie wieder als Ressource zur Verfügung steht.“
Ein dritter Aspekt betrifft die Umwelt. Professorin Dr. Heidrun Steinmetz, stellvertretende Sprecherin des Graduiertenkollegs und Leiterin des Fachgebiets Ressourceneffiziente Abwasserbehandlung an der RPTU sagt hierzu: „Zusätzlich soll die Phosphor-Konzentration im Ablauf der Kläranlagen weitergehend reduziert werden, um unsere Gewässer vor Algenbildung zu schützen. Es gibt zwar schon Pilot-Projekte, die das für einzelne Kläranlagen realisieren, aber nicht in Kombination mit einer Phosphor-Rückgewinnung. Dabei gibt es erhebliche Wissenslücken, welche Verfahren unter welchen Bedingungen Erfolg versprechend sind. Diese wollen wir schließen.“
Im Rahmen des Forschungsprogramms verbindet die RPTU Expertise aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Es geht unter anderem um die Erprobung von maßgeschneiderten Adsorber-Materialien, an denen sich Phosphor-Verbindungen anreichern können. Eine weitere Forschungsaufgabe dreht sich darum, die Grundlagen der Kristallisation bzw. Fällung zu untersuchen – Trennverfahren, mit denen die Rückgewinnung vom Phosphor aus Klärschlamm in Form pflanzenverfügbarer Düngererfolgen kann.
„Zusätzlich werden wir innovative Charakterisierungsverfahren, Messtechniker und Simulationsmethoden einsetzen bzw. weiterentwickeln, um die Einflüsse von im realen Abwassersystem vorliegenden Randbedingungen auf die Effizienz der Phosphor-Rückgewinnung mit Kristallisation- und Adsorptionsprozessen und die Produktqualität zu beschreiben“, ergänzen Steinmetz und Antonyuk. „Hierfür nutzen wir eine auf dem Campus der RPTU in Kaiserslautern als Pilotanlage installierte Abwasserbehandlungs- und Recyclinganlage. Und ultimativ ist es unser Ziel, dass wir die entwickelten Materialien und Prozesse auch auf andere Rohstoffe übertragen und etwa für die Rückgewinnung von Stickstoff, Kalium oder organischem Kohlenstoffen anpassen können.“
Fragen beantwortet:
Prof. Dr.-Ing. Sergiy Antonyuk
Lehrgebiet Mechanische Verfahrenstechnik / RPTU in Kaiserslautern
Tel.: 0631 205-3524
E-Mail: sergiy.antonyuk@mv.rptu.de
Über Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Graduiertenkollegs sind Einrichtungen der Hochschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die von der DFG für maximal neun Jahre gefördert werden. Im Mittelpunkt steht die Qualifizierung von Doktorandinnen und Doktoranden im Rahmen eines thematisch fokussierten Forschungsprogramms sowie eines strukturierten Qualifizierungskonzepts. Eine interdisziplinäre Ausrichtung der Graduiertenkollegs ist erwünscht. Ziel ist es, die Promovierenden auf den komplexen Arbeitsmarkt „Wissenschaft“ intensiv vorzubereiten und gleichzeitig ihre frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit zu unterstützen.
Mehr unter: https://www.dfg.de/foerderung/programme/koordinierte_programme/graduiertenkolleg…
Lang leben, gesund bleiben: Studie enthüllt wichtige Gesundheitsmarker
Bremen – Das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS hat in einer aktuellen Studie wesentliche Fortschritte bei der Identifizierung von Gesundheitsmarkern gemacht, die für ein langes und gesundes Leben entscheidend sind. Unter der Leitung von Prof. Dr. Krasimira Aleksandrova und in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) liefert die Forschung wertvolle Erkenntnisse für ein gesundes Altern.
In der Studie, die in der Zeitschrift Age and Ageing veröffentlicht wurde, analysierten Aleksandrova und ihr Team spezifische Kombinationen molekularer Marker, die verschiedene biologische Prozesse widerspiegeln und als mögliche Indikatoren für gesundes Altern dienen. Dabei ging es vor allem darum, bestimmte Kombinationen von Blut-Biomarkern zu identifizieren, die dazu beitragen können, Menschen, die ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen, von solchen zu unterscheiden, die chronische Krankheiten wie Diabetes, koronare Herzkrankheiten und Krebs entwickeln. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschen, die ein hohes Alter erreichen und frei von chronischen Krankheiten bleiben, die optimalen Werte bestimmter Kombinationen von Stoffwechselprodukten, die mit Insulinsensitivität und Entzündungen verbunden sind, während der späten Lebensphasen beibehalten haben“, erklärt Aleksandrova. Dies könnte auf einen gemeinsamen Schutzmechanismus hinweisen, der das Risiko altersbedingter Krankheiten verringert. Sie fügt an: „Wenn wir diese Marker und ihre komplexen Zusammenhänge verstehen, können wir besser einschätzen, welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um chronische Krankheiten zu vermeiden und die Lebensqualität im Alter zu verbessern.“
Methodik der Studie
Für die Studie wurden Daten von einer großen Gruppe älterer Erwachsener gesammelt, die an der EPIC-Potsdam-Studie (EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) teilnahmen. Diese umfasste 27.548 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 34 und 65 Jahren, die zwischen 1994 und 1998 in Potsdam und Umgebung rekrutiert wurden. Zu Beginn der Studie unterzogen sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer umfassenden anthropometrischen Messung und machten Angaben zu ihrem Lebensstil und ihrer Ernährung. Darüber hinaus wurden von 26.437 Teilnehmern Blutproben entnommen. Diese Gruppe wurde mehrere Jahre lang beobachtet, wobei alle 2-3 Jahre Informationen über neue chronische Krankheiten gesammelt wurden.
Für die aktuelle Studie wurde eine zufällig ausgewählte Untergruppe von 2.500 Personen gebildet. Aus dieser Gruppe wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeschlossen, die bereits an bestimmten Krankheiten litten oder deren Diagnosen unklar waren, so dass 2.296 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Analyse übrigblieben. Von diesen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden die Konzentrationen von 13 spezifischen Biomarkern im Blut mit Hilfe etablierter Labortests und Protokolle quantifiziert. Zu diesen Markern gehörten Moleküle, die den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Leber- und Nierenfunktion, die Insulinempfindlichkeit und Entzündungen widerspiegeln.
Datenanalyse und Ergebnisse
Mithilfe innovativer statistischer Modellierung konnte das Forschungsteam mehrere Kombinationen von Molekülen isolieren, die Gruppen von Personen in Bezug auf gesundes Altern charakterisierten. Die Studie definierte gesundes Altern als Erreichen des 70. Lebensjahres ohne Entwicklung einer chronischen Krankheit wie Diabetes, koronare Herzkrankheit oder Krebs. Die Analyse ergab, dass Personen, die hohe Konzentrationen von High-Density-Lipoprotein-Cholesterin, dem so genannten „guten Cholesterin“, des Fetthormons Adiponektin und des Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor-Bindungsproteins-2 sowie niedrige Triglyceridwerte aufwiesen, eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, im Alter ohne chronische Krankheiten zu leben, als ihre Altersgenossen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Kombinationen mehrerer Biomarker zu untersuchen, anstatt einzelne Moleküle isoliert zu betrachten“, erklärt Aleksandrova. Sie führt weiter aus: „Unsere Studie verlagert den Schwerpunkt von einzelnen Krankheiten auf ein zusammengesetztes Bild des gesunden Alterns. Anstatt zu versuchen, sich auf einzelne Moleküle und einzelne Krankheitsfolgen zu konzentrieren, sind wir daran interessiert, die komplexen Wege zu verstehen, die eine gesunde Langlebigkeit fördern. Dieser Paradigmenwechsel spiegelt sich auch in den Aktivitäten des Leibniz-Forschungsverbundes Altern und Resilienz wider, an dem unser Institut beteiligt ist. Wichtig ist, dass die Studie auch gezeigt hat, dass die günstigen Biomarkerprofile durch individuelle Verhaltensweisen beeinflusst werden können, z. B. durch ein gesundes Gewicht, Nichtrauchen und eine ausgewogene Ernährung – insbesondere durch den Verzicht auf stark verarbeitetes und rotes Fleisch und einen hohen Anteil an unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten.“
Das Team betont, dass weitere Studien mit einer breiteren Palette von Biomarkern erforderlich sind, um die biologischen Wege, die zur Erhaltung der Gesundheit im Alter beitragen, besser zu verstehen.
5 Tipps für gesundes Altern
Eine ausgewogene Ernährung einhalten:
Neben dem Verzehr von viel frischem Obst und Gemüse und einer begrenzten Aufnahme von verarbeiteten Lebensmitteln kann die Aufnahme von gesunden Fetten in die Ernährung dazu beitragen, den HDL-Cholesterinspiegel (HDL-C) zu erhöhen. So erhöhen beispielsweise Lebensmittel wie Avocados, Nüsse und fetter Fisch (wie Lachs und Makrele), den HDL-C-Spiegel.
Körperlich aktiv bleiben:
Regelmäßige Bewegung trägt zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit bei und kann den Adiponektinspiegel erhöhen, was wiederum Entzündungen reduziert und die Insulinresistenz verbessert. Empfehlenswert sind Aktivitäten wie Gehen, Laufen, Radfahren oder Schwimmen.
Auf ein gesundes Körpergewicht achten:
Die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts und die Reduzierung des Körperfetts sind wichtig, um niedrige Triglyceridwerte zu erhalten und die allgemeine Stoffwechselgesundheit zu fördern. Dies kann durch eine Kombination aus gesunder Ernährung und regelmäßiger körperlicher Betätigung erreicht werden.
Nicht rauchen:
Rauchen hat negative Auswirkungen auf die Lipidprofile und die allgemeine Gesundheit. Nicht zu rauchen oder mit dem Rauchen aufzuhören kann helfen, den HDL-C-Spiegel und andere wichtige Biomarker zu verbessern.
Stress und Ängste in den Griff bekommen:
Chronischer Stress kann negative Auswirkungen auf Entzündungen und den Stoffwechsel haben. Einfache Praktiken wie ausreichend Schlaf, Spazierengehen und Techniken wie Meditation, Yoga und Achtsamkeit können dazu beitragen, das Stressniveau zu senken und damit die allgemeine Gesundheit zu fördern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Krasimira Aleksandrova
Department: Epidemiological Methods and Etiological Research
Unit: Research Group Biomarkers and Metabolism
Phone:
+49 (0)421 218-56-816
e-mail:
aleksandrova@leibniz-bips.de
Originalpublikation:
Robin Reichmann, Matthias B Schulze, Tobias Pischon, Cornelia Weikert, Krasimira Aleksandrova, Biomarker signatures associated with ageing free of major chronic diseases: results from a population-based sample of the EPIC-Potsdam cohort, Age and Ageing, Volume 53, Issue Supplement_2, May 2024, Pages ii60–ii69, https://doi.org/10.1093/ageing/afae041
Blutdruck- und Cholesterinsenker lindern Post-COVID-19-Symptome
Lipoprotein hoher Dichte (High Density Lipoprotein, HDL) – das so genannte „gute Cholesterin“ – bietet einen Angriffspunkt für eine Behandlung des Post-COVID-19-Syndroms: Wie ein Team aus der Marburger Hochschulmedizin im Fachblatt „International Journal of Molecular Sciences“ schreibt, weisen Betroffene veränderte HDL-Lipoproteine auf. Behandelt man sie mit einer geeigneten Kombination von Cholesterinsenkern und Medikamenten gegen Bluthochdruck, so mildern sich die Symptome ab.
Mehr als 65 Millionen Patienten weltweit leiden an langanhaltenden Nachwirkungen einer COVID-19-Erkrankung, etwa an neurologischen, psychischen oder Herz-Kreislauf-Störungen, die man als Post-COVID-19 zusammenfasst. „Die vorherrschenden klinischen Symptome sind Müdigkeit, Atemnot, Konzentrationsstörungen, Kreislaufprobleme und Verdauungsbeschwerden, aber auch Angstzustände und Depressionen“, erläutert der Marburger Herzspezialist Professor Dr. Bernhard Schieffer, der die Post-Covid-Ambulanz an der Universitätsklinik Marburg leitet; er ist einer der Leitautoren der Publikation.
„Die Bandbreite in der Symptomatik und im Schweregrad ist groß, sie reicht von Leistungsminderung bis zu Herzrasen und Arbeitsunfähigkeit wegen chronischer Herzmuskelentzündung“, führt Mitverfasserin Dr. Elisabeth Schieffer aus. Rund 10 bis 15 Prozent der SARS-CoV-Infizierten sind von solchen Nachwirkungen betroffen. Auch nach einer Impfung gegen das Virus zeigen sich immer wieder bleibende Symptome; dieses Post-Impf-Syndrom weist Ähnlichkeiten mit Post-COVID-19 auf.
Bei Patientinnen und Patienten mit Post-COVID-19 deuten klinische Beobachtungen auf einen veränderten Fettsäurestoffwechsel hin. „Wir stellten die Hypothese auf, dass Veränderungen im Cholesterinstoffwechsel sowie eine langanhaltende Fehlsteuerung des Blutdrucks zumindest teilweise für Post-COVID-19-Symptome und langwierige Impfnachwirkungen verantwortlich sein könnten“, sagt Koautorin Dr. Ann-Christin Schaefer.
Um den Effekt von Cholesterin- und Blutdrucksenkern zu ermitteln, untersuchte das Team den Cholesterinwert von acht Betroffenen mit Post-COVID-19-Syndrom und acht mit Post-Impf-Syndrom und verglich die Ergebnisse mit denen von gesunden Kontrollpersonen.
„Im Vergleich zu den Kontrollpersonen wies das HDL-Cholesterin der Patientinnen und Patienten signifikante Veränderungen auf“, berichtet der Biologe Dr. Karsten Grote, ein weiterer Leitautor des Fachaufsatzes; die Veränderungen bei beiden Betroffenengruppen stimmten hingegen weitgehend überein.
Das Team verabreichte den Patientinnen und Patienten zweierlei Arzneimittel, nämlich den Cholesterinsenker Statin sowie Angiotensin-Rezeptorblocker, die gegen Bluthochdruck eingesetzt werden. Das Resultat: Durch Behandlung mit diesen Medikamenten verbessern sich die klinischen Symptome. Experimente mit Zellkulturen ergaben: Kultiviert man menschliche Endothelzellen mit dem HDL-Cholesterin von behandelten Patientinnen und Patienten, so verringert sich die Bildung von Entzündungsfaktoren. „Diese Beobachtungen können für künftige therapeutische Strategien richtungsweisend sein“, fasst Schieffer zusammen.
Professor Dr. Bernhard Schieffer leitet den Schwerpunkt Kardiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität und hat die Post-Covid-Ambulanz an der Universitätsklinik Marburg aufgebaut. Neben seiner Arbeitsgruppe beteiligten sich weitere Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Publikation, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Dr.-Reinfried-Pohl-Stiftung sowie den Open-Access-Publikationsfonds der Philipps-Universität Marburg gefördert wurde.
Originalveröffentlichung: Karsten Grote, Ann-Christin Schaefer & al.: Targeting the High-Density Lipoprotein Proteome for theTreatment of Post-Acute Sequelae of SARS-CoV-2, International Journal of Molecular Sciences 2024, DOI: https://doi.org/10.3390/ijms25084522
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Bernhard Schieffer
Schwerpunkt Kardiologie
Tel.: 06421 28-66462
E-Mail: sekretariat.kardiologie@uk-gm.de
Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
Vom 18.-20. April 2024 waren Expertinnen aus der Wasserforschung an der TH Lübeck für einen Workshop der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Gast. Ziel der Veranstaltung ist der Austausch und die Entwicklung längfristiger Forschungskooperationen zwischen jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen in der Wasserforschung.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit der Initiative „Unterstützung der Internationalisierung von Forschung an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (UDIF-HAW)“ HAWs, die sich für internationale Forschungskooperationen interessieren oder diese ausbauen möchten. In verschiedenen Veranstaltungsformaten tauschen sich Forschende deutscher HAWs mit internationalen Forscher*innen aus verschiedenen Zielländern aus, mit dem Ziel Forschungspartnerschaften zu bilden. In diesem Rahmen fand vom 18.-20. April 2024 an der Technischen Hochschule Lübeck bereits der zweite DFG Workshop zum Thema nachhaltiger Wasserbewirtschaftung in Zusammenarbeit mit Jordanien statt.
Die Präsidentin der TH Lübeck, Dr. Muriel Helbig, eröffnete die Veranstaltung: „Es ist großartig, dass dieser Austausch stattfindet. Im Hinblick auf die zahlreichen Krisen und Kriege, die in diesem Moment die Welt erschüttern, ist es umso wichtiger, dass die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zusammenarbeitet und voneinander lernen kann. Die Ressourcen sind knapp und werden gerade in wärmeren Regionen der Erde noch knapper. Wasserforschung international zu betreiben und die Stärken der jordanischen Universitäten und deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu nutzen, ist genau der richtige Ansatz.“
Wasserbewirtschaftung: Strategien für eine nachhaltige Zukunft
In der DFG Veranstaltungsreihe „Water nexus research – challenges and strategies for a sustainable future“ (Wasser-Nexus-Forschung – Herausforderungen und Strategien für eine nachhaltige Zukunft) kamen am 15. Februar 2022 erstmals rund 70 Forschende deutscher HAWs und jordanischer Hochschulen zu einem Austausch ihrer Forschungsschwerpunkte und –ideen zusammen. Dr. Christoph Külls, Professor für Hydrologie und Internationale Wasserwirtschaft vertrat dabei die Technische Hochschule Lübeck. Er erläuterte den ganzheitlichen Ansatz von „Water Nexus Research“.
Alles ist miteinander verbunden: der Nexus-Ansatz
Nexus ist ein lateinisches Wort und bedeutet Verbindung/Gefüge. Der Nexus-Ansatz ist neben der Integration von sozioökonomischen Aspekten eines der zentralen Leitbilder des integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM). Der Ansatz berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den eng verbundenen Sektoren Wasserwirtschaft, Energie- und Nahrungsmittelerzeugung. Das heißt, dass im Hinblick auf Ressourcenknappheit, die Bewirtschaftung der Ressourcen Wasser, Energie, Land gemeinsam betrachtet werden, um eine nachhaltige Sicherung der Grundversorgung zu erreichen.
Gemeinsame Wasserforschung
Der zweite DFG Workshop vertiefte die Vernetzung der jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen nach einer Delegationsreise in Jordanien weiter. Über zwei Tage hinweg vernetzten sich die internationalen Expertinnen an der TH Lübeck, gaben sich gegenseitig Einblicke in ihre Forschungstätigkeiten und analysierten, welche Faktoren zu einer erfolgreichen Forschungskooperation zwischen Jordanien und Deutschland beitragen können.
Weitere Informationen:
https://www.dfg.de/de/foerderung/foerdermoeglichkeiten/programme/inter-foerderma… Aufbau internationaler Kooperationen
https://www.dfg.de/de/dfg-profil/internationale-zusammenarbeit/udif-haw-initiati… Internationale Zusammenarbeit
https://www.bmz.de/de/themen/wasser/wasserpolitik/integriertes-wasserressourcenm… Der Nexus Ansatz
Welche Infrastrukturen benötigt die Wasserstoffwirtschaft bis 2050?
Europa wird einen Mindestbedarf von 700 TWh Wasserstoff in 2050 haben. Stahl- und Chemieindustrie werden dann die großen Treiber einer Wasserstoffwirtschaft sein und eine große Nachfrage nach Importen und Elektrolyseuren erzeugen. Um die auseinanderliegenden Zentren von Produktion, Speicherung und Verbrauch zu verbinden, braucht es ein europaweites Pipelinenetz. Zu diesen und weiteren Erkenntnissen kommt das aktuelle White Paper des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE-Systemanalyse des BMBF, koordiniert von Fraunhofer IEG und DECHEMA e.V.
Betrachtet haben die Forschenden die Nachfrage von Industrie, Haushalten und Transportsektor. Nach 2030 erwarten sie erhebliche Kostensenkungen bei grünen Energieträgern, doch würden diese nicht reichen, um Niedertemperatur-, Heiz- und Prozesswärme wirtschaftlich zu erzeugen. Insgesamt haben die Forschenden einen Mindestbedarf von 700 TWh gasförmigen Wasserstoff für Europa und Großbritannien im Jahr 2050 ermittelt. Wasserstoff ist nur dann förderlich für die Umsetzung der Energiewende, wenn die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit den jeweiligen Bedarfen entspricht. Wasserstoff wird demnach vor allem bei Hochtemperatur- und energieintensiven Prozesswärmeanwendungen benötigt, sowie als Rohstoff in der Industrie und der zentralen Strom- und Fernwärmeerzeugung.
Stahl- und Chemieproduktion mit großem Wasserstoffbedarf
Im Industriesektor seien es vor allem die Stahlerzeugung und damit verbundene Hochtemperaturprozesse, die allein mit 200 bis 300 TWh Wasserstoff-Bedarf zu Buche schlügen. Vorteil: Die Stahlindustrie benötige große Mengen klimaneutralen Wasserstoffs, könne aber auch flexibel auf Mischungen von Wasserstoff mit Erdgas umsteigen, was eine kontinuierliche Transformation unterstütze.
Auch die chemische Industrie könne eine wichtige Triebfeder für den Ausbau der europäischen Wasserstoffinfrastruktur darstellen. Denn die Produktion von grünem Ammoniak oder hochwertigen Chemikalien benötige große Mengen an Wasserstoff. Co-Koordinator Mario Ragwitz, Institutsleiter am Fraunhofer IEG: »Allerdings ist es ungewiss, ob die komplette Wertschöpfungskette von Sonnen- und Windstrom über die Wasserstoffproduktion bis zur Produktion verschiedener Chemikalien in Europa realisiert werden kann. Importe von Zwischenprodukten wie grünem Methanol oder Ammoniak könnten die Nachfrage nach Wasserstoff im europäischen Industriesektor reduzieren. Daher wurden diese Sensitivitäten im Rahmen von TransHyDE betrachtet.«
Transportwesen als zweitwichtigster Abnehmer
Zweitwichtigster Abnehmer von Wasserstoff sei das Transportwesen. Co-Autor Christoph Nolden, Geschäftsbereichsleiter Netze, Energie- & Verfahrenstechnik am Fraunhofer IEG: »Der internationale Flug- und Schiffsverkehr ist auf synthetische Kraftstoffe, die auf Wasserstoff basieren, angewiesen. Dies erzeugt einen Wasserstoffbedarf von insgesamt 450 TWh für grüne Kraftstoffe in 2050. Größter Unsicherheitsfaktor im Transportsektor ist der Wettbewerb zwischen der direkten Elektrifizierung und dem Antrieb durch Wasserstoff per Brennstoffzelle in Schwerlast-LKWs. Verschiedene Szenarien zeigen einen zusätzlichen Bedarf von bis zu 380 TWh in 2050, wenn 40% der Schwerlast-LKWs mit Brennstoffzellen ausgestattet wären.«
Produktion von Wasserstoff in Europa
Die Produktion von Wasserstoff in Europa hänge – so die Forschenden – davon ab, ob die ambitionierten Ziele zum Ausbau von europäischen Wind- und Solaranlagen erreicht würden.
Die Rolle der Elektrolyse in der Sektorkopplung werde sich, so Co-Koordinator Florian Ausfelder, Fachbereichsleiter Energie und Klima bei der DECHEMA e.V. während des Markthochlaufs erheblich entwickeln: »Zunächst werden Elektrolyseure in Cluster integriert, um die sichere und kontinuierliche Lieferung von Wasserstoff für die industrielle Nutzung zu gewährleisten. Sobald die Wasserstoffinfrastruktur etabliert ist, können Elektrolyseure in das Netz einspeisen und gleichzeitig Flexibilität im Stromnetz bieten: So können Netzbetreiber Elektrolyseure einsetzen, um den Ausbaubedarf des Stromnetzes und damit Kosten zu reduzieren.« Zu beachten bliebe: Gerade zu Beginn des Markthochlaufs könne grüner Wasserstoff fehlen, um den Bedarf zu befriedigen. Während dieser Phase müssten Alternativen wie blauer Wasserstoff den bestehenden Bedarf decken.
Transport und Speicherung von Wasserstoff und seinen Derivaten
Co-Autor Tobias Fleiter, Leiter des Geschäftsfelds Nachfrageanalysen und -projektionen beim Fraunhofer ISI: »Die Versorgungssicherheit und die Transformation in eine Wasserstoff-Wirtschaft hängen auch vom Ausbau der entsprechenden Transport- und Speicherinfrastruktur ab. Die Modellierungsergebnisse zeigen, dass ein geeignet dimensioniertes Wasserstoff- Kernnetz die Versorgung der Wasserstoff-Nachfrage bei minimalen Gesamtsystemkosten ermöglicht.« Das Kernnetz könne die potentiellen Erzeuger von Erneuerbaren Energien, vor allem im europäischen Norden und Süden, mit den unterirdischen Speichern und Industriezentren in Mitteleuropa verbinden.
Co-Autorin My Yen Förster, DECHEMA e.V.: »Die Umnutzung ehemaliger Erdgaspipelines spielt eine entscheidende Rolle in der Transformation des deutschen und europäischen Energiesystems. Die Forschungsergebnisse bestätigen, dass mit dieser Umnutzung die Versorgungsanforderungen in verschiedenen Szenarien befriedigt werden können. Importe aus Nicht-EU Ländern scheinen dann besonders wettbewerbsfähig zu sein, wenn sie an Pipelines gebunden sind.« Pipelinegebundene Einfuhren könnten über die MENA-Region (Mittlerer Osten und Nordafrika) erfolgen. Importe von Wasserstoffderivaten oder Zwischenprodukten, wie Ammoniak oder Eisenschwamm seien voraussichtlich kostengünstiger als ihre Produktion in Europa.
Beteiligte Partner
Zum White Paper beigetragen haben neben der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG und der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. auch Mitarbeitende von: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH, Forschungsstelle für Energiewirtschaft FfE, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, VNG AG, Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH, Technische Universität Berlin, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Das Leitprojekt TransHyDE wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Christoph Nolden christoph.nolden@ieg.fraunhofer.de
Originalpublikation:
https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/lw_resource/datapool/systemfiles/element…
Weitere Informationen:
http://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/TransHyDE.html
http://www.ise.fraunhofer.de/en/research-projects/transhyde.html
http://www.wasserstoff-leitprojekte.de/leitprojekte/transhyde
Klima- und Umweltethik im Fokus
Die Europäische Union will Klimawandel und Umweltzerstörung bekämpfen und den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen. Technologien wie die Künstliche Intelligenz können dabei ebenso schädlich wie hilfreich sein. So können KI-Anwendungen etwa Umweltbelastungen in der Landwirtschaft mindern. Gleichzeitig erfordern sie aber einen hohen Einsatz von Computerressourcen – mit weiteren Belastungen für Mensch und Umwelt. Das Projekt “RE4GREEN” soll beim geplanten Wandel auf die Klima- und Umweltethik fokussieren. Die Europäische Union fördert das Vorhaben in den nächsten drei Jahren mit insgesamt drei Millionen Euro.
„Gemeinsam in Wissenschaft und Gesellschaft müssen wir mehr Anstrengungen unternehmen, um den Klimawandel aufzuhalten und den enormen Verlust an Biodiversität nicht weiter zuzulassen“, sagt Professor Dr. Dirk Lanzerath, Leiter des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) der Universität Bonn und Koordinator des Projektes “RE4GREEN”. „Gerade die Verantwortung von uns Forschenden bereits im Forschungsprozess und bei der Auswahl von Forschungsthemen und -zielen ist hier ausgesprochen hoch.“ Für diese Fragestellungen schon junge Forschende zu sensibilisieren und dies auch zu einem zentralen Anliegen ethischer Verantwortlichkeit von Forschungseinrichtungen wie Universitäten zu machen, ist Gegenstand vom neu eingeworbenen EU-Projekt RE4GREEN. An dem Vorhaben beteiligen sich von der Universität Bonn neben dem Deutschen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) auch die Landwirtschaftliche Fakultät, das Center for Life Ethics und der Transdisziplinäre Forschungsbereich “Sustainable Futures”.
Technische Innovationen und andere Forschungsvorhaben können für Klimawandel oder Biodiversitätsverlust ebenso schädlich wie hilfreich sein. So kann ein gezielter Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Präzisionslandwirtschaft beispielsweise zu einem geringeren Einsatz von Pestiziden und niedrigerem Wasserverbrauch beitragen. Gleichzeitig sind derartige Anwendungen jedoch mit dem emissionsintensiven Betrieb von Serverfarmen und umweltschädlicher Gewinnung von Edelmetallen verknüpft. “Ethische Problemstellungen in diesem Zusammenhang wurden im europäischen Forschungsraum bisher nur oberflächlich adressiert”, sagt Lanzerath.
RE4GREEN befasst sich insbesondere damit, vorhandene forschungsethische Prinzipien um Einsichten aus der Klima- und Umweltethik zu ergänzen, um auf diese Weise einen interdisziplinären und Wirtschaftssektoren übergreifenden Beitrag zu einem umweltbewussten Gesellschaftswandel zu leisten. Die Universität Bonn übernimmt hierbei die Koordination von insgesamt 15 inner- und außereuropäischen Institutionen. Neben den europäischen Partnerinstitutionen beteiligen sich Universitäten aus Japan, Südkorea und Südafrika. Gefördert wird das Projekt für einen Zeitraum von drei Jahren mit insgesamt drei Millionen Euro.
Die EU hat bereits erste Schritte unternommen, Umweltaspekte in die Forschungsethik einzubetten. Ein Beispiel ist das „Do no significant harm“-Prinzip, das sicherstellen soll, dass keine bedeutsamen sozialen oder umweltbezogenen Zielsetzungen durch institutionelles Handeln verletzt werden. Doch werden konkretere Forderungen der Umwelt- und Klimaethik im europäischen Forschungsraum derzeit nur in geringem Ausmaß berücksichtigt, so die RE4GREEN-Forschenden. Bestrebungen hin zu einer nachhaltigeren oder „grüneren“ Wirtschaftsweise würden in vielen Fällen nicht in die Tat umgesetzt, weil Unsicherheit darüber herrsche, welche Maßnahmen als förderlich oder welche Innovationen als zielführend erachtet werden können.
RE4GREEN versucht, zukünftigen Forschungsvorhaben dahingehend eine Orientierung zu bieten: So sollen die Ergebnisse des Umwelt- und Klimaethischen Diskurses gesichtet und in praktische Leitlinien übersetzt werden. Ethische Trainings sollen es Beteiligten zukünftig erleichtern, in Hinsicht auf diese Problemfelder kompetente Entscheidungen zu treffen. „Wir brauchen einen praktischen, ethischen Rahmen, der zentrale ethische Prinzipien bewahrt und fördert und zugleich einen schnellen und effektiven Grünen Wandel in der Europäischen Union herbeiführt“, sagt Mihalis Kritikos, Policy Analyst der Europäischen Kommission. Der EU zufolge gilt es hier, größere Aufmerksamkeit für klima- und umweltbezogene Aspekte bei der Durchführung von Forschungsaktivitäten zu erzielen und diese durch entsprechende Trainings langfristig aufrecht zu erhalten. Hierzu gilt es, zunächst zentrale ethische Problemfelder auszumachen, um sie dann auf vorhandene, umweltrelevante Anwendungsbereiche übertragen zu können.
Eine Besonderheit von RE4GREEN ist die Arbeit in sogenannten “social labs”, bei denen betroffene Personengruppen aktiv in den Forschungsprozess eingebunden werden sollen. Damit soll eine akademische beschränkte Perspektive verhindert und praxistaugliche Ergebnisse erzielt werden. Die social labs sollen folgende Themenbereiche abdecken: 1. Gesundheit, Kultur und inklusive Gesellschaft sowie innere Sicherheit; 2. Digitales, Industrie und Weltraum; 3. Klima und Mobilität; 4. Energie; 5. Nahrung, Bioökonomie, Landwirtschaft und Umwelt sowie 6. Böden, Wasser, Meere und natürliche Ressourcen. Ein internationaler Beirat aus Akteurinnen und Akteuren mit vielfältiger Expertise steht “RE4GREEN” nicht nur betreuend zur Seite, sondern soll auch im Rahmen der social labs zu einer breiteren Perspektive beitragen.
Förderung:
Das Projekt wird im Rahmen des europäischen Forschungsförderungsprogrammes „Horizon Europe“ finanziert. Der Antrag hierzu wurde in Kooperation mit den internationalen Partnerinstitutionen im Vorjahr ausgearbeitet. Der Arbeitsprozess wurde dabei durch den Transdisziplinären Forschungsbereich “Sustainable Futures” an der Universität Bonn gefördert.
Beteiligte Institutionen:
Die Universität Bonn als koordinierende Institution kooperiert in RE4GREEN mit dem European Network of Research Ethics Committees (EUREC), Trilateral Research (TRI IE), der University Twente (UT), dem Austrian Institute of Technology (AIT), der Aarhus University (AU), der National Technical University of Athens (NTUA), der European Association of Research Managers & Administrators (EARMA), der European Citizen Science Association (ECSA), der Korean University (KU), der Universitat Autonoma de Barcelona (UAB), der University of Cape Town (UCT), den VU Amsterdam Medical Centers (VUMC), der NGO Women Engage for a Common Future (WECF) und der University of Tokyo.
Kontakt:
Dorothee Güth
Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE)
Universität Bonn
Tel. +49 228 738110
E-Mail: gueth@drze.de
www.drze.de
Weitere Informationen:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLA3ac5OPI2Cx4kTRv5uODLU3l6d7Bz7PQ
Klimaforschung in Gewässern: ParKli Wassersensorik zum Nachbauen
Die Hochschule Reutlingen, das Herman Hollerith Zentrum (HHZ) Böblingen und die open science for open societies gGmbH haben gemeinsam im Rahmen des Forschungsprojekts „ParKli – Partizipative Frühwarnsysteme zur Bekämpfung lokaler Folgen des Klimawandels durch Citizen Science Aktivitäten in der Umweltinformatik“ an der Entwicklung eines Wassersensors gearbeitet, um ein Langzeitmonitoring zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden am 21. Juni bei der Abschlussveranstaltung präsentiert.
Gewässer erbringen wesentliche Ökosystemdienstleistungen, die für das Überleben und Wohlergehen der Menschheit essenziell sind. Dazu zählen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, die Regulierung des Klimas und der Atmosphäre sowie die Bereitstellung von Nahrung und Erholungsräumen. Aquatische Ökosysteme unterstützen zudem die biologische Vielfalt, regulieren den Wasserhaushalt und tragen zur Bodenbildung bei. Diese Faktoren sind besonders wichtig, da sie helfen, natürliche Schwankungen und Störungen abzufedern und die Resilienz gegenüber Umweltveränderungen zu erhöhen.
Die Erwärmung der Atmosphäre hat direkte Auswirkungen auf den Wasserkreislauf, was zu veränderten Niederschlagsmustern, erhöhter Verdunstung und einer Intensivierung von Wetterextremen führt. In der Folge erleben wir häufigere und intensivere Hochwasser sowie verlängerte Dürreperioden, die den Wasserstand und die Wasserqualität beeinträchtigen. Diese Veränderungen bedrohen die Fähigkeit der Gewässer, ihre essenziellen Dienstleistungen zu erbringen, und erhöhen das Risiko von Schadstoffausbreitung und Eutrophierung. Der Anstieg der Gewässertemperatur kann ebenfalls die Lebensbedingungen für aquatische Arten verschlechtern und die biologische Vielfalt sowie die ökologische Funktionalität von Gewässerökosystemen verringern. Die Überwachung und das Monitoring ermöglichen es, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität und zur Förderung der Resilienz gegenüber dem Klimawandel einzuleiten. Dies trägt zur langfristigen Sicherung der Ökosystemdienstleistungen bei und unterstützt die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen.
Daher haben die Hochschule Reutlingen, das Herman Hollerith Zentrum (HHZ) Böblingen und die open science for open societies gGmbH im Rahmen des Forschungsprojekts „ParKli – Partizipative Frühwarnsysteme zur Bekämpfung lokaler Folgen des Klimawandels durch Citizen Science Aktivitäten in der Umweltinformatik“ an der Entwicklung eines Wassersensors gearbeitet, um ein Langzeitmonitoring zu ermöglichen. Der Sensor mit Boje kann kostengünstig nachgebaut werden, da alle Anleitungen und Spezifikationen als Open Source verfügbar sind.
Im Rahmen eines Hackathons, in Zusammenarbeit mit Studierenden des Studienganges Human-Centered-Computing organisiert, konnten Daten des Wassersensors bereits analysiert und veranschaulicht sowie der Umgang mit der Plattform aktiv geübt werden.
Der ParKli-Wassersensor zur Überprüfung der Wasserqualität erzeugt hochwertige Messreihen der Parameter pH-Wert, Trübung, Leitwert und Temperaturen in unterschiedlichen Wasserschichten. Bei der schwierigen und umfassenden Aufgabe der Gewässerüberwachung kann er daher eine sinnvolle Unterstützung, z.B. für Angelvereine bieten, die oft für die Gewässerüberwachung zuständig sind.
Das Forschungsprojekt ParKli wird durch die Baden-Württemberg Stiftung im Programm “Innovationen zur Anpassung an den Klimawandel” gefördert.
Einladung zur Projektabschlussveranstaltung:
Erfahren Sie mehr über die Projektergebnisse und Erfolge des Projektes. Freuen Sie sich auf inspirierende Beiträge, Anwendungsbeispiele und Diskussionen bei der Projektabschlussveranstaltung am 21. Juni.
Hinweis zur Teilnahme:
Datum und Uhrzeit: 21. Juni 2024, 09:00 bis 15:00 Uhr
Ort: Herman-Hollerith-Zentrum, Danziger Str. 6, 71034 Böblingen.
Für Ihr leibliches Wohl wird gesorgt sein. Die Veranstaltung ist kostenlos.
Wir bitten um Ihre Anmeldung über den folgenden Link: https://forms.office.com/pages/responsepage.aspx?id=ZpRioBVYukuhdNr4zK874VG6q5gR…
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dieter Hertweck
Herman Hollerith Zentrum
Hochschule Reutlingen
dieter.hertweck@reutlingen-university.de
Reiner Braun
open science for open societies – os4os gGmbH
reiner@os4os.org
Weitere Informationen:
http://www.parkli.de Projektwebseite
Anhang
Einladung & Programm Abschlussveranstaltung
Mit maßgeschneiderten Konzepten gegen den Fachkräftemangel
Das Ferdinand-Braun-Institut engagiert sich gemeinsam mit dem Aus- und Weiterbildungsnetzwerk Hochtechnologie (ANH Berlin) für die Sicherung des Nachwuchses im Hightech-Bereich. Neben einer Vielzahl von Initiativen für alle Qualifikationsstufen bietet das Institut im Herbst dieses Jahres wieder drei Ausbildungsplätze für Mikrotechnolog*innen an. Ausbildungsplätze in weiteren technisch-naturwissenschaftlichen Berufen vermittelt ANH Berlin.
Kluge Köpfe für Forschung und Entwicklung in der Hochtechnologie zu gewinnen, ist eine der zentralen Herausforderungen der Branche. Viele Berufsbilder sind nach wie vor zu wenig bekannt, gelten als „zu langweilig“ oder „zu anspruchsvoll“. Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) und das am Institut angesiedelte ANH Berlin setzen daher auf maßgeschneiderte Lösungen. So beteiligt sich das FBH aktiv an der akademischen Lehre und betreut Abschlussarbeiten und Promotionen. Zudem sollen Jugendliche für eine duale Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich begeistert werden.
Von der Berufsorientierung bis zum Quereinstieg
Die von ANH Berlin bereits zum siebten Mal organisierte Ausbildungs-Allianz-Adlershof (AAA) ist nur ein Beispiel für die Wirksamkeit zielgerichteter Angebote – auch in Zeiten akuten Fachkräftemangels. 25 Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie mehr als 200 Schülerinnen ab der 9. Klasse nahmen Anfang Juni an dem Event teil. Im Anschluss an eine Berufsorientierungsmesse erkundeten die Jugendlichen die Unternehmen, erhielten Einblicke in reale Arbeitsumgebungen wie Reinräume und Labore und informierten sich über potenzielle Karrierewege. Die authentische Erfahrung begeisterte die Schülerinnen, während die Unternehmen den direkten Kontakt zu potenziellen Auszubildenden schätzten. Auch die Lehrerinnen betonten den Nutzen der Veranstaltung für die fundierte Berufswahl ihrer Schülerinnen.
„Motivierte, qualifizierte und gut eingearbeitete Mitarbeiter*innen sind das Rückgrat jedes Unternehmens. Das gilt umso mehr für die wissens- und forschungsintensiven Tätigkeiten, die wir am FBH zu bieten haben“, betont Prof. Dr. Patrick Scheele, wissenschaftlicher Geschäftsführer des FBH. „In einem so spezifischen Sektor wie unserem helfen Standardlösungen nicht weiter. Wir wollen die Menschen dort abholen, wo sie sind – auf Augenhöhe und mit den passenden Angeboten.“
Ein solches Angebot ist auch die Qualifizierung zur „Fachkraft Elektronikfertigung“, die ANH Berlin gemeinsam mit Partnern speziell für Quereinsteigerinnen konzipiert hat. Das niedrigschwellige Angebot ist auf fünf Monate angelegt und richtet sich an Menschen, die sich beruflich verändern möchten, wie auch an Arbeitsuchende. Nach Abschluss fertigen und prüfen Absolventinnen beispielsweise mikroelektronische und mikrooptische Baugruppen. Seit 2023 haben bereits 56 Teilnehmer*innen dieses Programm erfolgreich abgeschlossen oder befinden sich derzeit in der Ausbildung.
Das FBH wird auch in Zukunft seine Bemühungen intensivieren, um die Fachkräftesicherung weiter voranzutreiben und reizvolle Karriereperspektiven für den Nachwuchs zu bieten. So bietet das Institut im September dieses Jahres auch wieder Ausbildungsplätze im Bereich Mikrotechnologie. Zahlreiche weitere Ausbildungsplätze in der Hightech-Branche vermittelt ANH Berlin.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Ausbildungsnetzwerk Hochtechnologie Berlin
Marten Klein
Tel. 030/6392-3326
marten.klein@fbh-berlin.de
Weitere Informationen:
https://www.fbh-berlin.de/karriere/ausbildung-am-fbh – aktuelle Ausbildungsplätze am FBH
https://www.anh-berlin.de/ausbildungsplaetze – weitere durch ANH Berlin vermittelte Ausbildungsplätze im Hightech-Bereich
Die Kläranlage als Rohstoffquelle – Winfried Kretschmann besucht das Lehr- und Forschungsklärwerk der Universität
Am 6. Juni 2024 war Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Gast im Lehr- und Forschungsklärwerk Büsnau. Forschende der Universität Stuttgart und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigten an einer Pilotanlage, wie Kläranlagen durch die Rückgewinnung von Rohstoffen zur Klimaneutralität beitragen können.
„Das Lehr- und Forschungsklärwerk der Universität Stuttgart verfolgt ein großes Ziel: Aus Abwasser sollen wertvolle Rohstoffe gewonnen und wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. So kann der organische Kohlenstoff des Abwassers nachhaltig genutzt werden. Zudem arbeitet man im Forschungsklärwerk daran, den hohen Ausstoß von klimaschädlichen Gasen in herkömmlichen Klärwerken zu verringern“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Doch hier wird nicht nur auf hohem Niveau getüftelt. Schließlich ist das Klärwerk auch eine Ausbildungsstätte für das Personal in Abwasseranlagen und unterstützt Firmen bei der Entwicklung von Anlagentechnik. Damit fördert das Klärwerk die wichtige Durchlässigkeit von der Wissenschaft in die Anwendung.“
In unserem Abwasser stecken nicht nur Schmutz und Ausscheidungen, sondern auch wertvolle Rohstoffe wie Stickstoff und organische Kohlenstoffverbindungen. Mithilfe chemischer, biologischer und physikalischer Verfahren können diese Rohstoffe aus Abwasser zurückgewonnen werden, um daraus Produkte wie Dünger, Wasserstoff und Biokunststoff herzustellen. Diesen Prozess erforscht seit 2021 das Projekt KoalAplan („Kommunales Abwasser als Quelle für Ammoniumstickstoff, Wasserstoff und Bioplastik – die Bioraffinerie Büsnau“).
Wissenschaftler*innen der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universität Stuttgart, des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), der Technischen Universität Hamburg und der Technischen Universität Clausthal arbeiten im Projekt KoalAplan gemeinsam mit der Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz in Baden-Württemberg (Umwelttechnik BW). KoalAplan wird gefördert vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Es ist Teil der Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie für Baden-Württemberg“.
Im Lehr- und Forschungsklärwerk Büsnau der Universität Stuttgart testen die Forschenden unter realen Bedingungen, wie die Rückgewinnung von Rohstoffen in Klärwerken großtechnisch realisiert werden kann. Hierfür wurde eine Bioraffinerie als Pilotanlage eingerichtet, die seit 2023 erfolgreich im Dauerbetrieb ist. Bei seinem Besuch am 6. Juni informierte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann über bisherige Projekterkenntnisse.
Bioraffinerie im erfolgreichen Dauerbetrieb
Peter Maurer, Leiter des Lehr- und Forschungsklärwerks der Universität Stuttgart, und Prof. Dr. Harald Horn, Koordinator des Projekts KoalAplan und Professor für Wasser und Wassertechnologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), führten Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie eine Gruppe von Medienvertreter*innen durch die Bioraffinerie und erklärten das angewandte Verfahren.
Normalerweise entsteht aus dem organischen Kohlenstoff beim Durchlaufen eines Klärwerks Kohlendioxid. „Unser Verfahren reduziert die Entstehung dieses klimaschädlichen Gases. Gleichzeitig gewinnen wir Rohstoffe, die dabei helfen, erdölbasierte Stoffe zu ersetzen. Mit dieser zweigleisigen Strategie könnten die Klärwerke der Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität leisten“, sagt Prof. Dr. Harald Horn.
Traditionelle Verfahren der Abwasserbehandlung werden durch neue Bausteine erweitert
Das von der Projektgruppe angewandte Konzept zur Abwasserbehandlung besteht aus chemischen, physikalischen und biologischen Prozessschritten. Im Rahmen der Vorklärung findet zunächst eine mechanische Reinigung statt. Grober Schmutz wird beseitigt, hier wird bereits ein Drittel des organischen Kohlenstoffs abgetrennt. Mithilfe von feinsten Mikrosieben wird im Anschluss ein weiteres Drittel des Kohlenstoffs aus dem Hauptabwasserstrom abgetrennt. „Die Mikrosiebe sind ein Kernstück unserer Idee. Der Kohlenstoff, der uns nach diesem Schritt vorliegt, ist so hochkonzentriert, dass er in der Biotechnologie eingesetzt werden kann“, sagt Professor Horn.
In der Folge wird im Hauptstromverfahren Ammoniumstickstoff mittels Ionentauscher entfernt. Dabei entsteht ein Produkt, das als Düngemittel eingesetzt werden kann. Die abfiltrierten Feststoffe sowie der Primärschlamm werden im Nebenstromverfahren durch saure Hydrolyse zunächst in organische Säuren umgewandelt, dabei entstehen auch Biowasserstoff und CO2.
Das Hydrolysat wird filtriert und mittels mikrobieller Elektrolyse zu Wasserstoff umgesetzt. Wasserstoff findet vielfältige Anwendung in der chemischen Industrie und gilt als zukünftiger Energieträger. Die Gasströme aus mikrobieller Elektrolyse und Dunkelfermentation werden in einer Machbarbarkeitsstudie in einem biotechnologischen Prozess für die Produktion wertvoller Chemikalien verwertet, dabei wird auch das enthaltene Kohlenstoffdioxid wieder fixiert. Der im Ablauf der mikrobiellen Elektrolysezelle verbleibende organische Kohlenstoff wird anschließend zu einem Grundstoff für Bioplastik fermentiert. Zum Schluss geht das Abwasser im Hauptstrom den in einer traditionellen Kläranlage üblichen Weg: Verbleibender Stickstoff und Kohlenstoff wird in mehreren Schritten abgebaut, anfallende Schlämme landen im Nachklärbecken, in dem Methan gewonnen wird.
„Unsere Bioraffinerie hat seit dem letzten Jahr im Dauerbetrieb gezeigt, dass die Prozesskette funktioniert. Das Verfahren könnte also auch in anderen Klärwerken umgesetzt werden“, sagt der Leiter des Forschungsklärwerks Peter Maurer. „Wir hoffen, dass wir mit dem Pilotprojekt andere Unternehmen für die Potenziale von bioökonomischen Strategien sensibilisieren können. Unser Beispiel zeigt, dass man den Verbrauch fossiler Rohstoffe reduzieren und dadurch sogar Kosten sparen und neue Produkte vermarkten kann.“
Das Lehr- und Forschungsklärwerk Büsnau
Im Lehr- und Forschungsklärwerk Büsnau forschen und experimentieren Studierende, Doktorandinnen und Forschungsgruppen seit 1965 im halbtechnischen und großtechnischen Maßstab zu innovativen Verfahren für die Abwasserbehandlung. Das Lehr- und Forschungsklärwerk ist angegliedert an das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart. Es dient nicht ausschließlich der Forschung, sondern behandelt auch die Abwässer von 8500 Einwohnerinnen eines Stuttgarter Stadtteils. Ein Teilstrom des kommunalen Abwassers wird durch die KoalAplan- Pilotanlage des Projekts geleitet.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Peter Maurer, Leiter des Lehr- und Forschungsklärwerks der Universität Stuttgart, Tel.: +49 711 685-63724, E-Mail: peter.maurer@iswa.uni-stuttgart.de
https://www.iswa.uni-stuttgart.de/de/
Prof. Dr. Harald Horn, Professor für Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT und Leiter des Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie an der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), E-Mail: harald.horn@kit.edu
https://www.dvgw-ebi.de/
Weitere Informationen:
https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/meldungen/Die-Klaeranlage-al…
https://www.f02.uni-stuttgart.de/nachhaltigkeit/nachhaltige-forschung/lehr-und-f…
Daten schützen im Umgang mit freizugänglicher KI? Studie mit der ISM zeigt erhebliches Risiko
Im Umgang mit freizugänglichen KI-Lösungen liegt ein großes Datenschutzrisiko in deutschen Unternehmen. Dies zeigt eine Umfrage der Shamundi Consulting in Zusammenarbeit mit der International School of Management (ISM) und vier deutschen Technologieunternehmen unter der Leitung von Kishor Sridhar. Der ISM-Dozent für Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt auf den Themen New Work und Führung befragte mit seinem Team 750 Führungskräfte in deutschen Unternehmen zu ihrer KI-Nutzung.
München, 06.06.2024. Im Umgang mit freizugänglichen KI-Lösungen liegt ein großes Datenschutzrisiko in deutschen Unternehmen. Dies zeigt eine Umfrage der Shamundi Consulting in Zusammenarbeit mit der International School of Management (ISM) und vier deutschen Technologieunternehmen unter der Leitung von Kishor Sridhar. Der ISM-Dozent für Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt auf den Themen New Work und Führung befragte mit seinem Team 750 Führungskräfte in deutschen Unternehmen zu ihrer KI-Nutzung.
Das Thema Datenschutz hat in Europa einen großen Stellenwert, so der Eindruck, den man aus den politischen Entwicklungen der letzten Jahre und den daraus resultierenden Gesetzen gewinnt. Dennoch gibt es bei Unternehmen in Deutschland ein großes Datenschutzrisiko im Umgang mit freizugänglicher KI – so das Fazit der Studie. Und auch die Aufklärung der Mitarbeiter zu dem Thema kommt in der Wahrnehmung der Befragten bislang zu kurz.
Eine Frage an die Führungskräfte lautete: Gibt es in ihrem Unternehmen spezifische Vorgaben bzw. Restriktionen im Umgang mit internen oder kundenspezifischen Daten und der Verwendung offener KI Systeme? Fast zwei Drittel der Befragten (62%) beantworteten dies mit „Nein“. Nur 24% gaben an, über solche Vorgaben zu verfügen. Weitere 13% konnten keine Angaben machen oder waren sich nicht sicher.
Mehr als die Hälfte der Befragten nutzen freizugängliche KI-Lösungen bei der Arbeit
31% der Studien-Teilnehmer gaben an, dass in ihrem Unternehmen interne KI-Lösungen bereits fest implementiert sind. Wesentlich verbreiteter ist aber die Arbeit mit freizugänglichen KI-Lösungen wie ChatGPT oder Claude.ai. 58% der Befragten sagten, dass sie solche Lösungen für berufliche Zwecke nutzen. Die häufigsten Anwendungen waren das Korrekturlesen bzw. Lektorieren von Texten (68%) und die Ideen- oder Informationsgewinnung (54%). Immerhin mehr als ein Viertel der Befragten (26%) nutzen diese Systeme allerdings auch für die Aufbereitung von Daten (26%). Was bedeutet das für den Datenschutz?
Sensible, interne Daten werden regelmäßig an freizugängliche KI-Lösungen weitergegeben
Auf die Frage, wie häufig sie interne Unternehmensdaten oder -informationen bzw. Kundendaten oder -informationen an freizugängliche KI-Lösungen weitergegeben haben, gaben 8% an, dies täglich zu tun. 21% taten dies mehrmals wöchentlich und 29% mindestens einmal im Monat. „Das stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für deutsche Unternehmen dar“, betont Kishor Sridhar. Zumal nur 24% der Befragten angaben, dass es klare Vorgaben im Umgang mit Daten bei der Verwendung von freizugänglichen KI-Lösungen gab. 23% der Teilnehmer fühlten hinsichtlich des Datenschutzes im Umgang mit freizugänglichen KI-Lösungen nicht ausreichend informiert.
Zumindest gibt es aber eine Grundsensibilität bezüglich dieses Themas bei den Führungskräften. Denn 34% räumten ein, dass sie schon einmal sensible Daten und Informationen bewusst nicht an freizugängliche KI-Systeme gegeben haben, weil sie Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes hatten.
„Grundsätzlich zeigt diese Studie, dass interne Vorgaben und DSGVO-Vorgaben nicht ausreichen, da weitestgehend sorglos auch sensibelste Unternehmens- und Kundendaten an freizugängliche, externe KI-Lösungen weitergegeben werden“ resümiert Sridhar. „Verstärkt wird diese Datenschutzproblematik noch dadurch, dass nicht klar nachvollziehbar ist, wie KI-Lösungen insgesamt Daten verarbeiten. Die Ergebnisse der Umfrage unterstreichen die Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen seitens der Unternehmen und der Gesetzgeber. Es bedarf klarer Richtlinien und regelmäßiger Überprüfungen, um sicherzustellen, dass alle Unternehmen die notwendigen Schritte zur Einhaltung der Datenschutzbestimmungen unternehmen.“
Weitere Informationen zur Studie: kishor.sridhar@dozent.ism.de
Hintergrund:
Die International School of Management (ISM) ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule in gemeinnütziger Trägerschaft und zählt zu den führenden privaten Hochschulen in Deutschland. An Standorten in Dortmund, Frankfurt/Main, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Berlin wird in kompakten und anwendungsbezogenen Studiengängen der Führungsnachwuchs für international orientierte Wirtschaftsunternehmen ausgebildet. Zum Studienangebot gehören Vollzeit-Programme, berufsbegleitende und duale Studiengänge sowie das komplett digitale
Fernstudium. In Hochschulrankings ist die ISM mit hoher Lehrqualität, Internationalität und Praxisbezug regelmäßig auf den vordersten Plätzen gelistet. Das internationale Netzwerk umfasst rund 190 Partnerhochschulen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Kishor Sridhar, kishor.sridhar@dozent.ism.de
Rote Karte für Sonnenbrand
Bundesamt für Strahlenschutz stellt Fans bei EURO 2024 kostenlos Sonnencreme zur Verfügung und informiert über UV-Schutz
Zum Start der Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland (EURO 2024) wird das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Fans mit der Kampagne „UV-sicher“ beim persönlichen UV-Schutz unterstützen. In allen zehn Gastgeberstädten stellt es dafür in den Fan-Zonen und in der Nähe der Stadien kostenlos Sonnencreme in Spendern und Informationen zur aktuellen UV-Belastung zur Verfügung, die in den Sommermonaten besonders intensiv ist.
BfS-Präsidentin Inge Paulini: „Wer bei der EM mitfiebert, denkt an Tore und an Teams, aber vielleicht nicht daran, sich vor der Sonne beim Public Viewing zu schützen und riskiert so einen Sonnenbrand. Die UV-Strahlung ist ein Gesundheitsrisiko, das häufig unterschätzt wird. Die Sonnencremespender sollen daran erinnern, wie wichtig das Eincremen ist und sie ermöglichen es, das direkt in die Tat umzusetzen.“ So können alle draußen mitjubeln, auch an sonnigen Tagen.
Paulini weiter: „Für einen guten persönlichen UV-Schutz gilt eine einfache Regel: vermeiden, bekleiden, Sonnencreme nutzen. An erster Stelle steht, gesundheitsschädigende UV-Belastung zu vermeiden – etwa in dem man mittags Schatten aufsucht. An zweiter Stelle kommt der Schutz von Haut und Augen durch lange Kleidung, Hut und Sonnenbrille. Ganz zuletzt kommt aus Sicht des Strahlenschutzes die Sonnencreme. Den wirkungsvollsten UV-Schutz erreicht man mit der Kombination all dieser Maßnahmen.“
Regionale UV-Messdaten für die Gastgeberstädte
UV-Strahlung (ultraviolette Strahlung) ist Hauptursache für Hautkrebs. Die Spender enthalten eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor (LSF) 30. In Zusammenarbeit mit den Gastgeberstädten und den Verantwortlichen der Fanmeilen sowie der UEFA GmbH werden die Spender während der Dauer der Europameisterschaft entsprechend der EU-Kosmetikverordnung bedarfsgerecht gewartet und neu befüllt. Nach Ende der Europameisterschaft werden viele Spender voraussichtlich in den Städten verbleiben. Vorgesehen ist eine Nachnutzung, etwa in Sportvereinen oder Schwimmbädern.
Die Sonnencreme-Spender sind so gestaltet, dass sie Nutzerinnen und Nutzer auch über den UV-Index informieren. Der UV-Index ist ein international einheitliches Maß, das auf einer Skala von 1 bis 11+ anzeigt, wie intensiv die sonnenbrandwirksame UV-Strahlung der Sonne am Erdboden ist. Bestimmten Werten sind Empfehlungen zum Sonnenschutz zugeordnet. Sie sind ebenfalls auf den Sonnencreme-Spendern zu finden.
Außerdem kann über einen QR-Code auf den Spendern in jeder Gastgeberstadt der aktuelle UV-Indexwert aufgerufen werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat sein UV-Messnetz dafür so ausgebaut, dass auch in allen zehn Austragungsorten regional UV-Strahlung gemessen wird. Unter www.bfs.de/euro24-uv-sicher sind die Messdaten und weitere Informationen zu finden.
MCC: Die Menschheit muss jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre holen
Sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr müssen ab Mitte des Jahrhunderts nachhaltig aus der Atmosphäre entfernt werden, wenn die Welt das 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens einhalten soll. Dies geht aus dem zweiten Bericht „State of Carbon Dioxide Removal“ (CDR, Stand der CO₂-Entnahmen) hervor, der weltweit führenden wissenschaftlichen Bewertung eines internationalen Teams von über 50 Fachleuten. Der Bericht wurde geleitet von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford, zu den federführenden Einrichtungen gehört das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
„Emissionsminderung ist für netto null vorrangig, aber CO₂-Entnahmen spielen eine wichtige Rolle“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung. „Aber beim Hochskalieren der Entnahme-Technologien darf die Menschheit nicht andere Ziele gefährden – wie die Ernährungssicherheit, die biologische Vielfalt, sichere Wasserversorgung oder sichere Lebensräume für indigene Völker. Aus diesem Grund haben wir in unsere Analyse Nachhaltigkeitskriterien einbezogen. Und daraus abgeleitet unsere finale Abschätzung der Paris-kompatiblen CO₂-Entnahmemenge getroffen.“
Aktuell werden nur jährlich 2 Milliarden Tonnen CO₂ entnommen, meist durch konventionelle Methoden wie Aufforstung. Neuartige Entnahme-Methoden – wie Pflanzenkohle, beschleunigte Gesteinsverwitterung, CO₂-Direktabscheidung und Speicherung (DACCS) und Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -speicherung (BECCS) – summieren sich mit jährlich 1,3 Millionen Tonnen auf unter 0,1 Prozent der Gesamtmenge. Auf tatsächlich dauerhafte Methoden entfallen nur jährlich 0,6 Millionen Tonnen, das sind unter 0,05 Prozent.
Das Thema CO₂-Entnahmen legte in der Forschung, im öffentlichen Bewusstsein und bei Start-up-Firmen stark zu, doch jetzt gibt es Anzeichen für langsamere Entwicklung. „Ein breit gefächertes CDR-Portfolio ist eine robustere Strategie als die Konzentration auf eine oder zwei Methoden“, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Die Diversifizierung zeigt sich bei Forschung, Erfindungen und Investitionen in Start-ups – aber der Einsatz und Regierungsvorschläge für die Zukunft konzentrieren sich eher auf konventionelle CDR, hauptsächlich über die Forstwirtschaft.“
Steve Smith von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford sagt: „Da die Welt bei der Dekarbonisierung nicht auf dem mit dem Pariser Temperaturziel vereinbaren Pfad ist, müssen die Investitionen in CO₂-Entnahmen sowie in emissionsfreie Lösungen insgesamt erhöht werden.“ Von den gesamten Investitionen in Start-ups im Bereich Klimatechnologie entfallen nur 1,1 Prozent auf CO₂-Entnahmen. Der Bericht konstatiert bei mit diesem Thema befassten Firmen ehrgeizige Ziele, die die Entnahme-Mengen durchaus auf ein mit dem Paris-Abkommen konsistentes Niveau bringen würden. Aber die Ambitionen sind wenig belastbar: Voraussetzung wäre eine viel stärkere Politik als derzeit praktiziert. „Es hängt entscheidend an den Regierungen, die Voraussetzungen für nachhaltige Skalierung der CO₂-Entnahmen zu schaffen“, so Smith.
Der Bericht appelliert die Regierungen, mit geeigneten Maßnahmen die Nachfrage nach CO₂-Entnahmen zu erhöhen. Dazu gehören die Einbettung entsprechender Maßnahmen in die Nationally Determined Contributions (Klimaschutzpläne im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC) und die Entwicklung besserer Überwachungs-, Berichts- und Prüfsysteme. Gegenwärtig stammt ein Großteil der Nachfrage nach CO₂-Entnahmen aus freiwilligen Verpflichtungen von Unternehmen zum Kauf sogenannter Carbon Removal Credits. Matthew J. Gidden, Senior Scholar am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), sagt: „Die durchgreifende Emissionsreduktion zu verzögern, verschärft den künftigen Handlungsdruck. Und je länger die Welt zögert, desto begrenzter ist die Rolle, die eine nachhaltig definierte CO₂-Entnahme spielen kann.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
https://www.mcc-berlin.net/ueber-uns/team/minx-jan.html
Originalpublikation:
Smith, S., et al., 2024, The State of Carbon Dioxide Removal – 2nd Edition.
https://www.stateofcdr.org/
Weitere Informationen:
https://www.mcc-berlin.net
Anhang
MCC: Die Menschheit muss jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre holen
Hochwasser und Seuchen: So schützen Sie sich
Hochwasser und daraus resultierende Seuchen stellen auch in Deutschland eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung dar. Grund zur Panik besteht nicht – wenn man ein paar Regeln befolgt.
Während eines Hochwassers können verschiedene lebensbedrohliche Krankheitserreger auftreten. Entsprechend kann es nach dem Hochwasser schlimmstenfalls zu Seuchen kommen – oder aber zu schweren Erkrankungen einzelner Menschen, die sich mit den jeweiligen Erregern infiziert haben.
Welche Erreger können auftreten?
Hepatitis A: Das ist eine durch Viren verursachte Leberentzündung, die sich leicht über kontaminiertes Wasser verbreiten kann.
Typhus: Typhus ist eine bakterielle Infektion, die durch Salmonellen verursacht wird. Kontaminiertes Wasser kann die Ausbreitung von Typhus begünstigen.
Cholera: Hochwasser kann eine Ursache für Cholera sein, da es häufig zu einer Verunreinigung von Trinkwasserquellen mit dem Bakterium Vibrio cholerae führt. Unbehandelt endet Cholera sehr oft tödlich. Überschwemmungen beschädigen oft sanitäre Einrichtungen oder führen zu deren Überflutung, was die Verbreitung von Fäkalien und Krankheitserregern in der Umwelt fördert. Wenn Menschen kontaminiertes Wasser konsumieren oder damit in Berührung kommen, kann sich die Krankheit rasch verbreiten. Das Risiko einer Cholera-Epidemie ist besonders in Regionen mit unzureichender Wasserinfrastruktur und Hygiene nach Hochwasser hoch. Das ist in Deutschland zwar nicht der Fall – aber auch nicht ganz ausgeschlossen.,
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Erregern wie dem Hepatitis-A-Virus, Salmonellen und Cholera-Bakterien können weitere Pathogene bei Hochwasserkatastrophen eine Rolle spielen. Dazu zählt unter anderem Giardia lamblia, ein Parasit, der gastrointestinale Erkrankungen hervorruft..
Bakterien der Gattung Leptospira sind eine ernsthafte Bedrohung. Sie verursachen Leptospirose, eine Krankheit, die schwere Schäden an Leber und Nieren verursachen kann.
Noroviren sind ebenfalls relevant, da sie plötzlich einsetzende Gastroenteritis verursachen können. E. coli, insbesondere der Serotyp O157:H7, löst wiederum schwere Durchfallerkrankungen aus.
Wie kann ich mich schützen?
Der beste Schutz ist Hygiene. Nach Kontakt zum Hochwasser sollten Sie sich die Hände gründlich waschen und desinfizieren. Vermeiden Sie es, Wasser aus Überschwemmungsgebieten – auch ungewollt – zu schlucken. Kochen Sie das Trinkwasser immer ab, solange die Überschwemmungssituation anhält, und verwenden Sie auch danach für einige Zeit entweder abgekochtes Wasser, oder Wasser aus dem Supermarkt.
Worauf sollte ich noch achten?
Falls Sie sich nach dem Hochwasser unwohl oder krank fühlen, lassen Sie sich umgehend ärztlich untersuchen. Sofern keine Diagnose auf Anhieb gestellt wird, bitten Sie um eine Blutuntersuchung und weisen explizit auf die Hochwassersituation hin. Scheuen Sie sich nicht, auf die Untersuchung zu bestehen. Viele der oben genannten Erkrankungen lassen sich erst mit Hilfe von Laborwerten korrekt erfassen – und eine Untersuchung, die umsonst durchgeführt wurde, gibt es nicht: Sie schließt letztendlich das Schlimmste aus.
Wie sieht es mit dem Impfschutz aus?
Das RKI empfiehlt insbesondere Rettungskräften auf ihren Tetanus- und Hepatitis-A Impfstatus zu achten. Der Grund:
„Im Rahmen der Aufräumarbeiten ist von einer erhöhten Verletzungsgefahr auszugehen, dadurch steigt das Risiko für eine mögliche Tetanus-Infektion. Tetanus wird durch Clostridium (C.) tetani verursacht. Die im Erdreich ubiquitär vorkommenden Sporen sind widerstandsfähig gegen Hitze und Desinfektionsmittel.“
Weitere Informationen:
http://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Tipps-Notsituationen/Hochwasser/_docu…
http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/U/Ueberschwemmung/Infektionsrisiken.html
http://www.dgkl.de/aktuelles/unsere-news/detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&a…
Schritt für Schritt zum Klimaschutz
Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK und der Bundesverband Der Mittelstand. BVMW e. V. haben einen Leitfaden entwickelt, der kleine und mittlere Unternehmen beim Aufbau eines betrieblichen Klimamanagements unterstützt. Er steht ab sofort kostenfrei zum Download bereit.
Angesichts der weitreichenden Folgen des Klimawandels wird für Unternehmen eine strategische Auseinandersetzung mit dem Klimaschutz immer wichtiger. Wachsende Ansprüche von Kunden, Auftraggebern oder Mitarbeitenden, aber auch gesetzliche Regularien stellen Firmen vor die Herausforderung, sich mit den eigenen Umweltauswirkungen zu beschäftigen. Insbesondere gesetzliche Berichtspflichten innerhalb der EU, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), werden in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen betreffen. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Deutschland bis zu 15.000 Unternehmen verpflichtet sein werden, einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen, darunter auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Aber auch für Unternehmen, die keiner Nachhaltigkeitsberichtspflicht unterliegen, wird das Thema immer relevanter. Befinden sie sich in Lieferketten anderer berichtspflichtiger Unternehmen, müssen auch sie bei der Auftragsvergabe Informationen zu den eigenen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) angeben. Ebenso verlangen immer mehr Banken bei der Kreditvergabe umfassende Informationen zur unternehmerischen Klimastrategie. Gerade für KMU bietet die Auseinandersetzung mit den eigenen klimaschädlichen THG-Emissionen Chancen und Vorteile. Mit Maßnahmen zu deren Reduzierung leisten sie einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz und sichern darüber hinaus ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Der Leitfaden »Klimamanagement in Unternehmen« unterstützt Firmen jetzt dabei und gibt Orientierung beim Aufbau eines ganzheitlichen betrieblichen Klimamanagements. Er zeigt Schritt für Schritt auf, wie Unternehmen eine Treibhausgasbilanz (THG-Bilanz)erstellen, Klimaschutzziele festlegen, Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und ihre Erfolge kommunizieren können. Unternehmen lernen unter anderem Methoden und Tools für die Bilanzierung ihrer THG-Emissionen kennen und erfahren, wie sie auf Basis ihrer THG-Bilanz und ihrer Klimaschutzziele sinnvolle und effiziente Klimaschutzmaßnahmen auswählen können. Sie lernen, wie sie Maßnahmen strukturiert planen, fortlaufend umsetzen und systematisch evaluieren können und erhalten Tipps für die Nachhaltigkeitsberichterstattung unter Berücksichtigung freiwilliger und verpflichtender Standards. Die Schritt-für-Schritt-Anleitung ist so angelegt, dass sie auf individuelle Unternehmensbedürfnisse angepasst werden kann.
Fraunhofer IPK und BVMW adressieren mit ihrem Leitfaden insbesondere Nachhaltigkeitsbeauftragte, Geschäftsführungen und Verantwortliche von KMU, die ihr Engagement im Bereich Klimaschutz verstärken möchten. Beratende Personen oder Interessierte, die als Multiplikatoren selbständig Unternehmen bei der Einführung eines Klimamanagements begleiten und unterstützen wollen, können ihn ebenfalls nutzen.
Der Leitfaden ist ein Ergebnis des Projekts »KliMaWirtschaft«, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Förderaufrufs für innovative Klimaschutzprojekte der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) gefördert wird. Im Rahmen des Projekts haben Fraunhofer IPK und BVMW bisher über 300 Unternehmen bei der Einführung eines Klimamanagements begleitet. Auf diesen Erfahrungen sowie umfangreichen Recherchen gängiger Fachliteratur, wie Leitfäden des UN Global Compact, des GHG-Protokolls und der Science-Based-Targets-Initiative, beruht der Leitfaden »Klimamanagement in Unternehmen«.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Benjamin Gellert
Tel.: +49 30 39006-397
benjamin.gellert@ipk.fraunhofer.de
Weitere Informationen:
http://www.klimaschutz-wirtschaft.de
http://www.ipk.fraunhofer.de/klimawirtschaft
Welttag der Ozeane: Wie viel Klimawandel steckt im Meer?
Der steigende CO₂-Gehalt der Atmosphäre führt zu einer Versauerung der Ozeane. Es sind kleine chemische Veränderungen mit gravierenden Folgen. Für die Messung des pH-Wertes im Ozean bietet die PTB neuerdings einen „Goldstandard“, der für weltweit vergleichbare und damit aussagekräftige Messdaten sorgt. Denn nur wer verlässliche Daten hat, kann fundierte Entscheidungen für den Schutz der Meere treffen. Mit dem Welttag der Ozeane wollen die Vereinten Nationen am 8. Juni alle Menschen für die Bedrohung der Meere sensibilisieren und an die herausragende ökologische Rolle der Ozeane erinnern.
Zuweilen nennt man ihn den bösen Zwilling der Klimaerwärmung: die Versauerung der Ozeane. Denn der steigende CO2-Gehalt der Atmosphäre hat nicht nur Auswirkungen auf das Klima, sondern auch auf die Chemie der Ozeane. Diese „Versauerung der Ozeane zu minimieren und zu bekämpfen“ gehört zu den Nachhaltigkeitszielen der von den Vereinten Nationen formulierten Agenda 2030. Ozeanografen versuchen daher, den pH-Wert – ein Maß, ob eine Flüssigkeit eher basisch, neutral oder sauer ist – möglichst flächendeckend zu messen. Doch Messungen im Ozean sind eine Herausforderung: Da sind nicht nur die enorme Ausdehnung der Wassermassen und schwierige Wetterbedingungen – anders als im Labor schwanken auch Temperatur und Salzgehalt. Das macht Messungen komplizierter. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und Partnerinstitute wollten helfen und haben im Rahmen eines dreijährigen internationalen Projekts die Voraussetzung für verlässliche und vergleichbare pH-Wert-Messungen geschaffen.
„Messungen im Meer haben ganz andere Rahmenbedingungen als bei uns im Labor“, erklärt Dr.-Ing. Steffen Seitz, Leiter der Arbeitsgruppe Elektrochemie an der PTB. „Umgebungsparameter wie Temperatur und Salzgehalt schwanken.“ Insbesondere wenn man geringe Veränderungen wie beim pH-Wert nachweisen will, müssen Messergebnisse aber so genau und verlässlich wie möglich sein. Nur dann sind sie aussagekräftig, könnten in Klimamodelle einfließen und die Grundlage für politische Entscheidungen bilden. „Daher war unser Ziel, die von Ozeanografen verwendete Methode zur pH-Wert-Messung mit derjenigen zu verzahnen, die bei uns im Labor extrem genaue Ergebnisse liefert“, ergänzt sein Kollegen Dr. Frank Bastkowski. Gemeinsam mit weiteren europäischen Forscherinnen und Forschern ist ihm das nun im Forschungsprojekt SapHTies (siehe Infokasten) gelungen.
„Wir wollen den Ozeanografen genau das ermöglichen, was sie brauchen: qualitativ hochwertige und abgesicherte Daten über den Zustand der Meere“, erklärt Bastkowski. Genau das fordern auch die UN-Agenda 2030 sowie europäische Rechtsvorschriften. Damit Daten aussagekräftig sind, müssen sie vergleichbar sein – auch wenn sie mit unterschiedlichen Geräten in unterschiedlichen Meeren bei wechselnden Umweltbedingungen stattfinden. Das gelingt, indem man alle Messungen mit einem einheitlichen, bestmöglichen Standard vergleicht.
Aufgrund praktischer Überlegungen haben sich für Messungen im Ozean vor allem spektrophotometrische Messmethoden durchgesetzt. Vereinfacht gesagt funktionieren sie so, wie man es noch aus der Schule kennt: Indikatorfarbstoffe bzw. ihr Farbwechsel zeigen an, wie sauer oder basisch eine Flüssigkeit ist. Jedoch lässt sich der pH-Wert viel genauer mit einer anderen Messapparatur bestimmen – und die steht in der PTB: Diese Messapparatur zur elektrochemischen Messung des pH-Werts enthält sogenannte Harned-Zellen, handgefertige komplexe Glaskolben, die mit exakt temperiertem künstlichem Meerwasser gefüllt sind. Damit kann der pH-Wert des Meerwassers genau gemessen werden.
Und wie lassen sich diese beiden Methoden nun miteinander verzahnen? Dazu sagt Frank Bastkowski:“ Denkbar wäre, dass die PTB Proben von synthetischem Meerwasser bereit stellt, dessen pH-Wert von unserer Apparatur gemessen wurde und deshalb exakt bekannt ist. Anwender könnten ihre spektrophotometrischen Messeinrichtungen dann mit unseren Proben kalibrieren, um ihre eigenen Messungen durchführen.“
Während die Ergebnisse des SapHTies-Projekts nun in eine internationale Norm zur Messung des pH-Werts in Ozeanen einfließen, wenden sich Bastkowski und seine europäischen Forscherkollegen und -kolleginnen bereits neuen Aufgaben zu. Denn längst sind noch nicht alle Wechselwirkungen zwischen dem atmosphärischen CO2 mit den Ozeanen bekannt. Um sie zu verstehen, müssen noch weitere Messverfahren auf eine einheitliche Basis gestellt werden.
Gut zu wissen 1: Versauerung der Meere
Ozeane sind die blauen Lungen unseres Planeten: Sie entziehen der Luft große Mengen an Kohlendioxid. Ohne diesen natürlichen Speicher wäre die Kohlendioxidkonzentration in der Luft heute sehr viel höher und es wäre auf der Erde um einiges wärmer. Doch je mehr CO2 sich in der Atmosphäre befindet, desto mehr löst sich im Meerwasser und verändert seine chemische Zusammensetzung. Er wird – zwar nur leicht, aber messbar – saurer. Mit erheblichen Konsequenzen für seine Bewohner. Nicht nur Fischlarven und kalkbildende Organismen wie Korallen und Muscheln nehmen Schaden, sondern auch Kalkalgen, die einen wichtigen Beitrag im marinen Kohlenstoffkreislauf bilden. So kann die Funktion der Meere als Kohlenstoffspeicher geschwächt werden.
Gut zu wissen 2: Keine verlässliche pH-Wert-Messung ohne Rückführung!
Wenn Messwissenschaftler im Freundeskreis von Rückführung erzählen, ernten sie meist ratlose Blicke. Dabei ist Rückführung einer der Schlüsselbegriffe in der Metrologie, der Wissenschaft vom Messen. Erst durch Rückführung lassen sich verschiedene Messergebnisse, die womöglich mit ganz unterschiedlichen Methoden an unterschiedlichen Orten ermittelt wurden, miteinander vergleichen. Für die Rückführung braucht man eine Art Goldstandard. Im Bereich der pH-Wert-Messung ist das die Messapparatur zur elektrochemischen Messung des pH-Werts in der PTB. Kein Gerät oder Verfahren kann es besser. Nun müssen sich die in der Praxis angewendeten Verfahren mit diesem Goldstandard vergleichen lassen: Inwieweit weicht ihr Ergebnis davon ab? Um diese Abweichung müssen ihre Messwerte dann korrigiert werden. Alle Verfahren, die sich auf diese Weise mit dem Standardverfahren abgleichen, gelten als rückgeführt und sind miteinander vergleichbar und aussagekräftig.
Gut zu wissen 3: Forschungsprojekt SapHTies
Aufgrund seines Salzgehalts wird im Meer nicht der reine pH-Wert gemessen, sondern der pHT-Wert. Er berücksichtigt neben freien Wasserstoff- auch die Hydrogensulfationen (in diesem Beitrag schreiben wir für ein leichteres Verständnis trotzdem immer „pH-Wert“). Meist wird mit optischen Methoden gemessen. Allerdings war bislang weder die Rückführung der pHT-Messwerte auf eine akzeptierte metrologische Referenz geklärt, noch konnten die zugehörigen Messunsicherheiten angegeben werden. Beides wird aber von verschieden internationalen Normen gefordert. Das im April 2024 abgeschlossene EMPIR-Projekts SApHTIES bietet nun die Basis für normative Regeln.
Am europäischen Forschungsprojekt SapHTies sind neben zwei ozeanografischen Instituten auch Metrologieinstitute aus fünf Ländern beteiligt. Es findet unter dem Dach von EMPIR statt, dem Europäisches Metrologieprogramm für Innovation und Forschung. Der Originaltitel lautet: Metrology for standardised seawater pHT measurements in support of international and European climate srategies.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Steffen Seitz, PTB-Arbeitsgruppe 3.13 Elektrochemie, Telefon: (0531) 592-3130, steffen.seitz@ptb.de
Dr. Frank Bastkowski, PTB-Arbeitsgruppe 3.13 Elektrochemie, Telefon: (0531) 592-3323, frank.bastkowski@ptb.de
Weitere Informationen:
https://www.euramet.org/research-innovation/search-research-projects/details/pro… Webseite des SapHTies-Projektes
https://www.bmz.de/de/agenda-2030 Infos zur Agenda 2030 der UN
http://auf den Seiten des BMZ
ÖPNV-Anschluss wichtiger für Wohnstandortwahl als verfügbarer Pkw-Stellplatz
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) untersuchte gemeinsam mit der TU Dortmund in einer Studie für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wie das Mobilitätsangebot am Wohnort die Alltagsmobilität beeinflusst und welche Kriterien die Wahl des Wohnstandorts bestimmen.
Berlin. Welchen Einfluss haben Mobilitätsangebote und Siedlungsstruktur auf die Alltagsmobilität der Bewohnerschaft? Und wie wirken sich Mobilitätsbedarf und Mobilitätsanforderungen der Menschen auf die Wahl ihres Wohnstandortes aus? Diesen und weiteren Fragen ging das Difu gemeinsam mit der TU Dortmund in einer Studie für das BMBF nach, deren Ergebnisse nun veröffentlicht vorliegen.
Die Studienergebnisse zeigen, dass – anders als vielfach vermutet – ein guter Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel bei der Wohnstandortwahl eine größere Rolle spielt, als die Verfügbarkeit eines Pkw-Stellplatzes. Dem ÖPNV kommt damit eine Schlüsselrolle in der Siedlungsentwicklung zu.
Viele Haushalte möchten nachhaltig mobil sein, sehen jedoch ein gutes ÖPNV-Angebot als unabdingbare Voraussetzung dafür an. Oft finden jedoch Haushalte mit Präferenzen für den Umweltverbund keine Wohnangebote, die diesen Mobilitätswünschen entsprechen. Für diese Nachfrage nach gut angebundenen, autoreduzierten Neubauvierteln könnte sich ein Umsteuern bei Kommunen und in der Wohnungswirtschaft also lohnen.
Das Homeoffice führt zum Einsparen von Wegen, aber auch zu längeren Pendeldistanzen
Für Haushalte, die bereits für den Umzug ins (weitere) Umland offen sind, ist das Homeoffice ein zusätzliches Argument, die Wohnungssuche in eine größere Entfernung zum Arbeitsort auszudehnen. Für Haushalte, die das urbane Leben bevorzugen, jedoch auch im Homeoffice arbeiten wollen, ist die nicht ausreichende Wohnungsgröße – mangelndes Arbeitszimmer – ein zunehmendes Problem.
Insgesamt gesehen können durch das vermehrte Arbeiten im Homeoffice auf dem Land daher zwar Wege eingespart werden, da die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes als Standortkriterium an Bedeutung verliert. Gleichzeitig führt dies nach dem Umzug jedoch zu einer Zunahme des Pendelverkehrs bzw. der insgesamt zurückgelegten Distanzen. Zudem führt der Wunsch nach mehr Homeoffice innerhalb der Städte zu einem steigenden Flächenbedarf in Privatwohnungen.
Die empirischen Ergebnisse zeigen: Umsteuern lohnt sich für Kommunen und Wohnungswirtschaft
Dies sind einige der Untersuchungsergebnisse des Forschungsteams. Weitere sind in der Studie dargestellt. Das Projektteam leitet aus der Untersuchungsergebnissen unter anderem folgende Empfehlungen ab:
Künftig sollten Siedlungsplanungen konsequenter als bisher in Lagen mit guter Nahversorgung, entlang leistungsfähiger ÖPNV-Achsen und kombiniert mit gut funktionierenden Mobilitätskonzepten zum verpflichtenden Standard im Neubau werden. Anderenfalls verändern sich die Rahmenbedingungen für das Mobilitätsverhalten nicht, was langfristig unerwünschte Entwicklungen (wie steigender Pendelverkehr) nach sich zieht und im Nachhinein schwer zu korrigieren ist.
Da sich Änderungen im persönlichen Mobilitätsverhalten nur sehr langsam durchsetzen, werden attraktive Mobilitätsangebote allein nicht ausreichen, um das Mobilitätsverhalten zu ändern. Nur durch eine Anpassung von Rahmenbedingungen – wie beispielsweise eine Entkopplung der Kosten für Wohnung und Stellplätze, die Bepreisung des Parkens und die Umverteilung des Straßenraums zugunsten des Umweltverbunds – sind wirksame Änderungen zu erwarten. Daher sollten solche Push-Maßnahmen von den Kommunen genutzt werden.
Die bestehende Stellplatzbaupflicht setzt entscheidende Fehlanreize und sollte durch landesspezifische Mobilitätssatzungen abgelöst werden, die die Erschließung von Gebäuden verkehrsmittelübergreifend regeln. Eckpunkte wären nach Lage und ÖPNV-Erschließung gestaffelte Höchstwerte für Pkw-Stellplätze, verpflichtende Mobilitätskonzepte und Vorgaben zu Fahrradabstellanlagen.
Der Text ist selbstverständlich frei zur Weiternutzung. Über einen Veröffentlichungshinweis an presse@difu.de würden wir uns sehr freuen.
Kurzinfo: Deutsches Institut für Urbanistik
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut – mit einem weiteren Standort in Köln (Bereich Umwelt) – bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dipl.-Geogr. Uta Bauer
+49 30 39001-151
bauer@difu.de
Dipl.-Ing. Jannik Lohaus
+49 30 39001-132
bauer@difu.de
Weitere Informationen:
https://difu.de/18478 weitere Informationen auf der Difu-Website
CoastAdapt: Nachhaltiger Küstenschutz für Niedersachsen
Der Meeresspiegel steigt immer schneller an und verändert die Küstenlandschaften weltweit. Allein in den vergangenen 30 Jahren wurde in der Deutschen Bucht ein Anstieg von etwa zehn Zentimetern verzeichnet. Diese Entwicklung stellt auch die niedersächsische Nordseeküste vor enorme Herausforderungen: Wie kann die Küste nachhaltig, verantwortungsvoll und behutsam an den Klimawandel angepasst werden? Und wie lassen sich Nutzung und Schutz der natürlichen Ressourcen bestmöglich in Einklang bringen? Antworten darauf will der „Wissenschaftsraum CoastAdapt“ unter Leitung der Technischen Universität Braunschweig liefern und ein international sichtbares Küstenkompetenzzentrum schaffen.
Die Auswirkungen des Klimawandels erfordern ständige Anpassungsmaßnahmen an den Küsten. Und sie erfordern unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen sowie die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen, um neue Lösungen zu entwickeln. Deshalb bringt der Wissenschaftsraum „CoastAdapt“ Expertinnen aus dem Küsteningenieurwesen und der Küstenforschung zusammen, vernetzt also die Ingenieurswissenschaften mit den Naturwissenschaften, Universitäten mit Fachbehörden und Verbänden in Niedersachsen. „Wir möchten hier einen starken Nukleus für das Thema Küste schaffen, um den Küstenraum nachhaltig und vorausschauend weiterzuentwickeln“, sagt Projektkoordinator Professor Nils Goseberg vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau der TU Braunschweig. Wissenschaftlerinnen aus Braunschweig, Hannover und Oldenburg arbeiten dabei eng mit Expert*innen aus der Praxis, wie dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz und der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, zusammen.
Lernen aus der Vergangenheit
Um Strategien für den künftigen Küstenschutz zu erarbeiten, schauen die Forschenden auch in die Vergangenheit. „Denn Küstenschutz gibt es schon rund 700 Jahre in dokumentierter Form in Niedersachsen“, so Professor Goseberg. „Wir wollen aus der Vergangenheit Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen. Dabei können wir von der prä-Deichbau Küstenlandschaft lernen, was modellhaft entlang von Profilverläufen von der Dünenküste der Inseln über das Watt, die Salzwiesen, den gedeichten Küsten mit Marsch und Mooren sowie dem Festland bis zur Geest geschehen wird.“ Seine Expertise bringt hier auch das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung in Wilhelmshaven mit ein. Ausgewertet werden Daten aus Archiven und Erfahrungswissen zur Entwicklung neuer Ansätze, die über das bloße Erhöhen der Deiche hinausgehen. „Unsere Erkenntnisse lassen wir dann in den adaptiven Küstenschutz einfließen.“
Natürliche Schutzmechanismen optimieren
Im Fokus stehen hier die Wattflächen und Inseln mit ihren Dünen, die als natürliche Wellenbrecher dienen. Diese dämpfen die Wellenergie und schützen somit die Küstenschutzbauwerke vor zu hoher Belastung. Die Wissenschaftler*innen erforschen, wie Dünen für den Hochwasserschutz optimiert werden können und wie die Bevölkerung in den Hochwasserschutz einbezogen werden kann. Darüber hinaus nehmen die „CoastAdapt“-Partner die Salzwiesen in den Blick, die bereits jetzt einen wesentlichen Baustein des Küstenschutzsystems an der Niedersächsischen Festlandküste bilden. Durch den Meeresspiegelanstieg steigt jedoch die Gefahr, dass bestehende Salzwiesen durch stärkere Strömungen und Wellen erodieren. Deshalb sind innovative technische Maßnahmen zur Seegangs- und Strömungsreduzierung erforderlich.
In einem weiteren Projekt im Wissenschaftsraum wollen die Forschenden Sturmfluten aus der Zeit vor dem Deichbau analysieren. Die Auswirkungen prähistorischer Sturmfluten auf die unbedeichte Küstenlandschaft unterscheiden sich stark von denen auf die bedeichte Küste. Die einst breiten Übergangszonen zwischen offenem Wattenmeer und Festland spielten eine zentrale Rolle für die Anpassungsfähigkeit des Küstengebiets an einen steigenden Meeresspiegel und als Pufferzone bei Sturmfluten.
Ausbildung neuer Fachkräfte
Um die Herausforderungen im Küstenraum bewältigen zu können, soll ein neuer Masterstudiengang an den Universitäten in Braunschweig, Hannover und Oldenburg vorbereitet werden. Der ingenieur- und naturwissenschaftlich geprägte, englischsprachige Studiengang „Sustainable Coastal Engineering and Science“ soll standortübergreifend an den Universitäten in Braunschweig, Hannover und Oldenburg angeboten werden und zielt darauf ab, Fachkräfte interdisziplinär auszubilden. „Ziel ist es, für die interdisziplinären Belange des Küstenschutzes eine größere Wissenstiefe zu erreichen – und zwar ingenieurwissenschaftlich als auch naturwissenschaftlich“, erklärt Professor Goseberg. Bereits in den bestehenden Studiengängen wollen die Universitäten gemeinsame Summer und Winter Schools sowie Exkursionen anbieten – im Sommer im Freiland an der Küste, zum Beispiel auf einer der Ostfriesischen Inseln. Im Winterhalbjahr soll eine Winter School am Forschungszentrum Küste von TU Braunschweig und Leibniz Universität Hannover stattfinden.
Nach der vierjährigen Förderzeit soll der Studiengang mit einem gemeinsamen Curriculum zur Genehmigung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) vorgelegt werden und der Wissenschaftsraum zu einem „Wissens- und Innovationsökosystem Küsteningenieurwesen und Küstenforschung“ ausgebaut sein. Im Anschluss an die Vorarbeiten im Wissenschaftsraum könnte dann die Vision zur Schaffung eines international sichtbaren Küstenkompetenzzentrums niedersächsischer Prägung in die Verwirklichung gehen.
Projektdaten
Im „Wissenschaftsraum CoastAdapt“ arbeitet ein interdisziplinäres Team – mit Akteur*innen aus Universitäten sowie Landesbetrieben und Fachverwaltungen. Neben der TU Braunschweig sind die Leibniz Universität Hannover, die Universität Oldenburg, das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz und die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer beteiligt. Als Teil des Programms „zukunft.niedersachsen“ fördern das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) und die Volkswagenstiftung den „Wissenschaftsraum CoastAdapt“ mit drei Millionen Euro über vier Jahre.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Nils Goseberg
Technische Universität Braunschweig
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau
Beethovenstraße 51a
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-3930
E-Mail: n.goseberg@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/lwi/hyku
Politische Glaubwürdigkeit entscheidet über den Erfolg des EU-Emissionshandels
Damit die Kohlenstoffpreise im EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) hoch genug sind, um Emissionsminderungen langfristig effizient anzureizen, ist eine große politische Glaubwürdigkeit entscheidend. Ein Team von Forschenden des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass zwe ETS-Reformen nicht nur durch eine Verschärfung der Emissions-Obergrenze den Preis von unter 10 Euro pro Tonne CO₂ im Jahr 2017 auf etwa 80 Euro pro Tonne 2022 angehoben haben, sondern auch durch ein stärkeres politisches Bekenntnis zum ETS.
Dies führte dazu, dass Unternehmen angefangen haben, vorausschauender zu handeln und kurzfristig weniger CO₂ auszustoßen, um Zertifikate für eine spätere Verwendung aufzubewahren.
„Der Preis für den Ausstoß von klimaschädlichem CO₂ ist in der Vergangenheit stark gestiegen; in den letzten fünf Jahren hat er sich durch zwei politische Reformen knapp verzehnfacht. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Reformen nicht nur die ETS-Regeln direkt verändert haben, sondern auch die langfristige Glaubwürdigkeit des ETS erhöht und damit Unternehmen dazu gebracht haben, ihr Marktverhalten an den langfristigen Klimazielen auszurichten“, erklärt Joanna Sitarz, PIK-Wissenschaftlerin und Erstautorin der in Nature Energy veröffentlichten Studie. „Alles, was der langfristigen Glaubwürdigkeit von Klimazielen schadet, könnte im Gegenzug dazu führen, dass die CO₂-Preise im ETS kurzfristig wieder einbrechen und unzureichend in Klimaschutz investiert wird.“
Das EU-ETS legt eine Obergrenze und damit einen Preis für Treibhausgasemissionen aus Kraftwerken, großen Industrieanlagen und dem Luftverkehr fest und deckt etwa 40 Prozent der gesamten Emissionen in der EU ab. Die Obergrenze sinkt jedes Jahr und wird voraussichtlich um das Jahr 2040 herum bei Null liegen. Eine wichtige Eigenschaft des ETS ist, dass Emissionszertifikate angespart werden können: Wenn Unternehmen in der Zukunft mit sehr hohen CO₂-Vermeidungskosten rechnen, können sie ihre Emissionen zeitnah reduzieren und die ungenutzten Emissionszertifikate für eine spätere Verwendung aufbewahren. Auf diese Weise werden aktuelle Preise mit künftigen Knappheiten verknüpft, was zu dynamischer Effizienz führen sollte: Emissionen werden dann reduziert, wenn es am günstigsten ist.
+++ EU-ETS Reformen stärkten nicht nur Emissionsobergrenze, sondern auch langfristige Glaubwürdigkeit der Klimaziele +++
Um zu analysieren, wie sich vorausschauendes Handeln auf die CO₂-Preise im EU-ETS während des letzten Jahrzehnts ausgewirkt hat, modellierten die Forscher die Kohlenstoffpreise, die sich aus den Emissionsobergrenzen ergeben, unter zwei verschiedenen Modellannahmen. In einem Fall wurde davon ausgegangen, dass die Unternehmen vorausschauend handeln und die künftige Knappheit von Zertifikaten berücksichtigten; im zweiten Fall wurde angenommen, dass sich die Unternehmen auf kurzfristige Entwicklungen konzentrierten. Der untersuchte Zeitraum umfasste zwei große ETS-Reformen: die Reform der Marktstabilitätsreserve MSR im Jahr 2018 und das Klimaschutzpaket „Fit for 55“ im Jahr 2021.
Die Forschenden stellten zunächst fest, dass vor der Reform von 2018 die beobachteten Preise eher mit den Simulationsergebnissen für kurzfristig handelnde Unternehmen übereinstimmten. „Die Firmen zweifelten wahrscheinlich an der langfristigen Glaubwürdigkeit der Klimapolitik und handelten hauptsächlich im Hinblick auf die kurzfristige Emissionsobergrenze“, erklärt Robert Pietzcker, PIK-Wissenschaftler und Autor der Studie. Die Forschenden stellten dann fest, dass die Preisveränderung im Zuge der EU-ETS-Reform 2018 nicht allein durch die Änderung der Emissionsobergrenze selbst erklärt werden kann. Zusätzlich müssen die Unternehmen auch begonnen haben, vorausschauender zu handeln und die viel strengeren Emissionsobergrenzen in der fernen Zukunft zu berücksichtigen.
„Nach der Reform stiegen die Preise in der realen Welt stark an. Im Modell bewirkte die Änderung der Emissions-Obergrenzen jedoch nur einen geringen Preisanstieg, wenn wir von Unternehmen ausgingen, die kurzfristig handeln ohne langfristige Knappheiten zu berücksichtigen. Bei einer Umstellung des Modells auf langfristig handelnde Akteure konnten wir jedoch den real beobachteten Preisanstieg in unserem Modell reproduzieren“, sagt Pietzcker. Das Forschungsteam argumentiert, dass das politische Kapital, das 2017/2018 in die EU-ETS-Reform investiert wurde, die langfristige Glaubwürdigkeit des ETS und der Klimaziele so sehr gestärkt hat, dass die Unternehmen ihr Marktverhalten an der erwarteten langfristigen Knappheit von Emissionszertifikaten ausrichteten. „Die nochmalige Verschärfung der ETS-Obergrenzen im ‚Fit for 55‘-Paket ließen die beobachteten Preise in den Jahren 2022 und 2023 auf rund 80 Euro pro Tonne CO₂ ansteigen, was im Einklang mit den Modellergebnissen für vorausschauend handelnde Akteure steht“, so Pietzcker.
Die Ergebnisse haben wichtige politische Implikationen, erklärt Michael Pahle, ebenfalls Autor der Studie: „Politische Entscheidungsträger sollten bedenken, dass ein Preisrückgang nicht nur signalisieren kann, dass Emissionsreduzierungen weniger kosten, sondern auch darauf hindeuten könnte, dass Unternehmen die langfristige Emissions-Obergrenze weniger glaubwürdig finden. Der jüngste Rückgang der CO₂-Preise könnte auch auf zweiteres zurückzuführen sein. Es ist deshalb ratsam, die bestehenden Mechanismen zur Stabilisierung des Emissionshandel-Marktes zu überarbeiten: sie sollten darauf ausgerichtet werden, den CO₂-Preis im Fall sinkender Glaubwürdigkeit zum Beispiel durch zeitnahe Verknappung des Angebots zu stabilisieren.“
Artikel: Joanna Sitarz, Michael Pahle, Sebastian Osorio, Gunnar Luderer, Robert Pietzcker (2024): EU carbon prices signal high policy credibility and farsighted actors. Nature Energy. [DOI: 10.1038/s41560-024-01505-x]
Weblink zum Artikel: https://www.nature.com/articles/s41560-024-01505-x
Originalpublikation:
Joanna Sitarz, Michael Pahle, Sebastian Osorio, Gunnar Luderer, Robert Pietzcker (2024): EU carbon prices signal high policy credibility and farsighted actors. Nature Energy. [DOI: 10.1038/s41560-024-01505-x]
Rotaviren: Symptome, Impfung, Therapie
Der Schauspieler Heinz Hoenig (72) ist schwer erkrankt – nach Aussagen seiner Frau infizierte er sich mit Rotaviren. Was die Erreger bewirken, und wie Sie sich dagegen schützen können, erfahren Sie in unserem Infotext.
Rotaviren sind weit verbreitet und verursachen vor allem bei Kleinkindern Magen-Darm-Infektionen. Fast alle Kinder infizieren sich bis zum Alter von fünf Jahren. Die Ansteckung erfolgt meist über den Kontakt mit kontaminierten Fäkalien oder Gegenständen. Für Erwachsene sind die Viren ebenfalls gefährlich und können Sekundärschäden auslösen.
Symptome:
Plötzlich auftretender Durchfall
Erbrechen
Bauchschmerzen
Häufig auch leichtes Fieber, Husten und Schnupfen
Verlauf:
Die Beschwerden klingen meist nach 2 bis 6 Tagen von selbst ab. In schweren Fällen kann es durch den Flüssigkeitsverlust zu Komplikationen kommen.
Behandlung:
Da es kein spezifisches Medikament gegen Rotaviren gibt, liegt der Fokus der Behandlung auf dem Ausgleich von Flüssigkeit und Elektrolyten. In einigen Fällen sind fiebersenkende Mittel notwendig.
Diagnose:
Die Diagnose kann anhand der Symptome und der körperlichen Untersuchung gestellt werden. Ein Labortest, wie der ELISA-Test oder der Nachweis von Antikörpern, kann die Diagnose sichern.
Wichtig:
Rotaviren-Infektionen können vor allem für kleine Kinder gefährlich sein. Achten Sie auf gute Hygiene, um einer Ansteckung vorzubeugen. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit den oben genannten Symptomen sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Imfung: Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO):
Seit Juli 2013 empfiehlt die STIKO allen Säuglingen in Deutschland die Impfung gegen Rotaviren. Die Impfung sollte möglichst ab der 6. Lebenswoche begonnen werden und spätestens bis zum 12. Lebensmonat abgeschlossen sein.
Impfstoff und Impfschema:
Je nach verwendetem Impfstoff sind zwei oder drei Impfdosen in einem Mindestabstand von vier Wochen notwendig. Die Impfung sollteje nach Impfstoff bis zum 16. Lebensmonat oder bis zum 22. Lebensmonat abgeschlossen sein. Spätestens sollte die Impfung jedoch bis zum 24. bzw. 32. Lebensmonat erfolgen.
Wirkungsweise und Wirksamkeit:
Rotaviren-Impfstoffe sind sogenannte Lebendimpfstoffe. Das bedeutet, sie enthalten abgeschwächte Viren, die keine Erkrankung auslösen können. Studien haben gezeigt, dass die Impfung wirksam schwere Krankheitsverläufe und Krankenhausaufenthalte aufgrund von Rotavirus-Infektionen verhindern kann.
Kombination mit anderen Impfungen:
Die Rotavirus-Impfung kann gleichzeitig mit anderen Impfungen im Säuglingsalter durchgeführt werden. Zum Beispiel kann sie ab der 8. Lebenswoche zusammen mit der Sechsfach-Impfung verabreicht werden.
Weitere Informationen:
Robert Koch-Institut (RKI)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
STIKO Impfempfehlungen
Wichtig:
Bitte sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin über die Rotavirus-Impfung.
Zusätzliche Hinweise:
Die Impfung gegen Rotaviren ist eine effektive Möglichkeit, um Kinder vor einer Infektion zu schützen.
Stillen kann das Risiko einer Rotaviren-Infektion reduzieren.
Gründliches Händewaschen ist wichtig, um die Verbreitung der Viren zu verhindern.
Weitere Informationen:
http://www.frontiersin.org/journals/microbiology/articles/10.3389/fmicb.2023.129…
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC11005126/
Meilenstein in der Sensorik: Parallele Messung mehrerer Wasserparameter mit nur einem Sensorchip
Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS präsentiert eine wegweisende Integrationstechnologie zur gleichzeitigen Messung verschiedener Wasserparameter mittels ionensensitiver Feldeffekttransistoren (ISFETs). Die neu entwickelte n-Wannen-Integrationstechnologie ermöglicht es künftig, mit nur einem Sensorchip pH-Werte, Nitrat-, Phosphat- und Kaliumkonzentrationen parallel und kontinuierlich zu erfassen. Diese Innovation eröffnet neue Horizonte für die Umwelt- und Bioanalytik.
ISFETs zeichnen sich durch ihre Kompaktheit, Robustheit und Integrationsfähigkeit aus.
Daher sind sie optimal für die präzise Messung von pH-Werten sowie für die genaue Bestimmung der Konzentration zahlreicher Ionen in Wasser geeignet, was sie zu leistungsstarken Werkzeugen in der Umwelt- und Bioanalytik macht. In der pH-Messtechnik finden sie aufgrund ihrer Unzerbrechlichkeit vor allem in der Lebensmittelproduktion bereits breite Anwendung. Das Fraunhofer IPMS hat nun eine n Wannentechnologie entwickelt, die es ermöglicht, mehrere ISFETs auf einem Chip so zu integrieren, dass eine gezielte Funktionalisierung mittels ionenselektiver Schichten möglich ist.
Diese Integrationstechnologie eröffnet die Möglichkeit von multifunktionalen ISFET Arrays. In Zusammenarbeit mit Forschungspartnern können so zukünftig weitere anwendungsspezifische, ionenselektive Beschichtungen entwickelt und integriert werden. Dies ermöglicht die simultane und kontinuierliche Messung verschiedener Parameter wie pH-Wert, Nitrat-, Phosphat- und Kaliumkonzentration mit nur einem Sensorchip. Bei Bedarf können auch weitere Parameter in das System integriert werden.
»Ein derartiges Messsystem, welches essenzielle Parameter von Wasser kontinuierlich in Echtzeit erfassen kann, hat ein riesiges Marktpotenzial«, sagt Dr. Olaf R. Hild, Leiter des Geschäftsfelds Chemische Sensorik am Fraunhofer IPMS. »Es eröffnet neue Möglichkeiten für Anwendungen in der Umweltanalytik, der Land- und Wasserwirtschaft sowie im stark wachsenden Markt der Indoorfarming-Anwendungen.« »Und«, so fügt er schmunzelnd hinzu, »wir haben mit dieser Technologie eine Alleinstellung in Europa!«
Die Nutzung dieser Technologie soll dazu beitragen, die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu steigern, indem die Messdaten mit externen Daten, wie zum Beispiel Wetterdaten, kombiniert werden. Dies würde Landwirten ermöglichen passgenaue Nährstoffgaben vorzunehmen. Das spart nicht nur Kosten für Düngemittel, sondern schont auch die Umwelt.
Die bisher entwickelten Sensoren und die n-Wannen-Integrationstechnologie werden auf der Messe SENSOR+TEST in Nürnberg vom 11. bis 13. Juni vorgestellt, um Entwicklern, Integratoren und potenziellen Nutzern die Technologie zu erläutern. Messetermine mit den Experten des Fraunhofer IPMS am Stand 1-317 können bereits vorab auf der Webseite des Instituts vereinbart werden: https://www.ipms.fraunhofer.de/de/events/2024/Sensor_Test.html
Physikalische Grundlagen des Fraunhofer IPMS ISFET
Die ISFETs des Fraunhofer IPMS basieren auf der Metal-Oxid-Semiconductor (MOS) Feldeffekttransistortechnologie. Die Integration mehrerer ISFETs in einer n-Wanne wird durch eine elektrische Separierung ermöglicht, die durch die Implantation von Phosphor als n-Dotierung in einen p-Wafer erfolgt. Der Sensorbereich, der mit dem Medium in Berührung kommt, besteht aus einer Metalloxidschicht, die entweder als pH-Sensor fungieren kann oder mit einer ionenselektiven Membran beschichtet wird. Für jede zu detektierende Ionensorte muss ein ISFET mit einer entsprechenden ionenselektiven Membran beschichtet werden.
Über das Fraunhofer IPMS
Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS steht für angewandte Forschung und Entwicklung in den Bereichen intelligente Industrielösungen, Medizintechnik und Mobilität. Forschungsschwerpunkte sind miniaturisierte Sensoren und Aktoren, integrierte Schaltungen, drahtlose und drahtgebundene Datenkommunikation sowie kundenspezifische MEMS-Systeme. In den beiden Reinräumen findet Forschung und Entwicklung auf 200 sowie 300 mm Wafern statt. Das Angebot reicht von der Beratung über die Prozessentwicklung bis hin zur Pilotserienfertigung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Olaf Rüdiger Hild – olaf.hild@ipms.fraunhofer.de
Fortschrittliche Deichsysteme zum Schutz vor Überschwemmungen und Hochwasser
Die Projektpartner des EU-Projekts MULTICLIMACT trafen sich im niederländischen Delft, um Initiativen zur Klimaresilienz voranzutreiben. In einer sich schnell verändernden Welt, in der der Klimawandel und die damit einhergehenden Naturgefahren eine zunehmende Bedrohung für unsere Städte und Infrastrukturen darstellen, will das Projekt MULTICLIMACT ein Leuchtturm des Fortschritts und der Hoffnung sein. Im Projekt werden innovative Strategien und Technologien sowie ein Toolkit mit 18 zuverlässigen und leicht umsetzbaren Methoden und digitalen Lösungen entwickelt, um die Widerstandsfähigkeit unserer Stadtlandschaften zu verbessern.
MULTICLIMACT ist ein von der EU finanziertes Projekt zur Verbesserung von Klimaanpassungsstrategien, an dem 25 Partnerorganisationen mitwirken. Am 16. und 17. April trafen sich die Partner auf dem Campus der Technischen Universität Delft, um die Projektfortschritte zu überprüfen und künftige Richtungen für diese wichtige Klimaschutzmaßnahme festzulegen.
Als Projektpartner übernimmt das Steinbeis Europa Zentrum die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Dafür wird neben den Platzierungen von wissenschaftlichen Publikationen eine breitgefächerte Social Media Kampagne implementiert, mehrsprachiges Kommunikationsmaterial entwickelt und Aktivitäten wie Webseminare und Networking Events durchgeführt.
Zwei Tage lang führten die Teilnehmer ausführliche Diskussionen und gemeinsame Planungssitzungen durch, um einige der dringlichsten klimatischen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen Gemeinden in ganz Europa konfrontiert sind.
Ein Höhepunkt der Versammlung war die Besichtigung des Testgeländes Flood Proof Holland und des Tederdingerbroekpolder-Deichs in Leidschendam, einem der lokalen Demonstrationsstandorte, an dem innovative Hochwasserschutztechnologien getestet werden. Die Partner des Konsortiums hatten die Möglichkeit, fortschrittliche Deichsysteme zum Schutz vor Überschwemmungen und immer heftigeren Wetterereignissen zu besichtigen. Diese Besuche vor Ort unterstrichen die praktischen Auswirkungen des MULTICLIMACT-Projekts und sein Potenzial, skalierbare Lösungen für verschiedene Regionen anzubieten.
Die TU Delft spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, Erprobung und Demonstration des Einsatzes faseroptischer Sensorik zur Überwachung und Frühwarnung des baulichen Zustands von festen und beweglichen Hochwasserschutzanlagen bei klimatischen Schocks und Belastungen wie Hochwasserereignissen, Regenstürmen und Dürreperioden.
In den kommenden Monaten wird das Projekt MULTICLIMACT seine Arbeit mit innovativen Maßnahmen an vier verschiedenen Demonstrationsstandorten in den Niederlanden, Italien, Spanien und Lettland fortsetzen.
Über MULTICLIMACT:
MULTICLIMACT ist ein von der EU finanziertes Projekt, das darauf abzielt, die bebaute Umwelt in Europa vor den zunehmenden Bedrohungen durch Natur- und Klimagefahren zu schützen. Durch den Zusammenschluss von 25 führenden europäischen Organisationen zielt MULTICLIMACT darauf ab, die Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Sicherheit von Gemeinden auf dem gesamten Kontinent zu verbessern. Durch innovative Strategien, darunter ein Toolkit mit 20 zuverlässigen Methoden und digitalen Lösungen, zielt das Projekt auf den dringenden Bedarf an Anpassungsmaßnahmen gegen Überschwemmungen, Erdbeben, extreme Wetterbedingungen und Hitzewellen. MULTICLIMACT wurde an vier Pilotstandorten mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen getestet und verkörpert eine gemeinsame Vision für eine sicherere, widerstandsfähigere Zukunft, die sich auf Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels auf die bebaute Umwelt konzentriert.
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte www.multiclimact.eu
Projektkoordinator
Clemente Fuggini, RINA Consulting Spa
clemente.fuggini@rina.org
Pressekontakt
Alparslan Akkus, Steinbeis Europa Zentrum
alparslan.akkus@steinbeis-europa.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Clemente Fuggini, RINA Consulting Spa,
E-Mail: clemente.fuggini@rina.org
200 Flaschen Bier pro Kopf: Wissenschaftliche Fakten zum 30. Tag des Bieres
Hopfen und Malz – Gott erhalt’s. Trotz rückläufigem Bierkonsum ist Bier nach wie vor sehr beliebt bei den Deutschen. Am 23. April feiern wir des Tag des Bieres und nehmen dies zum Anlass, um zu klären, was eigentlich drin ist im Gerstensaft, wie der Geschmack zustande kommt und warum so viele Menschen das Getränk so sehr lieben.
Deutschland. Wenn man im Ausland jemanden fragt, wie man sich Deutschland vorstelle, werden dabei oft die gleichen Bilder umschrieben. Bier ist eines davon und in der Tat gibt es in unserem Land eine sehr alte und reiche Brautradition, eine Vielfalt lokaler Brauereien, unzählige Biersorten und mindestens genau so viele Anlässe, um Bier zu konsumieren.
In der Tat gehören die Deutschen zu den größten Biertrinkern der Welt. Auch wenn der Konsum seit einigen Jahren zurückgegangen ist, kamen wir im Jahr 2020 laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes auf einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 93,3 Litern. Das entspricht in etwa 200 Flaschen Bier. Doch was macht sie aus, die Faszination zum Gerstensaft? Wie bekommt man den Alkohol aus dem Bier und wie kann man mit so wenigen Zutaten so viele Geschmäcker erzeugen? Dr. Margit Jekle ist Professorin für Lebensmitteltechnologie und pharmazeutisches Qualitätsmanagement. Im Interview beantwortet sie die spannendsten Fragen rund ums Bier.
Was ist drin im Bier?
Jekle: „Gemäß dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 darf zur Bierherstellung nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden. Das Reinheitsgebot gilt als die älteste, heute gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Deutsche Brauereien dürfen, im Gegensatz zu internationalen Brauereien, daher keine Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffe außer diesen vier Zutaten dazu geben, da sie ein geschütztes „Traditionelles Lebensmittel“ herstellen.“
Wie ist es möglich, dass man mit so wenigen Zutaten so viele Geschmäcker erzeugen kann?
Jekle: „Mit nur vier Zutaten 40 verschiedene Sorten Bier mit rund 7000 einzelnen Biermarken herzustellen erfordert kurz gefasst viel Fachwissen, Zutatenqualitäten und verschiedenste Herstellungsprozesse. Bei Schwarzbier, einem dunklen Vollbier, wird das Braumalz länger geröstet, damit es die dunkle Farbe und Aromen nach Kaffee- und Kakaonoten erhält. Das untergärige Pilsner Bier (Pils) hat im Vergleich zu anderen Biersorten einen erhöhtem Hopfengehalt und bietet daher den herberen Biergenuss. Bei Weizenbier werden die Biere mit einen höheren Weizengehalt (durch Weizenmalz) hergestellt.“
Was macht gutes Bier aus?
Jekle: „Wie bei jedem Lebensmittel ist auch bei Bier der Geschmack sowie alle weiteren sensorisch erfassbaren Qualitäten wie Schaumstabilität und das Mundgefühl verschieden. Neben individuellen sensorischen Aspekten gibt es bekannterweise auch regionale Unterschiede. So ist das beliebteste Bier in Deutschland das Pils, während vor allem in Bayern und auch Baden-Württemberg auch gerne Weißbier (Weizenbier) getrunken wird. Auch hier gilt, dass die Zutaten und der Brauprozess wesentlichen Einfluss auf die Qualität eines Bieres haben. Damit zeichnen die besten Biere auch gute Brauer aus.“
Gibt es besondere Biere? Regionale Unterschiede?
Jekle: „Jeder, der in Köln einmal verweilte, kennt das Altbier, das traditionell in schlanken, zylinderförmigen Gläsern, im Kölschglas oder der Stange, serviert wird. Diese Variante wirkt für den Bayern eher „zierlich“ der mit seinem 1L Maßbier gerne das süffige Helle trinkt. Auch hier zeichnet der Name die Herstellung aus. Beim Hellen wird von hellen Lagerbieren gesprochen, die malzaromatisch und süßlich sind, zugleich aber auch fruchtig-frisch. Also ja. Es gibt eine Vielzahl besonderer Biere und regionaler Unterschiede.“
„Wie lange dauert der Brauprozess und kann man das wirklich auch in der Badewanne machen?“
Jekle: „Der Brauprozess dauert in der Regel circa einen Tag. Und ja, der Brauprozess könnte technisch, jedoch wohl mit Qualitätseinbußen, in der Badewanne ablaufen. Der sich anschließende Lagerprozess dauert jedoch Wochen bis Monate, bevor das Bier trinkbar ist und erfolgt in größeren Tanks bzw. Fässern oder in der Flasche. Während der Lagerung reift der Geschmack des Bieres und erwünschte Aromen bilden sich weiter auf. Unerwünschte Aromen wie z.B. Diacetyl (Butteraroma) baut sich ab. Weiterhin setzen sich während der Lagerung des Bieres Schwebstoffe am Boden des Behälters ab und das Bier wird klarer (Klärung). Als weitere Vorgang entwickelt sich Kohlensäure durch natürliche Nachgärung oder auch Karbonisierung.“
Alkoholfreie Biere sind immer weiter auf dem Vormarsch. Doch wie funktioniert das eigentlich? Wie bekommt man den Alkohol aus dem Bier?
Jekle: „Prinzipiell gibt es zwei Verfahren um den „Alkohol aus dem Bier zu bekommen“. Zum einen wird nach einer normalen Bierherstellung inklusive der Alkoholproduktion und einer Bierreifung im Lagertank der Alkohol im Anschluss daran wieder aus dem Bier entzogen. Hierfür kann eine Vakuumdestillation oder Membrantrennverfahren angesetzt werden. Durch das Ansetzen eines Vakuums unter 50 °C kann der Alkohol schonend bei niedriger Temperatur verdampft und so aus dem Bier herausgelöst werden. Dem Bier wird so viel Alkohol entzogen, dass alkoholfreie Biere mit maximal 0,5%vol Restalkohol vorhanden ist. Beim zweiten Verfahren, der gestoppten Gärung wird der Brauprozess klassisch gestartet, also Hefe der Bierwürze beigesetzt. Die Hefe verstoffwechselt den in der Würze vorhandenen Zucker v.a. zu Alkohol. Bei der gestoppten Gärung wird die Gärung gemäß der Bezeichnung bei einem Alkoholgehalt von maximal 0,5%vol gestoppt, indem die Würze kurz stark erhitzt wird. Die Temperatureinwirkung inaktiviert die Hefe und die Hefe kann keinen weiteren Zucker mehr in Alkohol umwandeln. Da bei diesem Prozess mehr Zucker im Bier vorhanden ist, da die Hefe diesen Zucker nicht in Alkohol umwandeln konnte, wie beim ersten Verfahren, schmeckt das Bier auch deutlich süßer.“
Was ist der Unterschied zwischen Pils und Weizen?
Jekle:“ Biere werden grundsätzlich ich zwei Kategorien aufgeteilt, und zwar in obergärig und untergärige Biere. Die Bezeichnung klingt zunächst etwas sperrig, jedoch gibt es einen ganz einfachen Unterschied, und zwar liegt der in der Hefe. Um aus der Bierwürze und dessen Zucker durch Gärung Alkohol entstehen zu lassen, wird Hefe zugesetzt. Prinzipiell kann man die Hefe unterscheiden in obergärige und untergärige Hefe. Daher auch die Bezeichnung von unter- und obergärigem Bier. Die obergärige Hefe bildet bei der Hefevermehrung Sprossverbände die verbunden bleiben und durch aufsteigende Kohlensäure im Bier noch oben treiben. Demnach liegt die Hefe bei der Gärung oben auf, also OBERgärig. Die untergärige Hefe bleibt während der Gärung nicht verbunden und setzt sich unten am Boden ab. Demnach UNTERgärig Die obergärige Hefe benötiget im Übrigen für die Gärung wärmere Temperaturen als die untergärige Hefe, die bei niedrigeren Temperaturen aktiv ist. Warum nun diese Ausführung? Pils schmeckt intensiver nach Hopfen und ist bitterer als Weizenbier, es ist ein untergäriges Bier. Weizenbier hingegen ist ein obergäriges Bier, wie auch Kölsch oder Alt. Weizenbier verdankt seinen Namen im Übrigen seinen Inhaltsstoffen. So wird bei der Herstellung von Weizenbier mit einem höheren Anteil an Weizenmalz gebraucht im Vergleich zu Pils. Typisch für Weizenbier ist auch sein weiches Geschmacksprofil und einer fruchtigen oder würzigen Frische. Einige Weizenbiere zeichnen auch die Besonderheit aus, dass sie Bananen- oder Nelkenleitaromen aufweisen. Diese Aromen werden neben der alkoholischen Gärung durch spezifische Hefestämme gebildet. Auch zeichnet die höhere Weizenmenge im Weizenbier das eher cremigere und vollere Mundgefühl beim Trunk, durch eine erhöhte Viskosität des Bieres, aus.“
Und noch eine Frage zum Abschluss: Warum überhaupt Bier? Das ist doch bitter! Wieso stehen da so viele drauf?
Jekle: „Bier gilt als eines der ältesten alkoholischen Getränke. Getreide wurde gesammelt und zufällig mit Wasser stehen gelassen bis durch eine Spontanfermentation (Hefen gibt es überall, auch in der Luft) diese Maische nach einigen Tagen zu gären begonnen hat. Aktuellen Daten nach soll das Bier älter als 9000 Jahre sein. Die Hintergründe zur Beliebtheit sind vielzählig. Zum einen war und ist Bier nahrhaft durch den Getreideanteil. Diesen Vorteil nutzten gerade Klöster im Mittelalter während der Nahrungseinschränkungen in der Fastenzeit. So wurde die Regel übertragen „Was flüssig ist, bricht kein Fasten“. Daher rührt auch die Herkunft der Starkbiere. Weiterhin konnten einige krankheitserregende Keime durch den Alkoholgehalt im Getränk reduziert werden. Trinkwasser war oftmals mit Fäkalien verunreinigt. Somit war Bier damals, zumindest in Teilen und mikrobiologisch gesehen, das „gesündere“ Getränk. Auch wurde in manchen Epochen Bier als Medizin ausgelobt. Und natürlich war die berauschende Wirkung von Alkohol schon jeher für den Menschen interessant.“
Und daran wird sich auch in naher Zukunft so schnell nichts ändern. In dem Sinne: Zum Wohl!
Anhang
Das PDF zur Pressemitteilung „Tag des Bieres“
Ergänzung vom 17.05.2024
Wir bitten um Beachtung folgender Korrektur:
Natürlich wird ein Kölsch ordnungsgemäß im Kölschglas serviert.
Hier hatte sich ein Fehler im Text eingeschlichen, den wir zu verzeihen bitten.
Plastikmüll in Biomüll-Tonnen reduzieren / Idee: BiOTONi aus regionalem Bio-Plastik
Forschende am Resource Lab der Universität Augsburg befassen sich damit, wie der Plastikanteil, der fälschlicherweise in Augsburgs Bio-Tonnen landet, reduziert werden kann. Ausgehend von Befragungen in Mehrfamilienhäusern entstand die Idee eines neuen Abfallbehälters für Biomüll. Das Bio-Plastik, um diesen herzustellen, soll künftig aber nicht wie üblich aus Mais und Zuckerrohr geschaffen werden, das aus dem Ausland hertransportiert werden muss. Sondern aus Abfällen der Land- und Forstwirtschaft – wie Stroh und Rinde – aus der Region. Das Vorhaben ist Teil des Verbundprojekts reGIOcycle, welches das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer zweiten Phase bis 2025 weiter fördert.
In Augsburgs braunen Bio-Tonnen landet immer noch zu viel Plastik, wie beispielsweise Windeln oder Tüten. Diese „Fehlwürfe“ müssen händisch aussortiert werden, damit aus den Abfällen wertvoller Kompost entstehen kann. Oder der Abfallwirtschaftsbetrieb Augsburg muss den eigentlich nützlichen Biomüll verbrennen.
„Dieses Problems haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Resource Lab der Universität Augsburg im Rahmen des Verbundprojekts reGIOcycle angenommen und Menschen in Augsburg und den Landkreisen Aichach-Friedberg und Augsburg dazu befragt, wie sie ihren Abfall sortieren“, erklärt Dr. Andrea Thorenz, die die Forschungsgruppe am Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg leitet.
Eine wichtige Erkenntnis: In Mehrfamilienhäusern ist die Motivation, Müll zu trennen, groß, aber im Alltag wird es nicht umgesetzt. „Ursache solcher Fehlwürfe ist oft schlicht Bequemlichkeit – etwa, wenn Kartoffelschalen oder Obstreste mitsamt der Tüte, in der sie gesammelt wurden, in die braune Tonne geworfen werden. Mitunter mangelt es aber auch an ausreichender Aufklärung“, erklärt Felix Assies, Mitarbeiter und Doktorand am Resource Lab. Das Projektkonsortium kam auf die Idee, einen kleinen Behälter für Biomüll weiterzuentwickeln, der direkt in der Küche steht und dazu einlädt, Küchenabfälle aufzunehmen.
Ökodesign: Vielseitiger Einsatz von Biopolymer im Alltag
Für das Forschungs-Team ist klar, dass die Box für Bioabfälle aus einem nachhaltigen Material hergestellt werden muss. Dafür greifen sie auf ihre Forschungen zur regionalen Kreislaufwirtschaft zurück – also Rohstoffe aus der Region so wiederzuverwerten, dass sie dort wieder genutzt werden.
In einer Datenbank hat das Resource Lab das Potenzial von Zellulose – ein Stoff in den Zellwänden von Pflanzen – für Biopolymer in der Region Augsburg erhoben. Dieser Kunststoff, der aus pflanzlichem Material hergestellt wird und biologisch abbaubar ist, bietet sich auch für den Abfallbehälter für Biomüll an. Konkrete Beispiele für den Einsatz von bioökonomischen Produkten in der Region gibt es bereits: eine Verpackungsbox, die aus Stroh von der Landpack GmbH hergestellt wurde; der „Augsburger Becher“ sowie Take-Away-Transportboxen auf dem Stadtmarkt. All diese Einsatzfälle hat das Resource Lab mit dem Koordinator des Projektes, dem Umweltcluster Bayern, begleitet.
Bio-Plastik: Aus Stroh und Rinde statt aus Mais und Zuckerrohr
Ein weiterer Baustein ist die Herstellung dieser Kunststoffe weiterzuentwickeln. Statt wie sonst üblich auf „Bio-Plastik“ aus Mais oder Zuckerrohr zu setzen, wollen die Forschenden neue Wege gehen. „Denn diese Grundrohstoffe werden häufig aus Brasilien, den USA oder Thailand importiert, wodurch zusätzliche Emissionen entstehen. Außerdem werden für ihre Herstellung landwirtschaftliche Flächen geopfert, die normalerweise für die Erzeugung von Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen würden“, sagt Andrea Thorenz. „Wir planen dagegen, Bio-Plastik zukünftig aus regionalen Abfällen der Land- und Forstwirtschaft herzustellen“, betont die Wissenschaftlerin – also etwa aus Stroh oder Rinde. „Dazu haben wir eine Datenbank für sämtliche Landkreise in Baden-Württemberg und Bayern erstellt“, sagt sie. „Darin sind die biogenen Rohstoffe aufgeführt, die dort in großen Mengen zur Verfügung stehen und die sich für die Bioplastik-Herstellung nutzen ließen.“ Hieran arbeitet das Augsburger Resource Lab im Projekt mit dem Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart sowie der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie zusammen. So konnte bereits jetzt der Anteil an Rohstoffen aus Asien und Amerika reduziert werden, indem ein Zellulose-Werkstoff mit regionalen Fasern hergestellt wurde.
In der zweiten Phase des Verbundprojekts arbeitet das Resource Lab nun an der Umsetzung seiner Ideen, die der Stadt und der Region zugutekommen sollen. Der Wirtschaftsingenieur Felix Assies macht Versuche mit dem neuen Zellulose-Werkstoff. Mit dem 3D-Drucker führt er Testläufe durch – auch für den nachhaltigen Behälter für Biomüll. Assies untersucht in seiner Promotion Möglichkeiten, fossile Kunststoffe durch nachhaltigere Alternativen zu ersetzen und ihre Menge zudem durch intelligente Kreislaufsysteme zu reduzieren. Der Wissenschaftler arbeitet im Projekt reGIOcycle, das seit 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF fona) gefördert wird.
Verbundprojekt reGIOcycle verlängert
Das im Verbund organisierte Projekt besteht aus acht Partnern, bei dem unter anderem die Universität Augsburg, die Universität Stuttgart und die Firma Tecnaro GmbH mit den fünf assoziierten Partnern wie der Stadt und der Landkreis Augsburg zusammenarbeiten. Das fünfjährige Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von Umweltcluster Bayern koordiniert. reGIOcycle startete zunächst mit einer dreijährigen Forschungsphase (2020-2023), welche um eine zweijährige Umsetzungsphase (2023-2025) erweitert wurde.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Andrea Thorenz
Resource Lab der Universität Augsburg
Telefon: +49 821 598-3948
E-Mail: andrea.thorenz@uni-a.de
Originalpublikation:
https://www.regiocycle.de Homepage des Verbundprojekts
Ein wirkungsorientiertes Vorhersagesystem für die bessere Frühwarnung vor Hochwasser
Extremereignisse wie beispielsweise Hochwasser werden durch den Klimawandel häufiger. Dies verstärkt die Notwendigkeit, Methoden zur genaueren und schnelleren Hochwasservorhersage zu entwickeln, um die Bevölkerung künftig besser zu schützen. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) hat in der Zeitschrift Nature Communications ein Hochwasservorhersagesystem vorgestellt, das rechtzeitig nicht nur Wasserstände an Pegeln, sondern auch dynamische hochaufgelöste Überflutungskarten bereitstellt. So können die Folgen einer Überschwemmung präzise bis auf das Niveau einzelner Gebäude prognostiziert werden.
In der räumlichen und zeitlichen Vorhersage von Hochwasserereignissen hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben. So ist es derzeit möglich, Hochwasserstände an einzelnen Pegeln vorherzusagen. Welche Auswirkungen Überschwemmungen für Städte und Gemeinden vor allem für die Menschen im Unterlauf von Flüssen haben können, konnte bisher allerdings nur grob oder sogar fehlerhaft abgeschätzt werden. Diese Präzision ist jedoch entscheidend, weil die betroffene Bevölkerung möglichst schnell vorab informiert werden muss, um gegebenenfalls Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten. „Was es bräuchte, ist ein mit dem neuesten Stand der Technik ausgestattetes Hochwasserfrühwarnsystem, das hochauflösend rechtzeitig Überschwemmungsvorhersagen liefert und angibt, welche Auswirkungen das Hochwasser auf einzelne Gebäude hat“, sagt UFZ-Modellierer Prof. Luis Samaniego, Letztautor des Artikels. Dies würde die Grundlage für das Krisenmanagement entscheidend verbessern.
Für das neue Hochwasservorhersagesystem kombinierten die Forscher der beiden Helmholtz-Zentren in einem ersten Schritt die Niederschlagsvorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (NWP limited area ensemble prediction system) mit dem am UFZ entwickelten hydrologischen Modellsystem mHM (mesoscale hydrologic model). Dieses Modell liefert nicht nur Informationen zum Wasserabfluss, sondern auch zum zeitlichen Verlauf der Bodenfeuchte – einer der entscheidenden Faktoren für die Entwicklung von Hochwasser. Anhand der vorliegenden Daten zur Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 gelang es ihnen im Nachgang, anhand eines Ensembles von 20 Vorhersagenmodellen die Höhe der Flutwelle für den Pegel Altenahr stündlich zu prognostizieren. Zudem konnten sie die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob ein 50- und ein 100-jährliches Hochwasser eintreten. Die Modellierung ergab, dass 47 Stunden und damit fast zwei Tage vor dem Eintreffen der Flutwelle im Ahrtal 15 Prozent der Modelle ein 100-jährliches Hochwasser prognostiziert hätten. Je näher das Ereignis kam, umso wahrscheinlicher wurde, dass die zu dem Zeitpunkt festgelegte Jahrhundertmarke tatsächlich überschritten wird: So sagten 75 Prozent aller Modelle 17 Stunden vor der Flutwelle das Jahrhunderthochwasser voraus, sieben Stunden davor waren es schließlich 100 Prozent. „Wenn 75 Prozent der Vorhersagen in einem Ensemble ein Jahrhunderthochwasser anzeigen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es eintritt“, sagt der UFZ-Modellierer Dr. Husain Najafi, Erstautor der Studie.
Im zweiten Schritt verknüpften die Helmholtz-Forscher das hydrologische Modellsystem mHM mit dem hydrodynamischen Hochwassermodell RIM2D, das das GFZ Potsdam entwickelt hat. RIM2D simuliert in sehr kurzer Zeit die Ausbreitung von Überflutungsflächen und die dynamische Entwicklung von Überflutungstiefen. Erst dieses Modell mit einer räumlichen Auflösung von 10 Meter x 10 Meter macht es möglich, stündlich vorherzusagen, bis zu welcher Höhe das Wasser Flächen überflutet – und damit, in welcher Ortschaft welche Gebäude, Straßen, Eisenbahnstrecken, Krankenhäuser oder sonstige kritische Infrastrukturen wie stark vom Hochwasser betroffen sind. „Zuständige Behörden und Bevölkerung haben so nicht nur Informationen über einen möglichen Pegelstand 30 Kilometer am Flussoberlauf vorliegen, sondern auch eine detaillierte Überflutungskarte, die zeigt, welche Auswirkungen das Hochwasser hat. So könnten sie beispielsweise wissen, wo und welche Personen in Gefahr sein könnten oder wer evakuiert werden muss“, sagt der Hydrologe Dr. Sergiy Vorogushyn vom GFZ.
Für die Rekonstruktion des extremen Hochwasserereignisses im Ahrtal hat das kombinierte Vorhersagemodell des UFZ und des GFZ den ersten Test bestanden. Ab dem Sommer wird die automatisierte Modellkette im Rahmen der Helmholtz-Klima-Initiative in einer weiteren Testphase in zwei weiteren Einzugsgebieten an der Fils und an der Murr in Baden-Württemberg in Echtzeit erprobt. Besteht das Modellsystem auch diese Phase, wäre es aus Sicht der Wissenschaftler für Regionen mit einer erhöhten Hochwassergefahr insbesondere als Folge von Sturzfluten anwendbar. Damit könnte es bestehende Hochwasserfrühwarnsysteme entscheidend ergänzen und den inhaltlichen Horizont der Vorhersagen um die Auswirkungen durch das Hochwasser erweitern. Dies könnte Personen- und Sachschäden künftig erheblich reduzieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Luis Samaniego
UFZ-Department Hydrosystemmodellierung
luis.samaniego@ufz.de
Dr. Sergiy Vorogushyn
Deutsches GeoForschungsZentrums GFZ
sergiy.vorogushyn@gfz-potsdam.de
Originalpublikation:
Husain Najafi, Pallav Kumar Shrestha, Oldrich Rakovec, Heiko Apel, Sergiy Vorogushyn, Rohini Kumar, Stephan Thober, Bruno Merz, and Luis Samaniego: High-Resolution Impact-based Early Warning System for Riverine Flooding. Nature Communications
https://doi.org/10.1038/s41467-024-48065-y
Forschungsprojekt der SRH Berlin auf der Woche der Umwelt des Bundespräsidenten
Die Woche der Umwelt, eine Veranstaltung des Bundespräsidenten und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, präsentiert unter dem Motto “Zusammen für Klimaneutralität” innovative Umweltschutzlösungen. Vom 4. bis 5. Juni im Park von Schloss Bellevue in Berlin, mit dabei ist ein Projekt der SRH.
Die Woche der Umwelt ist eine Veranstaltung des Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeiers sowie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, um gemäß dem Motto “Zusammen für Klimaneutralität” innovative Lösungen zum Schutz der Umwelt vorzustellen. Dieses Jahr findet die Veranstaltung vom 4. Juni bis 5.Juni im Park von Schloss Bellevue in Berlin statt und auch ein Projekt der SRH wird vorgestellt. Neben ca. 190 weiteren Projekten wurde das Projekt “ReGCell – Recycling des Glases und der Siliziumzellen von Photovoltaikanlagen” von einer unabhängigen Jury für eine Präsentation auf der Woche der Umwelt ausgewählt.
Hintergrundinformationen zum nominierten Projekt:
Ein innovativer Recyclingprozess für ausgediente Photovoltaikanlagen wurde im DBU-geförderten Projekt ReGCell entwickelt. Der Prozess ermöglicht die effiziente Rückgewinnung aller wertvollen Materialien aus kristallinen Photovoltaik-Modulen durch sogenannte „Green Chemistry“. Der Begriff beschreibt den Ansatz in der Chemie Umweltverschmutzungen einzudämmen. Im Verfahren werden die Module chemisch angelöst, das Solarglas robotergestützt und unbeschädigt abgetrennt, die Rückseitenfolie entfernt und das Kunststofflaminat thermisch behandelt, um die Siliziumzellen freizusetzen. Eine elektrochemische Behandlung reinigt das Silizium und gewinnt dadurch Kupfer und Silberchlorid zur weiteren Verwendung zurück.
Dieses Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert und von Februar 2020 bis Juni 2021 im Team von Prof. Beck am Institut für angewandte Ressourcenstrategien IARS der SRH Berlin University of Applied Sciences in Zusammenarbeit mit der TH Aschaffenburg, RWTH Aachen und dem assoziierten Partner Hanwha Q Cells durchgeführt.
Die Anmeldung kann unter folgendem Link erfolgen: https://login.dbu.de/veranstaltungen/woche-der-umwelt-2024/
Die Veranstaltungszeiten im Park von Schloss Bellevue sind für angemeldete Personen wie folgt:
Dienstag, 4. Juni: 9:00 – 18:00 Uhr
Mittwoch, 5. Juni: 9:00 – 17:00 Uhr
Der Einlass ist jeweils ab 8:00 Uhr möglich.
Der Eintritt zur Woche der Umwelt ist kostenfrei. Anmeldeschluss für die Veranstaltung ist der 15. Mai 2024. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme an der Woche der Umwelt 2024!
Für weitere Informationen und Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an anna-leona.boesl@srh.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Beck am Institut für angewandte Ressourcenstrategien IARS der SRH Berlin University of Applied Sciences
Weitere Informationen:
http://Mehr Informationen zum Projekt:
https://www.woche-der-umwelt.de/wdu-aussteller/srh-berlin-university-of-applied-…
http://Zur Anmeldung:
https://login.dbu.de/veranstaltungen/woche-der-umwelt-2024/
Präsenzpflicht am Arbeitsplatz – Fluch oder Segen?
Die neuesten Daten der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigen: Die Umsetzung einer Präsenzpflicht am Arbeitsplatz hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden, aber nur einen geringen Zusammenhang mit der selbsteingeschätzten Leistungsfähigkeit.
In den vergangenen Monaten hat die öffentliche Debatte um eine Rückkehr zur Präsenzpflicht deutlich an Fahrt aufgenommen. Viele Unternehmen und deren Führungsverantwortliche scheinen sich ein Comeback des Arbeitsalltags aus Vor-Coronazeiten zu wünschen. Die neusten Daten der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigen nun: Umgesetzt haben das, anders als häufig suggeriert, bislang nur 22 Prozent der Unternehmen. In diesen Unternehmen berichten Mitarbeitende aber auch wesentlich häufiger von erheblichen gesundheitlichen Problemen. Florian Kunze, Autor der Konstanzer Homeoffice-Studie und Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz, erklärt: „Mitarbeitende mit Präsenzpflicht beklagen fast doppelt so häufig Belastungs- und Erschöpfungssymptome. Gleichzeitig stellen sie bei sich selbst kaum einen leistungssteigernden Einfluss der Präsenzarbeit fest. Das sollten Unternehmen bei der Entscheidung, ob eine Rückkehr zur Präsenzpflicht umgesetzt wird, unbedingt mit in den Blick nehmen.“
Wunsch nach Homeoffice nach wie vor hoch
Des Weiteren fragte das Forschungsteam um Florian Kunze nach dem generellen Wunsch hybrider Arbeitsformen und erhob die Meinung von Beschäftigten zu Homeoffice-Regelungen. Im Vergleich zu den vergangenen Befragungen ist der Wunsch nach Homeoffice leicht rückläufig, allerdings auf einem generell hohen Niveau. Nach wie vor wünscht sich die Erwerbsbevölkerung in Bürotätigkeiten in Deutschland, mehr als die Hälfte ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von zuhause aus erledigen zu können. Haben die Befragten Führungsverantwortung, werden jedoch Unterschiede sichtbar (durchschnittlich 2,5 Tage im Vergleich zu 2,8 Tagen bei Angestellten ohne Führungsrolle).
Das könnte auch an der generellen Einstellung zu Homeoffice-Regelungen und deren Auswirkungen liegen: „Ein Drittel der Führungskräfte hält eine stärkere Präsenzpflicht für sinnvoll, während nur etwa ein Fünftel der Angestellten ohne Führungsverantwortung eine solche Regelung befürwortet“, erläutert Kilian Hampel, Co-Autor der Studie. Das wird umso deutlicher bei der Frage, ob im Homeoffice effiziente Arbeitsprozesse gewährleistet seien: 31 Prozent der Führungskräfte sehen das kritisch im Vergleich zu lediglich 15 Prozent unter Beschäftigten ohne Führungsverantwortung.
Die Konstanzer Homeoffice-Studie
Seit Beginn der Coronapandemie 2020 untersucht das Future of Work Lab an der Universität Konstanz die Einstellung von Erwerbstätigen, Führungskräften und Unternehmen zum Homeoffice. Unter der Leitung von Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior, erforscht das Team, wie sich mobiles Arbeiten und das Arbeiten im Homeoffice auf das Engagement, die Produktivität, aber auch emotionale Erschöpfung oder soziale Einsamkeit der Beschäftigten auswirken. Für die neuesten Ergebnisse haben sie 1.023 Teilnehmende befragt, von denen 476 Führungsverantwortung besitzen.
Faktenübersicht
- Die Konstanzer Homeoffice-Studie erfragt seit März 2020 regelmäßig die Einstellung der deutschen Erwerbsbevölkerung, von Führungskräften und Unternehmen zu mobilem Arbeiten und Homeoffice: https://www.polver.uni-konstanz.de/kunze/konstanzer-homeoffice-studie/
- Die jüngste Erhebungswelle der empirischen Langzeitstudie fand im April 2024 statt und konnte auf eine repräsentative Stichprobe von 1.023 Teilnehmenden zurückgreifen. Davon werden rund 700 Teilnehmende seit Beginn der Erhebung regelmäßig befragt. Für sie war es bereits der 17. Befragungszeitpunkt.
- Die Studie wird von Florian Kunze und seinem Forschungsteam am Future of Work Lab an der Universität Konstanz mit Unterstützung des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ durchgeführt.
- Autoren:
Florian Kunze ist Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz, Principal Investigator im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ und Leiter des Future of Work Lab. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Digitalisierung der Arbeitswelt, demographischer Wandel und Diversität in Unternehmen.
Kilian Hampel ist Doktorand an der Professur für Organizational Behavior an der Universität Konstanz. Er promoviert zur Veränderung der Arbeitswelt durch den demographischen Wandel und die Digitalisierung und ist Co-Autor der Konstanzer Homeoffice-Studie.
- Der Exzellenzcluster „The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von Populist*innen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen: https://www.exc.uni-konstanz.de/ungleichheit/
Hinweis an die Redaktionen:
Bilder können im Folgenden heruntergeladen werden:
Florian Kunze: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2024_EXTRA/praesenzpflicht_a…
Bildunterschrift: Florian Kunze, Principal Investigator am Exzellenzcluster “The Politics of Inequality” und Autor der Konstanzer Homeoffice-Studie.
Bild: Ines Janas
Kilian Hampel: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2024_EXTRA/praesenzpflicht_a…
Bildunterschrift: Kilian Hampel, Co-Autor der Konstanzer Homeoffice Studie.
Bild: Ines Janas.
Konstanzer Homeoffice-Studie: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2024_EXTRA/praesenzpflicht_a…
Bildunterschrift: Neueste Daten der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigen: Präsenzpflicht hängt nicht mit mehr Leistung, sondern mit mehr Erschöpfung zusammen.
Copyright: Future of Work Lab, Universität Konstanz.
Anhang
Neueste Daten der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigen: Präsenzpflicht hängt nicht mit mehr Leistung, sondern mit mehr Erschöpfung zusammen.
Neu entdeckte Symbiose aus Rhizobien und Kieselalgen löst großes Rätsel des Meeres
Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie haben im Meer eine bisher unbekannte Partnerschaft zwischen einer Kieselalge und einem Bakterium gefunden, die für große Teile der Stickstofffixierung in weiten Ozeanregionen verantwortlich sein kann. Der neu beschriebene, bakterielle Symbiont ist eng verwandt mit stickstofffixierenden Rhizobien, die mit vielen Kulturpflanzen zusammenleben. Diese Entdeckung könnte neue Wege für die Entwicklung von stickstofffixierenden Pflanzen eröffnen.
Stickstoff ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens. Er steuert zudem das Wachstum von Nutzpflanzen an Land ebenso wie von mikroskopisch kleinen Meerespflanzen, die die Hälfte des Sauerstoffs auf unserem Planeten produzieren. Der größte Teil des weltweiten Stickstoffvorrats besteht aus atmosphärischem Stickstoff, den Pflanzen aber nicht direkt nutzen können. Stattdessen haben Nutzpflanzen, wie Soja, Erbsen und Alfalfa (zusammenfassend als Hülsenfrüchtler bezeichnet), Bakterien als Partner gewonnen, die sogenannten Rhizobien, die den atmosphärischen Stickstoff in Ammonium „fixieren“. Diese Partnerschaft macht Hülsenfrüchte zu einer der wichtigsten Eiweißquellen in der Lebensmittelerzeugung.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen berichten nun, dass Rhizobien mit winzigen Meerespflanzen, den Kieselalgen, ganz ähnliche Partnerschaften eingehen können. Diese Entdeckung löst ein seit langem bestehendes Rätsel der Meeresforschung und bietet möglicherweise weitreichende Anwendungen in der Landwirtschaft.
Ein rätselhafter mariner Stickstofffixierer, versteckt in einer Kieselalge
Viele Jahre lang ging man davon aus, dass der Großteil der Stickstofffixierung in den Ozeanen von photosynthetischen Lebewesen, den Cyanobakterien, durchgeführt wird. Allerdings gibt es in weiten Teilen des Ozeans gar nicht genug Cyanobakterien für die gemessene Stickstofffixierung. Wegen dieser Unstimmigkeit vermuteten viele Forschende, dass nicht-cyanobakterielle Mikroorganismen für die „überschüssige“ Stickstofffixierung verantwortlich sind. „Seit Jahren finden wir in Meerwasserproben Genfragmente des für die Stickstofffixierung verantwortlichen Enzyms Nitrogenase, die aber scheinbar nicht zu Cyanobakterien gehören“, sagt Marcel Kuypers, Hauptautor der Studie. „Aber wir konnten nicht genau feststellen, um welchen rätselhaften Organismus es sich handelte. So konnten wir auch nicht untersuchen, ob er wirklich wichtig für die Stickstofffixierung ist“.
Deswegen beteiligten sich die Bremer Forschenden im Jahr 2020 an einer Expedition mit zwei deutschen Forschungsschiffen in den tropischen Nordatlantik. In dieser Region, in der ein großer Teil der marinen Stickstofffixierung stattfindet, sammelten sie Hunderte Liter Seewasser in der Hoffnung, darin den mysteriösen Stickstofffixierer zu identifizieren und quantifizieren. Es dauerte drei Jahre, bis sie schließlich sein Genom entschlüsseln konnten. „Es war eine lange und mühsame Detektivarbeit”, sagt Bernhard Tschitschko, Erstautor der Studie und Bioinformatik-Experte, „aber letztendlich konnten wir anhand des Genoms viele Rätsel lösen.“ Das erste war die Identität des Organismus: „Obwohl wir wussten, dass das Nitrogenase-Gen von einem Verwandten der Vibrio-Bakterien kommt, zeigte sich erstaunlicherweise, dass der Organismus selbst eng mit den Rhizobien verwandt ist, die in Symbiose mit Hülsenfrüchtlern leben“, so Tschitschko. Und weil diese Rhizobie auch noch ein sehr kleines Genom hat, erschien es gut möglich, dass sie ein Symbiont ist.
Die erste bekannte Symbiose dieser Art
Angespornt von diesen Entdeckungen entwickelten die Forschenden daraufhin eine Gensonde, durch die sie die Rhizobien mit einem fluoreszierenden Farbstoff markieren konnten. Als sie diese Sonde an den Wasserproben aus dem Nordatlantik einsetzten, sahen sie ihre Vermutung klar bestätigt: Es handelt sich bei dem Rhizobium um einen Symbionten. „In den Kieselalgen fanden wir an immer der gleichen Stelle innerhalb der Alge jeweils Gruppen von vier Rhizobien“, berichtet Kuypers. „Es war wirklich aufregend, denn das war die erste jemals entdeckte Symbiose zwischen einer Kieselalge und einem nicht-cyanobakteriellen Stickstofffixierer.“
Die Bremer Forschenden nannten den neu entdeckten Symbionten Candidatus Tectiglobus diatomicola. Nachdem sie nun endlich geklärt hatten, wer der fehlende Stickstofffixierer war, konnten sie sich den Details der Symbiose zuwenden. Mithilfe einer Technologie namens nanoSIMS konnten sie zeigen, dass die Rhizobie der Kieselalge fixierten Stickstoff im Austausch gegen Kohlenstoff liefert. Dabei strengt sie sich richtig an: „Um die Kieselalge in ihrem Wachstum zu unterstützen, fixiert das Bakterium 100-mal mehr Stickstoff, als es für sich selbst benötigen würde“, erklärt Wiebke Mohr, eine der MitautorInnen.
Eine entscheidende Rolle für die Produktivität des Meeres
Als nächstes wandte sich das Forschungsteam wieder den Ozeanen zu: Wie wichtig ist die neu entdeckte Symbiose in der Umwelt? Es zeigte sich, dass diese Lebensgemeinschaft in den Weltmeeren weit verbreitet ist, insbesondere in jenen Regionen, in denen cyanobakterielle Stickstofffixierer selten sind. Diese winzigen Organismen spielen also wahrscheinlich eine Hauptrolle bei der weltweiten marinen Stickstofffixierung und sind daher entscheidend, um die Produktivität der Meere und die globale Aufnahme von Kohlendioxid durch den Ozean zu gewährleisten.
Ein spannender Kandidat für Entwicklungen in der Landwirtschaft
Neben ihrer Bedeutung für die marine Stickstofffixierung birgt die nun vorgestellte Entdeckung aber möglicherweise noch ganz andere Potenziale: Kuypers denkt dabei besonders daran, was die Entdeckung aus evolutionärer Sicht bedeutet. „Die evolutionären Anpassungen von Ca. T. diatomicola sind dem endosymbiotischen Cyanobakterium UCYN-A sehr ähnlich, das wie eine stickstofffixierende Organelle im Frühstadium ist. Man könnte also spekulieren, dass Ca. T. diatomicola und sein Wirt sich ebenfalls in einem frühen Stadium der Entwicklung zu einem einzigen Organismus befinden könnten.“
Auch Tschitschko findet die Identität des Symbionten besonders spannend. „Bislang wurden solche Organellen nur bei Cyanobakterien nachgewiesen. Wenn es sie aber auch bei Rhizobien gäbe, könnte das weitreichende Konsequenzen haben angesichts der gewaltigen Bedeutung dieser Bakterien für die Landwirtschaft.” Die Winzigkeit und die Ähnlichkeit zu einer Organelle bedeutet, dass sie eines Tages ein Schlüsselkandidat für die Entwicklung von stickstofffixierenden Pflanzen sein könnten.“
Die Forschenden werden nun die neu entdeckte Symbiose weiter untersuchen, um festzustellen, ob es in den Ozeanen noch weitere solche Partnerschaften gibt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marcel Kuypers
Abteilung Biogeochemie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-6020
E-Mail: mkuypers@mpi-bremen.de
Dr. Wiebke Mohr
Abteilung Biogeochemie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-6300
E-Mail: wmohr@mpi-bremen.de
Originalpublikation:
Bernhard Tschitschko, Mertcan Esti, Miriam Philippi, Abiel T. Kidane, Sten Littmann, Katharina Kitzinger, Daan R. Speth, Shengjie Li, Alexandra Kraberg, Daniela Tienken, Hannah K. Marchant, Boran Kartal, Jana Milucka, Wiebke Mohr, Marcel M. M. Kuypers (2024): Rhizobia-diatom symbiosis fixes missing nitrogen in the ocean. Nature (2024)
DOI: XXXX
Weitere Informationen:
https://www.mpi-bremen.de/Page6225.html
Energieeffiziente Ventilatoren: auf der Suche nach der optimalen Luftströmung
Im Autobahntunnel oder dem Einkaufszentrum kann nicht einfach mal schnell ein Fenster geöffnet werden – dass hier trotzdem keine dicke Luft herrscht, ist moderner Technik zu verdanken. Große industrielle Lüftungsanlagen funktionieren so gut, dass sie im Alltag kaum wahrgenommen werden, haben allerdings einen Nachteil: den Energieverbrauch. Die Europäische Union hat angekündigt, die Ökodesign-Richtlinie für Industrieventilatoren kommendes Jahr zu verschärfen. In seiner Doktorarbeit an der Hochschule Coburg und der FAU Erlangen-Nürnberg hat Manuel Fritsche dafür eine Lösung entwickelt.
Im Bereich der Ventilatoren gibt es Handlungsbedarf. Grund ist eine EU-Verordnung: Nr. 327/2011 als Teil der ErP Richtlinie 2009/125/EG schreibt immer strengere Anforderungen an die Energieeffizienz für diese Maschinen vor. „Der Mindestwirkungsgrad wird vom Gesetzgeber mit der Zeit systematisch erhöht“, sagt Manuel Fritsche. „Das stellt für Ventilatorenhersteller eine ernstzunehmende technische Herausforderung dar.“ Fritsche sitzt an einem Rechner im Labor für Strömungsmechanik der Hochschule Coburg; die beiden großen Bildschirme vor ihm zeigen ineinanderfließendes Pink, Gelb und Grün. „Numerische Strömungssimulationen“, erklärt er. Um sie darzustellen, wird berechnet, wie verschiedene Faktoren die Luftströmung am Ventilator beeinflussen.
„Strömungen sind komplexe Vorgänge: Da gibt’s Turbulenz, Dreidimensionalität, Instationarität.“ Vom Zusammenspiel hängt ab, wie Luftströme fließen. Wenn zum Beispiel am Ventilatoren-Blatt eine Verwirbelung entsteht, wird die Energie nicht gut umgesetzt; der Wirkungsgrad ist schlecht. Im Idealfall strömt die Luft einfach entlang der Schaufel des Ventilators. „Wie die optimale Strömungsführung ist, haben sich Ingenieure und Ingenieurinnen schon früher überlegt“, berichtet Fritsche. „Man hat dann mehrere Prototypen erstellt und getestet, was am besten funktioniert.“ Seit etwa 20 Jahren verlagern sich diese Tests immer mehr in Computersimulationen und statt wie früher ein paar Prototypen zu bauen, hat der 34-Jährige für seine Doktorarbeit Tausende Simulationen durchgeführt.
Wo bisher bekannte Verfahren scheitern
Bei den altbekannten Auslegungsverfahren wird von einer zylindrischen Nabenform und aerodynamisch profilierten Schaufeln ausgegangen, für die empirische Profildaten benötigt werden. Niederdruck-Axialventilatoren werden in der industriellen Praxis aus Kosten- und Fertigungsgründen allerdings meist mit dreidimensional gebogenen Schaufeln aus gleichbleibend dickem Blech hergestellt. Dafür hat Fritsche eine „Simulationsgetriebene Auslegungs- und Optimierungsstrategie für den Anwendungsfall eines Axialventilators mit Leitapparat“ entwickelt. Für die überdurchschnittliche Leistung dieser Doktorarbeit wurde er mit „Magna Cum Laude“ ausgezeichnet. Betreut wurde die kooperative Promotion an der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg von Prof. Dr. Philipp Epple, Leiter des Labors für Strömungsmechanik, sowie von Prof. Dr. Antonio Delgado vom Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Vom ersten Semester bis zur Promotion an der Hochschule
Epple freut sich sehr über das abgeschlossene Promotionsverfahren seines wissenschaftlichen Mitarbeiters. Fritsche ist mit der Hochschule schon lange verbunden. Er lebt in Ebensfeld im Kreis Lichtenfels, hat an der Fakultät Maschinenbau- und Automobiltechnik der Hochschule Coburg bereits sein Diplom- und sein Masterstudium absolviert und bleibt nach der Promotion als Postdoc an der Fakultät. Sein Coburger Doktorvater Epple dankt dem Dekan Prof. Dr. Alexander Rost für die Unterstützung dieses Promotionsverfahrens. „Mein besonderer Dank gilt außerdem der Hochschulleitung“, sagt Epple. „Insbesondere unser Präsident Prof. Dr. Stefan Gast und unser Vize-Präsident für Forschung, Prof. Dr. Martin Synold, haben die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und unterstützen Forschung und Promotionsvorhaben stetig.“
Wissenschaft und Industrie: ein erfolgreiches Transferprojekt
Präsident Gast kommt selbst aus der Fakultät Maschinenbau- und Automobiltechnik, hat Fritsches Arbeit einige Zeit aus nächster Nähe erlebt und freut sich sehr, dass die Forschungsergebnisse aus dieser Doktorarbeit in die industrielle Praxis transferiert werden. Die Dissertation ist Teil eines Kooperationsprojekts zwischen der Hochschule Coburg und einem Ventilatorenhersteller, das über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert wird.
Mit Hilfe von Prototypen des Industriepartners wurde Fritsches neues Auslegungs- und Optimierungsverfahren validiert. „Als Handmuster hat mir außerdem das Institut für Prototypen- und Modelltechnik der Hochschule Coburg Ventilatoren im 3D-Druckverfahren erstellt“, ergänzt der Doktorand. Auf Basis seiner Forschung können Axialventilatoren nun mit nennenswerten Wirkungsgradsteigerungen und optimiertem Betriebsverhalten ausgelegt werden. Das trägt dazu bei, die künftig strengere EU-Richtlinie zu erfüllen. Überall dort, wo wie im Parkhaus oder Einkaufszentrum große Lüftungsanlagen eingesetzt werden, kann das entwickelte Verfahren die Energieeffizienz von Ventilatoren verbessern – und das trifft den eigentlichen Kern der manchmal sperrigen Verordnungen der EU: Es ist ein Beitrag zum Klimaschutz.
Aufruf zur Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gehören zu den größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit und die Entwicklung. Die Begrenzung des Auftretens und der Verbreitung resistenter Erreger ist entscheidend, um weltweit Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen zu behandeln, die Risiken für die Lebensmittelsicherheit zu verringern und Fortschritte bei den nachhaltigen Entwicklungszielen der WHO zu erreichen. Die AMR Multi-Stakeholder Partnership Platform hat wichtige Handlungsempfehlungen zu AMR erarbeitet, die von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) auf der Tagung der UN-Generalversammlung zu AMR am 26. September 2024 erörtert werden sollen.
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gehören zu den größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit und die Entwicklung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden im Jahr 2019 schätzungsweise 4,95 Millionen Todesfälle mit AMR in Verbindung gebracht, darunter 1,27 Millionen Todesfälle, die auf bakterielle AMR zurückzuführen sind. Die Begrenzung des Auftretens und der Verbreitung resistenter Erreger ist von entscheidender Bedeutung, um weltweit Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen zu behandeln, die Risiken für die Lebensmittelsicherheit zu verringern und Fortschritte bei den nachhaltigen Entwicklungszielen der WHO zu erreichen. Die AMR Multi-Stakeholder Partnership Platform hat wichtige Handlungsempfehlungen zur Problematik antimikrobieller Resistenzen erarbeitet, die von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) auf der hochrangigen Tagung der UN-Generalversammlung zu AMR, die am 26. September 2024 im UN-Hauptquartier in New York stattfinden wird, erörtert werden sollen. Als Mitglied der AMR Multi-Stakeholder Partnership Platform und aktiver Teilnehmer der Aktionsgruppe der Plattform hat das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) an der Entwicklung der zentralen Empfehlungen mitgewirkt.
Die folgenden Empfehlungen basieren auf den Diskussionen, die von der Aktionsgruppe der AMR-Multi-Stakeholder-Partnerschaftsplattform auf dem hochrangigen UN-Treffen zu AMR geführt wurden. Die Interessengruppen der Plattform, die verschiedene Sektoren (Mensch, Tier, Landwirtschaft, Pflanzen, Umwelt), Disziplinen und Hintergründe vertreten, rufen die UN-Mitgliedstaaten dazu auf, sich auf umsetzbare und messbare Schritte zu einigen. Unter einem One-Health-Ansatz sollen diese Schritte dazu dienen, eine gesündere, nachhaltigere und widerstandsfähigere Gegenwart und Zukunft zu gewährleisten, in der antimikrobielle Wirkstoffe als wichtige lebensrettende Arzneimittel erhalten bleiben, die für alle und überall gleichermaßen zugänglich sind.
- Verbesserung der One-Health-Zusammenarbeit im Bereich AMR durch eine wirksame sektorübergreifende, transparente, inklusive, multilaterale, multidisziplinäre und von mehreren Interessengruppen getragene Koordinierung, Kommunikation und Weiterverfolgung.
- Beschleunigung der Umsetzung der Nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (NAPs), aufbauend auf dem Kontext, den Kapazitäten und den Fähigkeiten der Länder.
- Stärkung der Kapazitäten für AMR-bezogene Aktivitäten durch die Mobilisierung nachhaltiger Finanzmittel für Forschung, Infrastruktur und die Umsetzung von Nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen.
- Stärkung der Gesundheitssysteme durch umfassende Strategien der Primär- und Sekundärprävention wie Infektionsprävention und -kontrolle (IPC), Stewardship-Programme, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), Impfungen, Frühdiagnose und sofortige Behandlung sowie Umweltmanagement von Luft, Wasser, Boden, Lebensmitteln und Vektoren für eine bessere Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.
- Bessere Nutzung von Präventivmaßnahmen wie Impfungen durch Erweiterung der Evidenzbasis bezüglich ihrer Wirkung gegen AMR, Entwicklung von Mechanismen zur Verbesserung des Zugangs zu und der Nutzung von bestehenden Impfstoffen, Verbesserung der Regulierungswege, Erleichterung der Marktzulassung und Verteilung von Produkten über Sektoren und Länder hinweg.
- Stärkung der sektorspezifischen Überwachung von AMR und der Verwendung antimikrobieller Präparate mit dem Ziel einer integrierten Überwachung für evidenzbasierte Maßnahmen zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen von AMR.
- Umgestaltung der Agrarnahrungsmittelsysteme, um den Einsatz antimikrobieller Präparate deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Tiergesundheit und den Tierschutz zu optimieren.
- Gewährleistung eines allgemeinen, gerechten, erschwinglichen und nachhaltigen Zugangs zu qualitativ hochwertigen grundlegenden Arzneimitteln, Impfstoffen und Diagnostika für Mensch und Tier, auch in ländlichen Gebieten.
- Ermutigung der Länder mit hohem Einkommen und anderer Interessengruppen, sich zu einem durchgängigen Ansatz für eine nachhaltige antimikrobielle Forschung und Entwicklung (F&E) zu verpflichten, unter anderem durch eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen in Push- und Pull-Anreize, um die globalen F&E-Anstrengungen zu katalysieren, die notwendig sind, um neue Behandlungen und Instrumente zu entwickeln, die auf die weltweit wichtigsten Krankheitserreger abzielen.
- Vorbeugung und Bekämpfung der treibenden Kräfte, Quellen und Herausforderungen der Umweltdimensionen von AMR.
Die AMR Multi-Stakeholder Partnership Platform wurde im November 2022 von den Quadripartite-Organisationen – der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) – als eine der von der „Inter-Agency Coordination Group on AMR“ der Vereinten Nationen empfohlenen globalen Verwaltungsstrukturen eingerichtet. Sie bringt relevante Interessengruppen aus den Sektoren Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt zusammen, um die Erhaltung von antimikrobiellen Substanzen und ihre verantwortungsvolle Verwendung durch einen One-Health-Ansatz zu gewährleisten. Sie fördert eine gemeinsame globale Vision, hilft bei der Konsensbildung und ergreift Maßnahmen, um zur Umsetzung des Globalen Aktionsplans zu AMR (GAP) beizutragen. Seit ihrer Gründungsversammlung im November 2023 ist die Plattform auf mehr als 200 Mitglieder (Organisationen, Netzwerke und Verbände) angewachsen. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist eines von ihnen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Timo Jäger
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
timo.jaeger@dzif.de
Weitere Informationen:
https://openknowledge.fao.org/items/522f87fd-caf6-4474-a60a-23cbd0dbfa54/full
http://vollständigen Empfehlungen
https://openknowledge.fao.org/items/522f87fd-caf6-4474-a60a-23cbd0dbfa54 Kurzfassung
öffentliche Bekanntgabe des Aufrufs
https://www.fao.org/antimicrobial-resistance/quadripartite/the-platform/en/ globale Bewegung der AMR Multi-Stakeholder Partnership Platform für Maßnahmen gegen AMR
Transparenz in der Ökobilanz: Welche Umweltwirkungen haben recycelte Kunststoffe?
Es besteht eine wachsende Nachfrage nach Informationen über die Umweltauswirkungen der Verwendung von recyceltem Kunststoff. Veröffentlichungen und zuverlässige Daten sind jedoch rar. Jetzt ist es an der Zeit, dass Industrie, Wissenschaft und politische Entscheidungsträger Ideen austauschen und einen Konsens darüber erzielen, wie die Umweltauswirkungen von recy-celten Kunststoffen modelliert werden können. Genau hier setzt das Fraunhofer CCPE compact am 20. Juni 2024 zum Thema »Auswirkungen von recycelten Kunststoffen – Ein Stakeholder-Ansatz zur Ermittlung eines Konsenses in der Ökobilanz« an. Einen ersten Einblick geben uns Dr.-Ing. Anna Kerps und Tanja Fell im Interview.
Anna, du bist die Hauptautorin des im Januar 2024 erschienenen Positionspapiers »Challenges and requirements in comparative life cycle assessment of plastics recycling« von Fraunhofer CCPE. Was ist daraus die für dich wichtigste Botschaft?
Anna Kerps: Wir – und damit meine ich vor allem die Forschung und die Industrie – haben noch ein Stück Weg vor uns, bis wir belastbare Aussagen zu vergleichenden Umweltwirkungen von recycelten Kunststoffen durchführen können. Derzeit fehlt es bei LCA-Studien im Bereich des Kunststoffrecyclings an einheitlichen und harmonisierten Regeln, was zu irreführender Kommunikation und Entscheidungsfindung führen kann. Im Positionspapier haben wir zehn Herausforderungen und zehn Anforderungen formuliert, die die Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Studien im Bereich des Kunststoffrecyclings betreffen. Gerade arbeiten wir daran, einige dieser Herausforderungen beispielhaft am lösemittelbasierten Recycling zu adressieren, was wir u.a. im CCPE-Cluster weiterentwickeln. Wir möchten die Unterschiede und Unvergleichbarkeiten durch Modellierungsentscheidungen am Beispiel des lösemittelbasierten Recyclings sichtbar machen. Gerade neue Recyclingtechnologien haben andere Anforderungen an die Systemgrenzen und Modellierungsentscheidungen. Um die umweltspezifischen Vorteile von recycelten Kunststoffen im Vergleich untereinander und zu Kunststoffneuwaren aufzeigen zu können, ist es nötig, einen einheitlichen Bemessungsrahmen für die Ökobilanz zu schaffen, damit die Rohstofftypen miteinander verglichen werden können.
Wie zahlt darauf bereits eure Recyclingtechnologie, das lösungsmittelbasierte Recycling, ein?
Tanja Fell: Wir halten Kunststoffressourcen aus solchen Abfällen im Kreislauf, die ansonsten als nicht recyclingfähig gelten, d.h. wir kommen z.B. aus einem stark verschmutzen post-consumer Folien-Verpackungsabfall und können unsere Rezyklate wieder in eine Folienanwendung für Verpackungen bringen.
Die dafür erforderliche hohe Rezyklatqualität erreichen wir zum einen durch die hohe Selektivität unseres Löseprozesseses und durch unsere effektiven Reinigungsverfahren. Das Verfahren benötigt weniger Energie als die Neuwareherstellung und das chemische Recycling, kurzum wir erreichen durch den Prozess hohe Qualitäten und eine positive Ökobilanz.
Das Verfahren sollte nicht als Konkurrenz zum thermo-mechanischen Recycling verstanden werden, sondern vielmehr als eine ergänzende physikalische Recyclingroute. Denn der lösungsmittelbasierte Prozess zielt vor allem auf heterogene Abfallstoffe, die bislang entweder nur thermisch verwertet werden oder nur zu sehr minderwertigen Rezyklaten verarbeitet werden können.
Ihr werdet im Anschluss an das Fraunhofer CCPE compact die Industrieunternehmen zu Interviews bitten. Um was soll es dabei gehen?
Anna Kerps: Genau! Wir möchten mit den Kunststoffrecyclern in einen Dialog treten, um die theoretischen Herausforderungen aus dem Positionspapier mit dem praxisnahen Nutzen und Aufwand beim Recycling abzugleichen. Ziel ist es, die Herausforderungen besser zu verstehen und gemeinsam in einem Stakeholder-Ansatz zu diskutieren. Modellierungsentscheidungen in der Ökobilanz sind in der Regel geprägt von unterschiedlicher Motivation, Zielsetzung, Aktualität und zugrundeliegender (wissenschaftlicher) Expertise sowie der potenziellen Anwendungsfelder der Kunststoffe. Zum einen möchten wir Wissen vermitteln und in einen Dialog treten, zum anderen ist es das Ziel, einen Konsens zu schaffen. Viele Einzelstudien zum Kunststoffrecycling zeigen unabhängig voneinander, dass der Einsatz von Rezyklat im Vergleich zu Neuware zu Umweltvorteilen führt. Bisher lassen sich diese Studien allerdings nicht untereinander vergleichen. Gemeinsam mit den Industrieunternehmen möchten wir den Einsatz von Rezyklaten durch vergleichbare Modellierungsentscheidungen stärken.
Was ist Euch wichtig, der Industrie in Bezug auf die Ökobilanz von recyceltem Kunststoff mit auf den Weg zu geben?
Anna Kerps: Es kann nicht sein, dass die Rezyklate große Teile der Belastungen der Emissionen aus der nachgelagerten Verbrennung von mitgesammelten Störstoffe tragen. Da das Recycling ein multi-funktionaler Prozess ist und gleichzeitig Abfall verwertet und neues Material erzeugt wird, sollten die Umweltwirkungen der Sammlung, Sortierung und dem Recycling entsprechend der Funktion der Abfallverwertung und der Ressourcenbereitstellung zugeordnet werden. Wir möchten dieses Multifunktionalitätsproblem gerne gemeinsam lösen. Startpunkt für den Austausch ist die kommende Online-Veranstaltung, wo wir die Herausforderungen nochmal aufarbeiten, um dann gemeinsam in den Dialog zu treten.
Wir wünschen uns, dass möglichst viele mitmachen, um eine große Tragkraft zu erzielen.
Sie können sich zur Online-Veranstaltung Fraunhofer CCPE compact »Auswirkungen von recycelten Kunststoffen – Ein Stakeholder-Ansatz zur Ermittlung eines Konsenses in der Ökobilanz« am 20. Juni 2024 von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr hier kostenfrei anmelden. Die Veranstaltung findet online auf Englisch statt.
Weitere Informationen:
https://www.ccpe.fraunhofer.de/de/aktuelles/veranstaltungen/2024/fraunhofer-ccpe… (Weitere Informationen zur Veranstaltung)
MCC: CO₂-Bepreisung wirkt – große Metastudie zeigt so umfassend wie noch nie die Befunde
Zwischen 5 und 21 Prozent Emissionsrückgang: Das ist der empirisch gemessene Effekt in den ersten Jahren nach dem Start von Systemen zur CO₂-Bepreisung. Ein Forschungsteam zeigt diese Befunde jetzt für 17 Ausprägungen realer Klimapolitik rund um den Globus – und verdichtet damit so umfassend wie nie zuvor den Erkenntnisstand. Es ermittelt mit künstlicher Intelligenz die bisherigen Erhebungen und macht sie mit einem neuartigen Rechenkonzept vergleichbar. Die große Metastudie wurde geleitet vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications publiziert.
„Diese Forschungsarbeit kann helfen, die ordnungspolitische Debatte über die prinzipielle Ausrichtung der Klimapolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des MCC und ein Co-Autor der Untersuchung. „Von der Politik wird ja die Idee, den Treibhausgas-Ausstoß über den Preis zu drosseln, immer wieder in ihrer Wirksamkeit angezweifelt, und man fokussiert sich stattdessen oft übermäßig auf Verbote und Vorschriften. Sicherlich braucht es in der Regel einen Policy-Mix – doch der Glaubensstreit darüber, was das klimapolitische Leitinstrument sein sollte, lässt sich mit Fakten klären.“
Ausgangspunkt der Metastudie ist eine Frage wie in einem Laborexperiment: Wie veränderte sich nach dem Start von CO₂-Bepreisung der Ausstoß, relativ zu einem simulierten Business-as-usual-Szenario? Über eine Stichwortsuche in Literaturdatenbanken ermittelte das Forschungsteam fast 17.000 potenziell einschlägige Studien und suchte dann in aufwendiger Feinarbeit – und unterstützt von Methoden des maschinellen Lernens – 80 Studien heraus, die für diese Fragestellung wirklich relevant sind. Davon sind allein 35 zu Pilotsystemen in China, 13 zum EU-Emissionshandel, 7 und 5 zu den größeren Pilotsystemen in British Columbia in Kanada und „Regional Greenhouse Gas Initiative“ in den USA sowie Studien zu weiteren Systemen in Australien, Finnland, Großbritannien, Japan, Kanada, Schweden, der Schweiz, Südkorea und den USA. Die zuvor größte Metastudie umfasste nur knapp halb so viele Studien.
Aus den Erhebungen wurden dann im zweiten Schritt die Schlüsseldaten ausgelesen: etwa die statistischen Messzahlen zur Wirkung der jeweiligen CO₂-Preis-Einführung, die Art ihrer Umsetzung als Steuer oder Emissionshandel sowie Geltungsbereich und Zeitpunkt der Einführung, und auch der je nach Erhebung unterschiedlich lange Beobachtungszeitraum. In der Metastudie werden diese Messungen standardisiert und damit vergleichbar gemacht. Zudem werden die Ergebnisse mit Blick auf Schwachpunkte bei den Primärerhebungen korrigiert, etwa ein Design abweichend vom üblichen Setting eines Laborexperiments oder die Neigung, nur statistisch signifikante Effekte zu publizieren und Mini-Effekte unter den Tisch fallen zu lassen. Das Forschungsteam macht das dazu eigens entwickelte Rechenkonzept öffentlich zugänglich und betont: Es taugt als Gerüst auch für künftige Updates, so dass bei flächendeckenderer und höherer CO₂-Bepreisung die Wirkung auf die Emissionen laufend neu bilanziert werden kann.
Aus den bisherigen empirischen Daten ergibt sich unter anderem, dass die Einführung von CO₂-Bepreisung in einigen chinesischen Provinzen einen überdurchschnittlich starken Effekt auf die Emissionsbilanz hatte. Generell steigern insbesondere ein offensives Politik-Design („Ankündigungseffekt“) und ein günstiges Umfeld (niedrige CO₂-Vermeidungskosten) die Wirkung. Hingegen spielt die Frage, ob der CO₂-Preis über eine Steuer oder einen Emissionshandel realisiert wird, aus Sicht des Forschungsteams in den Befunden eine geringere Rolle als in der politischen Diskussion.
Die Metastudie beleuchtet auch die anhaltende Notwendigkeit, hier empirisch zu forschen. „Bei gut 50 weiteren Systemen von CO₂-Bepreisung wurde der Effekt auf die Emissionsbilanz noch gar nicht wissenschaftlich evaluiert“, berichtet Niklas Döbbeling-Hildebrandt, Doktorand in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor. „Auch die zuletzt deutlich gestiegenen CO₂-Preise sind noch nicht im Blick. Zudem zeigt unser systematischer Literatur-Review die Verbesserungspotenziale bei der Methodik, für präzise und verzerrungsfreie Erhebungen. Neue Standards und weitere Feldarbeit in diesem Bereich sind also wichtig. Es braucht umfassende und aussagekräftige Forschungssynthese, auch zur Wirksamkeit anderer Politikinstrumente, damit die Klimapolitik Bescheid weiß, was wirkt.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
https://www.mcc-berlin.net/ueber-uns/team/doebbeling-niklas.html
Originalpublikation:
Döbbeling-Hildebrandt, N., Miersch, K., Khanna, T., Bachelet, M., Bruns, S., Callaghan, M., Edenhofer, O., Flachsland, C., Forster, P., Kalkuhl, M., Koch, N., Lamb, W., Ohlendorf, N., Steckel, J., Minx, J., 2024, Systematic review and meta-analysis of ex-post evaluations on the effectiveness of carbon pricing, Nature Communications
https://doi.org/10.1038/s41467-024-48512-w
Weitere Informationen:
https://www.mcc-berlin.net
Anhang
MCC: CO₂-Bepreisung wirkt – große Metastudie zeigt so umfassend wie noch nie die Befunde
https://idw-online.de/de/attachment102978
Allgegenwärtige Kunststoffe biologisch abbaubar machen
Polystyrol wird aus Styrol-Bausteinen hergestellt und ist der mengenmäßig am meisten verwendete Kunststoff, zum Beispiel für Verpackungen. Anders als PET, das inzwischen biotechnologisch hergestellt und auch recycelt werden kann, ist die Herstellung von Polystyrol bislang eine rein chemische Angelegenheit. Auch abgebaut werden kann der Kunststoff nicht biotechnologisch.
Das wollen Forschende ändern: Ein internationales Team unter Leitung von Dr. Xiaodan Li vom Paul Scherrer Institut, Schweiz, unter Beteiligung von Prof. Dr. Dirk Tischler, Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum, hat ein bakterielles Enzym entschlüsselt, das eine Schlüsselrolle im Styrolabbau einnimmt. Damit ist der Weg zur biotechnologischen Anwendung frei. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Nature Chemistry vom 14. Mai 2024.
Styrol in der Umwelt
„Jedes Jahr werden mehrere Millionen Tonnen Styrol produziert und transportiert“, so Dirk Tischler. „Dabei kommt es auch zur unbeabsichtigten Freisetzung in die Natur.“ Das ist aber nicht die einzige Quelle von Styrol in der Umwelt: Es kommt natürlicherweise in Stein- und Braunkohlenteer vor, kann in Spuren in essenziellen Ölen von einigen Pflanzen auftreten oder entsteht beim Abbau von Pflanzenmaterial. „Daher ist es gar nicht verwunderlich, dass Mikroorganismen gelernt haben, damit umzugehen oder es sogar zu verstoffwechseln“, so der Forscher.
Schnell, aber aufwändig: der mikrobielle Styrolabbau
Bakterien und Pilze sowie auch der menschliche Körper aktivieren Styrol unter Zuhilfenahme von Sauerstoff und bilden Styroloxid. Styrol selbst ist giftig, Styroloxid jedoch noch schädlicher. Daher ist die schnelle Verstoffwechselung entscheidend. „In manchen Mikroorganismen und auch im menschlichen Körper wird das so gebildete Epoxid in der Regel mittels Glutathion konjugiert und damit wasserlöslicher gemacht, wodurch ein Abbau, aber auch die Ausscheidung vereinfacht werden“, erklärt Dirk Tischler. „Dieser Weg ist sehr schnell, aber für die Zellen auch sehr teuer. Es muss quasi für jedes Molekül Styroloxid ein Glutathion-Molekül geopfert werden.“
Die Bildung des Glutathion-Konjugats und ob, beziehungsweise wie Glutathion zurückgewonnen werden kann, ist Teil der aktuellen Forschung in der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenschule MiCon an der Ruhr-Universität. Einige Mikroorganismen haben eine günstigere Variante entwickelt. Sie nutzen zum Abbau des Epoxids ein kleines Membranprotein, die Styroloxid-Isomerase.
Styroloxid-Isomerasen sind effizienter
„Schon nach der ersten Anreicherung der Styroloxid-Isomerase aus dem Bodenbakterium Rhodococcus konnten wir dessen rötlich Farbe wahrnehmen und zeigen, dass dieses Enzym in der Membran gebunden ist“, berichtet Dirk Tischler. Über die Jahre hat er mit seinem Team verschiedenste Enzyme der Familie untersucht und vor allem in der Biokatalyse eingesetzt. All diese Styroloxid-Isomerasen sind katalytisch hoch effizient, sehr schnell und verbrauchen zudem keine anderen Stoffe (Co-Substrate). Damit erlauben sie eine schnelle Entgiftung des toxischen Styroloxids im Organismus und zudem eine potente biotechnologische Anwendung im Bereich der Feinchemikalien-Synthese.
„Um letztere optimieren zu können, ist aber ein Verständnis der Funktion nötig“, erklärt Dirk Tischler. „Das konnten wir in der internationalen Kooperation zwischen Forschenden aus der Schweiz, Singapur, den Niederlanden und Deutschland erheblich voranbringen.“ Das Team konnte zeigen, dass das Enzym als Trimer mit drei identischen Einheiten in der Natur vorliegt. Die Strukturuntersuchungen zeigten, dass zwischen jeder Untereinheit je ein Häm-Cofaktor sitzt und dieser mit einem Eisenion beladen ist. Das Häm bildet dabei einen essenziellen Teil der sogenannten aktiven Tasche und ist relevant für die Fixierung und Umsetzung des Substrates. Das Eisenion des Häm-Cofaktors koordiniert dabei das Sauerstoffatom des Styroloxids und aktiviert so das Substrat. „Damit konnte eine neue biologische Funktion von Häm in Proteinen umfassend beschrieben werden“, resümiert Dirk Tischler.
Förderung
Die Arbeiten werden zum Teil durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs MiCon unterstützt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dirk Tischler
Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22656
E-Mail: dirk.tischler@ruhr-uni-bochum.de
Originalpublikation:
Basavraj Khanppnavar et al.: Structural Basis of the Meinwald Rearrangement Catalyzed by Styrene Oxide Isomerase, in: Nature Chemistry, 2024, DOI: 10.1038/s41557-024-01523-y,
https://www.nature.com/articles/s41557-024-01523-y
Neu entdeckte Symbiose aus Rhizobien und Kieselalgen löst großes Rätsel des Meeres
Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie haben im Meer eine bisher unbekannte Partnerschaft zwischen einer Kieselalge und einem Bakterium gefunden, die für große Teile der Stickstofffixierung in weiten Ozeanregionen verantwortlich sein kann. Der neu beschriebene, bakterielle Symbiont ist eng verwandt mit stickstofffixierenden Rhizobien, die mit vielen Kulturpflanzen zusammenleben. Diese Entdeckung könnte neue Wege für die Entwicklung von stickstofffixierenden Pflanzen eröffnen.
Stickstoff ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens. Er steuert zudem das Wachstum von Nutzpflanzen an Land ebenso wie von mikroskopisch kleinen Meerespflanzen, die die Hälfte des Sauerstoffs auf unserem Planeten produzieren. Der größte Teil des weltweiten Stickstoffvorrats besteht aus atmosphärischem Stickstoff, den Pflanzen aber nicht direkt nutzen können. Stattdessen haben Nutzpflanzen, wie Soja, Erbsen und Alfalfa (zusammenfassend als Hülsenfrüchtler bezeichnet), Bakterien als Partner gewonnen, die sogenannten Rhizobien, die den atmosphärischen Stickstoff in Ammonium „fixieren“. Diese Partnerschaft macht Hülsenfrüchte zu einer der wichtigsten Eiweißquellen in der Lebensmittelerzeugung.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen berichten nun, dass Rhizobien mit winzigen Meerespflanzen, den Kieselalgen, ganz ähnliche Partnerschaften eingehen können. Diese Entdeckung löst ein seit langem bestehendes Rätsel der Meeresforschung und bietet möglicherweise weitreichende Anwendungen in der Landwirtschaft.
Ein rätselhafter mariner Stickstofffixierer, versteckt in einer Kieselalge
Viele Jahre lang ging man davon aus, dass der Großteil der Stickstofffixierung in den Ozeanen von photosynthetischen Lebewesen, den Cyanobakterien, durchgeführt wird. Allerdings gibt es in weiten Teilen des Ozeans gar nicht genug Cyanobakterien für die gemessene Stickstofffixierung. Wegen dieser Unstimmigkeit vermuteten viele Forschende, dass nicht-cyanobakterielle Mikroorganismen für die „überschüssige“ Stickstofffixierung verantwortlich sind. „Seit Jahren finden wir in Meerwasserproben Genfragmente des für die Stickstofffixierung verantwortlichen Enzyms Nitrogenase, die aber scheinbar nicht zu Cyanobakterien gehören“, sagt Marcel Kuypers, Hauptautor der Studie. „Aber wir konnten nicht genau feststellen, um welchen rätselhaften Organismus es sich handelte. So konnten wir auch nicht untersuchen, ob er wirklich wichtig für die Stickstofffixierung ist“.
Deswegen beteiligten sich die Bremer Forschenden im Jahr 2020 an einer Expedition mit zwei deutschen Forschungsschiffen in den tropischen Nordatlantik. In dieser Region, in der ein großer Teil der marinen Stickstofffixierung stattfindet, sammelten sie Hunderte Liter Seewasser in der Hoffnung, darin den mysteriösen Stickstofffixierer zu identifizieren und quantifizieren. Es dauerte drei Jahre, bis sie schließlich sein Genom entschlüsseln konnten. „Es war eine lange und mühsame Detektivarbeit”, sagt Bernhard Tschitschko, Erstautor der Studie und Bioinformatik-Experte, „aber letztendlich konnten wir anhand des Genoms viele Rätsel lösen.“ Das erste war die Identität des Organismus: „Obwohl wir wussten, dass das Nitrogenase-Gen von einem Verwandten der Vibrio-Bakterien kommt, zeigte sich erstaunlicherweise, dass der Organismus selbst eng mit den Rhizobien verwandt ist, die in Symbiose mit Hülsenfrüchtlern leben“, so Tschitschko. Und weil diese Rhizobie auch noch ein sehr kleines Genom hat, erschien es gut möglich, dass sie ein Symbiont ist.
Die erste bekannte Symbiose dieser Art
Angespornt von diesen Entdeckungen entwickelten die Forschenden daraufhin eine Gensonde, durch die sie die Rhizobien mit einem fluoreszierenden Farbstoff markieren konnten. Als sie diese Sonde an den Wasserproben aus dem Nordatlantik einsetzten, sahen sie ihre Vermutung klar bestätigt: Es handelt sich bei dem Rhizobium um einen Symbionten. „In den Kieselalgen fanden wir an immer der gleichen Stelle innerhalb der Alge jeweils Gruppen von vier Rhizobien“, berichtet Kuypers. „Es war wirklich aufregend, denn das war die erste jemals entdeckte Symbiose zwischen einer Kieselalge und einem nicht-cyanobakteriellen Stickstofffixierer.“
Die Bremer Forschenden nannten den neu entdeckten Symbionten Candidatus Tectiglobus diatomicola. Nachdem sie nun endlich geklärt hatten, wer der fehlende Stickstofffixierer war, konnten sie sich den Details der Symbiose zuwenden. Mithilfe einer Technologie namens nanoSIMS konnten sie zeigen, dass die Rhizobie der Kieselalge fixierten Stickstoff im Austausch gegen Kohlenstoff liefert. Dabei strengt sie sich richtig an: „Um die Kieselalge in ihrem Wachstum zu unterstützen, fixiert das Bakterium 100-mal mehr Stickstoff, als es für sich selbst benötigen würde“, erklärt Wiebke Mohr, eine der MitautorInnen.
Eine entscheidende Rolle für die Produktivität des Meeres
Als nächstes wandte sich das Forschungsteam wieder den Ozeanen zu: Wie wichtig ist die neu entdeckte Symbiose in der Umwelt? Es zeigte sich, dass diese Lebensgemeinschaft in den Weltmeeren weit verbreitet ist, insbesondere in jenen Regionen, in denen cyanobakterielle Stickstofffixierer selten sind. Diese winzigen Organismen spielen also wahrscheinlich eine Hauptrolle bei der weltweiten marinen Stickstofffixierung und sind daher entscheidend, um die Produktivität der Meere und die globale Aufnahme von Kohlendioxid durch den Ozean zu gewährleisten.
Ein spannender Kandidat für Entwicklungen in der Landwirtschaft
Neben ihrer Bedeutung für die marine Stickstofffixierung birgt die nun vorgestellte Entdeckung aber möglicherweise noch ganz andere Potenziale: Kuypers denkt dabei besonders daran, was die Entdeckung aus evolutionärer Sicht bedeutet. „Die evolutionären Anpassungen von Ca. T. diatomicola sind dem endosymbiotischen Cyanobakterium UCYN-A sehr ähnlich, das wie eine stickstofffixierende Organelle im Frühstadium ist. Man könnte also spekulieren, dass Ca. T. diatomicola und sein Wirt sich ebenfalls in einem frühen Stadium der Entwicklung zu einem einzigen Organismus befinden könnten.“
Auch Tschitschko findet die Identität des Symbionten besonders spannend. „Bislang wurden solche Organellen nur bei Cyanobakterien nachgewiesen. Wenn es sie aber auch bei Rhizobien gäbe, könnte das weitreichende Konsequenzen haben angesichts der gewaltigen Bedeutung dieser Bakterien für die Landwirtschaft.” Die Winzigkeit und die Ähnlichkeit zu einer Organelle bedeutet, dass sie eines Tages ein Schlüsselkandidat für die Entwicklung von stickstofffixierenden Pflanzen sein könnten.“
Die Forschenden werden nun die neu entdeckte Symbiose weiter untersuchen, um festzustellen, ob es in den Ozeanen noch weitere solche Partnerschaften gibt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marcel Kuypers
Abteilung Biogeochemie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-6020
E-Mail: mkuypers@mpi-bremen.de
Dr. Wiebke Mohr
Abteilung Biogeochemie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-6300
E-Mail: wmohr@mpi-bremen.de
Originalpublikation:
Bernhard Tschitschko, Mertcan Esti, Miriam Philippi, Abiel T. Kidane, Sten Littmann, Katharina Kitzinger, Daan R. Speth, Shengjie Li, Alexandra Kraberg, Daniela Tienken, Hannah K. Marchant, Boran Kartal, Jana Milucka, Wiebke Mohr, Marcel M. M. Kuypers (2024): Rhizobia-diatom symbiosis fixes missing nitrogen in the ocean. Nature (2024)
DOI: XXXX
Weitere Informationen:
https://www.mpi-bremen.de/Page6225.html
Auch Ingenieur*innen brauchen juristische Kenntnisse
Der engagierte Professor für Umwelt- und Klimaschutzrecht an der Technischen Hochschule Bingen mag die Herausforderungen seines Fachgebiets. Warum seine Themen heute gefragter denn je sind.
Bingen-Büdesheim – Mit Dr. iur. Alfred Stapelfeldt, seit Januar 2024 Professor für Umwelt- und Klimaschutzrecht, hat die Technische Hochschule Bingen einen engagierten Juristen gewonnen. Er möchte die Nachwuchsingenieur*innen ermutigen, keine Scheu vor unbekannten Themen oder Fragen zu haben. Ihn motiviert besonders, wenn er sieht, wie sich die jungen Menschen weiterentwickeln und das Erlernte umsetzen. „Ich möchte die Studierenden befähigen, kompetent mit juristischen Themen umzugehen. Mit dem, was Sie bei uns lernen, werden Sie auch schwierige Fragestellungen bewältigen können“, motiviert er seine Schützlinge.
Alfred Stapelfeldt wurde in Lübeck geboren und studierte Rechtswissenschaften in Osnabrück. Das Referendariat absolvierte er in Darmstadt und Frankfurt am Main. Nach seiner Dissertation zu einem umweltrechtlichen Thema war er zunächst 23 Jahre als Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Verwaltungsrecht tätig. Bevor er an die TH Bingen berufen wurde, hatte er bereits zwölf Jahre lang Umweltrecht an der Hochschule Mainz gelehrt. In Bingen betreut er schwerpunktmäßig die interdisziplinären Bachelor-Studiengänge Umweltschutz sowie Klimaschutz und Klimaanpassung.
Während seiner Studienzeit wurde dem Juristen klar, wie wichtig das Umweltrecht ist, wenn man Umwelt- und Klimaschutz wirksam umsetzen möchte. Beim Wandel hin zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie im Alltag spielen die beiden Rechtsgebiete eine große Rolle. Als Beispiele nennt Stapelfeldt den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021, die Gesetze zur Energiewende oder auch das kontrovers diskutierte Gebäudeenergiegesetz. Diese Rechtsbereiche sind sehr dynamisch und bieten immer neue Herausforderungen. Genau diese Abwechslung findet der Professor reizvoll.
Egal, wo die künftigen Ingenieur*innen einmal arbeiten: Überall werden sie mit juristischen Fragestellungen konfrontiert sein. Stapelfeldt freut sich darauf, ihnen nicht nur die Theorie, sondern auch Wissen und Erfahrungen aus der Praxis zu vermitteln. Stapelfeldts Credo: „Engagiert euch für die Dinge, die euch wichtig sind. Dann kommt der Spaß fast von allein.“
Berufsbildungsbericht 2024 veröffentlicht
BIBB-Hauptausschuss verabschiedet Stellungnahme
Der BIBB-Hauptausschuss hat eine Stellungnahme zum vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgelegten Berufsbildungsbericht 2024 verabschiedet. Der Ausschuss hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten.
Der Berufsbildungsbericht 2024 ist am heutigen Mittwoch im Anschluss an die Befassung des Bundeskabinetts vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlicht worden (http://www.bmbf.de/berufsbildungsbericht). Parallel mit dem Erscheinen des Berufsbildungsberichts veröffentlicht der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auch seine Stellungnahme. Diese hatte der BIBB-Hauptausschuss zuvor in seiner Sitzung am 22. März 2024 auf der Grundlage des vom BMBF vorgelegten Entwurfs des Berufsbildungsberichts verabschiedet.
In seiner gemeinsamen Stellungnahme würdigt der BIBB-Hauptausschuss, dass das System der beruflichen Bildung vielen jungen Menschen nach dem Schulabschluss einen Einstieg in das Erwerbsleben ermöglicht und den Betrieben qualifizierte Fachkräfte sichert. Auch wenn die jüngsten Trends in einigen Bereichen auf dem Ausbildungsmarkt – mehr Verträge, mehr Angebote, steigende Nachfrage – positiv bewertet werden können, steht die Berufsbildung weiterhin vor großen Herausforderungen. Diese verlangen von den Akteuren der beruflichen Bildung Aufmerksamkeit und Strategien zum Gegensteuern. Die berufliche Bildung muss noch größere Wertschätzung erfahren, und die Gleichwertigkeit zur hochschulischen Ausbildung sollte gefördert werden. Um alle jungen Menschen in Ausbildung zu bringen und den Fachkräftemangel zu bekämpfen, ist es notwendig, alle Potenziale für die Berufsausbildung zu heben.
Der BIBB-Hauptausschuss hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten. Dazu gehört laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) auch die Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsberichts. Der Hauptausschuss ist zu gleichen Teilen mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen besetzt.
Die gemeinsame Stellungnahme des BIBB-Hauptausschusses sowie die ergänzenden Voten der Gruppen der Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Länder im Wortlaut:
http://www.bibb.de/dokumente/pdf/stellungnahmezumbbb2024.pdf
Forschungsprojekt zeigt: Wärmepumpen können signifikanten Beitrag zur Flexibilisierung des Stromnetzes leisten
Wärmepumpen gelten als wichtiger Baustein für das Heizungssystem einer dekarbonisierten Zukunft, denn sie heizen und kühlen effizient mit Strom. Besonders sinnvoll sind sie in einem Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien, da ihr Verbrauch gut planbar und die Wärme speicherbar ist. Dadurch kann die Heizung flexibel auf die Energieerzeugung aus Sonne und Wind reagieren und somit das Stromnetz unterstützen. Das ist das Ergebnis eines länderübergreifenden Forschungsprojektes der Internationalen Energieagentur (IEA). Aus Deutschland waren die Fraunhofer-Institute IEE (Kassel) und ISE (Freiburg) beteiligt.
Im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts wurde an 28 unterschiedlichen Standorten in Dänemark, Schweden, Österreich, den Niederlanden und Deutschland der flexible und stromnetzdienliche Betrieb von Wärmepumpen untersucht. Daraus lassen sich nun Best Practices für den technischen Betrieb und den regulatorischen Rahmen ableiten. Wie gut das Zusammenspiel in einem Gesamtsystem mit vielen dezentralen Wärmepumpen funktioniert und welchen Beitrag die Anlagen für das Stromnetz leisten, wurde in den aktuell publizierten Veröffentlichungen des IEA HPT Annex 57 Projektes dokumentiert.
Um CO₂-Emissionen von Heizung und Klimatisierung zu senken, suchen viele europäische Länder derzeit nach Alternativen zu einer Feuerung mit Öl und Gas. „Die Klimaziele von Paris fordern einen sehr bewussten Umgang mit den vorhandenen Ressourcen. Für die Wärmeversorgung bedeutet das, möglichst viel vorhandene Energie zu verwenden und bedarfsgerecht zu ergänzen“, erläutert Projektleiter Dr. Dietrich Schmidt, Fraunhofer IEE, die Motivation der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Effiziente Nutzung von Wärmepumpen zur Dekarbonisierung des Heizungssystems
Als innovative Technologie nutzen Wärmepumpen vorhandene Wärme aus der Umwelt und bringen diese mit Strom auf die gewünschte Temperatur. Die möglichen Wärmequellen sind vielfältig: vorhandene Wärme in Boden oder Luft, Abwärme aus Industrieprozessen, Rechenzentren, Müllverbrennung oder Kraftwerken können direkt oder über ein Fernwärmesystem integriert werden. Der benötigte Strom wird perspektivisch CO₂-frei erzeugt und unterstützt die Dekarbonisierung des Heizungssystems.
Gemeinsam haben Forschungsinstitute aus Dänemark, Schweden, Österreich, den Niederlanden und Deutschland im Rahmen des IEA-Projektes die Technologien, Marktbedingungen, Geschäftsmodelle und Anwendungsfälle für Wärmepumpen unterschiedlicher Größe verglichen. Im Ergebnis liegt nun eine Übersicht mit 28 realen Projekten aus mehreren europäischen Ländern vor, die die Best Practices für verschiedene Anwendungsfälle darstellt.
Wärmepumpen gibt es in unterschiedlichen Größenklassen, sodass sie Einzelhäuser oder auch gesamte Stadtquartiere mit Wärme beliefern können. Für Deutschland zeigen sieben unterschiedliche Vorzeigeprojekte, wie ein netzdienlicher Betrieb von Wärmepumpen funktioniert und welche Effizienzgewinne dadurch ermöglicht werden. Dieses wird von den Fraunhofer-Instituten IEE und ISE für Standorte in Berlin, Mannheim, Rosenheim, Neuburg an der Donau, Stuttgart und Karlsruhe beschrieben.
Die besondere Eigenschaft von Wärmepumpen ist, auch geringe Temperaturniveaus aus Abwärme, Geothermie oder der Luft im Wärmemarkt sinnvoll nutzen zu können. Dadurch können die Anlagen mit einem vorhandenen Energiesystem kombiniert werden. Im Modellprojekt in Karlsruhe Durlach wurden Mehrfamilienhäuser aus den 1960er Jahren energetisch saniert und mit einem neuen Energiesystem ausgestattet, welches Photovoltaik, dezentrale Wärmepumpen und Speicher kombiniert. Im Ergebnis sanken die CO₂-Emissionen um 28 Prozent.
Großwärmepumpen können natürliche Wärmequellen und industrielle Abwärme mit hohem Energiepotenzial auch auf niedrigem Temperaturniveau nutzen. Denn vorhandene Wärmequellen liegen oft nicht in unmittelbarer Nähe der Verbraucher. In Gebieten mit hohem spezifischem Wärmebedarf, die mit Fernwärme versorgt werden können, können Großwärmepumpen für eine effiziente strombasierte Wärmeversorgung sorgen. So wurde in Mannheim in einem Kraftwerk, dessen Abwärme das Fernwärmesystem der Stadt speist, zusätzlich eine Großwärmepumpe installiert, die mit der Energie aus dem Rhein weitere klimaneutrale Energie in das Fernwärmesystem liefert.
Flexible Steuerung passt sich fluktuierender Stromerzeugung an
Darüber hinaus sorgen Wärmepumpen für einen Ausgleich des Energiesystems und können das Stromnetz unterstützen: Denn Wärmepumpen können auf die Schwankungen in der Stromerzeugung aus Wind und Sonne reagieren. Da sich Wärme besser als Strom speichern lässt, können die Anlagen mit einem Wasserspeicher kombiniert auf Vorrat heizen, wenn ausreichend Strom im Netz bereitsteht und dieser besonders preisgünstig ist. Andersherum schaltet sich die Wärmepumpe ab, wenn wenig Energie aus Sonne und Wind zur Verfügung steht. Damit wird der Netzbetrieb besser planbar und steuerbar und der Verbraucher profitiert von Preisschwankungen im Strommarkt.
„Wärmepumpen passen gut in ein klimaneutrales Energiesystem, denn sie lassen sich so betreiben, dass sie sich nach dem Stromangebot richten. Durch eine zentrale netzdienliche Steuerung können sie sich einschalten, wenn Sonne und Wind ausreichend Strom liefern. Damit tragen sie zur Glättung von Last- und Erzeugungsspitzen im Stromnetz bei. Diese Flexibilität ist ein wichtiger Bestandteil für ein künftiges Energiesystem“, berichtet Schmidt.
Neben den technischen Fragen wurden im Rahmen des Forschungsauftrags auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Geschäftsmodelle in den verschiedenen europäischen Ländern verglichen: „In Dänemark und Schweden haben bereits sehr viele Haushalte eine Heizung mit Wärmepumpe. Aus den dortigen Erfahrungen lässt sich ableiten, wie flexibel der Heizungssektor funktionieren kann“, berichtet Axel Oliva, Fraunhofer ISE. „Fallbeispiele aus den Niederlanden zeigen besonders eindrucksvoll, wie ein smarter Betrieb von Wärmepumpen Lastspitzen im Netz reduzieren kann“, so Oliva weiter.
Wärmepumpen verbinden Heizen und Speichern
Beim flächendeckenden Austausch von alten Heizungssystemen könnten zusätzliche Flexibilitäten für den Stromsektor entstehen. Denn bisher werden zum Ausgleich von Erzeugungsschwankungen bei Sonne und Wind vor allem mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke hochgefahren. Mit Wärmepumpen wird die Stromnachfrage deutlich flexibler. Wenn Sonne und Wind nicht genügend Strom liefern, können Wärmepumpen ihren Betrieb vorübergehend drosseln. „Die Sorge, dass der Betrieb von Wärmepumpen das Stromnetz überlastet, ist unbegründet, wenn diese netzdienlich gesteuert werden“, resümiert Oliva, Fraunhofer ISE.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Dietrich Schmidt, Fraunhofer IEE
Weitere Informationen:
https://www.iee.fraunhofer.de/de/presse-infothek/Presse-Medien/2024/waermepumpen-leisten-beitrag-zur-flexibilisierung-des-stromnetzes.html
Meeresbakterien produzieren gemeinsam ein lebenswichtiges Vitamin
Zwei Arten von Meeresbakterien aus der Nordsee pflegen eine ungewöhnliche und teils zerstörerische Beziehung, um gemeinsam das wichtige Vitamin B12 herzustellen. Das berichten Forschende aus Oldenburg und San Diego im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Die Experimente des Teams decken auf, dass die beiden Mikrobenarten eine koordinierte Strategie entwickelt haben, um an das knappe, aber essentielle Vitamin zu kommen.
Die komplexe Interaktion von Kleinstlebewesen im Meer besser verstehen: Diesem Ziel ist ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam um den Oldenburger Mikrobiologen Dr. Gerrit Wienhausen ein Stück nähergekommen. Die Forschenden analysierten anhand verschiedener Experimente das Zusammenspiel zweier Bakterienarten aus der Nordsee bei der Produktion von Vitamin B12 und veröffentlichten ihre Ergebnisse nun im Wissenschaftsmagazin „Nature“.
Vitamin B12 ist (unter anderem) im Meer ein knappes Gut und nicht nur für den Stoffwechsel der beiden beteiligten Bakterienarten der Gattungen Roseovarius und Colwellia essenziell: „Die Hälfte aller Algenarten würde gar nicht überleben ohne dieses Vitamin“, erläutert Wienhausen. Allerdings können Algen – ebenso wie Menschen – es nicht selbst herstellen. Umso wichtiger war den Forschenden von der Universität Oldenburg und der Scripps Institution of Oceanography in San Diego (USA) daher der sehr genaue Blick auf die Meeresbakterien.
Während einzelne Bakterienstämme als Vitamin B12-Produzenten bekannt sind, lag der besondere Fokus in ihrem Forschungsvorhaben auf zwei Bakterien, die jeweils einen der beiden Bausteine von Vitamin B12 produzieren. Sie können den Stoff somit in Kooperation herstellen. „Es ist faszinierend, wie komplex das Zusammenspiel zwischen Bakterien sein kann“, betont Wienhausen im Hinblick auf die Publikation, die im Kontext des Sonderforschungsbereichs „Roseobacter“ unter Leitung von Prof. Dr. Meinhard Simon entstand. Der Oldenburger Mikrobiologe ist Ko-Autor der aktuellen Publikation.
Mit komplexen Labor-Experimenten und modernsten Analysemethoden gingen die Forschenden diesem Zusammenspiel auf den Grund. Demnach stellen Bakterien des Colwellia-Stammes M166 den kleineren Baustein des Vitamins her und geben diesen ins umgebende Wasser ab. Bakterien des Roseovarius-Stammes M141 hingegen produzieren nicht nur den großen Baustein – den Hauptbestandteil – sondern können aus beiden Komponenten auch das von beiden Bakterien benötigte Vitamin B12 synthetisieren.
Allerdings gibt Roseovarius das Vitamin von sich aus nicht ab. Freigesetzt wird es nur, wenn Colwellia bei seinem Kooperationspartner ein im bakteriellen Genom verankertes Virus aktiviert und dieses sich stark vermehrt. Diese Virusinfektion bringt einen Teil der betroffenen Roseovarius-Bakterien zum Platzen, so dass neben dem Virus auch das Vitamin B12 freigesetzt und auch für Colwellia (und möglicherweise für andere Meereslebewesen) verfügbar wird. „Diese fein abgestimmte wechselseitige Zufuhr von Stoffwechselbausteinen und -produkten könnte neben mikrobiellen Gemeinschaften im Meer auch in anderen Ökosystemen relevant sein“, resümieren die Forschenden des Oldenburger Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) und der Scripps Institution of Oceanography in „Nature“.
„Wir konnten hier zum ersten Mal zeigen, dass zwei Bakterien nur in Kooperation B12 produzieren“, ergänzt Wienhausen. „Eine derart komplexe Form des Zusammenwirkens von Bakterien war bisher gänzlich unbekannt.“
Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs (SFB) „Roseobacter“ haben mehr als 60 Forschende aus Oldenburg, Braunschweig, Göttingen und Bonn in den vergangenen 13 Jahren die Bakterien der Roseobacter-Gruppe unter die Lupe genommen. Diese kommen in allen Lebensräumen der Meere vor – von den Tropen bis in die Polarmeere, von der Wasseroberfläche bis in die Tiefsee. Die Forschenden entdeckten unter anderem viele neue Stämme und beschrieben deren Verbreitung und funktionelle Biogeografie in den Weltmeeren erstmals. Insgesamt basieren mehr als 280 veröffentlichte wissenschaftliche Artikel auf der Forschung im Kontext des SFB.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Gerrit Wienhausen, E-Mail: gerrit.wienhausen@uol.de
Prof. Dr. Meinhard Simon, Tel.: 0442/798-5361, meinhard.simon@uol.de
Originalpublikation:
Gerrit Wienhausen, Cristina Moraru, Stefan Bruns, Den Quoc Tran, Heinz Wilkes, Leon Dlugosch, Farooq Azam, Meinhard Simon: Ligand crossfeeding resolves bacterial vitamin B12 auxotrophies. DOI: https://www.nature.com/articles/s41586-024-07396-y
Weitere Informationen:
https://uol.de/icbm/bgp
IFAT 2024: Wasser im Kreis führen
Unter dem Motto »Water reuse for a sustainable future« stellt Fraunhofer UMSICHT auf der diesjährigen IFAT in München verschiedene Technologien zur Wasserkreislaufführung und Abwasseraufbereitung vor. Der Fokus liegt auf der verbesserten Abscheidung von Schadstoffen und einer höheren Ressourcen- und Energieeffizienz.
Bedingt durch Klimawandel und Bevölkerungswachstum wird die Ressource Wasser immer knapper. Zudem werden durch Abwässer umweltrelevante Substanzen wie Spurenstoffe, Mikroplastik oder PFAS eingeleitet – mit teils kritischen Folgen für das Ökosystem. Bisherige Technologien zur Abwasseraufbereitung sind ressourcen- und kostenintensiv und kommen bislang noch nicht flächendeckend zum Einsatz. Sie sind auch nur begrenzt effektiv, indem beispielsweise die vierte Reinigungsstufe einer Kläranlage nicht alle Spurenstoffe entfernen kann. Auch deshalb findet aktuell noch keine umfassende Wasserwiedernutzung zur Entlastung unserer Wasserversorgungssysteme statt.
Fraunhofer-Allianz »SysWasser«: Abwasserströme aufbereiten
In der Fraunhofer-Allianz »SysWasser« bündeln insgesamt neun Fraunhofer-Institute, darunter das Fraunhofer UMSICHT, ihre Kompetenzen in der Erforschung und Entwicklung rund um das Thema Wasserkreislauf. Ihr gemeinsames Ziel: Abwasserströme aus Industrieprozessen und der kommunalen Abwasserreinigung technisch so aufbereiten, dass Wasser im Prozess wiederverwendet werden kann und/oder keine umweltkritischen Stoffe in die Natur gelangen. »Wir wollen Wasser in verschiedenen Szenarien aufbereiten und recyceln, zum Beispiel in Industrieprozessen oder Wiederverwendung in der Landwirtschaft«, erklärt Lukas Rüller vom Fraunhofer UMSICHT. Gleichzeitig sollen aus chemischen Prozessen oder der Stahlindustrie Säuren und Laugen zurückgewonnen und so im Kreislauf geführt werden.
Das Oberhausener Forschungsinstitut ist im Rahmen von »SysWasser« unter anderem für das Thema Membrantechnik zuständig. Eine robuste Technologie, die flexibel zentral oder dezentral anwendbar ist. Je nach Anwendungsfall und zu entfernenden Bestandteilen kommen individuelle Lösungen zum Einsatz: Vorwärtsosmose, Reverse-Osmose, Ultra- oder Nanofiltration. Ein neuartiger Schwingfilter hilft, die Energieeffizienz zu steigern. Zur spezifischen Entfernung von Spurenstoffen eignen sich Adsorberharze oder CDI-Systeme (Capacitive deionization). Diese reversiblen Adsorptionstechnologien ermöglichen die Regeneration und Wiederverwendung des Adsorbermaterials, was wiederum den Materialverbrauch minimiert und gleichzeitig den Energieverbrauch optimiert.
Lukas Rüller: »Ein großer Vorteil unseres Angebots zur Abwasseraufbereitung ist, dass es nicht nur kosten- und ressourcenschonender ist, sondern auch die Rückgewinnung von potenziell wertvollen Abwasserbestandteilen ermöglichen kann.«
Willkommen auf dem IFAT-Messestand
Auf der diesjährigen IFAT stellt Fraunhofer UMSICHT das Schwingfiltermodul und weitere Technologien zur Abwasseraufbereitung aus. Außerdem können sich interessierte Messebesucherinnen und -besucher über die Nutzung von CO2 zur Produktion von Plattformchemikalien und das Projekt »Biolectid« informieren. In einem bio-elektrochemischen Fermentationsprozess wird hier aus Glukose und CO2 einer Biogasanlage biobasierte Bernsteinsäure hergestellt. Es werden technische Ansätze zur Herstellung von Biomethan aus CO2 einer Biogasanlage und grünem Wasserstoff gezeigt. Und es gibt Informationen zum biologischen Prüflabor, in dem zertifizierte Untersuchungen zum Abbau von Produkten wie Kunststoffen in der Umwelt (Kompost, Boden etc.) durchgeführt werden.
Fraunhofer UMSICHT vom 13. bis 17. Mai 2024 auf der IFAT in München: Stand B2.338. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Weitere Informationen:
https://www.syswasser.de/ SysWasser
https://ifat.de/ IFAT 2024
Neue Wege in der Ozeanbeobachtung: Kreuzfahrtschiff als Datensammler
Wissenschaftliche Forschung nicht nur von speziellen Forschungsschiffen aus zu betreiben, sondern auch von nicht-wissenschaftlichen Schiffen und marinen Infrastrukturen – das ist eine der Ideen der Helmholtz-Innovationsplattform „Shaping an Ocean Of Possibilities“ (SOOP), die neue Technologien und Strukturen in der Ozeanbeobachtung entwickeln soll. Jetzt hat SOOP eine Kooperation mit HX Hurtigruten Expeditions gestartet. Im Rahmen von Expeditions-Seereisen in entlegene Regionen sollen Meeresdaten für die Wissenschaft gesammelt werden. Die erste Expedition hat am Samstag in Hamburg begonnen, Zielhafen ist Reykjavik.
Die Innovationsplattform „Shaping an Ocean of Possibilities for science-industry collaboration“ (SOOP) will gemäß ihrem Titel einen „Ozean der Möglichkeiten“ für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie schaffen. Entstehen sollen nachhaltige Strukturen und Technologien für die Ozeanbeobachtung, um den Zugang zu Messdaten zu verbessern und das Wissen über unsere Meere auszubauen. Hierfür bringen das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und das Helmholtz-Zentrum Hereon Beteiligte aus Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen. Eine Idee: Wissenschaftliche Forschung nicht nur von speziellen Forschungsschiffen, sondern unter anderem auch von Kreuzfahrt- oder Handelsschiffen aus zu betreiben, um die Menge an Forschungsdaten zu steigern.
Kooperation mit Anbieter von Expeditions-Seereisen
Jetzt hat SOOP eine Kooperation mit HX Hurtigruten Expeditions gestartet. Im Rahmen dieses Projektes werden wissenschaftliche Daten von einem kommerziellen Expeditions-Kreuzfahrtschiff erhoben. Die Zusammenarbeit hat mit der Installation von Messgeräten an Bord von MS FRIDTJOF NANSEN im Hamburger Hafen begonnen. Von dort aus ist das Schiff am Samstag nach Reykjavik aufgebrochen. Auf seiner Reise, die über Norwegen sowie die Shetland- und Färöer-Inseln führt, werden dann Daten für die Forschung gesammelt. Mit an Bord: Melf Paulsen, wissenschaftlicher Ingenieur in der Forschungseinheit Chemische Ozeanographie am GEOMAR. Er wird nicht nur die Messinstrumente überwachen, sondern den Gästen der Seereise auch seine Arbeit und das Projekt in Vorträgen näherbringen.
Auf den folgenden acht Expeditionsreisen der FRIDTJOF NANSEN werden dann abwechselnd Wissenschaftler:innen der drei Forschungsinstitute GEOMAR, AWI und Hereon an Bord Daten sammeln und ihr Wissen an die Gäste weitergeben. Gemessen werden neben Temperatur und Sauerstoffgehalt des Wassers auch der Salz-, Mikroplastik- und CO2-Gehalt. Daneben soll erprobt werden, wie man mittels Messungen von Phytoplankton und Erbgutspuren im Wasser (eDNA) von kommerziellen Schiffen aus die biologische Vielfalt in den Gewässern untersuchen kann.
Neue Strategien für breite Datensammlung
„Wir entwickeln einfach zu handhabende Instrumente, die es uns ermöglichen, die bekannte und erprobte Umgebung der wissenschaftlichen Forschungsschiffe zu verlassen“, sagt Dr. Toste Tanhua, chemischer Ozeanograph am GEOMAR und Koordinator von SOOP. „Daneben brauchen wir einheitliche Standards für Daten und Analysen, um in allen Regionen ausreichend Informationen über unsere Ozeane sammeln zu können.“ Die Kooperation mit HX könne dabei helfen, neue und zukunftsfähige Strategien für die einfachere und umfassendere Datensammlung auf nicht-wissenschaftlichen Schiffen und marinen Infrastrukturen als Ergänzung zu den unverzichtbaren Expeditionen mit Forschungsschiffen zu entwickeln.
„Unsere Expeditions-Seereisen mit der FRIDTJOF NANSEN tragen ab sofort dazu bei, bestehende Datenlücken zu füllen“, sagt Dr. Verena Meraldi, wissenschaftliche Leiterin bei HX Hurtigruten Expeditions. „Damit können wir einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Zustands wenig befahrener Meeresregionen leisten, und unsere Gäste haben die außergewöhnliche Möglichkeit, unmittelbar Einblick in laufende Forschungsarbeiten zu erhalten.“
Hintergrund SOOP:
Die Helmholtz-Innovationsplattform SOOP „Shaping an Ocean Of Possibilities“ wird mit 11 Millionen Euro aus dem Pakt für Forschung und Innovation, einer Forschungs-Förderinitiative des deutschen Bundes und der Länder, gefördert. Drei Helmholtz-Zentren arbeiten an dem Aufbau nachhaltiger Meeresbeobachtungsstrukturen im wachsenden Markt der New Blue Economy. Ziel ist es ein, „Meer der Möglichkeiten“ für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie im Bereich der Meerestechnik und -dienstleistungen zu schaffen und konkrete Innovationen schnell und flexibel für Wirtschaft und Gesellschaft verfügbar zu machen.
Hintergrund HX Hurtigruten Expeditions:
HX (Hurtigruten Expeditions) unternimmt seit 1896 Expeditionen an die entlegensten Orte der Erde. Heute ist HX führend im Bereich der Expeditions-Seereisen und bringt Reisende zu 250 außergewöhnlichen Zielen in 30 Ländern. Durch wissenschaftliche Vorträge und Aktivitäten an Bord haben Reisende die Möglichkeit, mehr über die Geschichte, Kultur sowie die Tier- und Pflanzenwelt der Orte zu erfahren, die sie auf den Expeditions-Seereisen besuchen. Bereits seit 2013 kooperiert HX Hurtigruten Expeditions im Rahmen ihres Wissenschafts- und Bildungsprogramms mit unterschiedlichen Forschungsinstituten weltweit. Den Forschenden werden Kabinen zur Verfügung gestellt, um ihre Projekte auf den Expeditionsreisen voranzutreiben und ihre Erkenntnisse im Rahmen des Vortragsprogramms an Bord mit den Gästen zu teilen. Ziel von HX ist es, das nachhaltigste Expeditionsunternehmen der Welt zu werden. Als erstes Unternehmen der Branche hat HX Schweröl und Einwegplastik verbannt. Im Jahr 2019 hat HX das weltweit erste Expeditions-Kreuzfahrtschiff mit Batterie-Hybridantrieb vorgestellt.
Weitere Informationen:
http://www.geomar.de/n9423 Bildmaterial zum Download
http://www.soop-platform.earth Webseiten der SOOP-Innovationsplattform
https://www.hurtigruten.com/de-de/expeditions/inspiration/wissenschaft-und-bildu… Wissenschaft und Bildungsprogramm von HX Hurtigruten Expeditions
https://www.awi.de/ Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)
https://www.hereon.de/ Helmholtz-Zentrum Hereon
http://www.travelhx.de Webseiten von HX (Hurtigruten Expeditions)
Wandel in der Energiewelt und datengestützte Geschäftsmodelle simulieren
Forschungskonsortium entwickelt Open Source Tool
Eine wachsende Zahl dezentraler Energiequellen wie Solaranlagen und Verbraucher wie Wärmepumpen stellt das elektrische Verteilnetz vor Herausforderungen. Gerade kleineren Stadtwerken und Netzbetreibern fehlen die Möglichkeiten, diese Veränderungen zu simulieren, um sich auf eine im Wandel befindende Energiewelt einzustellen. Im Projekt VISE-D arbeiten die Universität zu Köln, die TH Köln und die Ruhr-Universität Bochum an einem Open Source Tool, das solche Simulationen und neue datengestützte Geschäftsmodelle ermöglicht.
Daten sind der Rohstoff der Zukunft – das gilt auch für den Energiesektor. Diese zu beherrschen ist für kleinere Marktteilnehmer jedoch eine Herausforderung, da es oft an ausreichendem Know-how oder finanziellen Mitteln mangelt. „Wir entwickeln ein leicht zugängliches und übertragbares Modell von Stromverteilnetzen. Es bildet vielfältige technische und ökonomische Aspekte ab, einschließlich des Nutzungsverhalten. Damit lassen sich neue, datengestützte Geschäftsmodelle untersuchen, optimale Regulierungsstrategien identifizieren und die Auswirkungen von Veränderungen im Netz ermitteln“, erläutert Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge von der Universität zu Köln.
Netz- und Marktmodell
Im Fokus der Analysen steht dabei das Niederspannungsnetz, also die unterste Ebene des Stromnetzes. Da dessen Gestalt je nach Siedlungsstruktur sehr unterschiedlich sein kann, verwenden die Projektpartner Benchmark-Netze, die sich in anderen Projekten bewährt haben. Darauf aufbauend werden Stromerzeuger und -verbraucher sowie weitere Anlagen wie Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge im Netz simuliert. Zudem fließen Faktoren wie Netzzustand und Wetterdaten ein.
Neben diesem Netzmodell entsteht im Projekt ein Marktmodell: Dazu sollen zunächst die Akteur*innen des digitalen Energiesystems wie Endverbraucher oder Stadtwerke sowie deren Präferenzen und Bedürfnisse analysiert werden. Anschließend werden Modelle erstellt, um individuelle Interessenslagen abzubilden und den Effekt von neuen Tarifmodellen oder politischen Maßnahmen wie der CO2-Bepreisung zu ermitteln.
Risikoarmer Experimentierraum
„Durch diese ganzheitliche Betrachtung von Netz und Markt und der zahlreichen technischen, sozioökonomischen sowie wirtschaftlichen Aspekte können wir eine Vielzahl von Fragestellungen und die verschiedenen Spannungsfelder adäquat adressieren und erforschen. Das Simulationstool wird ein risikoarmer Raum sein, in dem Marktteilnehmer*innen die richtigen Weichenstellungen in einer sich verändernden Energiewelt vorab erproben können“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schneiders von der TH Köln.
So sind in den vergangenen Jahren beispielsweise immer mehr Solaranlagen als dezentrale Erzeuger sowie Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos als große Verbraucher an ein Netz angeschlossen worden, das dafür ursprünglich nicht ausgelegt ist. Ziehen die Verbraucher zeitgleich Strom aus dem Netz, droht Instabilität. „Dieser konkreten Problemlage kann durch einen geeigneten regulatorischen Rahmen begegnet werden, etwa indem die Versorger unterschiedliche Tarife anbieten, z.B. mit günstigem Nachtstrom, damit E-Autos eher in dieser Zeit geladen werden, oder mit der stärker invasiven Möglichkeit für Netzbetreiber, Wärmepumpen per Fernzugriff netzdienlich abzuschalten – beide und noch viele weitere Optionen lassen sich mit unserem Tool testen“, sagt Prof. Dr. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum.
Über das Projekt
Das Projekt „VISE-Smart Data: Mehrwertgenerierung durch Energiedaten – Trends & Transformationsprozesse“ wird im Rahmen des Virtuellen Instituts Smart Energy (VISE) durchgeführt, einer NRW-weiten interdisziplinären Forschungsplattform unter der Leitung der TH Köln und der Ruhr-Universität Bochum. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln leitet das Teilprojekt VISE-D und verantwortet die Themen Regulatorik und Marktgeschehen. Das Cologne Institute for Renewable Energy der TH Köln untersucht die Auswirkungen auf die technische Infrastruktur, während der Lehrstuhl für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum das Nutzungsverhalten und Ansätze zur Verhaltensmodellierung untersucht. VISE-D wird unterstützt durch die assoziierten Partner Stadtwerke Troisdorf GmbH, Beenic Buildings Intelligence GmbH, BDEW-Landesgruppe NRW, ASEW GbR und SME Management GmbH. Fördermittelgeber ist das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die TH Köln zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Sie bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind rund 23.500 Studierende in etwa 100 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Innovation – mit diesem Anspruch begegnen wir den Herausforderungen der Gesellschaft. Unser interdisziplinäres Denken und Handeln, unsere regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten machen uns in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und Wegbereiterin.
Kontakt für die Medien
TH Köln
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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Christian Sander
0221-8275-3582
pressestelle@th-koeln.de
Falls Sie keine weiteren Pressemitteilungen der TH Köln erhalten möchten, schreiben Sie bitte an pressestelle@th-koeln.de
Resilient und nachhaltig: krisenfeste Branche Gesundheitswirtschaft in der Zeitenwende
Einladung zur 19. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft – Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach zu Gast in Rostock
Medizinische Krisenabwehr und -vorsorge in der Zeitenwende, Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung, Prävention im digitalen Zeitalter, Forschungszugang zu Gesundheitsdaten, Lebensmittel für die kommende Generation: die derzeitigen wie künftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen sind auch für die Gesundheitswirtschaft enorm.
Um die aktuellen Trends und Anforderungen der Branche zu diskutieren, lädt die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zur 19. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft ein. Sie findet am Donnerstag, dem 30. Mai 2024, und Freitag, dem 31. Mai 2024, im Radisson Blu Hotel in Rostock statt (Anmeldung für Medienvertreter per E-Mail siehe weiter unten).
Unter dem Titel „#Gesundheit2024: Resilient. Nachhaltig“ kommen auch Themen wie Nachhaltiges Gesundheitssystem, One Health – ländliche Regionen im Wandel, Lifestyle Fitness und Start-ups zur Sprache. Organisiert wird das jährlich stattfindende Branchentreffen von der BioCon Valley® GmbH im Auftrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Zur Eröffnung und nachfolgenden Programmpunkten werden am ersten Konferenztag der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, und die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, in Rostock erwartet. Beide werden auch an der Auftaktpressekonferenz zur 19. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft teilnehmen. Diese findet am Donnerstag, dem 30. Mai 2024, von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr im Radisson Blu Hotel statt. Hierzu folgt eine gesonderte Einladung.
Partnerland der 19. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft ist Litauen. Impulsreferate und Vorträge geben Einblicke in Trends und Entwicklungen des baltischen Staates. Litauen ist in der Gesundheitswirtschaft insbesondere im Life Science-Bereich einer der dynamischsten Standorte in Europa.
Durch das Fachprogramm leiten hochrangige Referenten und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bundes- und Landespolitik. Eine begleitende Ausstellung bietet darüber hinaus viele Gelegenheiten zum Meinungsaustausch und fachlichen Diskurs.
„Die Gesundheitswirtschaft ist eine Branche im steten Wandel – insbesondere in der Zeitenwende. Die daraus resultierenden Konsequenzen sorgen häufig für Zündstoff und Konflikte“, sagt Prof. Marek Zygmunt, Präsident der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft. „Wir wollen offen darüber diskutieren, wie die Gesundheitswirtschaft in der Zukunft aussieht beziehungsweise aussehen sollte und welchen Einfluss diese Veränderungen der größten Branche auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands haben werden.“
Das aktuelle Programm sowie weitere Infos unter www.konferenz-gesundheitswirtschaft.de.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
BioCon Valley® GmbH
Lars Bauer
Geschäftsführer
Friedrich-Barnewitz-Straße 8
18119 Rostock
T +49 160 476 93 81
E nf@bcv.org
Weitere Informationen:
http://www.konferenz-gesundheitswirtschaft.de/
Funktionalisiertes Chitosan als biobasiertes Flockungsmittel für die Aufbereitung komplexer Abwässer
Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben ein biobasiertes und funktionalisiertes Flockungsmittel entwickelt, mit dem sich Abwässer mit komplexen Inhaltsstoffen effizient aufreinigen lassen. Dabei sorgt das Enzym Laccase in einer Matrix aus Chitosan zusätzlich dafür, dass toxische Phenole aus dem Wasser entfernt werden. Das neue abbaubare funktionalisierte Flockungsmittel LaChiPur wird erstmals vom 13. bis 17. Mai 2024 auf der IFAT in München vorgestellt.
Mit der Flockung werden in der Abwasserreinigung und Wasseraufbereitung feinste Feststoff-Verunreinigungen abgetrennt. Flockungsmittel bewirken dabei, dass Schwebstoffe zu größeren Flocken agglomerieren, welche zu Boden sinken oder abfiltriert werden können – das Wasser wird wieder klar. Zur Entfernung von Huminstoffen in der Trinkwasseraufbereitung oder zur Aufbereitung von Prozesswasser in der Papierherstellung kommen häufig anorganische Metallsalze zum Einsatz, etwa Eisen- oder Aluminiumsulfate und -chloride, ebenso bei der Fällung von Phosphor in kommunalen Kläranlagen. Teilweise werden zusätzlich polymere Flockungsmittel, aus fossilen Rohstoffen hergestellte synthetische Polymere, hinzugeben. Der Nachteil herkömmlicher Methoden liegt auf der Hand: Aufgrund der zugesetzten Chemikalien oder Polymere kann der resultierende Schlamm nicht weiterverwendet, sondern muss aufwendig entsorgt werden.
Aus diesem Grund setzen Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB auf natürliches und vollständig biologisch abbaubares Chitosan. Es wird aus dem nachwachsenden Rohstoff Chitin gewonnen, der als strukturelle Komponente in den Schalen von Krustentieren, Panzern und Häuten von Insekten und in Pilzen enthalten ist. Damit ist Chitin – nach der aus Pflanzen stammenden Cellulose – das zweithäufigste natürliche Polymer auf der Erde.
Neue Technologie mit natürlichen biobasierten Rohstoffen
Tatsächlich wird Chitosan auch heute schon zur Klärung von Schwimmbecken und Teichen angeboten. Die Fraunhofer-Forscher gehen aber einen Schritt weiter und funktionalisieren Chitosan zusätzlich mit dem Enzym Laccase. Das Enzym ist in vielen Pflanzen, aber auch in Pilzen und Bakterien, zu finden. In der Natur sind Laccasen an der Vernetzung aromatischer Monomere zu Lignin wie auch an dessen Abbau beteiligt. Ihre Eigenschaft, Phenole und andere phenolische Substanzen zu oxidieren, macht sie für verschiedene industrielle Anwendungen gefragt, von der Entfernung toxischer Phenole in Fruchtsäften, über die Entfärbung von Textilabwässern bis zum Abbau von Schadstoffen in Wasser und Boden.
»Wir hatten die Idee, dass Laccase – gebunden an Chitosan als Matrix – auch für komplexe Abwässer, wie sie bei der Herstellung von Wein oder Olivenöl anfallen, geeignet sein könnte«, sagt Dr. Thomas Hahn, der am Fraunhofer IGB seit Langem an der Aufbereitung von Chitin aus den verschiedensten Abfallströmen und der nachfolgenden Konversion zu Chitosan forscht. Nach der Weinlese stoßen kommunale Kläranlagen schnell an ihre Grenzen, wenn in kurzer Zeit das drei- bis vierfache Volumen an Abwasser die vorwiegend kleinen Kläranlagen in ländlichen Weinbaugebieten erreicht. »Die Phenole im Abwasser wirken toxisch auf die Bakterien im Belebungsbecken. In der Folge muss die Belüftung erhöht werden, sodass der Energiebedarf der Kläranlage signifikant steigt«, weiß Marc Beckett, Experte im Bereich Wassermanagement und Wasseraufbereitung am IGB. In Olivenölmühlen werden die Waschabwässer gar in große Sammelbecken geleitet, wo das Wasser im Laufe der Zeit verdunstet und einen für Flora und Fauna giftigen Schlamm zurücklässt.
Aus der Idee wurde ein zweijähriges Fraunhofer-Forschungsprojekt, das bis Dezember 2023 im Programm »Schnelle Mittelstandsorientierte Eigenforschung (SME)« gefördert wurde. Beteiligt war auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam, dessen Part die Funktionalisierung des Chitosans mit Laccase war. Um die Wirkung des mit Laccase funktionalisierten Chitosans mit realen Abwässern überprüfen zu können, etablierten die Forschenden im IGB zunächst die entsprechende Methodik und Analytik. »Eine der Herausforderungen war, das polymere Chitosan in Lösung zu bringen, damit es überhaupt als Flockungsmittel dosiert werden und seine Wirkung zur Bindung von Polyphenolen, Tanninen und Gerbstoffen entfalten kann«, erinnert sich Hahn. »Da für die Laccase ein leicht saures Milieu optimal ist, haben wir für die typischen Abwässer aus der Wein- oder Olivenölherstellung gleich sehr gute Ergebnisse erzielt«, so der Chemiker.
Auch phenolische Inhaltsstoffe werden abgetrennt
»Unsere Technologie weist für komplexe agroindustrielle Abwässer eine Flockungsleistung auf, die mit der von herkömmlich eingesetzten metallsalzhaltigen Koagulationsmitteln oder synthetischen polymeren Flockungsmitteln vergleichbar ist. LaChiPur, wie wir unser funktionalisiertes Produkt nennen, ist aber vollständig biobasiert und lässt sich somit biologisch abbauen«, fasst Beckett, Biologe und Umweltwissenschaftler, zusammen. Die Kombination mit Laccase erwies sich bei diesen Abwässern als echter Vorteil, da das funktionalisierte Chitosan nicht nur als Flockungsmittel eingesetzt werden kann, sondern gleichzeitig auch Phenole oxidiert werden, polymerisieren und ebenfalls sedimentieren.
Regionale Herstellung und vielfältige Anwendungen
Weitere Vorteile der neuen umweltfreundlichen Technologie: Der Ausgangsstoff Chitin fällt lokal in der Lebensmittel- oder Biotechnologieindustrie in großen Mengen als Abfallstoff an. Dies gewährleistet nicht nur eine wirtschaftliche Herstellung, sondern auch Versorgungssicherheit – ohne die Abhängigkeiten verflochtener internationaler Lieferketten. Wird der nach der Flockung entstehende abbaubare Schlamm in Kläranlagen vergärt, kann dies die Biogasausbeute sogar deutlich erhöhen.
»Dank unserer interdisziplinären Expertise können wir in Industriebetrieben anfallende Abwässer und Prozesswässer nun bei uns im Labor daraufhin untersuchen, mit welchem Ergebnis das mit LaChiPur behandelte Wasser gereinigt wird«, so Hahn und Beckett. Aufgrund der ersten vielversprechenden Ergebnisse wollen die Forscher ihre Technologie darüber hinaus mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Flockungsmittel vertreiben oder herstellen, weiter optimieren, in einen größeren Maßstab überführen und in die industrielle Anwendung bringen. »LaChiPur eignet sich ebenso als Filtermaterial und weist Eigenschaften von Fällmitteln auf. Daher wollen wir unser Produkt auch für den Einsatz in der Phosphorfällung weiterentwickeln. Aufgrund seiner Eigenschaften ist es zudem für die Reinigung von Textilabwässern oder den Einsatz in der Trinkwasseraufbereitung interessant«, sind die IGB-Wissenschaftler überzeugt. Vom 13. bis 17. Mai 2024 präsentieren sie LaChiPur am Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz SysWasser in Halle B2, Stand 338 auf der IFAT in München.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Thomas Hahn
Telefon: +49 711 970-4159
E-Mail: thomas.hahn@igb.fraunhofer.de
Marc Beckett M. Sc.
Telefon: +49 711 970-4086
E-Mail: marc.beckett@igb.fraunhofer.de
Diego Eufracio Lucio M. Sc.
Telefon: +49 711 970-4214
E-Mail: diego.eufracio.lucio@igb.fraunhofer.de
Kontakt für Presseanfragen:
Dr. Claudia Vorbeck
Telefon +49 711 970-4031
E-Mail: claudia.vorbeck@igb.fraunhofer.de
Originalpublikation:
https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2024/lachipur…
Weitere Informationen:
https://www.igb.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/lachipur.html
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/wasser-abwasser.html
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/wasser-abwasser/biologische-abwasserr…
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/industrielle-biotechnologie.html
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/industrielle-biotechnologie/bioprozes…
Welttag der Handhygiene: Schutz gegen Krankheiten und Infektion
Zum Internationalen Tag der Händehygiene machen Expertinnen und Experten aus der Krankenhaushygiene auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam. So wie regelmäßige Bewegung gut für die Gesundheit ist, beugt auch ein Bewusstsein für Hygiene möglichen Krankheiten vor. Das Datum – der 5. Mai – ist dabei bewusst gewählt. Die Ziffern symbolisieren die fünf Finger der beiden Hände. Am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden werden Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Aktionen sensibilisiert. Bereits Mitte April hat ein interner Aktionstag Informationen geboten. Zudem konnten die Mitarbeitenden hier Fortbildungspunkte zum Thema sammeln.
„Wer auf richtige Händedesinfektion achtet, schützt nicht nur sich, sondern auch andere. Vor allem im klinischen Setting ist dies wichtig, um die Patientinnen und Patienten vor Infektionen zu schützen. Dabei ist die gründliche Reinigung der Hände meist der einfachste, schnellste und günstigste Weg für eine verantwortungsvolle Krankenhaushygiene“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum.
Wenn an diesem Sonntag (5. Mai) der diesjährige Welttag der Händehygiene für das Thema sensibilisiert, sind die Mitarbeitenden am Universitätsklinikum bereits bestens darauf vorbereitet. Mitte April hat der jährliche klinikumsinterne Aktionstag Saubere Hände stattgefunden. Unter dem diesjährigen Motto „Der Zugang bist Du“ haben sich um die 300 Teilnehmende an drei Aktionsständen informiert. Die Mitarbeitenden aus dem Zentralbereich Krankenhaushygiene haben unter anderem geschult, wie die Hände korrekt mit Desinfektionsmittel einzureiben sind und wie Schutzhandschuhe sinnvoll eingesetzt und sicher ausgezogen werden – alles, um der Verbreitung von gefährlichen Erregern im Krankenhaussetting zuvorzukommen um Infektionen zu verhüten. Besonders eindrucksvoll ist dabei, den Erfolg der durchgeführten Händedesinfektion visuell darzustellen. Neben der bewährten Schulungsvariante mittels UV-Lampe kam dabei eine neue eindrucksvolle Trainingsmethode mit Färbetechnik zum Einsatz. „Wir freuen uns über reges Interesse, konstruktiven Austausch und positives Feedback. Bei unserem Aktionstag geht es genau darum – dass wir gemeinsam über das wichtige Thema Händedesinfektion ins Gespräch kommen, um diese dauerhaft im oft herausfordernden klinischen Berufsalltag zu verankern“, sagt Prof. Florian Gunzer, Leiter Krankenhaushygiene am Uniklinikum.
Zu den Aktivitäten des Universitätsklinikums zum Thema Handhygiene zählt zudem die Beteiligung an verschiedenen Surveillance-Modulen (KISS) des nationalen Referenzzentrums am Robert Koch Institut. Regelmäßig wird dabei der Verbrauch von Desinfektionsmitteln in den unterschiedlichen Bereichen dokumentiert. Weiterhin werden Compliance-Beobachtungen auf sechs Intensivstationen durchgeführt, Die Ergebnisse werden mit den Teams besprochen. So erhält das Team der Krankenhaushygiene einen Überblick darüber, wie sich die Umsetzung der Handhygiene am Uniklinikum darstellt. Regelmäßig finden zudem Schulungen statt: Im Jahr 2023 gab es insgesamt 42 Schulungen in Präsenz, sowie das obligatorisch zu absolvierende Online-Schulungstool welches ebenfalls Bestandteil der Präventionsmaßnahmen am Uniklinikum ist.
Das allein ist aber nicht die einzige Aktion, um auf das wichtige Thema aufmerksam zu machen. Zum Internationalen Tag der Händehygiene nimmt sich die Direktion Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement dem Thema im Rahmen der Bemühungen um die Patientensicherheit an. Patientinnen und Patienten werden über das Patientenfernsehen informiert und sensibilisiert. Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO belegen, warum dies wichtig ist. So werden 80 Prozent der ansteckenden Erkrankungen über ein Händeschütteln oder das Berühren von Oberflächen übertragen. Wer sich 30 Sekunden lang gründlich die Hände mit Seife wäscht, kann die Anzahl der vorhandenen Keime um 99 Prozent reduzieren.
Händehygiene für Alle – Lange Nacht der Wissenschaften
Das Team der Krankenhaushygiene ist auch in diesem Jahr mit einem eigenen Stand bei der Langen Nacht der Wissenschaften dabei. Am 14. Juni können Besuchende im Foyer Haus 27 sich zur Händehygiene informieren und sich selbst in der gründlichen Reinigung/Desinfektion der Hände versuchen und das Ergebnis mittels UV-Licht überprüfen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Pressestelle
Annechristin Bonß
Tel.: +49 351 458 4162
E-Mail: pressestelle@uniklinikum-dresden.de
Digitalisierung der Landwirtschaft – KI für die Beurteilung von Pflanzen
Die Bonitur ist ein wichtiges Werkzeug, um Pflanzen in ihrem Wachstum und Gesundheitszustand fachlich zu bewerten. Durch die Beurteilung können Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder eine Änderung der Pflanzbedingungen. Jedoch ist der manuelle Prozess aufwendig, kostenintensiv und bedarf langjähriger Erfahrung. Das Forschungsprojekt BoniKI, mit rund 432.000 Euro vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert, beschäftigte sich über einen Zeitraum von drei Jahren mit der Automatisierung der Pflanzenbonitur mittels KI. So können nun aufgrund der Automatisierung Pestizide in geringerer Menge gezielter eingesetzt werden.
Im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Vernetzungs- und Transferprojekts X-KIT am 25.-26.04.2024 in Kaiserslautern wurde mit dem Forschungsprojekt BoniKI eine ganzheitliche, einfach nutzbare Lösung präsentiert: ein autonomes und pflanzengenaues Bonitursystem, das mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) eine automatische Bewertung vornimmt und dadurch ein wichtiges Werkzeug der Landwirtschaft digitalisiert. Anstatt mit Klemmbrett und jahrelanger Erfahrung in mühsamer Handarbeit Pflanzen zu betrachten, können mit unbemannten Flugsystemen hochauflösende Luftaufnahmen der Pflanzen erstellt und mittels neuronaler Netze schnell und effizient klassifiziert werden.
Konsolidierte Erfahrung dank kontinuierlicher Feldversuche
Unter der Konsortialleitung des FZI Forschungszentrum Informatik führte das Projekt die Kompetenzen aller Partner erfolgreich zusammen. So entwickelte das Start-Up SAM-DIMENSION GmbH Unmanned Aerial Systems (UAS) mit Spezialsensorik, um hochauflösende Karten zu erstellen. Der Projektpartner bietet drohnenbasierte Unkrautkartierungen, die helfen, aufkommende Unkrautprobleme zu erkennen und durch gezieltere Einsätze die Herbizidapplikation zu reduzieren. Die erstellten hochauflösenden Karten wurden im nächsten Schritt vom FZI genutzt, um Kulturpflanzen wie Mais, Winterweizen und Gerste auf Schlag- und Einzelpflanzenbasis zu ermitteln und mithilfe von Bildauswertung und KI-Verfahren zu analysieren. Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) trug mit dem Fachwissen seiner Boniteure das notwendige Domänenwissen, die Trainingsdaten und eine manuell erhobene Baseline für einen erfolgreichen Abschluss des Projektes bei: KI kann nun die Bewertung der Pflanzen für eine automatisierte Bonitur übernehmen.
Die Bonitur erfolgte in einer integrierten Pipeline mit minimaler menschlicher Intervention. Aus den hochauflösenden georeferenzierten UAS-Aufnahmen wurden durch ein sogenanntes siamesisches neuronales Netz zunächst individuelle Pflanzen ermittelt. Diese wurden anschließend mittels eines MultiNet-Ansatzes auf ausgewählte Boniturparameter analysiert. Für das Training der KI wurden die umfangreichen Bilddaten aus verschiedenen Feldversuchen des LTZ und aus Landessortenversuchen in Mais und Getreide (Winterweizen, Wintergerste und Dinkel) über drei Jahre verwendet und durch Experten von Hand gelabelt. Die erzielten Ergebnisse belegen deutlich, dass die KI sehr zuverlässig arbeitet und auch unter schwierigen Bedingungen relevante Merkmale erkennt.
Fachwissen für die Allgemeinheit
Dank des KI-basierten Bonitursystems sind nun einfache und flächendeckende Bonituren an verschiedenen Standorten mit Hilfe von Drohnenflügen schnell und unkompliziert durchführbar. Dies könnte dazu beitragen, Landwirtschaft in Zukunft nachhaltiger, transparenter und effizienter zu gestalten, da eine Bonitur mittels KI nun weniger aufwendig und auch für die Analyse anderer Kulturen einsetzbar ist.
KI-Methoden verbessern Effizienz und Nachhaltigkeit
Auf der Abschlussveranstaltung von X-KIT präsentierten die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten 36 KI-Projekte ihre Ergebnisse. Neben den Projektpräsentationen fand eine Messe mit Poster-Sessions und einer Ausstellung der Demonstratoren statt. Luftaufnahmen des Feldes und Detailaufnahmen der Auswertungen sowie die dazugehörige Evaluation vermittelten einen direkten Einblick in die angewandten Technologien und die erzielten Fortschritte. Eingeladen waren die Forschenden der 36 KI-Projekte, Vertreter*innen des BMEL sowie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Insgesamt unterstrich die Abschlussveranstaltung das Potenzial von KI-Methoden, die Effizienz und Nachhaltigkeit des Agrarsektors zu verbessern.
Weitere Informationen:
https://www.fzi.de/2024/05/02/digitalisierung-der-landwirtschaft-ki-fur-die-beur… Pressemitteilung mit Bildmaterial
https://www.fzi.de/project/boniki/ Projektwebsite
Anhang
Pressemitteilung BoniKI
Kreisläufe statt Abfälle: Wanderausstellung „Jetzt geht’s rund“ zur Kreislaufwirtschaft eröffnet
Unsere Art zu produzieren und zu konsumieren, zehrt an der Umwelt und damit auch an unserer Lebensgrundlage. Wie wir Ressourcen sparsamer, gerechter und nachhaltiger einsetzen können, zeigt die neue Wanderausstellung „Jetzt geht’s rund“ – und nimmt Besucherinnen und Besucher aller Altersgruppen anhand interaktiver Exponate mit in eine umweltfreundliche zirkuläre Zukunft. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des VDI Technologiezentrums (VDI TZ) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Von montags bis freitags kann sie in der DBU in Osnabrück besucht werden. Weitere Informationen gibt es hier: https://www.jetztgehtsrund.org/
Wir nutzen mehr Fläche, Energie und Rohstoffe, als die Erde wieder erneuern kann. Und das immer schneller: Der weltweite Materialverbrauch pro Jahr hat sich in den letzten 50 Jahren mehr als verdreifacht, so der Bericht „Assessing Global Resource Use“ des Weltressourcenrates (IRP) der Vereinten Nationen (UN). Diese Entwicklung soll das Modell der Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) umkehren, indem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich genutzt, geteilt, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. „Circular Economy ist mehrfach klug. Wirtschaften in Kreisläufen spart Rohstoffe und schützt Umwelt und Klima“, erläutert Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. „Wir wollen mit der Ausstellung ‚Jetzt geht´s rund‘ die Menschen an das Konzept der Kreislaufwirtschaft heranführen; sie zum zirkulären Denken und Handeln motivieren“, ergänzt der Geschäftsführer des VDI Technologiezentrums, Sascha Hermann.
Ab sofort kann das Gemeinschaftsprojekt der DBU und des VDI TZ in Osnabrück besucht werden. „Mit unserer Arbeit verfolgen unsere beiden Organisationen das Ziel, natürliche Ressourcen zu schonen und unsere Umwelt zu schützen“, betont Sascha Hermann. Seit mehr als 20 Jahren begleitet das VDI TZ als Innovationsagentur und Projektträger Förderprojekte zur Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz, die den Wandel hin zu einem nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaften gestalten. Für „Jetzt geht’s rund“ haben Expertinnen und Experten des VDI TZ zusammen mit Verantwortlichen der DBU das Ausstellungkonzept erarbeitet.
Bewusstsein schaffen: Kreislaufwirtschaft im Alltag
In drei Ausstellungsbereichen erleben Besucherinnen und Besucher, welche Auswirkungen das lineare Wirtschaften hat (Bereich 1), wie Konsum- und Produktionsprozesse im Sinne der Circular Economy gestaltet werden können (Bereich 2) und wie wir als Gesellschaft diese Entwicklung mitgestalten können (Bereich 3). „Die Ausstellung setzt mit interaktiven Stationen in der Lebensrealität der Menschen an”, sagt Sascha Hermann. Denn nur wer über die Folgen des eigenen Konsums aufgeklärt ist, kann ressourcenschonend handeln. Ein Beispiel aus dem ersten Ausstellungsbereich: Im „DisScounter“ können Besucherinnen und Besucher verschiedene Alltagsgegenstände zur Kasse bringen. Dabei erfahren sie, welche Umweltprobleme nicht-kreislaufgerechte Produkte mit sich bringen. Der Bereich informiert außerdem, wie man Greenwashing erkennen kann. Unter Greenwashing versteht man eine Marketingstrategie, mit der sich Unternehmen umweltfreundlicher darstellen, als sie sind.
Der Weg in die Circular Economy gelingt nur gemeinsam
Der zweite Teil der Ausstellung zeigt Lösungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Hier gibt es die Möglichkeit, virtuell selbst einen kreislaufgerechten Sneaker zu designen und verschiedene Verfahren zur Mülltrennung auszuprobieren. Der dritte Bereich macht deutlich, dass eine Circular Economy nur möglich ist, wenn alle mitmachen. Ein mit verschiedenen Aussagen und Fragen bedruckter Drehtisch regt zur Diskussion darüber an, was man selbst zur Kreislaufwirtschaft beitragen kann. Zudem stellt das Exponat „Besuch in der Zukunft“ fünf Menschen und Unternehmen vor, die Pionierarbeit für die Circular Economy leisten und somit zeigen, dass eine zirkuläre Wirtschaft zukünftig realisierbar ist.
Am Ende der Ausstellung soll der Kreislaufgedanke mit in den Alltag getragen werden. Postkarten mit Kreislauf-Challenges laden dazu ein, diese zu Hause umsetzen und unter festgelegten Hashtags auf Social Media zu posten.
Wissenswertes zum Besuch von „Jetzt geht’s rund“
„Jetzt geht’s rund“ richtet sich an Klassen ab der Stufe 7 aller Schulformen sowie an Familien und Erwachsene. Die Ausstellung kann in der DBU in Osnabrück besucht werden; bis sie im April 2026 deutschlandweit auf Wanderschaft geht. Geöffnet ist sie montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr und freitags von 9 bis 12:30 Uhr sowie nach vorheriger Vereinbarung. Im Zuge der Ausstellung sind kostenlose Führungen, Vorträge und Vermittlungsprogramme für Klassen ab der siebten Jahrgangsstufe möglich. Weitere Informationen unter www.jetztgehtsrund.org.
„Jetzt geht’s rund“ ist teils aus recycelten und kreislauffähigen Materialien gebaut und wurde vom Studio it’s about und der molitor GmbH gestaltet.
Über das VDI Technologiezentrum (VDI TZ)
Als Innovationsagentur und als ein führender Projektträger in Deutschland widmet sich das VDI Technologiezentrum den Themen und Technologien der Zukunft mit dem Ziel, die Zukunftskompetenzen von Deutschland und Europa zu stärken. Im Auftrag von Bundes- und Landesministerien, der Europäischen Kommission sowie Stiftungen und weiteren Auftraggebern setzt das VDI TZ Forschungs- und Innovationsförderprogramme um und bietet innovationsbegleitende Maßnahmen an. Im Fokus stehen Themen wie Nachhaltigkeit und Klima, Digitalisierung, Schlüsseltechnologien, Gesundheit, Innovation und Bildung, Sicherheit sowie Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Beispielsweise ist das VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) am VDI TZ angesiedelt. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz unterstützt das VDI ZRE kleineren und mittleren Unternehmen mit praxisrelevantem Know-how bei der Steigerung ihrer Ressourceneffizienz.
Das VDI TZ ist Teil der VDI-Gruppe.
Über die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Die DBU fördert innovative, modellhafte und lösungsorientierte Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft. Geförderte Projekte sollen nachhaltige Effekte in der Praxis erzielen, Impulse geben und eine Multiplikatorwirkung entfalten. Es ist das Anliegen der DBU, zur Lösung aktueller Umweltprobleme beizutragen, die insbesondere aus nicht nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweisen unserer Gesellschaft resultieren.
Hinweis zum Bildmaterial
Die Verwendung der Bilder ist nur im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung zur Wanderausstellung „Jetzt geht’s rund“ und unter Angabe der Quelle gestattet.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
VDI Technologiezentrum
Ulrike Lange
+49 30 2759506 32
lange_u@vdi.de
Weitere Informationen:
https://www.jetztgehtsrund.org/ Seite der Ausstellung
Gesundheitsrisiko Klimawandel: BZgA informiert zu Hitzeschutz
Das vergangene Jahr war das wärmste in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Besonders im Juli und September gab es Hitzerekorde. Mit dem Portal https://www.klima-mensch-gesundheit.de bietet die BZgA der Allgemeinbevölkerung, Eltern mit kleineren Kindern und älteren Menschen Hilfestellung, um künftige Hitzewellen besser zu überstehen. Kommunen, Kitas, Schulen und Pflegeeinrichtungen erhalten Hinweise, wie sie hitzebezogenen Gesundheitsproblemen vorbeugen und Menschen dabei unterstützen können, gut mit Hitzeperioden umzugehen. Auch zu den Belastungen zunehmender UV-Strahlung und dem Thema Allergie und Allergieschutz informiert das BZgA-Internetangebot.
Das vergangene Jahr war das wärmste in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Besonders im Juli und September gab es Hitzerekorde. Immer häufiger auftretende Hitzeperioden haben Auswirkungen auf unsere Gesundheit: So erhöhte sich mit steigenden Temperaturen die Sterberate deutlich. Für das Jahr 2023 wird für den Zeitraum April bis September von 3.200 Todesfällen aufgrund von Hitze ausgegangen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unterstützt Bürgerinnen und Bürger zielgruppengerecht mit Informationen zu Schutzmöglichkeiten und praxisnahen Handlungsempfehlungen.
Dr. Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) und Kommissarischer Leiter der BZgA: „Vielen Menschen sind die gesundheitlichen Risiken durch Hitzebelastungen nicht bewusst. Dabei sind Hitzetage und Hitzewellen ganz besonders für ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Babys und Kleinkinder riskant. So verändern sich mit steigendem Lebensalter der Stoffwechsel und andere Prozesse im Körper. Da ältere Menschen außerdem seltener Durst verspüren, besteht die Gefahr, dass sie dehydrieren und überhitzen. Babys und Kleinkinder bekommen schneller einen Sonnenstich, Fieber oder Symptome von Hitzeerschöpfung. Unser Ziel ist daher, das Wissen der Menschen über Schutzmöglichkeiten für sich und andere zu stärken.“
Mit dem Portal https://www.klima-mensch-gesundheit.de bietet die BZgA der Allgemeinbevölkerung, Eltern mit kleineren Kindern und älteren Menschen Hilfestellung, um Hitzewellen besser zu überstehen. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Kommunen, Kitas, Schulen und Pflegeeinrichtungen erhalten Hinweise, wie sie hitzebezogenen Gesundheitsproblemen vorbeugen und Menschen dabei unterstützen können, gut mit Hitzewellen umzugehen. Auch zu den Belastungen zunehmender UV-Strahlung und dem Thema Allergie und Allergieschutz informiert das BZgA-Internetangebot. Ergänzend stehen kostenlos bestellbare Printmedien zur Verfügung.
Wie sich insbesondere ältere Menschen auf Hitzebelastungen vorbereiten können, beschreibt das BZgA-Angebot https://www.gesund-aktiv-aelter-werden.de. Auf der Website gibt es praktische Tipps für den Alltag sowie Merkblätter zum Download für Angehörige und Fachkräfte.
Speziell an Eltern, Betreuende und Fachkräfte richtet sich das BZgA-Internetportal https://www.kindergesundheit-info.de mit einer Vielzahl an Gesundheitsthemen, die in den ersten Lebensjahren von Bedeutung sind – darunter auch viele Tipps, wie Babys und Kinder vor Sonne und Hitze geschützt werden können.
Warum Alkohol und Hitze keine gute Kombination sind, erläutert die Internetseite der BZgA-Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.”: https://www.kenn-dein-limit.info/gesundheit/
Kostenfreie BZgA-Angebote zum Thema Klimawandel und Gesundheit im Überblick:
Klima – Mensch – Gesundheit:
https://www.klima-mensch-gesundheit.de
- Flyer „So kommen Sie gut durch Hitzewellen“
- Flyer „So bleiben Sie bei einer Hitzewelle gesund – Empfehlungen für ältere Menschen“
- Flyer „Diabetes und Hitze – was muss ich beachten?“
- Infokarten Tipps Ernährung, Trinktipps, Rezept Cooler Drink, Sommerliches Memo I und II, Ausmalbild zum UV-Schutz, Hitze-Rätsel, Sonnenschutz mit UV Index, Tipps Sport bei Hitze
Gesund und aktiv älter werden:
https://www.gesund-aktiv-aelter-werden.de/gesundheitsthemen/hitze-und-gesundheit…
- Checkliste „Gesund durch die Sommerhitze”
- Plakat „Gesund durch die Sommerhitze”
- Flyer „Gesund durch die Sommerhitze”
- Flyer kompakt „Gesund trinken im Alter”
Kindergesundheit:
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/risiken-vorbeugen/sonnenschutz/
- Merkblatt „Sonnenschutz für Kinder“
- Checkliste „Ohne Wenn und Aber: Sonnenschutz für Kinder“
Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.”:
Alkohol und Hitze https://www.kenn-dein-limit.info/gesundheit/alkohol-und-hitze/
Bestellung der kostenlosen BZgA-Materialien unter:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 50819 Köln
Online-Bestellsystem: https://shop.bzga.de/
Fax: 0221/8992257
E-Mail: bestellung@bzga.de
Professor Ralf B. Schäfer: Ökotoxikologe verstärkt Wasserforschung
Hochkarätige Expertise für das Research Center One Health Ruhr der Research Alliance und die Exzellenzstrategie: Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Ralf B. Schäfer hat einen Ruf an die Universität Duisburg-Essen angenommen. Der renommierte Wissenschaftler stärkt künftig die internationale Spitzenforschung der Universität im Bereich der Wasserforschung. Zum April wechselte der Forscher von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau ins Ruhrgebiet.
Wie reagieren Mikroorganismen und wirbellose Tiere in Gewässern auf menschliche Einflüsse wie Schadstoffe und den Klimawandel? Das erforscht Prof. Dr. Ralf B. Schäfer. „Mich interessiert, wie diese Reaktionen die Ökosysteme beeinflussen, zum Beispiel die Umsetzung von Nährstoffen“, erklärt der Forscher. Er ist spezialisiert in Ökotoxikologie und Ökologie und erfahren in chemischer und statistischer Analyse, z.B. zur Modellierung von Gewässerrisiken, etwa durch Pestizide aus der Landwirtschaft.
Am Research Center One Health Ruhr möchte Schäfer den Zusammenhang zwischen Artenvielfalt in Gewässern und menschlicher Gesundheit erforschen. „Wir freuen uns außerordentlich, dass Professor Schäfer künftig bei uns forscht“ betont Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Direktor des Centers der Research Alliance. „Mit seinem Profil reiht er sich perfekt in die Forschungsagenda von One Health Ruhr ein, denn hier erforschen wir das Wohlergehen der menschlichen Gesellschaft im unmittelbaren Zusammenhang mit der Qualität und Gesundheit unserer Umwelt“, so Schadendorf weiter. „Am Center möchte ich beispielsweise untersuchen, wie Kläranlageneinträge in das Ökosystem zur Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterienstämme beitragen“, ergänzt Schäfer.
An der Universität Duisburg-Essen verstärkt der Umweltexperte künftig den deutschlandweit einzigartigen Profilschwerpunkt Wasserforschung. „Mit seiner ausgewiesenen wissenschaftlichen Expertise bereichert Professor Schäfer unser Forschungsprofil in der Wasser- und Gesundheitsforschung an der Universität Duisburg-Essen und vor allem in der Research Alliance Ruhr“, erklärt Rektorin Prof. Dr. Barbara Albert.
Ralf. B Schäfer studierte Umweltwissenschaften (1997-2003) an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Statistik, Philosophie und Soziologie (2003/04) an der Universität Kassel. Anschließend ging er als Doktorand ans Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung nach Leipzig, wurde 2008 in Umweltwissenschaften promoviert und war bis 2010 Postdoc an der australischen RMIT University, Melbourne. Im Jahr 2010 nahm er eine Juniorprofessur an der Universität Koblenz-Landau an, wo er sich auch habilitierte (2013). Ab 2016 bis zu seiner Berufung an die UDE forschte und lehrte er als Professor für Landschaftsökologie in Landau an der heutigen Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserlautern-Landau.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ralf Schäfer, Professor for Ecotoxicology Research Center One Health Ruhr, University Alliance Ruhr & Fakultät für Biologie, Universität Duisburg-Essen, Tel. 0201 183 3962, ralf.schaefer@uni-due.de
Kohlendioxid in nützliche Chemikalien verwandeln
Künstliche Photosynthese ist das Thema einer Nachwuchsgruppe an der Universität Oldenburg. Die Forschenden wollen edelmetallfreie Katalysatormaterialien auf Basis gut verfügbarer und günstiger Inhaltsstoffe entwickeln, um Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlicht weiterzuverarbeiten. So soll das Treibhausgas mit möglichst wenig Energieaufwand in Grundstoffe für die chemische Industrie verwandelt werden.
Die Kraft der Sonne zu nutzen, um das Treibhausgas Kohlendioxid in nützliche Chemikalien zu verwandeln – das ist das Ziel einer neuen Nachwuchsgruppe an der Universität Oldenburg. Das internationale Team um den Chemiker Dr. Lars Mohrhusen verfolgt dabei einen besonders nachhaltigen Ansatz: Die Forschenden planen, edelmetallfreie Katalysatoren zu entwickeln, die das eher reaktionsträge Treibhausgas mit Hilfe von Sonnenlicht chemisch aktivieren. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Vorhaben Su2nCat-CO2 in den nächsten sechs Jahren mit rund 2,6 Millionen Euro in der Förderrichtlinie SINATRA (Nachwuchsgruppen für „Künstliche Photosynthese“ und „Nutzung alternativer Rohstoffe zur Wasserstofferzeugung“).
„Die Arbeit der neuen Nachwuchsgruppe zielt darauf ab, günstige und langfristig stabile Materialien zu finden, um derzeit verwendete Edelmetall-Katalysatoren zu ersetzen. Die Förderzusage des BMBF würdigt die große interdisziplinäre Kompetenz der Universität Oldenburg in den Bereichen Katalyse und Nanomaterialien und unterstreicht die große Bedeutung dieser Forschung für die Gesellschaft“, sagt Prof. Dr. Ralph Bruder, Präsident der Universität Oldenburg.
In seinem Projekt will Mohrhusen mit seiner Gruppe Katalysatormaterialien auf Basis gut verfügbarer und günstiger Inhaltsstoffe wie beispielsweise Titandioxid entwickeln. Ziel ist es, das Treibhausgas Kohlendioxid mit möglichst wenig Energieaufwand in Stoffe wie Methan, Methanol oder Formaldehyd zu verwandeln, die von der chemischen Industrie etwa zu Kunststoffen oder synthetischen Treibstoffen weiterverarbeitet werden können. „Bisher werden für die Umwandlung von Stoffen wie Kohlendioxid meist edelmetallhaltige Katalysatoren verwendet, die oft bei hohem Druck und hohen Temperaturen eingesetzt werden“, erläutert Mohrhusen. Neben dem großen Energieaufwand für die richtigen Reaktionsbedingungen hätten diese Materialien den Nachteil, oft teuer und zudem nicht besonders langlebig zu sein. So können beispielsweise Verunreinigungen das Katalysatormaterial leicht „vergiften“, so dass es mit der Zeit weniger aktiv wird.
Im Projekt will das Team um Mohrhusen zwei unterschiedliche Modellsysteme von hybriden Katalysatormaterialien untersuchen. Zum einen sollen Kombinationen aus Titandioxid mit Halbmetall-Nanopartikeln hergestellt werden, zum anderen organische Strukturen an Oxidoberflächen. Anschließend wollen die Forschenden diese Systeme mit unterschiedlichen Verfahren mikroskopisch genau charakterisieren, was meist Ultrahochvakuumbedingungen erfordert. In beiden Fällen handelt es sich um sogenannte Photokatalysatoren, also Katalysatoren, die durch Licht katalytisch aktiv werden: Die Sonnenstrahlung erzeugt in dem Material Ladungsträger – negativ geladene Elektronen und positiv geladene, bewegliche Fehlstellen, sogenannte Löcher. Diese können anschließend chemisch mit Kohlendioxid reagieren. „Anhand dieser Modellkatalysatoren wollen wir auf atomarer Ebene im Detail verstehen, welche Materialeigenschaften zur Reaktivität, aber auch zur Stabilität der Systeme beitragen“, sagt Mohrhusen. Dies sei unter technischen Bedingungen in großen Reaktoren oft nicht ohne weiteres möglich.
In einem dritten Teilprojekt will das Team Mikro-Testreaktoren entwickeln, um die Modellkatalysatoren unter realistischeren Bedingungen zu testen. Dabei werden die Materialien in einer speziellen Kammer mit einer Gasmischung – etwa aus Kohlendioxid, Wasserstoff und Wasser – in Kontakt gebracht und gleichzeitig mit Licht bestrahlt. Währenddessen analysieren die Forschenden die Entstehung der Reaktionsprodukte. Etwaige strukturelle Veränderungen der Katalysatormaterialien durch die Reaktion können sie auch nach Ende der Tests untersuchen.
Mohrhusen studierte Chemie an der Universität Oldenburg, wo er 2014 seinen Bachelor- und 2016 seinen Masterabschluss erwarb. 2021 promovierte er in Oldenburg bei Prof. Dr. Katharina Al-Shamery in der Arbeitsgruppe Nanophotonik und Grenzflächenchemie. Während seiner PostDoc-Phase forschte er insgesamt etwa drei Jahre an der Harvard University (USA) und der Universität Aarhus (Dänemark).
Als assoziierte Partner begleiten die Universität Erlangen-Nürnberg, die Universität Leiden (Niederlande), die Universität Aarhus (Dänemark), die University of Florida (USA) und die Unternehmen Evonik und Leiden Probe Microscopy Mohrhusens Vorhaben. Mit Nachwuchsgruppen fördert das BMBF fortgeschrittene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Weg zur Professur oder einer anderen wissenschaftlichen Leitungsfunktion.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Lars Mohrhusen, Tel.: 0441/798-5616, E-Mail: lars.mohrhusen@uol.de
Weitere Informationen:
http://uol.de/chemie/
Handy, Tablet und Co: Kleine Kinder haben mehr Zugang zu smarten Geräten
Frühkindliche Medienbildung: Erste Ergebnisse der miniKIM-Studie 2023 über Mediennutzung von Kindern im Alter zwischen 2 und 5 Jahren bei Fachkongress in Berlin vorgestellt / Berichte aus der Forschung / Überblick über digitale Angebote / Diskussion zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
Knapp ein Viertel der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren nutzen täglich smarte Geräte wie Handys, Tablets, Laptops oder Sprachassistenten. Das zeigen erste Ergebnisse der Studie miniKIM 2023 über die Mediennutzung von Kleinkindern, die am Freitag bei einem Fachkongress der Stiftung Digitale Chancen und der Stiftung Ravensburger Verlag in Berlin vorgestellt wurde.
Es ist eines der wichtigsten Themen für Eltern: 89 Prozent der Mütter und Väter in Deutschland interessiert der Umgang von Kindern mit Medien, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Dieses Thema steht damit an dritter Stelle nach Erziehung und Gesundheitsfragen. Die Studie miniKIM 2023 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) hat genau das näher untersucht: Insgesamt wurden 600 Haupterziehende von 2- bis 5-Jährigen zur Mediennutzung ihrer Kinder befragt. In diesem Alter nutzen 23 Prozent der Mädchen und Jungen bereits täglich mindestens ein Gerät mit Internetzugang wie Smartphones, Tablets, Laptops oder Sprachassistenten. Nimmt man Mediatheken, Streaming-Dienste, Computerspiele oder Apps dazu, sind es 44 Prozent, die täglich digitale Angebote nutzen.
„Was die Medienausstattung der Haushalte betrifft, sind deutlich mehr Sprachassistenten zuhause verfügbar. Auch hat eine steigende Anzahl Familien ein Abo bei einem Pay-TV-Anbieter oder einem Streamingdienst“, erklärt miniKIM-Studienleiter Thomas Rathgeb die Veränderungen seit der letzten Untersuchung aus dem Jahr 2020. Inzwischen haben vier von fünf Familien mit Kleinkindern ein Streaming-Abo.
Gegenüber 2020 hat auch der direkte Zugang der Kinder zu smarten Geräten zugenommen. Mit einer Steigerung um 50 Prozent hat nun jedes fünfte Kleinkind ein eigenes Tablet zur Verfügung, bei den Vorschulkindern (4-5 Jahre) sind es bereits 28 Prozent. Ebenso ist der Zugang der Kinder zu einem Streaming-Abo von acht auf aktuell 13 Prozent angestiegen. Jedes zehnte Kind im Alter von zwei bis fünf Jahren hat nach Angaben der Eltern bereits ein eigenes Handy oder Smartphone. Laut Studienleiter Rathgeb haben Familien eine sehr umfangreiche Medienausstattung. Indem Eltern diese Medien zunehmend auch kleinen Kindern zugänglich machten, wachse aber auch deren Verantwortung, die Mediennutzung zu begleiten und altersgerecht zu gestalten.
Essenz aus dem Forschungsprojekt „Kindgerechte Zugänge zum Internet“
Erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Kindgerechte Zugänge zum Internet“ der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) zeigen, dass auch jüngere Kinder sich mittels digitaler Medien mit Gleichaltrigen austauschen und gemeinsam spielen und lernen möchten. „Die aktuell verfügbare Angebotslandschaft kann dieses Bedürfnis jedoch nur teilweise erfüllen“, sagt Sebastian Gutknecht, Direktor der BzKJ. „Deshalb haben wir in 2024 ein Förderprogramm für Angebote aufgelegt, die Kindern altersgerechte digitale Erfahrungen ermöglichen und Orientierung bieten.“
Jutta Croll, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Digitale Chancen, die das Forschungsprojekt durchführt, unterstreicht das Kinderrecht auf freie Meinungsäußerung und gesellschaftliche Teilhabe: „Auch kleinere Kinder sollten Zugang zu digitaler Kommunikation und Interaktion haben und bei der Nutzung unterstützt werden, um ein gutes Aufwachsen mit Medien zu gewährleisten.“
Fachkongress mit aktuellen Forschungsergebnissen und fachlichem Diskurs
Kinder beim Aufwachsen in einer digitalen Gesellschaft zu begleiten und von klein auf zu fördern, ist eine Anforderung an die frühkindliche Bildung, mit der sich Politik und Wissenschaft ebenso auseinandersetzen wie pädagogische Fachkräfte in der Praxis vor Ort. In einem mehrjährigen Forschungs- und Praxisprojekt haben sich die Stiftung Ravensburger Verlag und die Stiftung Digitale Chancen mit der Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie befasst. Der Fachkongress „Frühkindliche Medienbildung“ am 26. April 2024 in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin knüpft an die Projektergebnisse an und stellt aktuelle Entwicklungen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik vor.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Thomas Rathgeb
Abteilungsleiter Medienkompetenz Jugendschutz und Forschung
Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg
Telefon: 0711 66991-52
E-Mail: t.rathgeb@lfk.de
Jutta Croll
Vorstandsvorsitzende
Stiftung Digitale Chancen
Telefon: 030-43727730
E-Mail: jcroll@digitale-chancen.de
Weitere Informationen:
https://cdn.micro.ravensburger.com/content/wcm/mediadata/pdf/Stiftung/Unsere%20P… Präsentation miniKIM-Studie 2023 von 26.04.2024
Anhang
Pressemeldung Fachkongress Frühkindliche Medienbildung mit Vorstellung miniKIM-Studie 2023
Influenza: Erreger in Fledermäusen umgeht menschlichen Abwehrmechanismus
Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg entschlüsseln Eigenschaften eines tierischen Influenza-Virustyps, die auf hohes Übertragungspotenzial auf den Menschen schließen lassen / Publikation in Nature Communications
Obwohl Fledermäuse schon lange als Reservoir für eine Vielzahl von Viren bekannt sind, wurde erst kürzlich entdeckt, dass sie auch Influenza-A-Viren (IAV) beherbergen, zu denen auch die Grippe-Erreger gehören. Diese Viren sind bekannt dafür, sich schnell zu verändern. Forscherinnen des Universitätsklinikums Freiburg und des Friedrich-Loeffler Instituts zeigten nun, dass ein in ägyptischen Fruchtfledermäusen gefundener Subtyp dieser Viren in der Lage ist, das Immunsystem von Säugetieren zu überwinden. Darum gehen die Forscherinnen davon aus, dass der neu entdeckte Virustyp ein relativ hohes Risiko für eine Übertragung auf den Menschen birgt. Die Ergebnisse der Studie wurden am 25. April 2024 in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Hohe Vermehrungs- und Übertragungsfähigkeit
„Das Virus schafft es, einen wichtigen Abwehrmechanismus unseres angeborenen Immunsystems teilweise zu umgehen. Dadurch hat es ein höheres pandemisches Potential als andere Viren“, sagt Forschungsgruppenleiter Prof. Dr. Martin Schwemmle vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg. Dem Influenza-A-Subtypen H9N2 gelingt es insbesondere, die antivirale Aktivität des sogenannten Myxovirus-Resistenzproteins A (MxA) zu unterdrücken. MxA ist ein menschliches Protein, das vor allem gegen RNA-Viren wie Influenzaviren eine entscheidende Rolle in der Abwehr spielt, indem es die Viren erkennt, bindet und deren Vermehrung stört.
Im Tiermodell zeigte der Virustyp eine hohe Vermehrungs- und Übertragungsfähigkeit. Zusätzlich konnte der Erreger menschliche Lungenzellen erfolgreich infizieren. Die aktuellen Studienergebnisse zeigen außerdem, dass das Fledermaus-H9N2-Virus nur eine geringe antigene Ähnlichkeit zu den Bestandteilen menschlicher Grippeviren aufweist. „Das bedeutet, dass – bei einer potentiellen Übertragung auf den Menschen – in der Bevölkerung eine geringe Immunität gegen das Virus vorliegen würde und bestehende Grippeimpfstoffe möglicherweise nicht wirksam gegen eine neue H9N2-basierte Influenza wären“, sagt Studienleiter Dr. Kevin Ciminski vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen und präventive Maßnahmen wie umfassende Überwachungsprogramme in Wildtierpopulationen.
Originalpublikation:
Originaltitel der Studie: “Bat-borne H9N2 influenza virus evades MxA restriction and exhibits efficient replication and transmission in ferrets”
DOI: 10.1038/s41467-024-47455-6
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-024-47455-6
Der Klimawandel könnte Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden
Die globale biologische Vielfalt ist im 20. Jahrhundert allein durch veränderte Landnutzung um 2 bis 11 % zurückgegangen, so das Ergebnis einer in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie. Die Modellberechnungen zeigen auch, dass der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden könnte.
Die Arbeit wurde vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) geleitet und ist die bisher umfangreichste Modellierungsstudie ihrer Art. Die Forscherinnen und Forscher verglichen dreizehn Modelle; diese berechneten die Auswirkungen von Landnutzungs- und Klimawandel auf vier verschiedene Messgrößen biologischer Vielfalt sowie auf neun verschiedene Ökosystemleistungen.
DIE GLOBALE BIOLOGISCHE VIELFALT KÖNNTE ALLEIN DURCH LANDNUTZUNGSWANDEL UM 2 BIS 11 % ZURÜCKGEGANGEN SEIN
Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES gilt Landnutzungswandel (zum Beispiel die Umwandlung von Wald in Weide) als der wichtigste Faktor für den Wandel der biologischen Vielfalt. Die Wissenschaft ist sich jedoch uneins, wie sehr sich die biologische Vielfalt verändert hat. Um diese Frage besser zu beantworten, modellierte das Forschungsteam die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die biologische Vielfalt im 20. Jahrhundert. Die Berechnungen zeigten, dass die weltweite biologische Vielfalt allein aufgrund des Landnutzungswandels um 2 % bis 11 % zurückgegangen sein könnte. Diese Spanne deckt vier Messgrößen biologischer Vielfalt ab (globale Artenzahl, mittlere lokale Artenzahl, mittlere Lebensraumgröße, mittlere Unversehrtheit der Artengemeinschaft), berechnet mit sieben verschiedenen Modellen.
„Indem wir alle Erdregionen in unser Modell einbezogen haben, konnten wir viele blinde Flecken füllen. Wir konnten auch die Kritik an anderen Berechnungsansätzen angehen, die fragmentierte und möglicherweise nicht repräsentative Daten nutzen“, sagt Erstautor Prof. Henrique Pereira, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und an der MLU. „Jeder Ansatz hat seine Vor- und Nachteile. Wir denken, dass unser Modellierungsansatz die bisher umfassendste Berechnung des weltweiten Biodiversitätswandels liefert.“
UNEINHEITLICHE TRENDS FÜR ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN
Mit fünf verschiedenen Modellen berechneten die Forscherinnen und Forscher auch die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf sogenannte Ökosystemleistungen, d. h. den Nutzen der Natur für uns Menschen. Sie stellten fest, dass sich im 20. Jahrhundert versorgende Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel die Produktion von Nahrungsmitteln und Holz, vervielfacht haben. Dagegen sind regulierende Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel Bestäubung durch Insekten oder die Bindung klimarelevanten Kohlenstoffs, leicht zurückgegangen.
KLIMA- UND LANDNUTZUNGSWANDEL ZUSAMMEN KÖNNTEN ZU EINEM RÜCKGANG BIOLOGISCHER VIELFALT IN ALLEN ERDTEILEN FÜHREN
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch, wie sich biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen in Zukunft entwickeln könnten. Für diese Berechnungen fügten sie den Klimawandel als weiteren Faktor für den Wandel biologischer Vielfalt in ihre Modelle ein.
Den Berechnungen zufolge wird der Klimawandel sowohl die biologische Vielfalt als auch die Ökosystemleistungen zusätzlich beeinträchtigen. Während der Landnutzungswandel weiterhin eine wichtige Rolle spielt, könnte der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. Das Forschungsteam bewertete drei oft verwendete Szenarien – von einem Szenario nachhaltiger Entwicklung bis zu einem Szenario hoher Klimagas-Emissionen.
In allen Szenarien führen Landnutzungs- und Klimawandel zusammen zu einem Rückgang biologischer Vielfalt in allen Weltregionen. Im Detail zeigen sich erhebliche Unterschiede in den verschiedenen Weltregionen, Modellen und Szenarien.
MODELLIERUNGEN SIND KEINE VORHERSAGEN
„Der Zweck langfristiger Szenarien besteht nicht darin, vorherzusagen, was passieren wird“, sagt Mitautorin Dr. Inês Martins von der Universität York. „Vielmehr geht es darum, die Alternativen zu verstehen – um solche Entwicklungen verfolgen zu können, die besonders wünschenswert scheinen. Diese Entwicklungen hängen von unseren Entscheidungen ab, die wir tagtäglich treffen.“ Martins hat die Modellberechnungen mit geleitet; sie ist Alumna von iDiv und MLU.
Das Autorenteam weist auch darauf hin, dass selbst im Szenario „nachhaltiger Entwicklung“ nicht alle Maßnahmen zum Schutz biologischer Vielfalt berücksichtigt werden. So kann beispielsweise der Anbau von Bioenergie-Pflanzen, ein zentraler Baustein des Nachhaltigkeitsszenarios, den Klimawandel abmildern, gleichzeitig aber auch wichtige Lebensräume gefährden. Im Gegensatz dazu sind effektivere Schutzgebiete und Renaturierungs-Maßnahmen in keinem der üblichen Szenarien enthalten.
MODELLE HELFEN BEI DER WAHL WIRKSAMER MAßNAHMEN
Die Auswirkungen verschiedener Schutzmaßnahmen abzuschätzen, kann dabei helfen, die wirksamsten auszuwählen. „Natürlich gibt es Unsicherheiten bei der Modellierung“, fügt Pereira hinzu. „Dennoch zeigen unsere Ergebnisse klar, dass die derzeitigen politischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die internationalen Ziele für biologische Vielfalt zu erreichen. Wir müssen mehr tun, um eines der größten globalen Probleme zu lösen: den vom Menschen verursachten Wandel der biologischen Vielfalt.“
Diese Forschungsarbeit wurde u. a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Henrique Pereira (spricht Englisch, Portugiesisch und etwas Deutsch)
https://www.idiv.de/de/profile/132.html
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1126/science.adn3441
Pfunde schmelzen mittels Piks: Was ist dran an der Abnehmspritze?
Endlich schlank und das ohne große Mühen. Die Abnehmspritze, auch bekannt als Fett-weg-Spritze, hat sich von einem Medikament für Diabetiker:innen zu einer Art Lifestyleprodukt entwickelt. So scheint es zumindest. Doch was kann man tatsächlich vom vermeintlichen Schlank-Wunder erwarten? Das klären wir mit Dr. Margit Jekle, Professorin für Lebensmitteltechnologie und pharmazeutisches Qualitätsmanagement an der SRH Fernhochschule.
Mehr als jeder zweite Deutsche ist statistisch gesehen zu dick. Fast ein Viertel gilt sogar als fettleibig. Die Ursachen für das Übergewicht sind vielfältig. Propagierte Methoden, um es wieder loszuwerden auch. Immer wieder gibt es Konzepte oder Wundermittel, die versprechen, überflüssige Kilos schnell und einfach verschwinden zu lassen. Und dafür sind Betroffene bereit, tief in die Tasche zu greifen. Oder sogar ihre Gesundheit zu riskieren.
Jetzt ist ein neues, vermeintliches Wundermittel in aller Munde. Die Abnehmspritze. Doch was genau ist da eigentlich drin? Für wen wurde sie entwickelt und was bewirkt sie? Prof. Dr. Margit Jekle hat Antworten auf diese Fragen.
Jekle: „Die Abnehmspritze, hat in den letzten Monaten an Popularität gewonnen, und die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet versprechen, neben dem Nutzen für Diabetes Typ 2 Patienten, eine Möglichkeit für eine Gewichtsabnahme für vor allem Adipositaspatienten. So ist das Medikament für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 oder übergewichtigen Personen mit weiteren Erkrankungen und einem BMI von mindestens 27 zugelassen. Das Medikament dient dabei der Ergänzung zu einer Ernährungs- und Bewegungsumstellung.
Was ist das für ein Wirkstoff und was genau tut er im Körper?
Jekle: „Ganz vereinfacht gesagt, reduziert die Spritze den Appetit oder lässt ihn sogar ganz verschwinden. Das funktioniert, indem der Inhaltsstoff die Wirkung von Darmhormonen nachahmt. Das stimuliert die Bauchspeicheldrüse, die daraufhin Insulin ausschüttet. Der Blutzuckerspiegel sinkt. Das Medikament täuscht ein Sättigungsgefühl vor und diese Reaktion sorgt für weniger Nahrungsaufnahme. Das Medikament wurde ursprünglich für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt.“
In Social Media scheint die Spritze aber auch Einzug gehalten zu haben. Der Hype ist groß und die Vorstellung, unerwünschtes Fett mit nur einem Piks loszuwerden, klingt verlockend. Doch es gibt sicher auch Risiken. Welche sind das?
Jekle: „Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen wurden im Zusammenhang mit der Anwendung des Medikaments beobachtet, insbesondere zu Beginn der Behandlung. Es können auch Erkrankungen an der Bauchspeicheldrüse, Gallenblase oder auch Gallensteine entstehen. In Tierversuchen zeigten sich Fälle von Schilddrüsenkrebs. Eine enge ärztliche Überwachung ist daher unerlässlich, um potenzielle Komplikationen zu vermeiden.“
Es gibt Befürchtungen, dass es wegen eingeschränkter Verfügbarkeit des Wirkstoffes zu einem Wettbewerb kommen könnte. Kann es wirklich sein, dass Diabetiker das Medikament nicht mehr bekommen, weil Abnehmwillige es Ihnen vor der Nase wegschnappen?
Jekle: „Die Produktionskapazitäten für dieses Medikament sind derzeit noch begrenzt. Pharmazeutische Unternehmen wie Eli Lilly & Company setzten weiterhin auf Expansion und investieren in neue Produktionsstätten, auch in Deutschland, um die Nachfrage zu decken und sicherzustellen, dass alle, die von dieser Behandlung profitieren könnten, Zugang dazu haben.“
Wie nachhaltig ist denn die Abnahme dank der Spritze?
Jekle: „Es gibt keine Langzeitstudie zur Abnehmspritze. Erste Untersuchungen zeigen, dass Anwender:innen wieder zunehmen, wenn sie die Spritze absetzen, da der Appetit wieder zunimmt. Um dauerhaft schlank zu bleiben, scheint es derzeit, dass man die Abnehmspritze wahrscheinlich langfristig nehmen muss.“
Kommt man auch ohne medizinische Indikation an die Spritze?
Jekle: „Sie ist verschreibungspflichtig, und sollte nicht ohne ärztliche Konsultation angewendet werden. Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten nur bei Diabetes. Bei Adipositas muss das Medikament allgemein selbst bezahlt werden.“
Kann man mit der Fett-weg-Spritze gezielt Problemzonen bekämpfen, wie zum Beispiel ein Doppelkinn oder Bauchspeck?
Jekle: „Nein. Das ist nicht möglich. Das Medikament reduziert das Verlangen zur Nahrungsaufnahme. Gezielt nur an bestimmten Körperstellen abnehmen ist daher ähnlich schwierig, wie bei einer Diät.“
Wie bewerten Sie insgesamt die Spritze? Ihre Einsatzgebiete und die Wirkung?
Jekle: „Das Medikament kann in Spezialfällen hilfreich sein, wie bei stark adipösen Patienten, die auch unter Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Doch um eine langfristige Ernährungs- und Bewegungsumstellung kommt man nicht herum, wenn man wirklich dauerhaft schlank bleiben möchte, ohne längerfristig auf eine Injektion angewiesen zu sein.“
Anhang
Das PDF zur Pressemitteilung „Abnehmspritze“
Unterschätzter Risikofaktor: Ein gestörter Schlaf kann Bluthochdruck verursachen
Ein erholsamer Schlaf ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit unerlässlich, denn dauerhafte Schlafstörungen begünstigen organische und psychische Erkrankungen. Das ist vielen bekannt. Dass Schlafstörungen aber auch ein deutlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Bluthochdruckerkrankung sind, sollte noch stärker im Bewusstsein der Menschen verankert sein. Wie immer gilt auch hier: Genau hinsehen und Blutdruck messen!
Bluthochdruck-Risikofaktor Schlafstörungen
Schlafstörungen sind nicht nur belastend und senken das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Sie sind auch bekanntermaßen ein relevanter Risikofaktor für die Entwicklung einer Bluthochdruckerkrankung. Daher wurden Schlafstörungen nun als neuer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in die Hypertonie-Leitlinie der europäischen Gesellschaft für Bluthochdruck aufgenommen [1]. Menschen mit einem gestörten Schlaf haben Studien zufolge ein 1,5 bis 3-fach höheres Risiko für eine Bluthochdruckerkrankung [2,3]. „10% der Bevölkerung in Deutschland leidet unter Ein- und Durchschlafstörungen“, erklärt der Internist, Pneumologe, Kardiologe, Somnologe und Intensivmediziner Prof. Dr. med. Bernd Sanner, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Medizinischen Klinik des Agaplesion Bethesda Krankenhauses Wuppertal und Sprecher der Sektion Hochdruckdiagnostik der Hochdruckliga. „Daher trifft das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, auf eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen zu.“ Sichere Auskunft darüber, ob die Schlafstörungen eine organische Ursache haben, oder ob der Blutdruck bereits krankhaft erhöht ist, geben die ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung und die Schlafdiagnostik. „Deshalb ist die regelmäßige Blutdruckmessung, auch zu Hause, für alle ratsam, die mit Schlafstörungen zu kämpfen haben. Ist der Blutdruck erhöht, kann anschließend eine gesicherte Diagnose durch Ärztinnen und Ärzte erfolgen“, betont Prof. Sanner.
Blutdruckregulation im Schlaf
Schlaf ist lebensnotwendig. Der Körper regeneriert sich im Schlaf, Wachstumshormone werden dazu ausgeschüttet, die Energiespeicher werden aufgefüllt, das Immunsystem bildet Abwehrstoffe und das Gehirn verarbeitet und speichert Informationen. Im Zuge dieser Aktivitäten sinken der Herzschlag und der Blutdruck in der Nacht. „Ein gestörter Schlaf verhindert diese wichtige Absenkung, das sogenannte Dipping. Liegt ein sogenanntes Non-Dipping vor, ist die Rate von zukünftigen Herz- und Kreislaufproblemen bereits erhöht. Auf Dauer kann auch ein Bluthochdruck am Tage entstehen“, erklärt Prof. Sanner den Zusammenhang.
Schlechte Schlafqualität ist durch viele Faktoren bedingt
Faktoren, die den Schlaf negativ beeinflussen können, sind z. B.
- psychischer und emotionaler Stress
- Schnarchen
- Schlafapnoe (meist obstruktive Schlafapnoe OSA, Atemaussetzer)
- nächtliche periodische Beinbewegungen
- sogenannte „exogene“ Faktoren wie Lärm und zu hohe Umgebungstemperaturen oder Helligkeit während des Schlafes
- soziale Faktoren, wie z. B. selbst gewählter Schlafmangel.
Schnarchen und Schlafapnoe lassen den Blutdruck steigen und umgekehrt
Bluthochdruck und schlafbezogene Atemstörungen bedingen sich gegenseitig. Die Hälfte aller Betroffenen mit einer Schlafapnoe leidet auch unter Bluthochdruck und umgekehrt sind 30 bis 40 Prozent aller Bluthochdruckerkrankten von einer Schlafapnoe betroffen [4,5]. Liegt eine therapieresistente Hypertonie vor, d. h. lässt sich der Bluthochdruck auch mit Medikamenten nicht einstellen, ist besonders häufig parallel eine Schlafapnoe vorhanden. Bei der häufigsten Form, der obstruktiven Schlafapnoe (OSA), erschlaffen die Halsmuskeln im Schlaf, Zunge und Gaumensegel entspannen sich, fallen nach hinten und blockieren die oberen Atemwege und damit die Sauerstoffversorgung. Die Atmung setzt dann wieder mit einem Schnarchen und einer damit verbundenen unbewussten Weckreaktion ein. „Bei der Schlafapnoe kommt es durch die ständigen Kollapse des weichen Gaumens beim Einatmen zu Atemaussetzern und dadurch zu einem Dauerstress während der Nacht. Aus Sicht des Kreislaufs ist das ein rein passiver Stress, genau in der Zeit, in der unser Kreislauf eigentlich die nächtliche Erholung benötigt. Dies führt anfangs nachts, aber im Verlauf auch tagsüber zu einer dauerhaften Erhöhung des Blutdrucks“, erläutert Hochdruckliga-Sektionsmitglied PD Dr. Jan Börgel, Internist, Kardiologe, Intensivmediziner und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I des akademischen Lehrkrankenhauses St. Barbara-Klinik in Hamm [6].
Auch Insomnie und zu wenig Schlaf fördern Bluthochdruck
Schlaflosigkeit (Insomnie) betrifft ungefähr sechs Prozent der Bevölkerung, Frauen stärker als Männer. Betroffene liegen dauerhaft mindestens dreimal pro Woche wach und finden keinen Schlaf. Der daraus resultierende Schlafmangel beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden und führt zu Gereiztheit, Unkonzentriertheit und Gedächtnisproblemen, sondern erhöht das Risiko für einen Bluthochdruck deutlich. Wie eine Studie zeigte, hat eine Schlafdauer von unter fünf Stunden ein um 50 Prozent erhöhtes Hypertonierisiko zur Folge [7]. „Weniger als sieben Stunden Schlaf sollten es in der Regel für einen gesunden Blutdruck nicht sein, unabhängig davon, ob die kurze Schlafdauer durch Schlafstörungen bedingt ist, oder durch den Lebensstil selbst gewählt ist. Nur die wenigsten sind echte „Kurzschläfer“, die mit weniger Schlaf auskommen, ohne Schaden zu nehmen oder in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt zu sein“, rät Prof. Sanner.
Wie lässt sich der Schlaf verbessern?
Besser Schlafen zu können, lässt sich in den allermeisten Fällen lernen, manchmal sind jedoch Hilfsmittel erforderlich [8].
Gegen Stress und andere emotionale Faktoren hilft eine konsequente Schlafhygiene mit zeitigem Zubettgehen, Entspannungsmaßnahmen (Atem-, Meditationsübungen, progressive Muskelentspannung, Yoga), der Vermeidung von Bildschirmaktivität und dem Unterlassen von Alkoholkonsum vor dem Einschlafen. Gute Effekte zeigen auch entsprechende Apps und professionell entwickelte Achtsamkeitsprogramme wie das Mindfulness-Based Stress Reduction Programm (MBSR).
Körperliche Ursachen müssen zunächst über Screening-Untersuchungen zu Hause oder im Schlaflabor ärztlich abgeklärt werden. Oft ist auch Übergewicht ein begünstigender Faktor für die Schlafapnoe. Aufgrund ihrer stammbetonten Fettverteilung im Körper neigen Männer stärker als Frauen dazu, eine Schlafapnoe zu entwickeln. Besonders in Rückenlage kommt es zu den gefährlichen Atemaussetzern. Eine Gewichtsabnahme und der Wechsel der Schlafposition schaffen häufig Abhilfe.
In schweren Fällen wird zur Behandlung eine CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Maske eingesetzt. Die Nasenmaske wird während des Schlafs getragen und verhindert durch eine kontinuierliche Überdruck-Atmung den Kollaps des weichen Gaumens und damit die Atemaussetzer. Dadurch kommt der Kreislauf kommt zur Ruhe und die Blutdruckabsenkung wird wiederhergestellt.
Von Schlafmitteln raten die Experten übereinstimmend ab: „Schlafmittel sollten wegen Ihres Suchtpotenzials bei einer diagnostizieren Insomnie nur die allerletzte Wahl sein.“ „Wurden bei Patientinnen und Patienten alle körperlichen und seelischen Ursachen ausgeschlossen und sind z. B. schlafhygienische Maßnahmen oder auch verhaltenstherapeutische Therapien erfolglos, kann in seltenen Fällen ein medikamentöser Therapieversuch über eine kurze Zeit von maximal 3−4 Wochen erfolgen, um die Nebenwirkung einer Abhängigkeit zu vermeiden“, stellt Dr. Börgel klar.
Schlafmythen – was ist dran?
Gesunder Schlaf vor Mitternacht: Der Schlaf vor Mitternacht ist nicht notwendigerweise gesünder, allerdings liegen bei vielen Menschen die als erholsamer empfundenen Tiefschlafphasen vor Mitternacht.
Abends kein Sport: Sport und körperliche Bewegung sind zur Senkung des Blutdrucks und für einen gesunden Schlaf sehr empfehlenswert, aber tatsächlich nicht unmittelbar vor dem Einschlafen. Dann ist der Körper noch zu angespannt und findet nicht in den notwendigen Ruhezustand.
Kein Alkohol: Selbst moderater Alkoholgenuss stört den Schlaf. Er erleichtert zwar oft das Einschlafen selbst, aber fördert zwischenzeitliches nächtliches Aufwachen.
Nicht nach 18 Uhr essen: Wer reichlich am Abend isst und das auch noch kohlenhydratreich, schläft tatsächlich schlechter. Empfehlenswert ist daher eiweißreiche und kohlenhydratarme Kost vor 20 Uhr.
Quellen:
[1] Mancia G, Kreutz R, Brunström M et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens. 2023 Dec 1;41(12):1874-2071. (Table 2 auf S. 1888)
[2] Budhiraja R, Roth T, Hudgel D W, Budhiraja P, Drake C L. Prevalence and polysomnographic correlates of insomnia comorbid with medical disorders. Sleep. 2011;34(7):859–867.
[3] Taylor D J, Mallory L J, Lichstein K L, Durrence H H, Riedel B W, Bush A J. Comorbidity of chronic insomnia with medical problems. Sleep. 2007;30(2):213–218.
[4] Fletcher ED, DeBehnke RD, Lovoi MS et al. Undiagnosed sleep apnea in patients with essential hypertension. Ann Intern Med. 1985;103(2):190-195.
[5] Durán-Cantolla J, Aizpuru F, Martínez-Null C, Barbé-Illa F. Obstructive sleep apnea/hypopnea and systemic hypertension. Sleep Med Rev. 2009;13(5):323-331.
[6,8] Deutsche Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL®│Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention. DRUCKPUNKT 1-2024;14-22.
[7] Vgontzas AN, Liao D, Bixler EO, Chrousos GP, Vela-Bueno A. Insomnia with objective short sleep duration is associated with a high risk for hypertension. Sleep. 2009;32(4):491-497.
Informationsmaterial:
Die Hochdruckliga als Kompetenzstelle für Bluthochdruck in Deutschland hält auf ihrer Website unter https://www.hochdruckliga.de/ eine Vielzahl von Informationsmaterialien für Betroffene und Fachleute rund um das Thema Bluthochdruck bereit: von der Prävention über die Diagnose bis zur Therapie. Das zweimal jährlich erscheinende Magazin DRUCKPUNKT richtet sich an von Bluthochdruck Betroffene und Interessierte. Ein Probe-Exemplar kann kostenfrei per E-Mail an info@hochdruckliga.de oder über https://www.hochdruckliga.de/betroffene/magazin-druckpunkt angefordert werden.
Zusatzmaterial:
Tipps für einen besseren Schlaf
- Auf ausreichend Schlaf achten
- Egal, ob Sie tagsüber oder nachts arbeiten: Zwischen dem Zubettgehen und dem Aufstehen genügend Schlaf einplanen. 7 bis 9 Stunden sollten es sein!
- Auf regelmäßige Schlaf- und Aufstehzeiten achten
- Schlaf- und Aufstehzeiten dürfen individuell sein, aber sie sollen regelmäßig sein: Frühaufsteher also früh zu Bett, Langschläfer später.
- Auch für den Mittagsschlaf gilt: entweder regelmäßig zur gleichen Zeit oder besser gar nicht, um den Schlafrhythmus nicht durcheinander zu bringen.
- Schlaffreundliche Umgebung schaffen
- Ruhige Umgebung und angenehme, eher kühle Raumtemperatur
- Schlafplatz/Zimmer abdunkeln. Licht stört den Schlaf als Stressfaktor und verringert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin.
- Lärm wirkt sich auch dann negativ auf den Schlaf aus, wenn er nicht bewusst wahrgenommen wird, also gerade auch während des Schlafens.
- Vor dem Zubettgehen erst einmal zur Ruhe kommen
- Nach emotionaler Aufregung nicht gleich ins Bett gehen, sondern Zeit zum „Runterkommen“ nehmen
- Entspannungstechniken nutzen: Atem-, Meditationsübungen, progressive Muskelentspannung, Yoga oder spezielle Programme wie das MBSR
- Buch statt Bildschirm (Fernsehen, Smartphone, Tablet, E-Reader)
- Entspannungsbad oder -dusche
- Musikhören
- Abendspaziergang
- Nicht unter Druck setzen
- Der ständige Gedanke daran, einschlafen zu müssen, stresst zusätzlich.
- Kein Alkohol
- Auch mäßiger Alkoholkonsum verschlechtert die Schlafqualität und führt zu unruhigem Schlaf und Schlafunterbrechungen.
- Der „Schlummertrunk“ hilft vielleicht beim Einschlafen, aber schadet.
- Auf üppige, schwere Mahlzeiten vor dem Zubettgehen verzichten
- Kohlenhydratreiche Kost liegt nicht nur schwer im Magen, sondern erschwert auch einen erholsamen Schlaf, denn der Stoffwechsel arbeitet dann auf Hochtouren.
- Auf eiweißreiche und kohlenhydratarme Kost vor dem Schlafengehen umstellen
- Gewichtsabnahme bei Übergewicht
- Schon eine moderate Gewichtsabnahme hilft oft. Generell begünstigt Übergewicht Bluthochdruck.
- Schlafposition wechseln
- Die Rückenlage begünstigt Schnarchen und Schlafapnoe.
- Schlaftabletten vermeiden
- Schlaftabletten sollten nur nach ärztlicher Rücksprache über einen kurzen Zeitraum eingenommen werden. Ein längerer Gebrauch kann schnell zur Abhängigkeit führen.
Über uns:
Die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® │ Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention ist eine gemeinnützige, unabhängige medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Seit 1974 setzen wir uns für eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung auf dem Gebiet der Hypertonie ein. Die gesamtgesellschaftliche gesundheitliche Herausforderung Bluthochdruck verlangt nach einer interdisziplinären Antwort. Wir bündeln die Expertise aus allen relevanten Fachgruppen und stellen diese allen beteiligten Gruppen zur Verfügung.
Pressekontakt:
Silke Kleffner-Pöppel
Berliner Straße 46
69120 Heidelberg
presse@hochdruckliga.de
Telefon: +49 62 21 5 88 55-18
Mobil (Geschäftsführerin Frau Dr. Barbara Pfeilschifter): 0 170-329 293 7
Website: www.hochdruckliga.de
Weitere Informationen:
https://www.hochdruckliga.de/betroffene/infomaterial-zum-download
Video zu Schlaf und Bluthochdruck aus der Reihe „Kurz erklärt: Bluthochdruck“
Anhang
Pressemeldung Bluthochdruck und Schlafstörungen der Deutschen Hochdruckliga
Verbesserter Hochwasserschutz entlang der Elbe: Projektabschlussveranstaltung informiert Fachöffentlichkeit
Die Kooperationspartner Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und die Bundesländer Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein stellten die Ergebnisse des Projektes „Untersuchungen zur Verbesserung der Hochwassersituation an der Mittelelbe von Tangermünde bis Geesthacht – 2D-Modellierung Mittelelbe“ am 11. April 2024 im Rahmen einer Abschlussveranstaltung an Bord des Schiffes „Lüneburger Heide“ auf der Elbe vor. Die Veranstaltung richtete sich an Fachleute verschiedener Disziplinen, Institutionen sowie Vertreter/-innen der Politik.
Im Rahmen des Projektes analysierte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) gemeinsam mit den an der Elbe liegenden Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein im Verlauf der Jahre 2016 bis 2024 eine hohe Anzahl an Optionen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes des Elbe-Abschnittes von Tangermünde bis Geesthacht. Das Besondere des Projektes liegt in der Breite und dem Umfang der Bundesländer-übergreifenden Analyse. So wurden ca. 50 Optionen identifiziert und wissenschaftlich bewertet, die den Hochwasserschutz in der Elbe-Region zukünftig unter Berücksichtigung ökologischer Belange verbessern könnten.
Die analysierten Maßnahmenoptionen befinden sich zum jetzigen Zeitpunkt in verschiedenen Planungsstadien bzw. der Prüfung der Machbarkeit auf Bundesländerebene. Die Veranstaltung diente deren Vorstellung, der Diskussion und einem Ausblick zu den im Projektverlauf gewonnenen Erkenntnissen. Zum Programm zählten mehrere Fachvorträge der beteiligten Kooperationspartner aus den Bundesbehörden, der Bundesländer, der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) sowie verschiedener Verbände. Die Ergebnisse stehen als BfG-Bericht bereits öffentlich zur Verfügung (s. u.).
Hochwasserschutz als Gemeinschaftsaufgabe
Zuständig für Hochwasserschutz und -vorsorge sind in Deutschland die Bundesländer. Die BfG forscht und berät zu unterschiedlichen Aspekten rund um das Thema Hochwasser und unterstützt damit die Bundesländer bei ihrer Aufgabe. Unmittelbar nach den verheerenden Hochwassern im Juni 2013 insbesondere im Elbe- und Donaugebiet fassten der Bund und die für den Hochwasserschutz zuständigen Bundesländer gemeinsam den Entschluss zur Erarbeitung eines Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP). Dieses enthält eine bundesweite Aufstellung mit vordringlich umzusetzenden, überregional wirksamen Schutzmaßnahmen. Ziel ist es, diese Maßnahmen innerhalb eines Flussgebiets so zu kombinieren, dass möglichst viele Menschen von ihnen profitieren und Synergieeffekte mit dem Naturschutz und der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu fördern. Die Bundesländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) das Projekt „Untersuchungen zur Verbesserung der Hochwassersituation an der Mittelelbe von Tangermünde bis Geesthacht“ im Rahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP) durchgeführt. Das Projekt trägt mit wissenschaftlichen Empfehlungen zu einer zielgerichteten Entwicklung konkreter Hochwasserschutzmaßnahmen bei. Die bereits etablierte überregionale fachliche Zusammenarbeit der Kooperationspartner wurde durch die Zusammenarbeit im Projekt noch intensiviert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Markus Promny, +49 261 1306-5028, E-Mail: promny@bafg.de
Originalpublikation:
Schramm, W., Promny, M., Hatz, M., (2024): Untersuchungen zur Verbesserung der Hochwassersituation an der Mittelelbe von Tangermünde bis Geesthacht – 2D-Modellierung Mittelelbe. Bericht der Bundesanstalt für Gewässerkunde BfG-2175, Kob-lenz. DOI: 10.5675/BfG-2175. Im Internet: http://doi.bafg.de/BfG/2024/BfG-2175.pdf
Weitere Informationen:
https://www.bafg.de/DE/Service/Presse/_doc/2024/240412_elbe2D.html
Handlungsoptionen für die Wasserstoffwirtschaft – Wasserstoff-Kompass jetzt auch als PDF-Version verfügbar
Der gemeinsam von acatech und DECHEMA erarbeitete digitale Wasserstoff-Kompass bietet Orientierung in der Wasserstoffwirtschaft – ab sofort ist er auch als umfassende PDF-Version verfügbar.
Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein des künftigen Energiesystems. Das Projekt Wasserstoff-Kompass hatte es sich deshalb im Jahr 2021 zur Aufgabe gemacht, Orientierungswissen für viele noch offene Fragen zu diesem Thema zu erarbeiten und im Anschluss zur Verfügung zu stellen.
Im September 2023 veröffentlichten acatech und DECHEMA den gemeinsam erarbeiteten digitalen Wasserstoff-Kompass https://www.wasserstoff-kompass.de/handlungsfelder#/, der Orientierung für mögliche Wege in Deutschlands künftige Wasserstoffwirtschaft bietet. Er zeigt daten- und faktenbasiert Handlungsoptionen und Schlüsseltechnologien zu Erzeugung, Transport und Import sowie zu möglichen Anwendungsfällen rund um Wasserstoff und seine Folgeprodukte auf. Gleichzeitig stellt er wesentliche Grundvoraussetzungen, Vor- und Nachteile und Folgen dar. Zusätzlich wurden bestehende und künftige Verknüpfungen zwischen Industrien, Prozessen und Sektoren im Rahmen der Projektarbeit herausgearbeitet.
Das im Wasserstoff-Kompass erfasste umfangreiche Orientierungswissen hat in den vergangenen Monaten sehr viel Zuspruch erfahren. Die im Rahmen der Projektarbeit entwickelten Ergebnisse finden sich deshalb nun auch als PDF-Version zum Download. Dabei gilt es zu beachten, dass es sich bei einer PDF-Version immer nur um eine Momentaufnahme handelt. Im Fall des Wasserstoff-Kompasses ist dies der Stand der Analysen zum Zeitpunkt Dezember 2023.
Die PDF-Version des Gesamtdokumentes sowie die Einzelkapitel stehen nun zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Über das Projekt Wasserstoff-Kompass
Deutschland will ab 2045 klimaneutral sein. Mithilfe von Wasserstoff lassen sich viele Bereiche defossilisieren. Gleichzeitig eröffnet Wasserstoff dem Industriestandort Deutschland neue Wachstumsoptionen. Ein Projektteam von DECHEMA und acatech hat gemeinsam den Wasserstoff-Kompass erarbeitet. Das Projekt wurde gemeinsam durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Simone Angster, DECHEMA e.V. (simone.angster@dechema.de)
Christoph Uhlhaas, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (uhlhaas@acatech.de)
Weitere Informationen:
https://dechema.de/Themen/Studien+und+Positionspapiere/2024+03+H2+Kompass.html – Download der pdf-Datei
https://www.wasserstoff-kompass.de/ – Das Projekt Wasserstoffkompass
Wie Grünalgen und Bakterien gemeinsam zum Klimaschutz beitragen
Mikroskopisch kleine Algen spielen eine bedeutende Rolle bei der Bindung von Kohlendioxid und sind daher von großer ökologischer Bedeutung. Ein Forschungsteam der Universität Jena hat nun ein Bakterium gefunden, das mit einer Grünalge ein Team bildet. Beide Mikroorganismen unterstützen sich gegenseitig in ihrem Wachstum. Das Bakterium hilft der Mikroalge außerdem dabei, den Giftstoff eines anderen, schädlichen Bakteriums zu neutralisieren. Das grundlegende Verständnis des Zusammenspiels von Algen und Bakterien spielt auch beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse der Studie werden am 5. April in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
„Wir konnten nachweisen, dass das Bakterium Mycetocola lacteus mit der grünen Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii in einer partnerschaftlichen Verbindung lebt, von der beide Seiten profitieren. Während das Bakterium bestimmte überlebenswichtige B-Vitamine und eine schwefelhaltige Aminosäure erhält, wird das Wachstum der Grünalge optimiert“, sagt Prof. Dr. Maria Mittag, Professorin für Allgemeine Botanik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Zudem“, so die korrespondierende Autorin der neuen Studie weiter, „schützen das Helferbakterium Mycetocola lacteus und eine verwandte Bakterienart die Alge gemeinsam vor schädlichen Angriffen anderer Bakterien, indem sie einen Giftstoff dieser feindlichen Bakterien durch Spaltung inaktivieren. Somit sichern die bakteriellen Helfer das Überleben der Algen.“
Mikroalgen sind – ebenso wie Bakterien – Mikroorganismen. Sie kommen sowohl im Süßwasser als auch in Ozeanen und im Boden vor. „Neben Landpflanzen produzieren Algen und Cyanobakterien einen großen Teil des Sauerstoffs und binden etwa die Hälfte des Kohlendioxids in der Atmosphäre durch Photosynthese. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag für das Leben auf der Erde“, stellt Mittag fest.
Nur gesunde Algen können Kohlendioxid gut aufnehmen
Auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung ist dieses Wissen von großer Bedeutung. „Nur gesunde Algen können Kohlendioxid gut aufnehmen und binden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Bakterien den Algen dabei helfen, stark zu bleiben und gleichzeitig die Wirkung der schädlichen Bakterien zu neutralisieren. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass die verwendeten Bakterien und Mikroalgen auch in ihrer natürlichen Umgebung zusammen auftreten“, sagt Prof. Mittag.
In ihren natürlichen Lebensräumen interagieren Mikroorganismen miteinander und gestalten so ihr Zusammenleben. „In unserer Forschung analysieren wir das komplexe Zusammenspiel dieser kleinen Lebewesen, um zu verstehen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Faktoren sich positiv oder negativ auf ihr Wachstum auswirken. Dies ist entscheidend, um die Mechanismen zu verstehen, die zur Erhaltung der natürlichen Ökosysteme beitragen und um effektive Schutzmaßnahmen zu entwickeln“, erläutert Prof. Dr. Christian Hertweck, Professor für Naturstoffchemie der Universität Jena sowie Leiter der Abteilung für Biomolekulare Chemie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie.
Die Studie ist im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsvorhabens entstanden, an dem sowohl Forschende des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ als auch des Sonderforschungsbereichs „ChemBioSys“ der Universität Jena beteiligt waren. „Mit der Verknüpfung der biologischen Perspektive mit der analytischen Naturstoffchemie und unserer fachlichen Expertise in der organischen Synthese haben wir den Mechanismus nachgewiesen, mit dem das Bakteriengift inaktiviert wird“, erklärt Prof. Dr. Hans-Dieter Arndt, Professor für Organische Chemie der Universität Jena.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Maria Mittag
Matthias-Schleiden-Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Planetarium 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949201
E-Mail: m.mittag@uni-jena.de
Originalpublikation:
David Carrasco Flores, Vivien Hotter, Trang Vuong, Yu Hou, Yuko Bando, Kirstin Scherlach, Bertille Burgunter-Delamare, Ron Hermenau, Anna J. Komor, Prasad Aiyar, Magdalena Rose, Severin Sasso, Hans-Dieter Arndt, Christian Hertweck, Maria Mittag: A mutualistic bacterium rescues a green alga from an antagonist. PNAS, Vol. 121, 5. April 2024, DOI: 10.1073/pnas.2401632121
Weitere Informationen:
https://www.microverse-cluster.de – Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena
https://www.chembiosys.de – Der DFG-Sonderforschungsbereich ChemBioSys
Long-COVID: Biomarker bestätigen sich nicht
Etwa 0,5% aller Menschen entwickeln nach einer SARS-CoV-2-Infektion über Monate anhaltende Beschwerden. Dieser Zustand wird als Long-COVID oder Post-COVID bezeichnet. Solche Patient:innen zu erkennen, gestaltet sich für die behandelnden Mediziner:innen oft schwierig, da die Symptome vielgestaltig sind und von psychischen Faktoren beeinflusst werden. Daher sucht die Wissenschaft intensiv nach sogenannten Biomarkern, also bestimmten Laborwerten im Blut der Betroffenen, die die Diagnose Long-COVID zweifelsfrei bestätigen.
Forschende des Universitätsklinikums Essen und der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen mussten die Hoffnung auf den schnellen Einsatz einiger solcher Biomarker nun dämpfen.
Long-COVID ist ein noch unverstandenes Phänomen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Erkrankung mit bis zu 200 unterschiedlichen Symptomen einhergehen kann, etwa einer ausgeprägten Müdigkeit (Fatigue), Konzentrationsstörungen oder starken Schmerzen. Trotzdem sind die Untersuchungsbefunde meistens völlig normal. Daher setzt die Wissenschaft große Hoffnung in die Entdeckung von Biomarkern, mit deren Hilfe es gelingen soll, Menschen mit Long-COVID eindeutig zu identifizieren.
Neuere wissenschaftliche Veröffentlichungen berichteten, dass insbesondere das Aktivitätshormon Cortisol und bestimmte Entzündungsbotenstoffe im Blut, sogenannte Zytokine, geeignete Biomarker bei Long-COVID sein könnten. Laut diesen Studien ist die Konzentration von Cortisol im Blut Long-COVID Betroffener deutlich niedriger als bei Gesunden, die Menge an entzündungsfördernden Zytokinen ist dagegen erhöht. Die Messung solcher Blutwerte hätte es den behandelnden Ärzt:innen zukünftig möglich gemacht, die Diagnose Long-COVID rasch und sicher zu stellen. Diese hoffnungsvollen Ergebnisse konnte ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Essen in einer aktuellen Studie nun nicht bestätigen.
Die Wissenschaftler:innen bestimmten die Blutwerte von Cortisol und der Zytokine TNFalpha, Interleukin-1beta und Interleukin-6 in vier verschiedenen Gruppen an insgesamt 130 Teilnehmenden: Menschen, die nie eine SARS-CoV-2-Infektion gehabt hatten; Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten, aber kein Long-COVID entwickelten; Menschen, die Long-COVID hatten, aber wieder vollständig davon genesen waren und Menschen mit anhaltendem Long-COVID. Die Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe von „Therapeutic Advances in Neurological Disorders“ erschienen sind, waren überraschend – alle gemessenen Werte lagen im Normbereich, und es gab keinerlei Unterschiede zwischen den genannten Gruppen. „Leider konnten wir nicht bestätigen, dass Cortisol und einige der wichtigsten Entzündungsbotenstoffe alltagstaugliche Biomarker bei Menschen mit Long-COVID sind. Diese Nachricht ist für die Betroffenen sicher enttäuschend, passt allerdings zu unseren früheren Untersuchungen, dass es sich bei Long-COVID nicht um eine körperliche Erkrankung im engeren Sinne handelt, sondern die Psyche eine große Rolle spielt“, fasst Prof. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für Neurologie und federführender Autor der Studie, zusammen.
„Die Ergebnisse zeigen das Dilemma der medizinischen Forschung: Während es wichtig ist, Studienergebnisse anderen Forschenden zugänglich zu machen, stehen auf der anderen Seite Patient:innen, bei denen unter Umständen zu große Hoffnungen auf Diagnose- oder Therapiemöglichkeiten geweckt werden“, erklärt Dr. Michael Fleischer, Facharzt für Neurologie am UK Essen. Dennoch sei es sinnvoll, bei Long-COVID auch zukünftig nach Faktoren zu suchen, die die Erkrankung begünstigen. „Hier werden wir uns insbesondere auf den psychischen Bereich konzentrieren, da erste Therapiestudien nahelegen, dass viele Long-COVID Betroffene gut von einer Psychotherapie profitieren“, so Prof. Kleinschnitz.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz
Klinik für Neurologie
Universitätsmedizin Essen
Email: christoph.kleinschnitz@uk-essen.de
Originalpublikation:
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/17562864241229567
Weitere Informationen:
https://www.uni-due.de/med/meldung.php?id=1538
Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren
Forschungsteam an der Universität Freiburg entdeckt ein bisher unbekanntes Gen, das indirekt die Photosynthese fördert
Cyanobakterien werden auch Blaualgen genannt und gelten als „Pflanzen des Ozeans“, weil sie in gigantischen Größenordnungen Photosynthese betreiben, Sauerstoff produzieren und das Klimagas CO2 aus der Umgebung entnehmen. Hierzu benötigen sie aber weitere Nährstoffe wie Sticks