Freitag, Oktober 24, 2025
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Neue Wege zur Beschaffung und zum Verkauf von Energie für Abwasserbetriebe

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Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

1 Einleitung

Zu Beginn der Elektrifizierung im 19. Jahrhundert wurden dem elektrischen Strom mystische Eigenschaften nachgesagt; es sei gar ein „ganz besonderer Saft“. Ein Diebstahl konnte seinerzeit deshalb nicht bestraft werden, weil nach dem Strafgesetzbuch lediglich die unrechtmäßige Aneignung einer gegenständlichen Sache verfolgt wurde. Heute, mehr als 100 Jahre später, sind die physikalischen
Eigenschaften des elektrischen Stroms weitgehend aufgearbeitet.

In den letzten 10 Jahren hat der Strom jedoch wieder neue magische Eigenschaften angenommen,
die er entweder vorher nicht hatte oder die uns bislang verborgen geblieben sind. Ein wesentliches
Merkmal ist die Herkunft, weil sie entscheidend zur Preisbildung beiträgt. Trotz identischer physikalischer
Eigenschaften wie Strom, Spannung und Leistung zahlt der Endkunde heute einen unterschiedlichen
Preis, je nachdem ob der Strom aus erneuerbaren Energien oder in einem Atomkraftwerk erzeugt
wird. Weil der Strom aufgrund der physikalischen Gesetzmäßigkeiten den Weg des geringsten
elektrischen Widerstandes nimmt, kann es durchaus vorkommen, dass jemand in der Nähe eines
Atomkraftwerkes wohnt und beim Kauf von teurem Strom aus erneuerbaren Energien trotzdem mit
dem „ungewollten“ billigen Atomstrom aus der Nachbarschaft beliefert wird. Dieses einfache Beispiel
verdeutlicht das heutige energierechtliche Grundproblem, in einem Stromnetz über die ohnehin schon
komplexen physikalischen Vorgänge hinaus klare kommerzielle Spielregeln für die Betreiber und Nutzer
zu vereinbaren.

Mit der Einführung des Energiewirtschaftsgesetzes 1935 wurde die bis dahin dezentral gewachsene
Energieversorgung eine staatliche Angelegenheit. Dieses Gesetz blieb bis 1998 in Kraft, war allerdings
zuletzt heftig umstritten: Die einen sahen es als Garant einer sicheren und kalkulierbaren
Stromversorgung, die anderen als Relikt der alten Reichspolitik und maßgebliches Hemmnis auf dem
Weg zu einer marktwirtschaftlich orientierten Energieversorgung. Auf europäischer Ebene ist die Politik
Anfang der 90er Jahre angetreten, die Energieversorgung umzukrempeln mit den Zielen, mehr
Wettbewerb zu schaffen und vor allem den damals schon nicht ganz unbekannten Klimaproblemen
stärker gerecht zu werden. In der Folge wurde ein neues Energierecht geschaffen, welches die bis
dahin gültigen gesetzlichen Regelungen an Umfang und Komplexität bei weitem übertrifft. Bis zum
heutigen Tag erweckt das neu geschnürte Gesetzespaket leider nicht annähernd den Eindruck, in
eine konvergente Phase der Stabilisierung und Konsolidierung einzutreten, sondern es tun sich im
Gegenteil immer neue Lücken auf. Nach einem kürzlich erschienenen Zeitungsbericht ist es im derzeitigen gesetzlichen Rahmen sogar möglich, deutschen oder französischen Atomstrom mit Emissionszertifikaten derart zu veredeln, dass daraus Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken wird [1].

Dass die Umgestaltung der Energiewirtschaft keine einfache Angelegenheit sein würde, hätte den
Architekten der neuen rechtlichen und wirtschaftlichen Strukturen eigentlich klar sein müssen. Was sie
aus heutiger Sicht sträflich unterschätzt haben, ist die Einflussnahme der auf ihre eigenen Vorteile
bedachten Energiekonzerne. Den Stromkunden wurden von der Politik sinkende Preise durch mehr
Wettbewerb versprochen. Die Konzerne hingegen interpretieren den freien Wettbewerb nach der
sinngemäßen Umschreibung eines Politikers in der Weise, dass „sie nehmen, was sie kriegen können“.
Die letzten Preissteigerungen für Strom lagen teilweise bei 30%, und weitere Erhöhungen sind
bereits angekündigt.

Vor 100 Jahren waren die Menschen mit den seinerzeit noch weitgehend unbekannten physikalischen
Eigenschaften des Stroms in Erstaunen zu versetzen. Nachdem die alte Magie wissenschaftlich
durchdrungen ist, gelingt es den Energiekonzernen heute, uns mit immer neuen Variationen ihrer
Preispolitik zu verzaubern. Eines der zwischenzeitlich enttarnten Kunststücke ist der Stromhandel an
der Leipziger Börse EEX. Diese wird den Kunden als die im Wettbewerb ermittelte Messlatte für den
Strompreis verkauft. Tatsächlich wird dort nur eine geringe Menge des gesamten Handelsvolumens
umgeschlagen; der mengenmäßig größte Teil der Stromlieferverträge wird nach wie vor über Direktverträge verkauft. Die Börse dient mehr oder weniger als der Spielball zur Preisfindung, auf die jedoch gezielt, beispielsweise durch Außerbetriebnahme großer Kraftwerke, Einfluss genommen wird.

Die Durchsetzung höherer Preise bei gleichzeitig schlechter werdender Qualität und abnehmender
Versorgungssicherheit gelingt den als Oligopol agierenden 4 Energiekonzernen nicht zuletzt deshalb,
weil sie sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zur Erhaltung ihrer Wirtschaftsmacht einsetzen.
Als ein besonders wirkungsvolles Instrument hat sich die Besetzung politischer Schlüsselpositionen
durch Interessenvertreter aus den eigenen Reihen erwiesen [2].

Die neuen magischen Eigenschaften des Stroms wurden überwiegend von Juristen geschaffen, was
den für die Beschaffung der erforderlichen Energiemengen verantwortlichen Ingenieuren und Kaufleuten
in Kommunen, Gewerbebetrieben und der Industrie die Arbeit nicht gerade erleichtert. Bei weiteren
zu erwartenden jährlichen Preissteigerungen von mehr als 10 % wird für die Abwasserbetriebe die
Schmerzgrenze überschritten. Es stellt sich die Frage, wie zukünftig mit den Energiekosten umzugehen
ist und welche Möglichkeiten bestehen, die Kosten für die Beschaffung zu reduzieren oder zumindest
deren Anstieg zu dämpfen. Für große Verbände liegt allein der jährlich zu zahlende Mehrbetrag
im sechsstelligen Bereich. Speziell für die Kläranlagen als große Stromverbraucher verbleibt als
wirksames Gegenmittel zunächst die Senkung des Verbrauchs durch Steigerung der Effizienz oder
durch Steigerung der Stromproduktion aus dem selbst produzierten Klärgas.

Die Preissteigerungen beschränken sich nicht nur auf den Strom, sondern setzen sich bei den anderen
Energien wie Gas und Öl nahtlos fort. Der Ölpreis hat in diesem Jahr erstmals in der Geschichte
die Marke von 100 $ pro Barrel überschritten. Die Kunden können von Steigerungsraten bei Gas und
Öl von 10 % pro Jahr ausgehen. Mit der seit 2004 eingeleiteten Liberalisierung stehe auch hier neue
Wege für Verkauf und Beschaffung offen.

Wie es insgesamt weitergehen soll, lässt sich aufgrund der in den nächsten Jahren zu erwartenden
Umstrukturierung des Energiemarktes und der Ungewissheit bezüglich der anstehenden gesetzlichen
Entscheidungen, z. B. der Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) nur schwierig
voraussagen. Unter diesen Voraussetzungen kann es nicht das Ziel dieses Beitrages sein, eine eindeutige Empfehlungen zu geben, sondern die für die Kläranlagen sich ergebenden Möglichkeiten der
Energiebeschaffung und des Verkaufs der produzierten Energien darzustellen und unter Berücksichtigung
der technischen und rechtlichen Randbedingungen die Vor- und Nachteile zu bewerten.

2 Die Rolle der Abwasserbetriebe aus energiewirtschaftlicher Sicht

Der Abwasserreinigungsprozess nach den heute üblichen Verfahren erfordert einen hohen Energieaufwand, der überwiegend als elektrischer Strom zur Bereitstellung mechanischer Antriebsenergie
benötigt wird. Im Abwasser ist allerdings auch Energie enthalten, einerseits in chemisch gebundener
Form und andererseits als Wärme- und Lageenergie. Nachdem die Zeiten ungezügelten Energieverbrauchs dem Ende zugehen und bei drastisch steigenden Preisen auch bisher als unwirtschaftlich geltende Ressourcen plötzlich interessant werden, spielt auch für die Kläranlagen ein effizienter Umgang mit dem Strom und die möglichst vollständige Nutzung des anfallenden Klärgases eine immer wichtigere Rolle. Die Idealvorstellung einer energieautarken Kläranlage, die ihren Strom- und Wärmebedarf vollständig aus eigenen Ressourcen deckt, ist erst an wenigen Standorten realisiert [[3]. Durch die fortschreitende technische Entwicklung wird es zukünftig immer häufiger möglich sein, Energie in Form von Strom, Gas und Wärme abzugeben; die Energieautarkie tritt dabei in den Hintergrund. Es kommt viel stärker auf die Integration der Kläranlagen in kommunale Energieversorgungskonzepte an.
Für diese neue Aufgabenstellung existieren noch keine standardisierten Konzepte. Hierzu bedarf es
nicht nur technischer Lösungsvorschläge, sondern auch neuer Ideen für die Beschaffung und den
Verkauf von Energie. Ansatzpunkte dafür ergeben sich durch die Strukturierung des Energiemarktes
nach Leistungsbereichen bzw. dem energetischen Potenzial oder durch eine Zuordnung zu den relevanten Bereichen des neuen Energierechts.

2.1 Die bisherige energetische Situation der Kläranlagen

Für den Reinigungsprozess auf Kläranlagen wird der größte Teil der Energie zur Belüftung, zum
Pumpen sowie zum Umwälzen von Abwasser und Schlamm verwendet. Als Antriebsenergie dient
elektrischer Strom, der dazu in mechanische Energie umgewandelt wird. Selten kommen andere Antriebe
wie Diesel- oder Gasmotoren zum Einsatz. Weiterhin wird im Bereich der Schlammbehandlung
Wärme zur Aufheizung des Schlamms benötigt. Dieser Bedarf wird üblicherweise aus dem anfallenden
Klärgas gedeckt, welches entweder direkt verheizt oder durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
mittels Blockheizkraftwerken zur kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt wird. Bei geringem Wärmebedarf im Sommer wird auf vielen Anlagen ohne BHKW das Klärgas abgefackelt oder die nicht benötigte Wärme ungenutzt an die Atmosphäre abgegeben. Neue energetische Arbeitsfelder
sind die Nutzung der im Abwasser enthaltenen Wärme, die Aufbereitung und Einspeisung des Klärgases
sowie die Nutzung des mit einer hervorragenden energetischen Infrastruktur ausgestatteten Geländes
als Standort für Windkraft- oder Biogasanlagen.

2.2 Die Folgen des liberalisierten Energiemarktes für die Abwasserbetriebe

Wer im liberalisierten Markt der Energiebeschaffung und des Energieverbrauchs mitmischen will, sollte
sich zunächst darüber im Klaren sein, dass die Energiewirtschaft ein weites Feld mit vielen komplexen
Abhängigkeiten geworden ist. Das zeigt sich u. a. an der Preisentwicklung der letzten 15 Jahre
(Bild 1). Vor der Liberalisierung setzte sich der Strompreis aus wenigen pauschalen Anteilen zusammen,
die in direktem Bezug zur abgenommenen Menge bzw. Leistung standen. Mit der Liberalisierung
sind Steuern und Umlagen hinzugekommen, die nur noch teilweise proportional zur Strommenge sind
und zudem nicht für alle Verbraucher einheitlich zutreffen.

Bild 1: Entwicklung der Stromkosten in den letzten 15 Jahren
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung1.jpg
Unter dem Strich zahlen die Verbraucher heute mehr als vor 15 Jahren. Der Anteil der Steuern und
Umlagen ist von ca. 15% auf über 40% angestiegen. Darauf wird von den Energiekonzernen gerne als
Ursache der Preiserhöhungen verwiesen. Wenn dann aber für das Jahr 2008 eine Preiserhöhung um
10% angekündigt wird, darf man nicht übersehen, dass es sich bei unveränderten Sätzen für Steuern
und Umlagen um eine Mehreinnahme für die Konzerne von über 20% handelt. Mit gestiegenen Erzeugungskosten ist das kaum zu begründen, mit Sicherheit werden die Konzerngewinne am Ende des
Jahres aber noch höher ausfallen.

Die gesamte Materie ist mittlerweile derart kompliziert geworden ist, dass es zwischenzeitlich nicht nur
auf Energiethemen spezialisierte Anwaltskanzleien gibt, sondern dass sich dort sogar Spezialisten mit
einzelnen Rechtsbereichen befassen müssen. Eine nicht von der Hand zu weisende Ursache für diese
Entwicklung ist die offensichtliche Unfähigkeit der Politik, die Folgen ihres eigenen Handelns einigermaßen realistisch zu prognostizieren und zu kontrollieren [4]. Die Rede vom „Gesetz der unbeabsichtigten Folgen“ macht die Runde und scheint vor allem beim Energierecht zuzutreffen.

2.3 Einordnung der Kläranlagen nach dem energetischen Potenzial

Ordnet man charakteristische Energieanlagen nach der Leistung und dem Energiepotenzial (Bild 2),
dann endet die Skala bei den großen Kraftwerken mit über 1000 MW Leistung pro Anlage. Im Leistungsbereich darunter liegen als Verbraucher große Raffinerien und Chemiewerke. Mit einigem Abstand folgen dann die großen Infrastrukturanlagen, zu denen die Flughäfen und die Kläranlagen der
Millionenstädte zählen. Mittlere bis große Kläranlagen liegen etwa einen Faktor 10 darunter im gleichen
Leistungsbereich wie große Windräder und Biogasanlagen.

Bild 2: Einordnung von Energieanlagen nach Leistungsbereichen
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung2.jpg

Die Erfahrungen zeigen, dass die gesetzlichen Regelungen im Energiebereich meist für Anlagen ähnlicher Leistung zutreffend sind, unabhängig von der Branche oder der speziellen Anwendung. Auf
horizontaler Ebene führt dies nicht selten dazu, dass Gesetze und Vorschriften auf einzelne Branchen
zugeschnitten sind und damit unbeabsichtigte Folgen für andere Anlagen in dieser Leistungsklasse
haben. Kläranlagen sind davon besonders betroffen, weil einige für Windkraft oder Biogasanlagen
vereinbarte Vorteile, beispielsweise Zulagen zur Einspeisevergütung, bei ihnen nicht zutreffen und
somit im direkten Wettbewerb ein finanzieller Nachteil entsteht. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, wieso die Vergütung für Strom aus Klärgas nur etwa 6 – 7,5 ct/kWh beträgt, während der in Biogasanlagen erzeugte Strom bei einer deutlich höheren Grundvergütung und allen Zulagen am Ende
mit fast 20 ct/kWh vergütet wird.

Zwar besteht grundsätzlich kein Wettbewerb um die Vergütung, weil die Netzbetreiber in beiden Fällen
zur Abnahme des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stromes verpflichtet sind. Der Wettbewerb
entsteht jedoch um die für die Stromerzeugung notwendige Biomasse. Derzeit stellt sich die
Situation so dar, dass auf den Kläranlagen noch reichliche Reserven für eine sog. Cofermentation von
Biomasse zur Verfügung stehen [5]. Der daraus gewonnene Strom würde allerdings nur mit dem Satz
für Klärgas vergütet. Wenn bei der technisch völlig gleichwertigen Vergärung in einer Biogasanlage
nahezu die doppelte Einspeisevergütung gezahlt wird, ist es wenig verwunderlich, dass Biogasanlagen
wie Pilze aus dem Boden schießen und auf der anderen Seite die vorhandenen Kapazitäten auf
den Kläranlagen ungenutzt bleiben.

Eine weitere interessante Perspektive ergibt sich, wenn man die Rolle der Abwasserbetriebe in Bezug
auf den Anteil an der Produktion von Strom aus erneuerbarer Energien betrachtet. Nach den aktuellen
statistischen Erhebungen liegt der Anteil der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Deutschland
bei etwa 10%. Davon trägt die Stromproduktion aus Klärgas aufgrund statistischer Erhebungen
etwa 1% bei. Diese Zahl ist jedoch nicht ganz korrekt, weil nach der Statistik nur der nach dem EEG
eingespeiste Strom erfasst wird. Tatsächlich ist der Anteil und vor allem das Potenzial höher, weil
immer mehr Betreiber den Strom wegen der unbefriedigenden Vergütungssituation für den Eigenverbrauch verwenden oder erst gar nicht das Stromerzeugungspotenzial aus Klärgas ausschöpfen.

Bild 3: Energetische Situation in Deutschland (Bezugsjahr 2006)
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung3.jpg
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung4c.jpg

Bezogen auf den gesamten Energieverbrauch ist der Anteil des Stroms aus Klärgas eigentlich kaum
der Rede wert. Er ist aber immerhin etwa genauso so groß wie die Menge an Solarstrom. Die Solarbranche steht aber ohne Frage deutlich höher im Kurs, sowohl im Ansehen bei der Bevölkerung als
auch mit dem 5-6fach höheren Vergütungssatz nach dem EEG. Dabei fällt für beide Branchen die
Energie quasi kostenlos an und muss lediglich in Strom umgewandelt werden. Das Klärgas muss gar
klimaschädlich abgefackelt bzw. vernichtet werden, wenn es nicht genutzt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Bevorzugung der Solarbranche bzw. Fotovoltaik nur unter dem Aspekt des Aufbaus eines neuen Industriezweiges und der zu erwartenden Exportchancen nachvollziehbar. Wer als Abwasserbetrieb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen messbaren Beitrag zur Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energien leisten will, sollte die seine Pflicht auf die Nutzung des Klärgases legen
und die Photovoltaik als Kür ansehen. Es stehen allerdings keine Gründe entgegen, beides zu tun.

2.4 Das Energierecht heute und morgen

Die Neugestaltung des Energierechts wurde um 1990 eingeleitet. Dabei ging es zunächst um die Liberalisierung
des Strommarktes und die Schaffung eines europaweiten Wettbewerbs. Die Forderungen
nach einer stärkeren Berücksichtung der Belange des Klimaschutzes führten vor allem in Deutschland
zu einer Förderung des Einsatzes regenerativer Energien. Nach 15-jähriger Bauzeit ist ein komplexes
Gebilde entstanden, welches auf den ersten Blick klar strukturiert ist und die Zuständigkeiten eindeutig
regelt (Bild 4).

Die praktische Umsetzung der auf europäischer Ebene vorgegebenen Richtlinien verläuft aber auch
heute noch schleppend. Lücken, Widersprüche und missverständlichen Auslegungen sind an der Tagesordnung und erfordern häufige Revisionen und Überarbeitungen.

Unter dem Eindruck der zur Jahreswende 2006/2007 veröffentlichten alarmierenden Zahlen und Prognosen zur globalen Erwärmung wurde von der Bundesregierung am 23.8.2007 in Meseberg die „Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm“ erarbeitet [6]. Insgesamt sind 29 Thesen
aufgestellt und entsprechende Ziele formuliert worden, die ebenfalls rechtlich verankert werden müssen.
Die für die Abwasserbetriebe relevanten Themenbereiche sind nachfolgend mit den jeweiligen
Zielen und den ministeriellen Zuständigkeiten aufgelistet (Tabelle 1). Mit der Umsetzung ist bereits
begonnen worden, was aus der Sicht des Klimaschutzes erfreulich ist. Hinsichtlich der Rechtslage
wird man sich in den kommenden Jahren deshalb auf eine Reihe von Änderungen und Neuerungen
einstellen müssen. Die zu erwartenden Änderungen und Ergänzungen sind in der entsprechend erweiterten Übersicht des Energierechts (Bild 5) dargestellt. 

Bild 4: Energierecht heute (2008)
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung5.jpg

 

Tabelle 1: Meseberger Programm (auszugsweise die Thesen, die für Abwasserbetriebe relevant sind)

These  Bereich  Zuständigkeit 
Kraft-Wärme-Kopplung
Ziel: Verdopplung des Anteils von Strom aus KWK bis
2020 auf etwa 25% 
BMWi 
2 Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich
Ziel: Erhöhung von derzeit 13% auf 25 -30% bis 2020
BMU, BMWi,
BMVBS 
9 Einspeiseregelung für Biogas in Erdgasnetze
Ziel: Erleichterung der Biogaseinspeisung, Dezentrale
Nutzung von Biogas mittels KWK 
BMWi, BMU 
12 CO2-Gebäudesanierungsprogramm
Ziel: Weiterentwicklung, stärkere Ausschöpfung von
Einsparpotenzialen 
BMVBS, BMF,
BMBF, BMWI,
BMU
14 Erneuerbare-Energien Wärmegesetz (EEWärmeG)  BMU, BMVBS 

 

Bild 5: Energierecht im Umbau mit Angabe der „Baustellen“ und der jeweiligen Zuständigkeiten
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld6.jpg

3 Energiebeschaffung

Vor der Liberalisierung des Energiemarktes beschränkte sich die Beschaffung des Stroms wegen der
Monopolstellung der Versorger auf den Abschluss des Liefervertrages für die benötigte Strommenge
und die bereitgestellte Leistung. Die Beachtung besonderer rechtlicher Bestimmungen oder eine detaillierte technische Spezifizierung waren bis dahin nicht erforderlich. Es wurde mehr oder weniger der
vom Energieversorger vorbereitete Vertrag unterzeichnet. Nach der Liberalisierung stellt sich die Situation
gänzlich anders dar. Für die Beschaffung des Stroms sind folgende Bestimmungen zu beachten:
– das (europäische und nationale) Vergaberecht für die formale Durchführung der Beschaffung,
– das Energierecht für die Gestaltung der Verträge,
– die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV)
sowie weitere Verordnungen und Anschlussbedingungen für Sondertarifkunden.

3.1 Vergaberecht

Rechtlich gesehen ist Strom eine Ware im Sinne von Artikel 28 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Bezugsverträge sind daher öffentliche Lieferverträge. Die Stromlieferung teilt sich grob in die Einspeisung bzw. den Bezug und die Durchleitung. Das von früher bekannte Rundum-sorglos-Paket besteht aus drei Einzelverträgen:
– den Liefervertrag für die reine Stromlieferung,
– den Netznutzungsvertrag für die Durchleitung,
– den Netzanschlussvertrag für die Einspeisung in das Netz. 

Der vergaberechtliche Rahmen (Bild 6) wird abgesteckt durch die europäischen Vergaberichtlinien
und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Von den darauf aufbauenden Vergabeordnungen
ist für die Stromlieferung die VOL/A anzuwenden.

Bild 6: Rechtsrahmen für die Vergabe von Stromlieferverträgen (Quelle: Worm, BMU, 2005)
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung7.jpg

Eine Ausschreibung hat zwingend zu erfolgen, wenn befristete Verträge abgeschlossen werden, bei
denen der Vertragswert über dem relevanten Schwellenwert liegt (in der Regel 200.000 €). Bei unbefristeten Verträgen ist eine Ausschreibung durchzuführen, wenn der Auftragswert über dem 48-fachen des monatlichen Zahlungsbetrages liegt. Die Verlängerung eines bestehenden Vertrages ohne Ausschreibung ist grundsätzlich unzulässig. Die Ausschreibung soll auf objektiven Kriterien für die Herstellung bzw. die Herkunft des Stroms aufbauen und die Eignung der Bieter angemessen berücksichtigen. Der Zuschlag hat vorrangig auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erfolgen oder bei Fragen der Wirtschaftlichkeit nach vorher bekannt zu gebenden Kriterien.

Bei der Beschaffung unterscheidet man im Wesentlichen zwischen der klassischen Vollversorgung
und der strukturierten Beschaffung:

– Die klassische Vollversorgung entspricht den von früher gewohnten Vertragsmodellen mit dem
Unterschied, dass die Leistung durch Ausschreibung dem Wettbewerb zu unterstellen sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen allerdings, dass gerade bei großen Objekten wie Kläranlagen
trotz europaweiter Ausschreibung oft nur ein einziges Angebot eingeht, vorzugsweise vom örtlichen
Energieversorger oder Netzbetreiber. Nicht selten lag dann der Preis sogar deutlich höher als
bei den vorangegangenen Vertragsverlängerungen. Die Schlussfolgerungen daraus bleiben dem
geneigten Leser überlassen. Detaillierte Informationen zur Durchführung von Ausschreibungen
und zur Bewertung von Ausschreibungsergebnissen finden sich in der nachfolgend angegebenen
Literatur [7], [10], [9], [10], [11].

– Bei der etwas moderneren Form der strukturierten Beschaffung wird die gesamte benötigte Energiemenge in einzelne und auf die Verbrauchscharakteristik möglichst gut angepasste Leistungspakete mit unterschiedlich langen Laufzeiten aufgeteilt. Üblicherweise wird ein langfristig laufendes Paket für die Grundlast mit möglichst günstigem Preis um flexible Zusatzpakete ergänzt, bei denen das Risiko für Preisschwankungen auf beide Vertragspartner verteilt wird. Aus der Sicht eines Abwasserbetriebes ist diese Art der Beschaffung ein neues und äußerst komplexes Betätigungsfeld.
Das notwendige Grundlagenwissen kann man sich aneignen, jedoch wird man mit der Durchführung
der Beschaffung üblicherweise überfordert sein. Deshalb ist der Regelfall, sich hierzu eines
am Strommarkt tätigen Händlers zu bedienen, mit dem man die Durchführung der Beschaffung
dann abstimmt. Als Anhaltswert gilt, dass eine strukturierte Beschaffung ab einem Volumen von
etwa 20 Mio. kWh/a interessant wird.

Für die Beschaffung von Gas gelten aufgrund der europäischen Richtlinien ebenfalls seit 2004 die
Bedingungen eines liberalisierten Marktes. Man hätte also die Beschaffung schon längst im Wettbewerb
durchführen können. Da sich der Markt sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite
noch nicht auf die neuen Randbedingungen eingestellt hat, ist die Umsetzung hier noch nicht in
Gang gekommen. Erst für dieses Jahr ist die Vorstellung neuer Vertragsmodelle angekündigt [11], die
sich mit den hier nur stichwortartig in den Raum geworfenen Fragen wie „Zwei-Vertrags-Modell“,
Durchleitung, Verhandelbarkeit der Ölpreisbindung, etc. beschäftigen. Bei weiter steigenden Preisen
und einer zunehmenden Bereitschaft der Kunden zu einem Anbieterwechsel wird der Markt sicherlich
in Bewegung kommen. Vergaberechtlich wird man sich voraussichtlich an der zwischenzeitlich erprobten
Praxis der Strombeschaffung orientieren.

Für die bisher weniger beachteten Energieformen Wärme und Kälte galt bisher, dass ein Markt überflüssig ist weil man sie bisher meist aus Strom und Gas selbst vor Ort erzeugt. Bedingt durch Nutzungsverpflichtungen, durch Mindestanforderungen an die Energieeffizienz und wegen steigender
Preise kann dieses Feld jedoch zukünftig interessant werden, vor allem bei größeren Abnahmemengen.
Zusätzlichen Auftrieb könnte dieser Zweig auch durch den Trend zum vermehrten Einsatz der
Kraft-Wärme-Kopplung und der damit einhergehenden Dezentralisierung der Energieerzeugung erhalten.
Die Regelungen für den direkten Verkauf von Wärme sind aus der Nah- und Fernwärmeversorgung
bekannt. Die Entwicklung eines Marktes oder einer Wettbewerbsstruktur kann man sich derzeit
kaum vorstellen. Wenn aber zukünftig nach Wärme aus regenerativen und aus fossilen Quellen unterschieden wird oder noch weitere indirekt wirkende Mechanismen wie die Bonusregelung für die Wärmenutzung bei Biogasanlagen erweitert werden, dann ergeben sich neue Perspektiven. Ein bewährtes technisch-kaufmännisches Modell für die Wärme- und Kälteversorgung ist das sog. Contracting, bei dem sich der Auftraggeber oder Bauherr eines Vertragspartners bedient, der ihm je nach Auftragsumfang alle mit der Versorgung zusammenhängenden Aufgaben (Finanzierung, Bau, Betrieb)
abnimmt. Die Ausschreibung von Contracting-Verträgen ist gängige Praxis.

3.2 Stromlieferung

Für die Stromversorgung von Kläranlagen wird aufgrund der hohen Leistungsbereitstellung und Abnahmemenge üblicherweise ein Sondertarifvertrag abgeschlossen. Die Preisstruktur dieses Vertrages
(Bild 7) ist die Grundlage für die Ausschreibung der Stromlieferung. Für die dem Wettbewerb unterworfenen Anteile wird der Preis abgefragt und um die preislich feststehenden Steuern und Umlagen
ergänzt; die Endsumme ergibt den Angebotspreis. In der Ausschreibung sind darüber hinaus sämtliche
Leistungen zu berücksichtigen, die eine Stromlieferung „frei Betrieb“ gewährleisten. Dazu gehören
vor allem der Abschluss des Netznutzungs- und ggf. des Netzanschlussvertrages, es sei denn dass
der Auftraggeber diese Verträge bereits selbst abgeschlossen hat und die Stromlieferung darauf aufbauen kann. Diese konventionelle Art der Beschaffung hat sich in der Praxis bewährt, sieht man einmal davon ab, dass ein echter Wettbewerb kaum stattfindet. Zu den Details eines Ausschreibungsverfahrens wird auf die umfangreiche Fachliteratur verwiesen [7]. Hierzu werden außerdem regelmäßig Seminare angeboten.

Ein Nachteil dieser Beschaffungsform kann sich bei schwankenden Strompreisen aus der fixierten
Vertragslaufzeit ergeben. Die Stromanbieter verweisen bei der Kalkulation ihrer Angebote auf die Preise
der Börse EEX. Wenn der Zeitpunkt der Ausschreibung gerade in eine Hochpreisphase fällt, hat
der Kläranlagenbetreiber dadurch bedingt erhebliche finanzielle Nachteile. 

Bild 7: Preisstruktur der Stromlieferung eines Sondertarifvertrages
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung8.jpg

Als Alternative bietet sich daher die strukturierte Beschaffung an. Durch die Aufteilung der gesamten
benötigten Strommenge in Leistungspakete mit Anteilen zu fixen Kosten und Paketen, die sich entweder
am Börsenpreis orientieren oder von anderen den Strompreis beeinflussenden Faktoren abhängig
sind (tageszeitliche Schwankungen, Windkraftanteil, etc.), wird das Preisrisiko zwischen dem Betreiber
und dem Stromlieferanten aufgeteilt. Der erzielbare finanzielle Vorteil liegt nach Erfahrungen eines
Wasserverbandes in NRW [] durchaus im Bereich von 5 – 10 % und damit etwa im gleichen Bereich,
den man im Falle der Wahl des „glücklichen Zeitpunktes“ für eine konventionelle Ausschreibung erreichen kann. Gleichwohl sind Chance und Risiko bei einer strukturierten Beschaffung besser beeinflussbar. Nicht zu unterschätzen ist der vom Betreiber zu leistende Personalaufwand für die Bereitstellung von Informationen zur Charakterisierung des Verbrauchsverhaltens, u. a. die Erfassung von Lastganglinien, die Analyse der Ursachen von Spitzenlasten, etc.

Als Fazit der bisherigen Erfahrungen mit der Beschaffung bleibt am Ende die Feststellung, dass mangels
eines echten Wettbewerbs auch in den nächsten Jahren von deutlich steigenden Preisen auszugehen
ist. Die Nachvollziehbarkeit der Erhöhungen ist längst nicht mehr gegeben. Insofern ist es müßig
darüber zu diskutieren, welche Beschaffungsstrategie die bessere ist. Besonders ärgerlich ist in
diesem Zusammenhang, dass mit den steigenden Preisen auch noch Qualitätsverluste einhergehen.
Für die Betreiber von Kläranlagen betrifft das vor allem die Verfügbarkeit der Stromversorgung, von
der die ordnungsgemäße Funktion und die Reinigungsleistung der Kläranlage in hohem Maße abhängen.

Der Rechtsstreit um die vom Sturm Kyrill abgeknickten Hochspannungsmasten und die durch die
Stromausfälle verursachten Schäden hat vor wenigen Monaten mit einem „Freispruch“ für die Energieversorger geendet. Für Schäden durch Stromausfälle ist in den AVBEltV verankert, dass bei Hausanschlüssen ein maximaler Schadenersatz von 2.500 EUR gezahlt wird. Für Sondervertragskunden
wird keinerlei Haftung übernommen, sondern hier muss jeder Betreiber die aus Stromausfällen resultierenden Risiken selbst absichern. Dieser Klarstellung kann man noch den positiven Aspekt abgewinnen, dass sich die zuweilen kontroversen Diskussionen um die Erfordernis von Notstromaggregaten für Kläranlagen erübrigen. Allerdings sollten die Betreiber den finanziellen Mehraufwand für Vorsorgemaßnahmen bei anstehenden Vertragsverhandlungen mit ihrem Versorger auf die Tagesordnung setzen. 

3.3 Gaslieferung

Der Gasbezug spielt bei Kläranlagen mengenmäßig eine untergeordnete Rolle, soweit nicht ein überdurchschnittlicher Wärmebedarf z. B. durch größere Bürogebäude auf dem Klärwerksgelände vorhanden ist. Weitere Gründe für den Bedarf an größeren Gasmengen sind der Betrieb einer Schlammtrocknung/- verbrennung oder der gezielte Einsatz zur Stromerzeugung mit Blockheizkraftwerken. Für alle genannten Verwendungszwecke ist charakteristisch, dass der Verbrauch im Jahresverlauf sehr stark schwanken kann, bei Bürogebäuden jahreszeitlich bedingt und bei einer Schlammverbrennung durch Aufheizbetrieb oder zur Stützfeuerung. 

Bild 8: Effektiver Preis in Abhängigkeit der Bezugsmenge an Gas
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung9.jpg

Bei der im Gasmarkt üblichen Vertragsstruktur mit einem Arbeitspreis für die verbrauchte Menge und
einem jährlichen Leistungspreis, der sich nach der höchsten Tagesmenge bemisst, teilen sich die
Gesamtkosten oft je zur Hälfte für Vorhaltung und Verbrauch auf. Wenn gar der Erdgasanschluss nur
als redundante Gasquelle für den Fall einer Störung der Klärgasproduktion betrieben wird, kann es
durchaus vorkommen, dass ohne jeglichen Verbrauch nur Vorhaltekosten zu zahlen sind. Anhand der
grafischen Darstellung des effektiven Preises in Abhängigkeit der verbrauchten Menge erkennt man
leicht, dass es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, zumindest soviel Gas zu verbrauchen,
dass man aus der exponentiell ansteigenden Preiszone bei kleinen Verbrauchsmengen herauskommt.
Sofern ein BHKW vorhanden ist, lohnt sich in jedem Fall die Nutzung zur Stromerzeugung.
Die „Gewinnschwelle“ lässt sich mit wenigen einfachen Rechenschritten bestimmen. Außerdem wird
bei der Nutzung von Erdgas in einem BHKW bei Einhaltung des geforderten Jahresnutzungsgrad von
70% die Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) auf Antrag erstattet.

3.4 Wärme und Kälte

Über die Beschaffung von Wärme und Kälte macht sich im Abwasserbereich kaum jemand Gedanken.
Wegen der gestiegenen Energiepreise und unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz kann allerdings
eine Analyse der Wärme- und Kälteerzeugung zu überraschenden Ergebnissen führen:

– Zwar wird der größte Anteil des Wärmebedarfs durch das eigene Klärgas gedeckt; oft genug ist
jedoch gerade bei dezentralen Betriebsstellen wie Pumpstationen oder Funktionsgebäuden für
Schlammentwässerung o. ä. eine elektrische Beheizung installiert. Für Pumpstationen gibt es Beispiele
aus der Praxis, nach denen der Verbrauch der installierten Elektroheizungen größer ist als
der für die Förderung des Wassers. Ebenfalls kommt es vor, dass Heizkörper ganzjährig mit voller
Leistung laufen, weil der Thermostat defekt oder falsch eingestellt ist.

– Der Bedarf für Kühlleistung wächst wegen steigender Sommertemperaturen ebenfalls an, beispielsweise zur Temperierung von Schaltwarten und Elektroräumen. Die Erzeugung erfolgt hier
wie bei der Wärme zumeist aus Strom.

– Bei den großen energieintensiven Maschinen wie BHKW, Turboverdichter und Pumpen wird der
Kühlleistungsbedarf meist durch Kühlwasser gedeckt. Der Wasserbedarf ist bei dauernd laufenden
Maschinen teilweise erheblich.

Bei weiter steigenden Energiepreisen bietet sich der Einsatz alternativer Systeme zur Wärme- und
Kälteerzeugung an. Für die Klimatisierung von Schaltwarten gibt es beispielsweise konfektionierte
Lösungen, welche die Sonneneinstrahlung zur Kälteerzeugung verwenden. Die Investitionskosten
sind nicht unbeträchtlich; über eine Lebensdauer von 10 – 15 ist eine Amortisierung erreichbar.
Bei der Beschaffung von Wärme und Kälte geht es insofern weniger um den Abschluss von Lieferverträgen, sondern um die Einsicht, dass die Erzeugung aus Strom für die oft nicht unerhebliche Anzahl von Bedarfsstellen in der Summe nicht vernachlässigbar ist und deshalb nach wirtschaftlich sinnvollen Alternativen gesucht werden sollte.

4 Energieverkauf 

Grundsätzlich setzt der Energieverkauf eine Eigenproduktion oder vorhandene Energiepotenziale
voraus, die größer sind als der für die jeweilige Energieart benötigte Eigenbedarf. Für die Kläranlagen
stellt sich die energetische Situation nach dem aktuellen Stand der Technik so dar, dass sie trotz der
nicht unbeträchtlichen Eigenproduktion mit einem Blockheizkraftwerk in den meisten Fällen weiterhin
Strom aus dem Netz beziehen müssen. Bei der Wärme ergibt sich im Sommer ein Überschuss, welcher
an die Atmosphäre abgegeben wird. Bei Anlagen ohne BHKW mit einer Klärgasnutzung im Heizkessel
wird das nicht benötigte Klärgas bislang abgefackelt; der ungenutzte Anteil liegt dann bei rd.
30% – 60% der Gesamtmenge (Bild 9). Das Potenzial der im Abwasser enthaltenen Wärme ist bislang
kaum genutzt, weil hierfür nach den bisherigen Energiekonzepten kaum externe Nutzer für Niedertemperaturwärme in örtlicher Nähe der Kläranlage vorhanden sind.  

Bild 9: Klärgasnutzung bei einer Anlage mit einer Ausbaugröße von rd. 10.000 EW ohne BHKW
Bild FW-Ene-Seibert-Beschaffung10.jpg

Auf den ersten Blick ist die Chance und Motivation für einen Energieverkauf somit gering. Wenn zukünftig allerdings Maßnahmen zur Effizienzsteigerung beim Stromverbrauch und zur Erhöhung der
Klärgasproduktion z. B. durch Covergärung umgesetzt werden, können sich die Anteile deutlich verschieben. Wirklich interessant werden kann der Verkauf dadurch, dass der Energiepreis sich nicht
nach der physikalischen Menge, sondern nach der Herkunft richtet. Sämtliche auf Kläranlagen verfügbare
Energien (Klärgas, Abwasserwärme, Strom aus Klärgas) sind regenerativ. Dadurch sind sie höher
zu bewerten als Energie aus fossilen Quellen. Es kann also durchaus einen Sinn machen, über
Formen des Austausches gleichartiger oder sogar unterschiedlicher Energiearten nachzudenken.

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die sog. fiktive oder virtuelle Einspeisung des aus Klärgas erzeugten
Stroms, um die Vergütung nach EEG zu erhalten. Im Gegenzug muss dann Strom aus dem Netz zum
normalen Preis bezogen werden. Mit diesem „Umtausch“ haben viele Kläranlagenbetreiber vor wenigen Jahren einen finanziellen Vorteil erzielen können, der allerdings durch steigende Strompreise
aufgezehrt ist. Wenn zukünftig zum Erreichen der Klimaziele erneuerbare Energien stärker gefordert
und gefördert werden, sollte sich die Abwasserbranche Konzepte überlegen, wie sie ihre regenerativen
Schätze vermarkten kann. Diese Ideen müssen dringend in die laufende politische Diskussion
eingebracht und nach Möglichkeit in den neuen energierechtlichen Regelungen verankert werden. Die
ersten Schritte hierzu sind gemacht, indem sowohl die DWA als auch die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) öffentlich Stellung zu dem Referentenentwurf des neuen EEG genommen [12]
und u. a. gleiche Vergütung für Klärgas und Biogas gefordert haben. Auch wenn man von einem
Markt sicherlich noch nicht reden kann, darf man die sich durch die Umsetzung der Vorgaben zum
Klimaschutz ergebenden großen Chancen nicht entgehen lassen.

4.1 Stromverkauf

Einige Kläranlagen produzieren schon heute mehr Strom als sie selbst verbrauchen. Der Überschuss
ergibt sich dabei aus einer besonders effizienten Betriebsweise des Reinigungsprozesses einerseits
und der erhöhten Stromproduktion am Standort (Biogas, Windkraft, Solaranlagen) andererseits. Da es
sich um Strom aus regenerativen Quellen handelt, kann dieser nach dem EEG eingespeist werden
gegen die Zahlung der gesetzlichen Vergütung.

Alternativen hierzu ergeben sich zunächst durch Verhandlungen mit dem Netzbetreiber, der nach dem
EEG zur Zahlung einer Mindestvergütung verpflichtet ist; vor dem Hintergrund einer erhöhten Nachfrage
nach „grünem Strom“ darf allerdings die Frage erlaubt sein, ob der Netzbetreiber nicht zur Zahlung
einer höheren Vergütung bereit ist. Wenn es – wie bereits eingangs dargestellt – den großen
Energiekonzernen wert ist, Atomstrom mit Emissionszertifikaten zu Strom aus Wasserkraft zu veredeln,
dann ist es doch einfacher und vor allem näher an der Wahrheit, für Strom aus Klärgas ein paar
Cent mehr zu vergüten.

Eine bislang noch völlig unangetastete Option ist die mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz eingeführte Bildung von Areal- und Objektnetzen [13]. Diese vorwiegend für Chemiestandorte, Flughäfen oder größere Werksgelände eingeführte Regelung verschafft den Eigentümern oder Betreibern dieser Anlagen die Hoheit über die werksinternen Netze einschließlich der Eigenproduktion und bringt ihnen durch die Bündelung des Abnahmevolumens und der Vermeidung netzabhängiger Kosten nicht unbeträchtliche finanzielle Vorteile. Es bleibt noch zu prüfen, ob diese Regelung auch für Abwasserbetriebe anwendbar ist.

4.2 Gasverkauf

Der Verkauf überschüssigen Klärgases setzt zunächst das Vorhandensein eines Anschlusses an ein
Gasnetz voraus. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es wird ein sog. Mikrogasnetz aufgebaut,
in das Klärgas eingespeist und ohne Aufbereitung an die Verbraucher verteilt wird. Diese Variante hat
sich bereits in der Praxis bewährt, beispielsweise um größere Energieverbraucher wie Schulen oder
Schwimmbäder mit Klärgas zu versorgen, welches dort mit einem BHKW zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt wird.

Nach den Ideen der großen Politik liegt die Zukunft jedoch in der Einspeisung von Klär- oder Biogas in
das Erdgasnetz. Das ist ohne Frage die sinnvollere Alternative, weil das Netz vorhanden ist und vor
allem über riesige unterirdische Speicher verfügt, die Produktion und Bedarf ausgleichen können.
Gegenüber der Windkraft, deren stark schwankender Anfall teilweise mit teurer Regelenergie kompensiert werden muss, wäre das ein großer Vorteil. Derzeit existieren etwa 5 Pilotanlagen, auf den die Biogaseinspeisung erprobt wird. Als vorläufiges Ergebnis ist bekannt, dass von den Gasnetzbetreibern sehr hohe Anforderungen an die Gasqualität gestellt werden. Wegen der hohen Aufbereitungskosten zur Druckerhöhung und Anreicherung steht die Wirtschaftlichkeit damit zunächst in Frage. Es ist allerdings auch schwierig nachvollziehbar, warum sich bei solchen Projekten um Nachkommastellen bei den Qualitätsparametern gestritten wird. Auffallend ist, dass an den Pilotprojekten die Energiekonzerne direkt oder indirekt beteiligt sind und möglicherweise mit hohen Standards den Zugang zumGasnetz erschweren.

Eine Klärung der offenen Fragen ist in jedem Fall durch die Umsetzung der Meseberger Thesen auf
den Weg gebracht. Das BMWi und das BMU sind mit dem Entwurf einer Einspeiseregelung für Biogas
in Erdgasnetze beauftragt mit dem Ziel einer Erleichterung der Biogaseinspeisung und der dezentralen
Nutzung von Biogas mittels Kraft-Wärme-Kopplung. 

Auf die weiteren technischen Alternativen der Umwandlung des Gases in Wasserstoff und die Verwendung als Kraftstoff wird hier nicht eingegangen, weil diese Variante zwar interessant, aber nur für
sehr große Anlagen wirtschaftlich ist. Die Möglichkeiten werden derzeit im Rahmen eines Pilotprojektes
auf der Kläranlage Bottrop der Emschergenossenschaft untersucht.

4.3 Abgabe von Wärme und Kälte

„Heizen und Kühlen mit Abwasser“ ist der Titel einer von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt herausgegebenen Broschüre [14], die unter der Leitung des schweizerischen Energieexperten Ernst
Müller erarbeitet wurde. Die Technik zur Nutzung des Abwasserwärmepotenzials wurde in den 90er
Jahren in der Schweiz vorangetrieben, vor allem die Entnahme aus Abwasserkanälen. Mit in der Sohle
des Kanals eingebauten Wärmetauschern wird die Wärme entnommen und mittels einer Wärmepumpe
auf ein nutzbares Temperaturniveau angehoben. Die über das gesamte Jahr in einem Bereich
von nur 10 bis 20° Celsius schwankende Abwassertemperatur gewährleistet dabei hohe Jahresarbeitszahlen und damit einen energieeffizienten Betrieb der Anlage. Da eine Wärmepumpe ähnlich einem Kühlschrank stets eine warme und eine kalte Seite hat, kann sie im Sommer im „umgekehrten Betrieb“ auch zur Kühlung eingesetzt werden.

Das Interesse an solchen Projekten ist sehr groß, wenn man es an den Teilnehmerzahlen von Tagungen
oder Seminaren zu diesem Thema misst. In der Schweiz ist bereits eine stattliche Anzahl von
Anlagen in Betrieb; dort ist die Technik etabliert. In Deutschland wurden zwischenzeitlich im größeren
Maßstab ca. 5 -10 Anlagen realisiert. Weitere Anlagen sind in Planung. Die Frage, ob der Bau einer
solchen Anlage technisch machbar und wirtschaftlich interessant ist, wird üblicherweise im Rahmen
einer Potenzialstudie untersucht. In NRW wird die Durchführung solcher Studien im Rahmen des im
letzten Jahr erneut aufgelegten Förderprogramms zur Energieoptimierung im Abwasserbereich mit
einem Anteil von 70% gefördert.

Dem großen Interesse an dieser Technik hat die DWA durch Einsetzung einer Arbeitsgruppe Rechnung
getragen. Die dort vertretenen Fachleute erarbeiten derzeit das Merkblatt DWA-M 114 „Energie
aus Abwasser“, welches voraussichtlich im Frühjahr 2008 als Gelbdruck erscheinen wird. Dort sind
Fragen zur Wirtschaftlichkeit und zur Vertragsgestaltung behandelt. Auf Anfrage hat das BMU bestätigt,
dass Abwasserwärme als regenerative Energie im Sinne des EEWärmeG gilt. In der Begründung
zum Gesetzesentwurf war dies allerdings schon angemerkt. 

5 Zusammenfassung und Ausblick

Energie hat unterschiedliche Seiten. Beschränkt man sich auf die für den menschlichen Verstand
nachvollziehbaren drei Dimensionen in der Form eines Würfels, dann sind die 6 wichtigsten Aspekte

– die Nachhaltigkeit,
– der Klimaschutz,
– der Ressourcenschutz,
– die Effizienz,
– die Kosten bzw. Erlöse,
– die Versorgungssicherheit.

Diese Reihenfolge entspricht nach Auffassung des Autors den Prioritäten, nach denen Energiemaßnahmen zukünftig bewertet werden sollten. In einer Phase der energiepolitischen Umorientierung auf die Belange des Klimaschutzes und eines strukturellen Umbruchs der Energiewirtschaft mit dem Ziel einer stärkeren Dezentralisierung kann man aufgrund der äußerst langfristigen Investitionszyklen von etwa 25 Jahren im Energiebereich nicht davon ausgehen, dass sich neue Vorgaben unmittelbar auswirken, sondern der Umbau nur allmählich vonstatten gehen wird.

Wenn in einer solchen Phase Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen, dann ist es geradezu sträflich, sich hier bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit auf die üblichen Methoden der Extrapolation für die Strompreise oder sonstige kostenrelevante Randbedingungen zu stützen. Diese Prognosen versagen deshalb, weil ihre Entwicklung von den anstehenden Veränderungen selbst abhängig ist. 

Das gilt grundsätzlich auch für die Beschaffung und den Verkauf von Energie. Bei der Beschaffung
sind die Möglichkeiten einer Einflussnahme derzeit beschränkt, weil nach wie vor die großen Energiekonzerne das Geschehen in der Hand haben und die Preise nach Belieben erhöhen. Nachdem aber zwischenzeitlich die privaten Kunden deutlich wechselfreudiger geworden sind und den Konzernen in
Scharen weglaufen, setzt hier der Umdenkprozess ein.

Eine ebenfalls unterschätzte Entwicklung ist die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien.
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit galt die Meinung, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis dieses Ziel
erreicht ist. Eine grobe Abschätzung des erwarteten Trends spiegelt sich in den degressiven Vergütungssätzen des EEG wieder, die etwa bei 5% pro Jahr liegen. Diese Prognosen werden aufgrund der günstigen Marktentwicklung beispielsweise bei Fotovoltaikanlagen sogar übertroffen. Auch BHKWAnlagen erweisen sich zunehmend als konkurrenzfähig gegenüber der zentralen Energieerzeugung
mit Kraftwerken.

Solange die Energiekonzerne ihren eigenen Kraftwerksstrom in Steigerungsraten verteuern, welche
um das 3 – 5fache über der Preisdegression der erneuerbaren Energien liegen, leisten sie zu deren
Wettbewerbsfähigkeit auf ihre Weise eigentlich den größten Beitrag. 

Literatur:

[1]  Ökostrom aus dem Atomkraftwerk
Pressebericht, http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/energie/
regenerative_energien/080107.jhtml 
[2]  Leuschner, U.:
Kurzschluß, Wie unsere Stromversorgung teurer und schlechter wurde
MV-Verlag, 2007 
[3]  Gredigk, S.:
Energieautarke Kläranlagen – Ansatzmöglichkeiten und Grenzen
Langfassung und Vortrag auf der Fachtagung „Energieoptimierung in Kläranlagen“,
Essen, 21.09.98 und 18.05.99 
[4]  Ziesemer, B.:
Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft
Campus Verlag, 2007 
[5]  Roos, H.-J.:
Perspektiven der Co-Vergärung auf Kläranlagen
1. Deutscher Wasser- und Energietag (E-world energy & water) Essen, 2007 
[6]  BMU:
Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm
http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/klimapaket_aug2007.pdf 
[7]  Specht, H,:
Stromlieferverträge im liberalisierten Energiemarkt
VDE Verlag, 2005 
[8]  Wiebusch, B.:
Energiebezug und -einspeisung aus Betreibersicht
Fachtagung Ökoeffizienz, Kaiserslautern 2007 
[9]  von der Hagen, H.:
Make or buy – Einstieg in die Strukturierte Strombeschaffung als schrittweises Vorgehen auf
Basis konfektionierter Stromprodukte
emw, Heft 2/05 
[10]  Beisheim, C. E., Edelmann, H. (Hrsg.):
Unbundling, Handlungsspielräume und Optionen für die Entflechtung von EVU
VWEW Energieverlag, 2006 
[11]  e-world-2008, Essen
Programmübersicht: Energieeinkauf in Industrie und Gewerbe 
[12]  AöW – Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft
Stellungnahme der AöW zum EEG-Entwurf vom 3.12.2007
http://aoew.de/presse.html?&detail=59&cHash=66e7926d50 
[13]  Riedel, M., Schroeder-Czaja, H., Jacobshagen, U.,:
Objekt- und Arealnetze
VWEW Energieverlag, 2007 
[14]  Deutsche Bundesstiftung Umwelt et. al. (Hrsg.):
Heizen und Kühlen mit Abwasser, Ratgeber für Bauherren und Kommunen
Osnabrück, 2005 
[15]  Nuon Deutschland GmbH, Düsseldorf
Clever eingekauft – Wie Industriekunden vom Auf und Ab des Strompreises profitieren
Energy, Heft 1/2004 
[16]  Schäfer, P.:
Herausforderung Preisentwicklung: Handelsnahe Stromlösungen für Weiterverteiler und industrielle
Großkunden
Vortrag auf der Konferenz Euroforum Düsseldorf, 2007 
[17] Günther, U., Reffel, F.:
Strukturierte Beschaffung (zur Senkung der Energiekosten)
Voraussetzungen, Prozesse und IT
Vortrag auf der Hannover Messe 2006 

Anschrift des Verfassers:

Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

setacon GmbH
Augustinusstraße 9b
50226 Frechen

Tel: 02234-988 095-0
Fax: 02234-988 095-11
Mail: info@setacon.de
Web: www.setacon.de

 

Energieanalysen als Instrumente zur Prozessoptimierung

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In (Ab-)Wasser steckt unendlich viel Energie

Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

Beitrag zur Fachtagung „Ökoeffizienz in der Wasserwirtschaft – Schwerpunkt Energieoptimierung von Kläranlagen“
(Kaiserslautern, 19.11.2007) 

1 Einleitung und aktuelle Situation

Die Leistungsfähigkeit der Kläranlagen lässt sich durch Optimierungsmaßnahmen noch beträchtlich
steigern. Die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten gelingt heute oft ohne größere
bauliche Erweiterungen allein durch den Einsatz neuer Verfahrens- oder Anlagentechniken.
Aber auch wenn keine Erweiterungen anstehen, ist eine Prozessoptimierung angezeigt um
einerseits die Reinigungsleistung weiter zu steigern und andererseits die Wirtschaftlichkeit
der Anlage zu verbessern.

Die früher oft angeführte Behauptung, dass eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs
nur unter Inkaufnahme einer schlechteren Reinigungsleistung zu erreichen ist, wurde zwischenzeitlich
durch viele Projektbeispiele widerlegt. Eine unabdingbare Voraussetzung für
den Erfolg einer energetischen Optimierung ist allerdings eine interdisziplinäre Herangehensweise
an die Aufgabe. Im Alleingang der Disziplinen und nur auf der Basis von theoretischen
Berechnungen geht die Optimierung in der einen Disziplin zu Lasten einer anderen.
Am Ende hat das Betriebspersonal das Nachsehen und muss sich für nicht realisierbare
Vorschläge rechtfertigen. Nur wenn elektrotechnischer und verfahrenstechnischer bzw. anlagentechnischer
Sachverstand gemeinsam agieren und zudem das erforderliche betriebstechnische
Verständnis aufbringen, gelingt der Spagat einer umfassenden und nachhaltigen
Verbesserung.

Kläranlagen sind große Stromverbraucher und oft der größte Einzelverbraucher innerhalb
einer Kommune (Bild 1). Außerdem ist die Menge des bei der Schlammfaulung anfallenden
Klärgases nicht unbeträchtlich und kann nach neueren Erkenntnissen durch eine Ausnutzung
der vorhandenen baulichen Kapazitäten noch wesentlich erhöht werden. 

Bild 1: Typische Aufteilung des Stromverbrauchs einer Kommune
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse2a.jpg

Mit der in den 90er Jahren eingeleiteten Liberalisierung des Energiemarktes und den in den
nächsten Jahren anstehenden weitreichenden Maßnahmen zur Erreichung der politisch abgesteckten
Klimaziele ergeben sich zukünftig wesentlich veränderte Randbedingungen. Für
die Kläranlagen sind dabei neben den drastisch steigenden Stromkosten vor allem die zu
erwartenden Verpflichtungen zu einer möglichst hochwertigen Nutzung des anfallenden
Klärgases (Primärenergie!) wichtige Eckpfeiler für die Erstellung von Energiekonzepten und
die energetische Optimierung. Die bisherigen Energiekonzepte für Kläranlagen basieren
meist auf einer Nutzung des anfallenden Klärgases zur Strom- und Wärmeerzeugung (Kraft-
Wärme-Kopplung mittels BHKW) mit dem Ziel, den hohen Stromverbrauch möglichst vollständig
durch Eigenerzeugung zu decken. Diese in der Abwasserbranche schon seit etwa 25
Jahren kursierende Idealvorstellung einer energieautarken Kläranlage umfasst allerdings nur
den Strom. Bezieht man die für den Klimaschutz ebenfalls relevante Wärmesituation ein und
verlangt zudem eine möglichst hohe Primärenergieausnutzung, dann ergeben sich unter
Berücksichtigung des Trends zu dezentralen Energieversorgungsstrukturen alternative Möglichkeiten,
die den neuen Anforderungen besser gerecht werden und eine deutlich höhere
Flexibilität bei der Gestaltung von Energiekonzepten zulassen.

Für die Energieoptimierung im Abwasserbereich haben sich unterschiedliche Methoden und
Instrumente etabliert und in der Praxis bewährt, u. a. das Benchmarking, um aus dem Vergleich
mit anderen Anlagen und Betreibern Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten,
die Simulation als Ergänzung zur konventionellen Bemessung und zur verfahrenstechnischen
und betrieblichen Optimierung oder der Vergleich von spezifischen Kennzahlen
für einzelne Aggregate oder Verfahrensstufen. An vorderster Stelle dürfte allerdings die sog.
Energieanalyse stehen, die speziell auf die verfahrens- und prozesstechnischen Belange der
Kläranlagen zugeschnitten ist mit dem Ziel einer wirtschaftlichen und effizienten Energienutzung.

2 Das Instrumentarium der Energieanalyse

Entwicklung der Instrumente
Die Methode der systematischen Energieoptimierung wurde ursprünglich vor ca. 15 Jahren
in der Schweiz entwickelt und in den folgenden an vielen schweizerischen Kläranlagen erprobt
und verfeinert. In diesem Zuge entstand das erste Handbuch „Energie in Abwasserreinigungsanlagen“.

Beeindruckt von Veröffentlichungen und Vorträge über die großen Potenziale durchgeführter
Analysen beauftragte das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (MUNLV) des Landes Nordrhein-Westfahlen (früher: MURL = Ministerium
für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft) Mitte der 90er Jahre den schweizerischen
Initiator Ernst A. Müller mit der Entwicklung eines Instrumentariums, mit dem die Energiesituation
der kommunalen Kläranlagen landesweit überprüft und verbessert werden sollte.

Wichtigstes Element war das auf der schweizerischen Vorlage aufbauende Handbuch Energie
in Kläranlagen NRW [1], das von einer interdisziplinär zusammengesetzten Autorengruppe
aus Abwasser- und Energiefachleuten erstellt und dabei von einer Arbeitsgruppe aus
Wissenschaftlern, Ingenieuren und Betreibern unter Leitung des Landesumweltamtes begleitet
wurde. Es enthält als Nachschlagewerk die grundlegenden Zusammenhänge über den
Energiehaushalt von Kläranlagen, gibt Hinweise auf mögliche Einsparungen und vermittelt
die systematische Vorgehensweise zur Durchführung von Energieanalysen. Es wird ergänzt
durch eine Broschüre mit bereits durchgeführten Musterenergieanalysen [2] und ein EDVProgramm
zur Durchführung der notwendigen Berechnungen und zur einheitlichen Darstellung
der Ergebnisse. Es war vorgesehen, dass die Energieanalysen von auf diesem Fach gebiet tätigen Ingenieurbüros durchgeführt werden, wobei die entsprechende Zusatzqualifikation
durch Schulungen oder gleichwertige Nachweise belegt sein sollte.

Als Anreiz für die Durchführung einer Energieanalyse wurde vom MUNLV die Erstellung eines
entsprechenden Gutachtens im Rahmen der „Initiative ökologische und nachhaltige
Wasserwirtschaft“ mit bis zu 70% der Kosten des Gutachtens gefördert. Dies hat dazu geführt,
dass in den Jahren 1999 – 2005 eine fast flächendeckende Verbreitung erzielt wurde;
über die großen ermittelten Potenziale wurde bereits mehrfach berichtet [3], [4]. Zu beklagen
bleibt allerdings, dass die Umsetzung der Maßnahmen selbst bei hoher gegebener Rentabilität
nur schleppend verläuft. Das erklärt sich möglicherweise durch die zeitgleich mit dem
Förderprogramm einhergegangenen Strompreissenkungen etwa um 2001. Durch die danach
einsetzende Preisspirale der Stromkosten, deren Ende heute kaum noch absehbar ist, landen
viele zunächst in der Schublade verschwundene Analysen jetzt wieder auf den Schreibtischen.

Der Bedarf an einer Fortsetzung der insgesamt erfolgreichen Aktion wird auch dadurch bestätigt,
dass vom Umweltministerium das ursprüngliche Förderprogramm in modifizierter Fassung
neu aufgelegt wurde. Der Fördersatz liegt weiterhin bei 70% der Kosten des Gutachtens.
Der Umfang der Analysen wurde über die Kläranlage hinaus auf sämtliche Abwasseranlagen
einschließlich Kanalnetz und Pumpwerke ausgedehnt. Als durchaus sinnvolle Bedingung
für die Förderung wird allerdings gefordert, dass die Umsetzung der sog. Sofortmaßnahmen
nachzuweisen ist.

Vorgehensweise und Leistungsumfang einer Energieanalyse
Nach dem Handbuch gliedert sich die Vorgehensweise bei der Energieanalyse einer Kläranlage
in 4 Schritte (Bild 2):

– Mit der Grobanalyse wird die Kläranlage zunächst anhand weniger und einfach zu ermittelnder
Betriebswerte energetisch eingeordnet.

– Bei der Feinanalyse werden die Verbrauchswerte nach Teilanlagen differenziert und mit
theoretischen berechneten Werten gemäß Handbuch verglichen. Soweit sich dabei Abweichungen
nach oben ergeben, muss untersucht werden, mit welchen technischen oder
organisatorischen Maßnahmen eine Verbrauchssenkung möglich ist. Zur Bewertung
der Wirtschaftlichkeit werden die dafür erforderlichen Aufwendungen dem resultierenden
Nutzen gegenübergestellt.

– Die Umsetzung erfolgt nur dann, wenn die einzelnen Maßnahmen oder Maßnahmenpakete
wirtschaftlich sind und sich für den Betreiber rechnen.

– Mit der Erfolgskontrolle wird die Einsparung nachgewiesen; ggf. werden korrigierende
Maßnahmen veranlasst, um ein optimales Ergebnis zu erhalten.

Der Leistungsumfang für die Grob- und Feinanalyse ist in Form eines Pflichtenheftes im
Handbuch detailliert festgelegt. Dadurch wird die für eine Gesamtbewertung der Aktion notwendige
Einheitlichkeit gewährleistet. 

Bild 2: Vorgehensweise bei einer Energieanalyse gem. Handbuch Energie auf Kläranlagen
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse3.jpg

Vergleichbare Aktivitäten in anderen Bundesländern und den europäischen Nachbarländern
Für das Land Baden-Württemberg hat die Universität Stuttgart aufgrund von Umfragen die
energetische Situation auf den Kläranlagen des Landes beleuchtet [5]. Die dabei gewonnenen
Erkenntnisse wurden nach Verfahrensstufen katalogisiert und als Leitfaden für das Betriebspersonal
herausgegeben [6].

Die Abwassertechnische Vereinigung (ATV) hat zum Thema die Broschüre Energiebilanzierung
auf Kläranlagen [7] herausgegeben, die sich allerdings auf die Problematik des Energieverbrauchs
für die Belüftung auf der Basis der CSB-Bilanz beschränkt.

Nach dem Schema des Handbuchs Energie in Kläranlagen NRW wurden seit etwa 2002
auch vermehrt außerhalb von NRW Energieanalysen durchgeführt. Da bei diesen Projekten
in der Regel keine finanzielle Förderung erfolgte, war hier erstaunlicherweise oft sogar eine
noch höhere Motivation für die Durchführung der Analysen und die nachfolgende Umsetzung
der Maßnahmen vorhanden. Untersucht wurden u. a. die Kläranlagen Ahrensburg, Bremen-
Seehausen und Nürnberg.

In Österreich wurde eine flächendeckende zeitgleiche Untersuchung an rd. 20 Kläranlagen
vorgenommen. Die Ergebnisse sind in einem gemeinsamen Abschlussbericht zusammengefasst.
Dieser ist allerdings bisher nicht veröffentlicht, liegt dem Verfasser allerdings vor.

In der Schweiz wurde die Methodik aufgrund der erfolgreichen Ergebnisse im Abwasserbereich
zwischenzeitlich auch für die Wasserversorgung eingeführt. Hierzu existiert seit 2005
ein Handbuch, und es liegen die Ergebnisse der ersten Musteranalysen vor [8]. Mit der Erkenntnis,
dass das Instrumentarium der Energieanalysen universell anwendbar ist, wurden die kommunalen Anlagen zu einem neuen Bereich „Infrastrukturanlagen“ zusammengefasst.
Ausführliche und aktuelle Informationen dazu sind über die entsprechende Homepage einzusehen
http://www.infrastrukturanlagen.ch.

Energieanalysen haben auch Eingang in den industriellen Bereich gefunden, hier zunächst
für die Werkskläranlagen. Untersuchungen wurden u. a. durchgeführt für die Gemeinschaftskläranlage
Wupperverband/BAYER-Werk in Leverkusen sowie für die Infraserv am Standort
Wiesbaden. Weiterhin wurden in modifizierter Form branchenspezifische Untersuchungen
für Brauereien, Molkereien, Bäckereien, Hotels und Flughäfen durchgeführt.

Kurzum gibt es kaum noch Bereiche, verfahrenstechnische Anlagen oder Produktionsstätten,
für die nicht in irgendeiner Form Energieanalysen durchgeführt wurden, aus denen Vergleichs-
oder Referenzwerte für weitere Untersuchungen herangezogen werden können.
Diese Entwicklung ist insgesamt erfreulich. Dass dabei die Feinanalyse häufig Pate gestanden
hat, bestätigt die universelle Anwendbarkeit dieser Methode. Das sollte aber keinesfalls
dazu führen, diese als Standard festzuschreiben. Vielmehr muss die Methode aufgrund der
Erfahrungen aus den zuletzt durchgeführten Projekten und mit Blick auf die sich ändernden
Strukturen im Energiebereich in den nächsten Jahren an die zukünftigen Anforderungen angepasst
werden. Das betrifft u. a. die Differenzierung des Energiepreises, die stärkere Berücksichtigung
der Wärme, den Nachweis der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der
Lebenszykluskosten der Aggregate, die Dezentralisierung der Energieversorgung und vor
allem die Wertigkeiten der einzelnen Energieformen (fossil, erneuerbar, Klima schädigend,
transportierbar, etc.)

3 Zur Motivation der Betreiber und zu den Aktivitäten in der Abwasserbranche

In den ersten Jahren nach Anlaufen des Untersuchungsprogramms in NRW wurden von der
DWA (früher ATV-DVWK) Schulungen, Seminare und Tagungen veranstaltet. Die erste größere
überregionale Veranstaltung waren im Jahr 2000 die Energietage in Bielefeld.

Bedauerlicherweise ließ dann das Interesse in Erwartung noch weiter sinkender Strompreise
(Bild 3) nach. Dies änderte sich auch nach der erkennbaren Trendumkehr in der Preisentwicklung
um 2001 nicht sonderlich, obwohl zu diesem Zeitpunkt auch schon erkennbar war,
dass der Anteil an Steuern um Umlagen (Ökosteuer, EEG- und KWK-Umlage) absehbar zu
einer merklichen Preissteigerung beitragen würde. Rückblickend wäre es möglicherweise
wirkungsvoller gewesen, die Ökosteuer nicht „schleichend“ mit jährlicher Steigerung, sondern
sofort mit dem vollen Betrag von 2 Ct./kWh einzuführen. Mit der dadurch verursachten
„Schockwirkung“ hätte man möglicherweise die politisch angestrebte Änderung des
Verbrauchsverhaltens erreicht. Die schrittweise Erhöhung hat hingegen außer den alljährlichen
Unmutsäußerungen kaum konkrete Änderungen auf der Verbraucherseite hervorgerufen.

Bild 3: Preisentwicklung und energetische Einflussfaktoren
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse4.jpg

Das böse Erwachen ist somit eigentlich erst eingetreten, nachdem in den letzten beiden Jahren
die Strompreise von den Energieversorgern teilweise drastisch erhöht wurden (Bild 4). In
Verbindung mit den steigenden Umlagen EEG und KWK sowie der Mehrwertsteuererhöhung
zum Jahreswechsel 2006/2007 standen viele Betreiber am Ende vor einer „saftigen“ Erhöhung
der Energiekosten von etwa 30%. Mit der zeitgleich entfachten Diskussion um den Klimawandel
und die seitdem gesammelten Erfahrungen mit den der Menschheit ganz offensichtlich
bevorstehenden Veränderungen in Form bisher nicht gekannter Wetterkapriolen und
Naturkatastrophen ist das Thema Energie jetzt Chefsache. 

Bild 4: Kostenaufteilung vor und nach der Liberalisierung des Strommarktes
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse5.jpg

Für weiteren Zündstoff sorgt die Diskussion um die Zuverlässigkeit und Versorgungssicherheit
bei der Elektrizität. Die abgeknickten Strommasten im Münsterland haben uns vor Augen
geführt, wie abhängig wir im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich von einer gesicherten
Stromversorgung sind. Die Beteuerungen der großen Energieversorger, dass uns
das europäische Verbundnetz als Rückgrat nahezu unverwundbar macht, ist seit dem „Fall
Papenburg“ fast ins Gegenteil verkehrt; es hat sich nämlich gezeigt, dass ein einzelner Mitarbeiter
in der Lage ist, in halb Europa den Strom auszuknipsen. Nachdem sich abzeichnet,
dass die Energieversorger für die Folgen solcher Ausfälle nicht in die Haftung genommen
werden können, kommt bei vielen Kläranlagenbetreibern Unruhe auf in Bezug auf die Verantwortung
für die Nichteinhaltung der Reinigungsleistung bei Stromausfällen.

Von den Kläranlagenbetreibern und nahezu der gesamten Abwasserbranche weitgehend
unbemerkt geblieben sind die in den nächsten Jahren zu erwartenden Änderungen im energierechtlichen
Umfeld, welches zwischenzeitlich selbst für Spezialisten eine kaum noch zu
überblickende Komplexität angenommen hat (Bild 5). Die systematische Übersicht soll nicht
darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein Geflecht aus konkurrierenden, nicht aufeinander
abgestimmten und teilweise sogar zueinander widersprüchlichen Einzelgesetzen handelt,
deren Halbwertszeit zuweilen kürzer ist als der Zeitbedarf für die Umsetzung der europäischen
Richtlinien in nationales Recht; überspitzt ausgedrückt sind manche Gesetze schon
am Tage ihrer Verkündigung inhaltlich überholt. 

Bild 5: Energierecht 2007
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse6.jpg

Insofern ist es nicht erstaunlich, dass offenbar nur wenige Fachleute in der Branche darüber
informiert sind, dass nach den letzten vorliegenden Gutachten zur anstehenden Novellierung
des EEG [9], [10] das Klärgas aus der Förderung herausfallen soll. Bei den derzeitigen Vergütungssätzen, die leider so niedrig sind, dass eine Einspeisung kaum noch lohnt, ist das
zwar faktisch ohne Belang. Dass damit aber möglicherweise die Anerkennung der Energie
aus Abwasser als erneuerbare Energie in Frage gestellt ist, dürfte vor dem Hintergrund der
noch weitgehend unerschlossenen Potenziale zur Abwasserwärmenutzung, der Einspeisung
von Biogas oder anderer alternativer Nutzungsmöglichkeiten keinesfalls gleichgültig sein.
Hier besteht kurzfristig ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Gestaltung der rechtlichen
und insbesondere der steuerlichen Rahmenbedingungen.

Mit den sog. Meseberger Thesen [11] hat die Bundesregierung die politischen Rahmenbedingungen
für die Erreichung der Klimaziele abgesteckt und zugleich die ministeriellen Zuständigkeiten
für die Umsetzung festgelegt. Nachdem Politik und Wirtschaft erkannt haben,
dass es dabei nicht nur um Klima- und Energieaspekte, sondern auch um die Schaffung von
Arbeitsplätzen und um positive Auswirkungen auf die Wirtschaft geht, darf man davon ausgehen,
dass die betroffenen Branchen bei der Gestaltung der zukünftigen Rahmenbedingungen
ein gewichtiges Wort mitreden werden. Die Abwasserbranche muss erkennen, dass
Sie an dieser Stelle gefordert ist, neue Konzepte zu entwickeln und aktiv in die Diskussion
einzubringen. Derzeit kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Branche darauf
wartet, erst noch entdeckt zu werden. Angesichts der wirtschaftlich und ökologisch äußerst
sinnvollen Energiepotenziale auf Kläranlagen müssen neue und den zukünftigen Anforderungen
entsprechende Konzepte erarbeitet werden, um darauf aufbauend die Anforderungen
für die weitere Umgestaltung der Energieversorgungsstrukturen mit dem Ziel einer
weiteren Dezentralisierung und nachhaltigen Nutzung voranzutreiben.

4 Energieanalysen zur Prozessoptimierung auf der Kläranlage

Nach dem bisherigen Verständnis der Energieanalysen ist als Systemgrenze die Kläranlage
mit Einlaufpumpwerk, den Stufen einer weitergehenden Abwasserreinigung (Filteranlage)
und bei der Schlammbehandlung bis zur Entwässerung festgelegt. Ebenfalls auf dem Gelände
befindliche Bauwerke wie Regenwasserhandlung, Schlammtrocknung und -verbrennung
wurden ausgeklammert, weil sich aus damaliger Sicht die Bearbeitung einer Energieanalyse
unter dem Gesichtspunkt der Standardisierung und Vergleichbarkeit deutlich verkompliziert
hätte. Insofern ist bis heute der Leistungsumfang einer Energieanalyse sehr stark auf die
wesentlichen Verfahrensstufen der Kläranlage fokussiert.

Die Beurteilung der energetischen Situation einer Kläranlage erfolgt durch die Ermittlung
genau festgelegter Kennzahlen und deren Vergleich mit den sog. Richt- und Idealwerten. Bei
den Kennzahlen handelt es sich zunächst um spezifische Energiewerte, die auf die tatsächliche
mittlere Belastung, ausgedrückt in Einwohnerwerten, bezogen sind und im Weiteren um
aus diesen Werten berechneten Kenngrößen zur Beurteilung der Energieeffizienz. Im Einzelnen
dienen folgende Kennwerte zur Beurteilung:

– der spezifische Stromverbrauch der gesamten Kläranlage
– der spezifische Stromverbrauch der Belebungsstufe
– der Grad der Faulgasnutzung
– die spezifische Faulgasproduktion
– der Eigenversorgungsgrad für Wärme und Strom

Für jede dieser Kennzahlen sind im Handbuch Richt- und Idealwerte gestaffelt nach den
Größenklassen der Kläranlagen angegeben. Die Richtwerte wurden aufgrund statistisch
ausgewerteter Umfragen unter den Kläranlagen in NRW empirisch ermittelt und sollten von
jeder Kläranlage mindestens erreicht werden. Die Idealwerte ergeben sich aus technischen
Berechnungen unter möglichst idealen Bedingungen und beim Einsatz von Aggregaten, die
dem Stand der Technik entsprechen. Die vollständige Tabelle ist im Handbuch enthalten.

Ohne im Weiteren auf die Einzelwerte einzugehen, lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen
als grobe Einteilung angeben, dass die Mehrzahl der bisher untersuchten Kläranlagen
im Bereich von 30 – 50 kWh/(EW*a) lag und in der Regel etwa 10 – 20 kWh/(EW*a) über
dem Richtwert, was einem realisierbaren Einsparpotenzial von etwa 20 – 30 % entspricht.
Nur wenige Anlagen lagen im vorgefundenen Zustand in der Größenordnung der Richtwerte.
Viele Anlagen, darunter auch teilweise große Anlagen (größer 100.000 EW) liegen bei spezifischen
Werten über 50 kWh/(EW*a). Hier besteht nicht nur aus Kostengründen ein dringender
Handlungsbedarf, sondern angesichts der Klimadiskussion vor allem auch aus ökologischen
Gründen.

„Gesammelte Erfahrungen“ aus durchgeführten Analysen
In der Anfangsphase des Untersuchungsprogramms in NRW mit noch wenigen Erfahrungen
im Umgang mit den Instrumenten der Energieanalyse war die Durchführung zunächst stark
formalisiert. Die Untersuchungen wurden streng nach dem vorgegebenen Ablaufplan und
unter Einhaltung des im Pflichtenheft vorgegebenen Leistungsumfangs abgewickelt. Dies
war aus heutiger Sicht insofern auch richtig, weil dadurch einerseits die Vergleichbarkeit der
Ergebnisse gewährleistet war und vom Ministerium aus der Vielzahl der Analysen schnell
und zuverlässig Schlüsse zur energetischen Gesamtsituation der Kläranlagen gezogen werden
konnten.

Die vergleichsweise zügige und formalisierte Abarbeitung des Programms hat aber auf der
anderen Seite dazu geführt, dass die individuelle Situation einer jeden Kläranlage ein wenig
zurückgedrängt wurde. Mit den gewonnenen Erfahrungen aus vielen durchgeführten Analysen
bleibt aus heutiger Sicht festzustellen, dass man sich vielleicht weniger mit den Formalismen
der einheitlichen Bearbeitung hätte beschäftigen sollen. Stattdessen wäre es oft sinnvoller
gewesen, größeren Wert auf die Erkennung der wirklichen „big points“ zu legen und
auf Seiten der Betreiber auf eine Entscheidung für die zeitnahe Umsetzung dieser Maßnahmen
zu drängen. Aus der Vielzahl der durchgeführten Analysen und sonstigen Projekten im
Zusammenhang mit der energetischen Optimierung von Kläranlagen sollen die nachfolgenden
Beispiele verdeutlichen, dass auf den Kläranlagen große energetische Potenziale vor handen sind, die vor allem nach dem drastischen Anstieg der Energiekosten zu teilweise
äußerst wirtschaftlichen Konditionen umgesetzt werden können.

Optimierungsbeispiel: Erneuerung eines Turboverdichters auf dem Klärwerk Düsseldorf
Auf dem Klärwerk Düsseldorf-Nord ergaben sich aufgrund detaillierter Wirkleistungsmessungen
an den vorhandenen 4 Turboverdichtern deutliche Unterschiede in der energetischen
Effizienz der Aggregate. Da zudem eine altersbedingte Erneuerung erforderlich war, wurde
2006 zunächst ein neues Aggregat beschafft (Bild 6). Im Vergleich der aufgenommenen
Kennlinien (Bild 7) ergeben sich deutliche Unterschiede, vor allem nach dem Alter der Aggregate.
Legt man bei einer Luftmenge von 20.000 Nm3/h einen Schnitt durch die Kurven,
dann bleibt festzuhalten, dass man diese Luftmenge je nach ausgewählter Maschine mit
einer elektrischen Antriebsleistung von 300, 500 oder 700 kW erzeugen kann. In diesen Werten
spiegelt sich der technische Fortschritt im Bereich der Turboverdichter in den letzten 30
Jahren wieder. Den höchsten Verbrauch weisen die ältesten Aggregate aus dem Jahr 1978
auf. Diese besitzen noch einfache geschweißte Laufräder mit geraden Schaufeln. Die nächste
Generation aus dem Jahr 1990 besitzt bereits strömungstechnisch optimierte gekrümmte
Schaufeln. Bei den Verdichtern der neuesten Generation ist das Turbinenrad nach neusten
strömungstechnischen Erkenntnissen ausgebildet. Es wird für jede Belastungssituation individuell
ausgelegt und unter Anwendung von CAE-Methoden und modernster Fertigungstechnik
aus einem vollen Aluminiumblock gefräst. Berücksichtigt man weiterhin, dass sich ein
solches Laufrad später mit ca. 30.000 U/Min möglichst schwingungsfrei drehen muss, dann
werden insgesamt sehr hohe Qualitätsanforderungen an die Maschine gestellt, die sich natürlich
auch im Preis niederschlagen. Die Gesamtkostenkosten für die Maßnahme lagen im
vorliegenden Fall bei rd. 500.000 EUR. Gerade bei Pumpen und Verdichtern wird aber oft
übersehen, dass die Investitionskosten in der Regel nur 1/10 der sog. Lebenszykluskosten
ausmachen.

Für die neue Maschine kann man ausgehend von einer Antriebsleistung bei Volllast von 600
kW berechnen, dass Sie bei einer Lebensdauer von 100.000 Bh in etwa 10 Jahren rd. 60
Mio. kWh verbraucht. Schon bei einem mittleren Preis von 10 Ct./kWh liegen die Energiekosten
dann bei rd. 6 Mio. EUR. Für die Beschaffung und den Betrieb energieintensiver Maschinen
wird dadurch die Bedeutung einer Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus deutlich.
Die auch heute immer noch übliche Entscheidung allein aufgrund der Investitionskosten
ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Energiebereich ein mit allen gebotenen
Mitteln zu beseitigendes Relikt, dem das Vergaberecht und die Vergabepraxis der öffentlichen
Hand leider noch in vielen Punkten entgegenstehen.

Hinsichtlich des Betriebsverhaltens wurde der neue Turboverdichter so in die vorhandene
Regelung integriert, dass er als priorisierte Maschine möglichst alleine den gesamten Luftbedarf
der Anlage abdeckt, während vorher stets zwei Maschinen im Parallelbetrieb arbeiteten.
Daher liegt die erzielte Einsparung noch deutlich höher als es sich zunächst aus der
Differenz von i. M. 300 kW zu den älteren Aggregaten ergeben würde. Aufgrund der
Verbrauchswerte der Kläranlage kann man davon ausgehen, dass durch den Betrieb des
neuen Aggregates jährlich etwa 3 Mio. kWh oder mehr Strom eingespart werden. Die Kosteneinsparung
liegt somit bei etwa 300.000 EUR/a, was am Ende zu einer Amortisierung der
Maßnahme innerhalb von 2 Jahren führt. Gleichwohl sollte bei Investitionen im Energiebereich eine kurze Amortisierungszeit möglichst unter 3 Jahren nicht zur Bedingung gemacht
werden, wie es von Kaufleuten gefordert wird. Häufig wird dabei übersehen, dass der Energieverbrauch
auch nach 3 Jahren unverändert hoch ist und bei steigenden Kosten sich eine
Sanierung umso mehr gerechnet hätte.

Bild 6: Neuer Turboverdichter (Bj. 2006) und Laufrad eines alten Verdichters (Bj. 1978)

Bild FW-Ene-Seibert-Analyse7.jpg Bild FW-Ene-Seibert-Analyse8.jpg

Bild 7: Kennlinien der unterschiedlichen Turboverdichtergenerationen (Bj. 1978, 1990 und 2006)
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse9.jpg

Durchführung einer Energieanalyse für die Kläranlage Ahrensburg
Für die Kläranlage Ahrensburg wurde 2003 eine energetische Grob- und Feinanalyse durchgeführt.
Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt war die verfahrenstechnische
Komplexität der Kläranlage, die teilweise daraus entstanden ist, dass die Anforderungen an
die Stickstoff- und Phosphorelimination unter möglichst vollständiger Nutzung der vorhandenen
alten Bausubstanz umgesetzt wurden und die dazu erforderliche Verfahrenstechnik mit
wissenschaftlichen Ansätzen nach und nach entwickelt wurde. Am Ende wurde dieses Ziel
zwar erreicht und die geforderte Reinigungsleistung eingehalten. Die energetischen Aspekte
blieben allerdings weitgehend unberücksichtigt. Folglich ergab sich zunächst eine aus der
Sicht des Betreibers energetisch äußerst ungünstige Ausgangssituation mit einem spezifischen
Verbrauchswert für die Gesamtanlage, der über dem Doppelten des auf die Anlage
angepassten Richtwertes lag. Die Beurteilungskriterien sind in der folgenden Übersicht
(Bild 8) zusammengefasst. 

Bild 8: Beurteilungskriterien der Kläranlage Ahrensburg im Ausgangszustand 

Beurteilungskriterien  IST-Zustand  Richtwert  Idealwert 
gesamter spez. Elektrizitätsverbrauch pro EW BSB  83 kWh/EW a  40 kWh/EW a  33 kWh/EW a 
spez. Elektrizitätsverbrauch Belebung pro EW BSB  36 kWh/EW a  23 kWh/EW a  18 kWh/EW a 
Grad der gesamten Faulgasnutzung  99 %  98 % 99 %
Grad der Faulgasumwandlung
in Kraft/Elektrizität 
31 %  30 % 31 %
spez. Faulgasproduktion pro
kg oTR eingetragen 
712 l/kg oTR  450 l/kg oTR  475 l/kg oTR 
Eigenversorgungsgrad  Wärme  95 %  97 % 98 %
  Elektrizität  44 % 58 % 78 %

Aufgrund umfangreicher Messreihen und Datenauswertungen konnte die für die energetische
Bewertung der einzelnen Stufen erforderliche Verbrauchermatrix mit Unterstützung des
Betriebspersonals sehr zügig und mit vergleichsweise hoher Genauigkeit aufgestellt werden.
Darauf aufbauend wurden dann die Maßnahmen zur Reduzierung des Verbrauchs festgelegt.
Unter Berücksichtigung der in Sofort- (S), kurzfristige (K) und abhängige (A) Maßnahmen
eingeteilten Vorschläge und der für jede Maßnahme zu prognostizierenden Kosten und
der zu erwartenden Einsparungen gelangt man dann zu der insgesamt zu erwartenden Reduzierung
der Verbrauchswerte, der Energiekosten und der Wirtschaftlichkeit (Bild 10).

Das Endergebnis spiegelt sich im Energienachweis nach Umsetzung sämtlicher Maßnahmen
(Bild 9) wieder. Zwar wird der Verbrauch deutlich reduziert, er bleibt aber wegen der technischen
Komplexität und der energetisch teilweise sehr ungünstigen Bausituation immer noch
deutlich über dem Richtwert. 

Bild 9: Energienachweis nach Umsetzung sämtlicher Maßnahmen

  IST-Zustand nach Realisierung
der Maßnahmenpakete 
Richtwert Idealwert
S + K  S + K + A 
gesamter spez. Elektrizitätsverbrauch 83 kWh/EWa 78 kWh/EWa 65 kWh/EWa 56 kWh/EWa 40 kWh/EWa 33 kWh/EWa
spez. Elektrizitätsverbrauch Belebung 36 kWh/EWa 36 kWh/EWa 36 kWh/EWa 36 kWh/EWa 36 kWh/EWa 36 kWh/EWa
Grad der gesamten Faulgasnutzung 99 %  99 % 99 % 99 % 98 % 99 %
Grad der Faulgasumwandlung
in Kraft/Elektrizität
31 % 31 % 31 % 31 % 31 % 32 %
spez. Faulgasproduktion pro
kg oTR eingetragen
712 l/kg oTR  712 l/kg oTR 712 l/kg oTR 712 l/kg oTR 450 l/kg oTR 475 l/kg oTR
Eigenversorgungsgrad Wärme 95%  95% 95% 95% 98% 99%
Eigenversorgungsgrad Elektrizität 40%  42% 51% 59% 68% 90%

Bild 10: Nachweis der Verbrauchs- und Kosteneinsparung und der Wirtschaftlichkeit
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse10.jpg
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse11.jpg
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse12.jpg
Da es sich teilweise um sehr einfache und mit betrieblichen „Bordmitteln“ umsetzbare Maßnahmen
handelte, wurden diese von der Betriebsleitung kurz entschlossen schon vor der
Fertigstellung der Analyse in Angriff genommen. Daraus ergab sich die für eine Energieanalyse
zunächst ungewohnte, aber sehr erfreuliche Situation, dass die Verbrauchsreduzierungen
noch im Laufe der Untersuchungen wirksam wurden. Der Gesamtverbrauch der Kläranlage
konnte merklich abgesenkt werden (Bild 11), obwohl gerade in diesem Jahr außergewöhnlich
hohe Niederschlagsmengen zu bewältigen waren. Die Erwartung einer deutlich
niedrigeren Stromrechnung wurde zudem durch eine zwischenzeitliche Preiserhöhung gedämpft.
Dennoch ließ sich am Ende nachweisen, dass die Stromrechnung ohne die Umsetzung
der bis dahin durchgeführten Maßnahmen um knapp 100.000 EUR höher ausgefallen
wäre.

Bild 11: Energieverbrauch und -produktion im Untersuchungsjahr
Bild FW-Ene-Seibert-Analyse13.jpg

5 Ausblick: Möglichkeiten und Potenziale „jenseits des Tellerrandes“

Die energetische Situation auf den Kläranlagen lässt sich mit dem Instrumentarium der Energieanalysen
wirksam beurteilen und technisch-wirtschaftlich optimieren. In den vor uns
liegenden Zeiten mit deutlich veränderten energiepolitischen Zielsetzungen als unmittelbare
Konsequenz aus dem sich abzeichnenden Klimawandel werden sich einschneidende Veränderungen
für die Verbraucher, Verteiler und Erzeuger von Energie ergeben. Auf einzelne die
Abwasserbranche betreffende Aspekte wurde bereits an unterschiedlichen Stellen in diesem
Manuskript eingegangen. Für die Kläranlagen als Großverbraucher und Energieerzeuger
werden vor allem die preislichen Auswirkungen interessant sein, wobei man sicherlich weiterhin
von einer stetigen und nicht zu knappen jährlichen Steigerung ausgehen kann. Unter
diesen Voraussetzungen kann man als betriebliches Ziel möglicherweise formulieren, durch
Effizienzsteigerung und Verbrauchsreduzierung zumindest die Energiebezugskosten auf
dem derzeitigen Niveau zu stabilisieren. Dies ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit einer
Deckelung der Ausgaben, sondern die Verbrauchsreduzierung lässt sich in der Regel nur
durch zusätzliche Investitionen erreichen. Zwar ergibt sich unter dem Strich für die Kläranlage
möglicherweise kein finanzieller Vorteil. „Jenseits des Tellerrandes“ ergibt sich aber eine
Veränderung dahin gehend, dass die zusätzlichen Mittel nicht wie bisher als Stromkosten an
die großen Energiekonzerne abfließen, sondern in Form von umzusetzenden maschinenoder
elektrotechnischen Maßnahmen für Beschäftigung sorgen, meist sogar in der Region.

Eine bisher noch kaum wahrgenommene Chance ergibt sich, wenn man die Kläranlage nicht
als eigenständiges energetisches Objekt sieht, dass der schon 25 Jahre alten Idealvorstellung
der energieautarken Anlage hinterherläuft. Einerseits ist die Autarkie ohnehin nur auf
die Stromversorgung ausgerichtet und lässt die immer wichtiger werdende Wärmebilanz außer
Acht. Autarkie hat durchaus positive Seiten wie die Unabhängigkeit und eine gewisse
Selbstbestimmung des Geschehens. Auf der anderen Seite beschränkt sie aber auch die
technischen Freiheitsgrade und führt zur Isolation.

Gerade in den letzten Jahren sind auf politischer Ebene die Weichen für eine Dezentralisierung
der Energieversorgung gestellt worden mit dem Ziel einer verbesserten Einbindung der
erneuerbaren Energien und des vereinfachten Austausches der unterschiedlichen Energiearten
Strom, Gas, Wärme und Kälte. Das eigentliche Ziel ist dabei eine möglichst nachhaltige
und effiziente Nutzung der eingesetzten Primärenergie. Die bisherige Energiestruktur mit
zentralen Kraftwerken zur Stromerzeugung nimmt den Verlust der gesamten anfallenden
Wärme in Kauf und erreicht deshalb oft nur Gesamtwirkungsgrade von ca. 40%. Eine dezentrale
Energieversorgung kann zwar nicht mit den spezifisch günstigen Investitionskosten der
Großkraftwerke konkurrieren, sie kann diesen Nachteil aber durch eine möglichst vollständige
Primärenergienutzung und der gleichzeitigen Bereitstellung mehrerer benötigter Energiearten
zu einem großen Teil kompensieren.

Die Kläranlagen kann man insofern als kleine Energiezentralen ansehen, in denen seit jeher
sämtliche Energiearten anfallen, umgewandelt oder verbraucht werden. Es mangelt allerdings
noch deutlich an der effizienten und nachhaltigen Nutzung. Dieser Mangel lässt sich
jedoch durch eine veränderte energetische Einbindung der Kläranlagen in das Umfeld abstellen.
Es geht dabei insbesondere um die Nutzung des anfallenden Klärgases und die in
großer Menge vorhandene Abwasserwärme.

Für eine durchaus realistische Zukunftsperspektive darf man unterstellen, dass sich der
Stromverbrauch der Kläranlagen aufgrund der steigenden Energiekosten in den nächsten
Jahren durch Maßnahmen zur Effizienzsteigerung deutlich reduzieren wird. Ebenfalls wird
der Wärmebedarf durch Verbesserungen der Baukonstruktion und durch die verfahrenstechnische
Optimierung der Schlammbehandlung abnehmen. Wenn sich weiterhin durchsetzt,
die vorhandenen Reservekapazitäten im Bereich der Schlammbehandlung besser zu nutzen,
dann produziert die Kläranlage einen Energieüberschuss, den sie kaum noch selbst sinnvoll
verwerten kann. Die bisherige Nutzung zur Kraft-Wärme-Kopplung ist insofern ineffizient als
die auf hohem Temperaturniveau anfallende Wärme ohne Nutzung abgekühlt und am Ende
lediglich zur Aufheizung des Schlammes auf ein vergleichsweise niedriges Temperaturniveau
von 36 Grad C. verwendet wird. Die dafür benötigte Wärme kann alternativ mittels Wärmepumpen
aus dem ganzjährig warmen Abwasser gewonnen werden.

Eine weitaus sinnvollere Variante ist daher die Abgabe des anfallenden Klärgases, entweder
über eine Direktleitung zu einem nahegelegenen externen Verbraucher oder durch Aufbereitung
und Einspeisung in das Erdgasnetz. Bislang blieb die Kläranlage als Energieversorger
wegen der für eine Fern- oder Nahwärmeversorgung zu großen Entfernung zu Wohn- oder
Gewerbegebieten meist unberücksichtigt. Mit der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes
und den politischen Weichenstellungen für eine dezentrale Energieversorgung ergeben
sich deutlich günstigere Voraussetzungen für die Realisierung solcher Projekte. Es kommt
jetzt darauf an, dass die Kläranlagenbetreiber diese Chancen erkennen und sich mit den
kommunalen Energieversorgern an einen Tisch setzen, die noch vorhandenen Hemmnisse
abbauen und am Ende zu ökologisch sinnvollen und sicherlich auch wirtschaftlichen und
nachhaltigen Lösungen kommen.

Literatur
Auf die Angabe der genannten Literaturstellen [xx] wurde aus Platzgründen verzichtet. Die entsprechende Liste
kann jedoch beim Verfasser angefordert werden.

Anschrift des Verfassers:
Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

setacon GmbH
Augustinusstraße 9b
50226 Frechen

Tel: 02234-988 095-0
Fax: 02234-988 095-11
Mail: info@setacon.de
Web: www.setacon.de

Die Kläranlagen im Spannungsfeld energiepolitischer Ziele, gesetzlicher Regelungen und wirtschaftlicher Betriebsführung

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Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

Beitrag zur „41. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft 2008“

1 Einleitung und Ausgangssituation

Mit den in den 90er Jahren eingeleiteten energiepolitischen Weichenstellung waren
die Ziele verbunden, bestehende Handelshemmnisse auf europäischer und auf nationaler
Ebene abzubauen (Liberalisierung), saubere Energie zu erzeugen, die Lenkungswirkung
zusätzlicher Steuern zur Verbrauchsreduzierung einzusetzen und mit
den Einnahmen die Wirtschaft durch Senkung der Lohnnebenkosten zu entlasten
(ökologische Steuerreform).

Das Resümee nach 15 Jahren fällt durchwachsen aus. Die Preise sind gestiegen,
und zugleich ist die Verfügbarkeit schlechter geworden [1]. Die Energiewirtschaft hat
sich wider dem Leitgedanken der Liberalisierung nicht dezentralisiert, sondern durch
gegenseitige Unternehmenskäufe weiter konzentriert. Die verbliebenen vier Konzerne
bestimmen heute wie die Platzhirsche das Geschehen in ihren abgegrenzten Versorgungsgebieten;
mit einiger Ironie ist gar die Rede von Deutschlands neuem Vier-
Mächte-Status.

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat erfreulicherweise deutlich zugenommen,
sicherlich motiviert durch die aufgekommene Diskussion über den Klimawandel.
Angesichts der Wetterkapriolen der letzten Jahre ist es leider „eine unbequeme
Wahrheit“ [2], dass die Veränderungen des Klimas nicht erst unsere Enkel
treffen werden, sondern sie sind gegenwärtig und äußerst präsent.

Über die Ursachen oder fehlgeleitete Entwicklungen der Vergangenheit lässt sich
lange streiten. Wenn aber derweil nicht die Weichen für die Zukunft gestellt werden,
nimmt man die fatalen Folgen billigend und geradezu verantwortungslos in Kauf. Auf
politischer Ebene werden derzeit die aus den nunmehr vorliegenden wissenschaftlichen
Ergebnissen zu ziehenden Konsequenzen für die Energiewirtschaft und die
Versorgungsstruktur intensiv diskutiert.

Die Ver- und Entsorgungsbranche ist von den zu erwartenden Entscheidungen insofern
direkt betroffen, dass die von ihr betriebenen Anlagen wie Klärwerke, Mülldeponien
und Talsperren entweder einen sehr hohen Stromverbrauch haben oder weil sie
Strom aus erneuerbaren Energien produzieren.

In einer ganz speziellen Lage sind die Kläranlagen: Einerseits sind sie häufig der
größte Verbraucher in einer Kommune. Andererseits produzieren sie Klärgas, aus
dem mittels Blockheizkraftwerken (BHKW) der eigene Wärmebedarf nahezu vollständig
und der Strombedarf zum großen Teil gedeckt werden kann. Diese Konstellation
ist im Energierecht bisher nur unzureichend berücksichtigt worden und gereicht
den Kläranlagen immer noch zum Nachteil. Die Betreiber zahlen nicht nur sämtliche
steuerlichen Zusatzbelastungen bei der Beschaffung von Strom, während andere
Großverbraucher sich durch Ausnahmeregelungen schrittweise finanzielle Vorteile
verschafft haben. Die Vergütung für Strom aus Klärgas ist überdies so gering, dass
sich eine Einspeisung nach den erheblichen Preissteigerungen der letzten Jahre
nicht mehr lohnt. 

Die Abwasserbranche hat den im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) festgelegte
Vergütungssatz für Strom als Klärgas bisher kommentarlos hingenommen im Vertrauen
darauf, dass die dem Gesetz zugrundeliegende Daten und Gutachten die Situation
korrekt bewerten. Davon kann allerdings nach einer Überprüfung [3] nicht
mehr ausgegangen werden. Folgende Punkte sind zu kritisieren:

(1) Die Fehleinschätzung des Potenzials für Stromerzeugung aus Klärgas
Die Festlegung der Vergütung für Strom aus Klärgas nach dem EEG stützt sich auf
in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Daten und Auswertungen. Schon die Erhebungsbögen
der Bundesländer [4] sind irreführend und veraltet. Dort wird eine Mengenbilanz
des Klärgases erstellt, bei der allerdings die Wertigkeit als Primärenergie
weitgehend unberücksichtigt bleibt. Zwar wird bei dem genutzten Anteil nach der
Menge zur Strom- und zur Wärmeerzeugung unterschieden. Es wird aber nicht deutlich
gemacht, dass die „Nutzung“ zur (reinen) Wärmeerzeugung pure Verschwendung
ist, die nach dem neuen Energiesteuerrecht als „Verheizung“ von Primärenergie
negativ bewertet wird.

Bild 1: Klärgasanfall und -nutzung in Baden-Württemberg
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld1.jpg
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld2.jpg

Für die Kläranlagen des Landes Baden-Württemberg ist im Bild 1 ein Auszug aus der
veröffentlichten Gesamtübersicht dargestellt, die das Statistische Landesamt zu einem
Bericht mit folgender Überschrift veranlasste: „Immer mehr Kläranlagen mit eigener
Stromerzeugung aus Klärgas – Klärgas wird zu 87 % für Eigenverbrauch der
Kläranlagen verwendet“ [5]. Das täuscht darüber hinweg, dass nur etwa die Hälfte
des anfallenden Klärgases tatsächlich zur Stromerzeugung genutzt(!) wird. Im Umkehrschluss
bedeutet dies, dass die Stromerzeugung aus Klärgas allein durch die
konsequente Nutzung mit BHKW verdoppelt werden könnte. Zu durchaus ähnlichen
Schlussfolgerungen kommt eine kürzlich abgeschlossene Potenzialanalyse der Universität
Stuttgart für die Stromerzeugung aus Klärgas in ganz Deutschland [6]. Demnach
liegt die gesamte jährliche Klärgasproduktion bei rd. 4.400 GWh. Bei einem für
heutige Verhältnisse durchschnittlichen Wirkungsgrad der BHKWs zwischen 33 und
40 % ergibt sich ein gesamtes Potenzial für die Stromerzeugung von rd. 1.500
GWh/a. 

(2) Die unzureichende und am Ende fehlerhafte Begründung zum EEG
In der Begründung zum EEG wird zur Stromerzeugung aus Klärgas angeführt: „Klärgas
wird in rund 600 Anlagen verstromt. Die installierte elektrische Leistung lässt sich
auf 170 MW bei einer Stromerzeugung von 700 Mio. kWh abschätzen. Es ist insbesondere
bei Klärgasanlagen davon auszugehen, dass nicht die gesamte Erzeugung
in das Netz eingespeist wird, denn für die Anlagenbetreiber kann es wirtschaftlich
günstiger sein, den Strom selbst zu nutzen.“ Damit sind die Gutachter des EEG hinsichtlich
des Potenzials der Stromerzeugung der gleichen Fehleinschätzung erlegen
wie die Experten des Statistischen Landesamtes. Die weiterhin aufgestellte Behauptung,
dass die Nutzung des eigenerzeugten Stroms durch den Anlagenbetreiber die
wirtschaftlich günstigere Variante sei, ist nichts anderes als eine sog. selbsterfüllende
Prophezeiung: Wenn die Vergütung für den eingesetzten Strom den Preis des eingekauften
Stroms unterschreitet, lohnt sich die Einspeisung nicht mehr. Damit entfällt
aber zugleich jeglicher Anreiz zur Erschließung der offenbar noch vorhandenen Potenziale.

Eine objektive und nachvollziehbare Begründung für die Festlegung des Vergütungssatzes
unter Einbeziehung der ökobilanziellen Vorteile für das Klärgas würde sicherlich
zu anderen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Vergütung kommen. Die im Zuge
der anstehenden Novellierung vorgesehene weitere Absenkung des Vergütungssatzes
stützt sich aber auf die gleiche alte und damit falsche Begründung.

(3) Die Konfliktlinie zwischen dem EEG und dem Wirtschaftsrecht
Das noch vergleichsweise junge EEG differenziert und bewertet den erzeugten
Strom bzw. die Erzeuger nach der Herkunft der Primärenergie und der Art der Umwandlung
(Windkraft, Solarstrom, Solarthermie, Geothermie, etc.). Hingegen klassifiziert
die konventionelle energiewirtschaftlich orientierte Gesetzgebung die Energieanlagen
schlicht nach Größe und Leistung; die an das Stromnetz angeschlossenen
Kunden werden weiterhin eingeteilt in Verbraucher oder Erzeuger (Bild 2).

Für die Mehrzahl der Betroffenen ist damit ihr Status eindeutig festgelegt, beispielsweise
sind Windmüller oder die Betreiber von Photovoltaikanlagen Erzeuger von erneuerbarer
Energie, die sie vollständig in das Stromnetz einspeisen. Chemieanlagen
sind große Verbraucher, die ihren Bedarf entweder komplett zukaufen oder selbst mit
Kraftwerken erzeugen, allerdings noch selten aus regenerativen Energien. Bei den
Kläranlagen ergibt sich hingegen der Sonderfall, dass sie ein großer Verbraucher
sind und zugleich einen Großteil des Bedarfs aus dem eigenen Klärgas und somit
aus regenerativer Energie decken können. 

Bild 2: Einteilung der Energieanlagen

Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld3.jpg

Als Verbraucher werden die Kläranlagen zunächst mit sämtlichen Umlagen und
Steuern (EEG, KWK, Ökosteuer, Mehrwertsteuer) ohne Abzug belastet. Nutzen sie
den aus Klärgas erzeugten Strom für den Eigenbedarf, weil sich eine Einspeisung
wegen der geringen Vergütung nicht lohnt, erhält dieser erst gar nicht die offizielle
Kennzeichnung „regenerativ“ und geht insofern auch nicht in die offiziellen Bilanzen
des EEG ein. Die daraus resultierende finanzielle Benachteiligung der Kläranlagen ist
nicht zu vernachlässigen und schränkt außerdem den Handlungsspielraum für eine
zukünftige Optimierung der Strombeschaffung unter Einbeziehung einer flexiblen Eigenerzeugung
erheblich ein. Die in der Vergangenheit oft praktizierte „fiktive“ oder
„virtuelle“ Einspeisung war nichts anderes als ein finanzmathematisches Modell zur
gerade noch legalen Umgehung oder Minderung dieser Nachteile.

Für Biogasanlagen ergeben sich infolgedessen gegenüber Kläranlagen eindeutige
Wettbewerbsvorteile: Trotz gleicher physikalischer Eigenschaften und durchaus vergleichbarer
Herkunft der Biomasse wird für Strom aus Biogas mehr als die doppelte
Vergütung gegenüber Strom aus Klärgas gezahlt.

(4) Die Einflussnahme auf die Gestaltung der Gesetze
Eine Analyse [2] kam zu dem Ergebnis, dass die Gestaltung des Energierechts in erheblichem
Maße von Lobbyisten geprägt ist. Für die Kläranlagen gab es bisher keine
Einflussnahme auf die Gesetzgebung im Energiebereich. Die DWA und die AöW haben
als Vertreter der Branche erstmals Ende 2007 Stellungnahmen zum Referentenentwurf
des novellierten EEG abgegeben, in denen vor allem eine Gleichstellung der
Vergütung von Klärgas und Biogas gefordert wird [7], [8]. Weiterhin wurde zu dem
ebenfalls als Referentenentwurf vorliegenden Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz
(EEWärmeG) durch Rückfrage beim Bundesumweltministerium abgesichert, dass
Abwasserwärme als erneuerbare Energie im Sinne dieses Gesetzes anerkannt wird.
Beide Gesetzesentwürfe wurden zwischenzeitlich dem Bundestag zugeleitet. Die Beratungen
darüber erfolgt 2008, die Inkraftsetzung ist für das Jahr 2009 vorgesehen. 

Wenn alle gestellten Forderungen erfüllt werden, dann wären zunächst die wesentlichen
Hindernisse auf dem Weg zu einer möglichst vollständigen Nutzung des Klärgases,
vor allem auf kleineren Anlagen aus dem Weg geräumt. Für viele große Anlagen
würde die Nutzung freier Kapazitäten im Bereich der Schlammbehandlung zur
Covergärung zu einem interessanten Thema.

Was aber geschieht, wenn die Forderungen unberücksichtigt bleiben? Soll man dann
den Kopf in den Schlamm stecken und nichts tun? Mit diesen einfachen, aber durchaus
zutreffenden Fragen lässt sich das Spannungsfeld zwischen den ehrgeizigen
energiepolitischen Zielen, den komplexen gesetzlichen Regelungen und der generell
bestehenden Forderung nach einem wirtschaftlichen Betrieb der Kläranlagen beschreiben.
Zur Aufarbeitung dieses Themas wird im folgenden Kapitel zunächst auf
die historische Entwicklung der Energiewirtschaft eingegangen, weil diese für das
Verständnis von Entscheidungswegen und somit für strategische Überlegungen
wichtig ist. Der Aufzählung im Titel dieses Beitrages folgend werden dann nacheinander
die energiepolitischen Ziele, das aktuelle Energierecht mit den zu erwartenden
Änderungen und die Einflüsse auf die Wirtschaftlichkeit der Kläranlagen dargestellt.
Eine Zusammenfassung und ein Ausblick beschließen den Beitrag.

2 Die Entwicklung der Energiewirtschaft im Rückblick

Die Energieversorgung in Europa befindet sich in einem strukturellen Umbruch. Das
ist grundsätzlich keine neue Situation, denn schließlich musste diese Branche in der
Vergangenheit schon öfter Krisensituationen, u. a. die Ölkrise in den siebziger Jahren
oder die Einführung der Atomkraftwerke bewältigen. An solchen Herausforderungen
sind die Unternehmen der Energiewirtschaft gewachsen; solche Ereignisse haben sie
stark, krisenfest und vor allem mächtig gemacht. Von Politik und Wirtschaft sind sie
in den Jahren mit hohem wirtschaftlichem Wachstum und entsprechend immer höherer
Nachfrage nach Strom kaum an der Ausweitung ihrer Einflussbereiche gehindert
worden. Mit den bekannten Schreckgespenstern der Versorgungssicherheit und der
Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas sind seither manche Weichen im Sinne
der Energiekonzerne gestellt worden.

Energiepolitische Zielvorgaben waren lange Zeit Sache des Wirtschaftsministeriums.
Meilensteine der Energiepolitik waren die Reaktionen auf die Ölkrise und die in den
Folgejahren von der Bundesregierung herausgegebenen Energie- und Forschungsprogramme
mit den Grundsätzen der Bevorzugung heimischer Steinkohle, der Beteiligung
der Kernenergie und Anreizen für den sparsamen Umgang mit Energie. Vom
Finanzministerium kamen bislang kaum Impulse im Sinne einer steuerlichen Lenkung,
sieht man einmal vom Kohlepfennig ab.

Das Verhältnis der Umweltpolitik zur Energiewirtschaft ist aus historischen Gründen
negativ vorbelastet, einerseits weil die Energieerzeugung einen wesentlichen Teil der
Umweltbelastung verursacht und andererseits weil die Energiewirtschaft ihrerseits
die Umweltpolitik gerne als universellen Sündenbock abgestempelt hat. Die Gründung
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 06.06.1986 hat die Energiewirtschaft dennoch nicht verhindern können; sie darf sich
seitdem auf höchster staatlicher Ebene um Emissionswerte, Störfälle in Atomrektoren,
die Endlagerung von Atommüll und sonstige eher unangenehme Begleiterscheinungen
der Energieerzeugung streiten. Eine gestaltende Rolle in der Energiepolitik
hat man dem Umweltministerium lange Zeit nicht zugebilligt.

Eine Neuausrichtung der Energiepolitik fand in den 90er Jahren statt. Mit den auf europäischer
Ebene geschaffenen gesetzlichen Grundlagen wurde der Markt liberalisiert.
Vor der Einführung des neuen Energierechts gab es knapp 1.000 Unternehmen
der öffentlichen Stromversorgung, davon 900 Stadtwerke, 80 Regionalversorger und
8 Verbundunternehmen. Die Stadtwerke hatten in der Regel keine oder nur geringe
Eigenerzeugungskapazitäten, ihre Aufgabe ist die kommunale Versorgung. Die Regionalversorger
sind auf der vorgelagerten Verteilebene aktiv und haben teilweise
kleine eigene Kraftwerke. Den überwiegenden Anteil beziehen sie von den Verbundunternehmen,
die die Großkraftwerke sowie das Hochspannungs- bzw. Verbundnetz
betreiben. Bezogen auf die Kapitalbeteiligung befanden sich zahlenmäßig
zwei Drittel der Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand bei einem Kapitalanteil
von 95 %. Demgegenüber liegt das wirtschaftliche Schwergewicht bei den Verbundunternehmen,
an denen die öffentliche Hand nur in geringerem Umfang beteiligt ist.

Seit dem Inkrafttreten der neuen Energiegesetze am 29.04.1998 und der Aufhebung
der Gebietgrenzen standen alle diese Unternehmen plötzlich im Wettbewerb. Zudem
mussten die Unternehmen die vorher unter einem Dach vereinten Bereiche Erzeugung,
Netz und Vertrieb wirtschaftlich trennen (Unbundling). Dadurch kam der Wettbewerb
in Gang und die Verbraucher, vor allem die Großkunden, durften sich über
sinkende Preise freuen. Weil Deutschland jedoch auf die Einsetzung einer Regulierungsbehörde
verzichtete, war es den Verbundunternehmen überlassen, die Preise
zu gestalten. Das taten sie durch Einflussnahme auf die Netzentgelte, die so hoch
angesetzt wurden, dass der Wettbewerb schon bald nachließ und die kleineren Unternehmen
ruiniert waren. Durch weitere Konzentrationen haben sich die vier Energiekonzerne
spätestens 2003 den Ruf eines wettbewerbslosen Oligopols erworben.

Auf der Suche nach den Ursachen dafür ist personelle Verflechtung von Energiewirtschaft
und Politik ein nicht zu unterschätzendes Element. In den letzten 15 Jahren
hat es die Energiewirtschaft verstanden, politische Schlüsselpositionen mit Vertretern
aus den eigenen Reihen zu besetzen, die Einsetzung von Kontrollinstanzen wie der
Regulierungsbehörde hinauszuzögern oder fast zu verhindern und auf diese Weise
ihre in erster Linie wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Im Bereich der Stromerzeugung
ist es ihnen gelungen, den Markt zu beherrschen und die Preise fast
nach Belieben zu diktieren. Zudem wurde mit dem umfangreichen Programm zur Erneuerung
der bestehenden Kraftwerke die alte zentrale Struktur der Stromerzeugung
zementiert. Mit den Kosten der zum Betrieb erforderlichen Emissionszertifikate wurden
weitere Strompreiserhöhungen begründet, obwohl die Zertifikate den Energiekonzernen
von der Regierung zuvor kostenlos überlassen worden waren. Bezeichnend
ist auch, dass es weder dem Kartellamt noch den Strafverfolgungsbehörden
bisher gelungen ist, den Konzernen Verstöße gegen geltendes Recht nachzuweisen.
Im Umkehrschluss müssten die gesetzlichen Regelungen äußerst lückenhaft sein, was nach den Erfahrungen der letzten Jahre durchaus nicht von der Hand zu weisen
ist.

Unterm Strich überwiegen daher aus der Sicht der Verbraucher zunächst die negativen
Aspekte. Der Strom ist teurer als je zuvor, ein Wechsel des Lieferanten bringt
meist nur unwesentliche finanzielle Vorteile und eine Änderung der preislich angespannten
Situation ist nicht in Sicht.

Lichtblicke ergeben sich durch die Steigerungsrate bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien. Die angestrebten Ziele wurden hier teilweise sogar übertroffen.
Einen regelrechten Boom verzeichneten die Biogas- und die Solarbranche. Die Hersteller
von Photovoltaikanlagen konnten infolge der hohen Stückzahlen ihre Preise
senken und teilweise kräftige Unternehmensgewinne verbuchen. Die Biogasbranche
hingegen stößt dagegen schon jetzt an ihre Wachstumsgrenzen, was angesichts der
begrenzten verfügbaren landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in Deutschland nicht
verwunderlich ist. Überdies steht die These im Raum, dass die Biogaseuphorie eine
der Ursachen für die Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln ist.

Unbestritten sind dagegen die mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien einhergehenden
wirtschaftlichen Erfolge, die sich im Wachstum der auf diesem Gebiet tätigen
Unternehmen widerspiegeln. Hier wurden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, und
die Exportchancen dieser Unternehmen sind ausgezeichnet. Deutschland hat sich
auf diesem Wege in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Nutzung erneuerbarer
Energien einen ausgezeichneten Ruf erworben.

3 Energiepolitische Ziele

Die Energiepolitik orientiert sich seit jeder im Zieldreieck von Versorgungssicherheit,
Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit (Bild 3). Darüber besteht grundsätzlich
ein Konsens unter allen politischen Parteien. Jedoch herrschte noch nie so viel Uneinigkeit
wie heute über die Mittel und Wege zur Lösung der Zielkonflikte zwischen
Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Mit Bezug auf die steigende Häufigkeit
von Stromausfällen durch Unwetter und Naturkatastrophen sowie die offenbar unzureichende
Instandhaltung der Netze scheint außerdem das Gleichgewicht zwischen
Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit aus der Balance zu geraten. Die Gesellschaft
für Energietechnik im Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat daher vor einiger
Zeit als Ergebnis einer intensiven Beratung der in diesem Kreis vertretenen
Fachleute ihre Einschätzung für die nächsten 25 Jahre in einem Positionspapier formuliert
[10]. Demnach steht dem Status quo mit Importabhängigkeit, Umweltproblemen
und hohen staatlichen Förderkosten für alternative Energien eine Zielsetzung für
das Jahr 2030 mit sicherer und preiswerter Energie bei hoher Effizienz gegenüber,
wobei höhere Preise bewusst in Kauf genommen werden.

Bild 3: Zieldreieck der Energiepolitik mit Positionen der GET (VDI)
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld4.jpg

Seit etwa 1 – 2 Jahren ist der Klimaschutz das dominierende Thema in der Energiepolitik.
Spätestens seit der Veröffentlichung der alarmierenden Zahlen zur globalen
Erwärmung zur Jahreswende 2006/2007 drehen sich fast alle Fragen um Maßnahmen
zur Reduzierung des als Ursache der Klimaschädigung ausgemachten CO2-
Ausstoßes.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und 3 warme Winter sind kein Nachweis
für eine sich anbahnende Klimakatastrophe. Zu Beginn der Diskussionen wurde dem
Klimawandel der Klimaschwindel entgegengehalten. Mittlerweile kommen jedoch fast
alle seriösen wissenschaftlichen Klimainstitute zu den gleichen alarmierenden Ergebnissen.
Beeindruckend und zugleich erschreckend ist, dass in den letzten 3 – 5
Jahren die tatsächliche Entwicklung die ohnehin negativen Prognosen stets noch
übertroffen hat, gleichgültig ob dies den globalen Temperaturtrend, den Anstieg der
Meeresspiegel, den Zerfall von Eisschelfs in der Antarktis, die Häufigkeit von Orkanen,
die Intensität lokaler Niederschläge oder die Gletscherschmelze in den Alpen
oder in Grönland betrifft. Als absolut kritischer Wert wird ein weiterer Temperaturanstieg
um 2° C angesehen. Dem Risiko einer Überschreitung dieser Marke und den
nicht mehr kalkulierbaren volkswirtschaftlichen Einbußen steht die Forderung einer
Reduzierung der Emissionen um 30 % bis zum Jahr 2020 gegenüber, bezogen auf
das Jahr 1990.

In der Zeit vom 03. – 14. Dezember 2007 fanden auf Bali die 13. Vertragsstaatenkonferenz
der Klimarahmenkonvention und die 3. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-
Protokolls statt. Der abschließend veröffentlichte Aktionsplan [11] kann nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sich nach zähem Ringen am Ende die konkreten Vereinbarungen
weniger auf die Reduzierung von Emissionen als auf die Termine für die
nächsten Treffen beziehen. Diese Bewertung deckt sich durchaus mit dem Resümee
von Umweltminister Gabriel: „Bali war anstrengend und mühsam. Aber die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst.“ Grundsätzlich ist allen Beteiligten klar gewesen, dass
die globalen Klimaprobleme nur durch internationale Vereinbarungen in den Griff zu
bekommen sind. Wenn aber alle nach dem Prinzip des heiligen St. Florian handeln
und die Belastungen von sich schieben, darf niemand ernsthaft eine Trendwende der
unablässig fortschreitenden Verschlechterung erwarten.

Mit wesentlich klareren inhaltlichen Konsequenzen endete dagegen die Klausurtagung
des Bundeskabinetts im August 2007 in Meseberg. Dort wurden 29 Eckpunkten
eines ambitionierten Energie- und Klimaprogramms beschlossen [12]. Die für Abwasserbetriebe
relevanten Thesen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Bereits
am 5. Dezember 2007 hat das Kabinett daraufhin ein umfangreiches Paket mit 14
Gesetzen und Verordnungen vorgelegt. Ein zweites kleineres Paket ist für den
21. Mai 2008 vorgesehen. 

Tabelle 1: Meseberger Programm (auszugsweise)

These  Bereich  Zuständigkeit 
Kraft-Wärme-Kopplung
Ziel: Verdopplung des Anteils von Strom aus KWK bis
2020 auf etwa 25% 
BMWi 
2 Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich
Ziel: Erhöhung von derzeit 13% auf 25 -30% bis 2020
BMU, BMWi,
BMVBS 
9 Einspeiseregelung für Biogas in Erdgasnetze
Ziel: Erleichterung der Biogaseinspeisung, Dezentrale
Nutzung von Biogas mittels KWK 
BMWi, BMU 
12 CO2-Gebäudesanierungsprogramm
Ziel: Weiterentwicklung, stärkere Ausschöpfung von
Einsparpotenzialen 
BMVBS, BMF,
BMBF, BMWI,
BMU
14 Erneuerbare-Energien Wärmegesetz (EEWärmeG)  BMU, BMVBS 

Auch wenn um die Entscheidungen noch heftig gerungen werden dürfte, so ist in jedem
Fall zu begrüßen, dass nunmehr für eine Umgestaltung der Energieversorgungsstruktur
durchaus realistische Chancen bestehen. Für die Abwasserbetriebe
besteht die Gelegenheit, für ihren Bereich Forderungen einzubringen. Mit den im Dezember
2007 abgegebenen Stellungnahmen der DWA und der AöW zum Entwurf der
EEG-Novelle ist der Anfang gemacht. Jetzt muss es weitergehen mit weiteren konstruktiven
und möglicherweise auch unkonventionellen Ideen. Die Kläranlagenbetreiber
sitzen auf einer kleinen Schatztruhe voller regenerativer Energien, welche nun zu
Markte getragen werden müsssen. 

4 Gesetzliche Regelungen

Die rechtliche Situation im Energiebereich hat sich nach der Erfindung der Elektrizität
zunächst nach den physikalischen Gegebenheiten entwickelt. Der elektrische Strom
ist eine netzgebundene Energie. Folglich hat sich die Erzeugungs- und Verteilungsstruktur
von den Kraftwerken ausgehend immer weiter ausgedehnt, bis sie an das
jeweils angrenzende Versorgungsgebiet eines anderen Energieproduzenten stieß.
Weil man keinesfalls eine Überlappung der Netze zulassen wollte, entstanden abgegrenzte
Versorgungsgebiete. In der Anfangszeit ohne jegliche gesetzlichen Regelungen
wurden Streitigkeiten zunächst durch gegenseitige Vereinbarungen unter den
Versorgern beigelegt. Mit der Einführung des Energiewirtschaftsgesetzes 1935 wurde
dann die bis dahin dezentral gewachsene Energieversorgung eine staatliche Angelegenheit.
Dieses Gesetz blieb bis 1998 in Kraft, war allerdings zuletzt heftig umstritten:
Die einen sahen es als Garant einer sicheren und kalkulierbaren Stromversorgung,
die anderen als Relikt der alten Reichspolitik und maßgebliches Hemmnis
auf dem Weg zu einer marktwirtschaftlich orientierten Energieversorgung.

Bild 4: Energierecht 2008
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld5.jpg

Auf europäischer Ebene ist die Politik Anfang der 90er Jahre angetreten, die Energieversorgung
umzukrempeln mit den Zielen, mehr Wettbewerb zu schaffen und vor
allem den damals schon nicht ganz unbekannten Klimaproblemen stärker gerecht zu
werden. In der Folge wurde ein neues Energierecht geschaffen, welches die bis dahin
gültigen gesetzlichen Regelungen an Umfang und Komplexität bei weitem übertrifft.
Bis zum heutigen Tag erweckt das neu geschnürte Gesetzespaket leider nicht
annähernd den Eindruck, in eine konvergente Phase der Stabilisierung und Konsolidierung
einzutreten, sondern es tun sich im Gegenteil immer neue Lücken auf. Eine
nicht von der Hand zu weisende Ursache für diese Entwicklung ist die offensichtliche
Unfähigkeit der Politik, die Folgen ihres eigenen Handelns einigermaßen realistisch zu prognostizieren und zu kontrollieren [13]. Die Rede vom „Gesetz der unbeabsichtigten
Folgen“ macht die Runde und scheint vor allem beim Energierecht zuzutreffen.

Die Komplexität des Energierechts resultiert teilweise aus den historisch gewachsenen
Zuständigkeiten, vor allem aber aus dem Zielkonflikt zwischen wirtschaftlichen
und ökologischen Interessen. In der Übersicht lässt sich das Energierecht zwar klar
strukturieren (Bild 4). Im Detail ist es aber zerfressen und ausgehöhlt durch eine
Vielzahl von gerichtlichen Einzelentscheidungen, punktuellen Interventionen und oftmals
uneinheitlichen und nicht aufeinander abgestimmten kleinen Ergänzungen.

Negativ betrachtet könnte man das als eine Strategie des Durchwurstelns charakterisieren.
Dem kann man aber auch die positive Seite abgewinnen, dass sich das System
trotz ständig ändernder Anforderungen als flexibel und leistungsfähig genug erweist,
diese aufzunehmen und strukturell mit den neuen Aufgaben zu wachsen. Die
nächste große Herausforderung in dieser Hinsicht ist das in Meseberg beschlossene
Klimaprogramm. Zu dessen Umsetzung sind eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen
im Energierecht vorzunehmen. Im Bild 5 sind die sich daraus ergebenden juristischen
Baustellen eingetragen.

Bild 5: Energierecht 2008 mit „juristischen Baustellen“
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld6.jpg

Für Verbraucher und Erzeuger ergibt sich daraus die unbefriedigende Situation, dass
die Rechtslage indifferent ist und Investitionsentscheidungen möglicherweise davon
abhängen. Diese Situation ist allerdings aus der bisherigen Entwicklung des eigentlich
noch jungen Energierechts hinlänglich bekannt und insofern nicht neu. Vielleicht
wirkt sich die Dominanz des Klimaprogramms stabilisierend auf die weitere Entwicklung
der Rechtslage aus. Solange aber die „alte Energiewirtschaft“ einen Gegenpol
dazu bildet und nicht alle am gleichen Strick ziehen, sind immer wieder Überraschungen
möglich. Ein erstes Signal dafür könnte die Abkehr von der Entwicklung  eines Gesetzes zur Biogaseinspeisung gemäß Punkt 9 des Meseberger Programms
sein. Hier sollen sich die Maßnahmen nach letztem Stand auf eine Anpassung der
bereits bestehenden Verordnung beschränken. Angesichts der in den letzten Jahren
intensiv betriebenen Verhinderung des freien Zugangs zu den Gasnetzen könnten
die Energiekonzerne dann wieder einmal einen Etappensieg für sich verbuchen. Es
ist andererseits durchaus denkbar, dass von politischer Seite beabsichtigt ist, den
Biogasboom und den zwischenzeitlich entbrannten Wettbewerb um die Nahrungsmittel
etwas zu dämpfen.

5 Wirtschaftliche Betriebsführung

Kläranlagen müssen grundsätzlich wirtschaftlich betrieben werden. Eine grobe Aufteilung
für die jährlichen Gesamtkosten ist im Bild 6 dargestellt. Über den Stellenwert
der Energiekosten lässt sich trefflich streiten, denn im Vergleich zu den anderen Kostenanteilen
ist ihr Anteil kaum der Rede wert. Eine Relevanz für die Gebühren wurde
noch vor wenigen Jahren von Abwasserfachleuten verneint. Nach den erheblichen
Preissteigerungen der letzten Jahre ist der Kostenanteil zwar immer noch gering,
aber die beunruhigenden Preissteigerungen lassen die Energiekosten immer häufiger
zur Chefsache werden.

Bild 6: Typische Kostenstruktur eines Entwässerungsbetriebes
Bild FW-Ene-Seibert-Spannungsfeld7.jpg

Nachdem das Zeitalter der Liberalisierung und des Wettbewerbs schon nach kurzer
Dauer beendet ist und die Energiekonzerne das Preisdiktat wieder übernommen haben,
stellt sich für die Verbraucher die Frage nach Wegen zur Stabilisierung der Kosten
oder zumindest einer Dämpfung des Anstiegs. Sicherlich lassen sich durch alternative
Formen des Energieeinkaufs wie die strukturierte Beschaffung noch Kosten in
geringem Umfang einsparen. Die Trumpfkarten der Kläranlagen dürften allerdings die
massive Verbesserung der energetischen Effizienz auf der Verbraucherseite und die
Optimierung und Ausweitung der Eigenerzeugung von Energie sein. Das betrifft nicht
nur den Strom, sondern auch die bisher weniger beachteten Energieformen Wärme
und Kälte, die häufig noch aus Strom erzeugt werden. Zudem schlummern im Abwasser
noch große Potenziale, deren Nutzung bei weiter steigenden Energiekosten
immer näher in wirtschaftlich interessante Dimensionen rückt. Ein herausragendes
Beispiel ist die Abwasserwärme, die sich einer ständig wachsenden Nachfrage erfreut.

Die konventionellen Wirtschaftlichkeitsberechnungen, z. B. die im kommunalen Bereich
übliche Kostenvergleichsrechnung nach LAWA oder die für BHKWs relevante
VDI-Richtlinie 2067 (Blatt 7) basieren primär auf technischen und kaufmännischen
Ansätzen mit einer befristeten Reichweite bis zum Ende der Abschreibungsdauer.
Die Berechnungsgrößen sind auf den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Projekt
beschränkt. Varianten oder Sensitivitätsanalysen erschöpfen sich dabei in der linearen
Extrapolation der zeitlich variablen Größen, vor allem der des Energiepreises.

Dass diese konventionellen Berechnungen offenbar immer weniger zutreffend sind,
zeigt die verstärkte Diskussion um die Betrachtung der Lebenszykluskosten (LCC =
Life Cycle Costs). Gerade für energieintensive Anlagenteile wie Verdichter, Pumpen
und BHKWs dürfte mittlerweile bekannt sein, dass die Investitionskosten bei den
heutigen Energiepreisen gerade noch etwa 10 % der Lebenszykluskosten ausmachen
und der überwiegende Anteil bis zu 80 % Energiekosten sind. Trotzdem kommt
es noch häufig genug vor, dass diese Fakten bei Neuplanungen oder Ersatzbeschaffungen
außer Acht gelassen werden. Vergabeentscheidungen sollten allerdings nicht
mehr allein nach der Höhe der Investitionskosten getroffen werden.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Für Abwasserbetriebe rutscht das Thema Energie in den nächsten Jahren in der Tagesordnung
wieder etwas weiter nach oben. Steigende Energiekosten, die Folgen
des Klimawandels, der vermehrte Einsatz regenerativer Energien, die noch nicht genutzten
Potenziale bei Klärgas und Abwasserwärme und die sich abzeichnenden
strukturellen Veränderungen im Bereich der Energieversorgung verlangen nach neuen
Energiekonzepten. Diese müssen darauf zielen, einerseits beim Verbrauch die
größtmögliche Effizienz zu erreichen und andererseits aus den im Abwasser enthaltenen
und den am Standort produzierbaren Energien das Beste zu machen.

Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, für die im Dauerbetrieb eingesetzten
großen Aggregate die effizienteste Technik zu wählen und die Einhaltung der spezifischen
Verbrauchswerte permanent zu überwachen. Bei der Energieproduktion müssen
die prozess- und standortrelevanten Potenziale konsequent genutzt werden. Das
Spektrum reicht dabei vom anfallenden Klärgas über die zusätzliche Gasproduktion
durch Covergärung, die Nutzung der Abwasserwärme bis hin zur Aufstellung von
Windkraft- oder Solaranlagen. Der Standort Kläranlage bietet in der Regel eine hervorragende
energetische Infrastruktur, weil fast alle Energiearten (Strom, Gas, Wärme,
Kühlung, etc.) und Umwandlungsmöglichkeiten bereits verwendet werden. Die
bisherige Idealvorstellung der energieautarken Kläranlage ist unter diesen Voraussetzungen
nicht mehr erstrebenswert, weil sich die Autarkie in der Regel nur auf die
mittlere jährliche Strombilanz bezieht. Nicht zum ersten Mal ist durch Covergärung
eine Kläranlage in diesem Sinne „energieautark“ geworden und kämpft jetzt mit dem
nicht unerheblichen Wärmeüberschuss.

Die bekannten Energiekonzepte für Kläranlagen sind konsumorientiert, weil es bislang
darum ging, die anfallende Energie vor Ort zu verbrauchen und den Restbedarf
durch externen Bezug zu ergänzen. Zukünftige Energiekonzepte müssen dagegen
streng bedarfsorientiert aufgebaut sein. Das Verheizen von Klärgas sollte möglichst
bald der Vergangenheit angehören. Generell ist die höchstmögliche Wertigkeit der
Umwandlung anzustreben, besonders beim Einsatz der regenerativen Energien. Bei
konsequenter Verfolgung der genannten Ziele dürfte sich dann die Frage nach der
Verwendung eines Energieüberschusses demnächst häufiger stellen. Die Ausarbeitung
standardisierter Konzepte zur Einbindung von Kläranlagen in eine regionale
energetische Infrastruktur ist daher eine der vordringlich zu lösenden Aufgaben.

Am Ende bleibt die Frage, wie sich die genannten Ziele mit dem aufgezeigten Spannungsfeld
zwischen Politik, Recht und Wirtschaftlichkeit vereinbaren. Schließlich
könnte das, was heute als richtig angesehen wird, durch neue gesetzliche Regelungen
morgen schon überholt und falsch sein. Bei der Besteuerung von Biokraftstoffen
waren dem Finanzminister die erwarteten Einnahmen von 400 Mio. EUR/a wichtiger
als das Vertrauen der Fuhrunternehmer, die in Erwartung einer Steuerbefreiung ihre
Lastwagen vorab umgerüstet hatten [14]. Ein ständiges Aufschieben energetisch
notwendiger Entscheidungen führt allerdings auch in die Sackgasse. Der Maschinenpark
der deutschen Kläranlagen belegt das eindrucksvoll mit einer reizvollen Vielfalt
neuer und betagter Aggregate mit einer großen Bandbreite von Verbrauchswerten
und Wirkungsgraden.

In dieser festgefahrenen Situation hilft eine Art „flexible response“, um zumindest
wieder abgestufte Bewegungen herbeizuführen. Der Königsweg liegt darin, für die
heiße Phase des bevorstehenden strukturellen Umbaus der Energieversorgung die
Prioritäten für energetische Entscheidungen dahingehend zu ändern, dass die Nachhaltigkeit
für die Dauer des in den nächsten 2-3 Jahren zu erwartenden indifferenten
energierechtlichen Zustandes über die (berechnete) Wirtschaftlichkeit gestellt wird.
Das wird bei den Kaufleuten nicht auf Begeisterung stoßen. Aus ingenieurmäßiger
und ethischer Sicht ist das jedoch eine der wenigen verbleibenden Möglichkeiten,
das etwas aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen ökologischen, ökonomischen
und sozialen Gesichtspunkten wieder herzustellen.

Abwasser und Energie sind sich in den letzten 10 Jahren deutlich näher gekommen.
Die Energieoptimierung von Kläranlagen leistet einen vorbildlichen Beitrag dazu, die
uralten Zielkonflikte zwischen Umweltschutz und Energiewirtschaft endlich in Einklang
bringen. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Frau Dr. Conrad hat in ihrer
gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister verfassten Regierungserklärung [16] eindrucksvoll
dargestellt, wie aus dem in den 70er Jahren als job-Killer gescholtenen
Klimaschutz der heutige job-Motor für viele Arbeitsplätze im Maschinen- und Anlagenbau
und eine Säule des Exportgeschäftes geworden ist.

Für einige Energiekonzerne ist es derzeit „wirtschaftlich“ und in dem bestehenden
Rechtsrahmen wohl auch zulässig, deutschen oder französischen Atomstrom mit Hilfe
von Emissionszertifikaten zu Strom aus norwegischer Wasserkraft zu veredeln
[15]. Solange sich die Abwasserbranche der Daseinsvorsorge und nicht dem Kapital
verpflichtet fühlt, kann sie guten Gewissens auf eine solche „Wirtschaftlichkeit“ verzichten
und stattdessen die als kommunales Unternehmen eingegangene Verpflichtung
zur Nachhaltigkeit im Handeln und zum sparsamen Umgang mit den natürlichen
Ressourcen in den Vordergrund stellen.

Literatur

[1] Leuschner, U.: Kurzschluß, Wie unsere Stromversorgung teurer und schlechter wurde
MV-Verlag, 2007 
[2] Dokumentationsfilm „An Inconvenient Truth“ mit Al Gore, Regisseur Davis Guggenheim, 2006 
[3] Seibert-Erling, G.: Auswirkungen des neuen Energierechts auf Kläranlagen – welche Chancen
wurden genutzt, welche blieben durch die Kläranlagenbetreiber ungenutzt?, Beitrag zur Essener
Tagung 2007, Hrsg.: Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen 
[4] Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Formblatt „Erhebung über Gewinnung, Verwendung
und Abgabe von Klärgas für das 2007″ 
[5] Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: „Immer mehr Klärgas mit eigener Stromerzeugung
aus Klärgas“ Stuttgart, 26.01.2007 
[6] Dr.-Ing. Blesl, M., Dipl.-Ing. Ohl, M.: „Nutzenergie aus Klärgas“, BWK Bd. 59 (2007),
Essen, 21.09.98 und 18.05.99 
[7] DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.: Klärgas kann einen
wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung leisten, Presseinformation 37/2007
vom 11.12.2007 
[8] AöW – Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft: Stellungnahme der AöW zum EEG-Entwurf vom
3.12.2007, http://aoew.de/presse.html?&detail=59&cHash=66e7926d50 
[9] Pressenotiz: Strom-Wettbewerb nicht eingeschränkt, Hrsg.: Rheinzeitung vom 29.09.1999 
[10] VDI-Gesellschaft Energietechnik: Innovation und Nachhaltigkeit in der Energieversorgung und –
anwendung, 1. Deutscher Wasser- und Energietag (E-world energy & water) Essen, 2007 
[11] UN-Klimakonferenz Bali: Aktionsplan, Beschluss -/CP.13 
[12] BMU: Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm
http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/klimapaket_aug2007.pdf 
[13] Ziesemer, B.: Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft, Campus Verlag, 2007 
[14] Donner, S.: „Biokraftstoffe kommen erst später dran“, VDI-Nachrichten, 04.01.2008 Nr. 1 
[15] Pressebericht West Deutscher Rundfunk: Ökostrom aus dem Atomkraftwerk
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtscahftsbranchen/energie/regenerative_energien/
080107.jhtml 
[16] Conrad, M.: Regierungserklärung der Ministerin für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz
28.06.2007 

Anschrift des Verfassers:
Dr.-Ing. G. Seibert-Erling

setacon GmbH
Augustinusstraße 9b
50226 Frechen

Tel: 02234-988 095-0
Fax: 02234-988 095-11
Mail: info@setacon.de
Web: www.setacon.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wasser oder Luft: Zellen erkennen Verschmutzung

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Mit der Entwicklung von Zellsensoren sind Siemens Forscher auf dem Weg, Frühwarnsysteme für verschmutztes Wasser oder auch schlechte Luft zu entwickeln. Derzeit konzentriert sich ein Team von Siemens Corporate Technology (CT) in München und das Biotech-Unternehmen Bionas in Rostock auf die Entwicklung von ausgesuchten Zellkulturen auf Silizium-Chips.

Den ganzen Artikel lesen Sie unter:

http://w1.siemens.com/innovation/de/news_events/ct_pressemitteilungen/index/research_news/2008/022_resnews_0808_1.htm

Siemens ResearchNews
Corporate Press
Technology and Innovation
Herr Dr. Norbert Aschenbrenner
Wittelsbacherplatz 2
80333  München

Tel: (089) 636 33438
Mobile (0160) 3687739
Fax: (089) 636 35292

norbert.aschenbrenner@siemens.com

Fehler entstehen im Kopf

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Wissenschaftler zeigen, dass fehlerhaftem Verhalten bei monotonen Aufgaben spezifische Veränderungen der Hirnaktivität vorausgehen

Menschliche Fehler sind nicht nur durch augenblickliche Veränderungen der Konzentration oder Hirnaktivität erklärbar, sondern basieren auch auf graduellen Fehlanpassungen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von Markus Ullsperger, Nachwuchsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln, und seinen Kollegen von der Universität Bergen, Norwegen, aus Southampton, Hamburg und Leipzig. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) bildeten die Wissenschaftler die Hirnaktivität von Versuchspersonen ab, die eine entsprechende Kognitionsaufgabe bearbeiten mussten. Die Forscher fanden Hirnregionen, deren Aktivität bis zu 30 Sekunden vor einem Fehler systematisch verändert war. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 22. April 2008)

Weitere Informationen:

http://goto.mpg.de/mpg/pri/200804221/

Pressemitteilung:

Michael Frewin, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

22.04.2008

Brauchwasser sparen, Abwasser reduzieren, reinigen und wiederverwerten

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Wasser ist ein kostbares Gut.

Fraunhofer-Forscher entwickeln Konzepte, mit denen sich Brauchwasser sparen, Abwasser reduzieren, reinigen und wiederverwerten lässt. Auf der IFAT präsentieren verschiedene Institute neue Konzepte. Der demographische Wandel in Deutschland hat Folgen – nicht nur für Schulen, Kindergärten, Pflegedienste und Altenheime, sondern auch für die Infrastruktur. In Sachsen beispielsweise nimmt die Bevölkerungsdichte noch immer ab, ausgenommen von diesem Trend sind nur die Großstädte. In den ländlichen Gebieten sind derzeit neue Konzepte zur Abwasserentsorgung gefragt – vor allem dort, wo durch den Wegzug junger Menschen die Alterspyramide besonders stark verschoben wird. Den Grund nennt Prof. Walter Trösch vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik IGB: „Kanäle sind teuer. Für die Kommunen lohnt sich ein Ausbau des Kanalsystems nur, wenn diese langfristige Investition auch langfristig genutzt wird. Nimmt die Zahl der Einwohner in Gegenden jedoch stetig ab, ist die Erweiterung einer zentralen Abwasserentsorgung zum Anschluss dieser Bereiche meist unrentabel.“ Doch rentabel oder nicht: In vielen kleinen Dörfern in den neuen Bundesländern muss dringend etwas passieren: „Die alten Versitzgruben sind häufig marode. Und wo sich Risse bilden, besteht die Gefahr, dass ungeklärte Abwässer ins Grundwasser gelangen“, so Trösch. Zusammen mit einem interdisziplinären Team von Forschern aus verschiedenen Fraunhofer-Instituten entwickelt er jetzt alternative Konzepte zur Abwasserentsorgung in zwei sächsischen Gemeinden.

Bisher haben die Anwohner kaum Wahlmöglichkeiten: Entweder sie sind ans örtliche Kanalnetz angeschlossen und müssen bei Rückgang der Bevölkerung steigende Kosten tragen oder sie reinigen ihr Abwasser selbst in dreikammerigen Klärgruben. Der Bau dieser Gruben ist jedoch oft aufwändig und teuer. Während des Betriebs entstehen zusätzlich Wartungskosten. Gute Alternativen sind daher gefragt.

Ein vielversprechendes Konzept ist die semi-dezentralen Abwasserreinigung, die eine Forschergruppe vom IGB unter der Leitung von Prof. Trösch entwickelt hat. Sie wird ergänzt durch innovative Betreibermodelle, wie sie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI entwickelt. Bei diesem Geschäftsmodell wird die Anschaffung der neuen Technik von einem Unternehmen finanziert, das dann für die Nutzung Gehühren erhebt. Nach zehn Jahren geht die Anlage in den Besitz der Hauseigentümer über. Zwei unterschiedliche Varianten der semi-dezentralen Abwasserreinigungsysteme sind bereits in Betrieb:

Beispiel Knittlingen: erfolgreiches Wassermanagement In einem Neubaugebiet in Knittlingen wird ein Wassermanagementsystem erfolgreich eingesetzt. Es reduziert nicht nur die Abwassermenge und baut organische Substanzen ab, sondern liefert darüber hinaus auch Biogas und Dünger. Die Abwässer und Küchenabfälle aus den Häusern gelangen über ein Vakuumsanitärsystem direkt in die dezentrale Sammelstelle. Weil die Bewohner, die Vakuumtechnik benutzen, wenig Wasser zum Spülen der Toiletten benötigen, ist das Abwasser hochkonzentriert. In einem Bioreaktor – einem geschlossenen mit anaeroben Bakterien gefüllten Behälter – wird es gereinigt: Die Bakterien zersetzen die organischen Stoffe, übrig bleibt Biogas, das man zum Kochen, Heizen oder als Treibstoff für Fahrzeuge verwenden kann. Ein spezieller Membranfilter reinigt das Wasser von Bakterien und führt diese in den Bioreaktor zurück. Ein Prototyp dieses Rotationsscheibenfilters ist vom 5. bis 9. Mai 2008 auf der IFAT am Faunhofer Gemeinschaftsstand (Stand 203, Halle B1) zu sehen.

Beispiel Neurott: kompaktes Klärwerk In Neurott, einem idyllischen Dorf in der Nähe von Heidelberg, realisierten die Forscher ein anderes Entsorgungskonzept: eine kleine kompakte Kläranlage, die auf ein Abwasservolumen von nur hundert Einwohnern ausgelegt ist. Kernstück auch dieser Anlage ist ein Rotationsscheibenfilter. Er besteht aus einer sich drehenden Hohlwelle und darauf montierten Filterscheiben, die alle Feststoffe zurückhalten. Das gereinigte Wasser erfüllt die Badegewässerrichtlinie der EU. Diesen dynamischen Filter zeichnet besonders aus, dass er nur in Jahresabständen einer Reinigung unterzogen werden muss. Der bei der aeroben Wasserreinigung zwangsläufig entstehende Klärschlamm wird gesammelt und nach Heidelberg in die zentrale Kläranlage gebracht. Dort sorgt eine ebenfalls vom IGB entwickelte Technik für einen schnellen Abbau der Feststoffe durch anaerobe Bakterien. Ob eine der beiden Technologien oder Komponenten daraus in den beiden sächsischen Gemeinden zum Einsatz kommt oder ob innovative Betreibermodelle angewandt werden, steht noch nicht fest. Die Forscher von den Fraunhofer-Instituten für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart, für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, sowie dem Institut für Verkehrs – und Infrastruktursysteme IVI, Dresden, ermitteln derzeit den lokalen Bedarf. Dabei werden Bürgern und Ämter und Behörden miteinbezogen. Im nächsten Schritt wollen die Partner einen Plan für eine semi-dezezentrale Abwasserentsorgung ausarbeiten. „Wir müssen uns überlegen, inwieweit sich die bestehende Infrastruktur nutzen lässt, ob eine Lösung für den ganzen Ort, oder nur für Ortsteile oder mehrere Häuser miteinbezogen werden soll, ob es sich lohnt, Rohre für ein Druck- oder ein Vakkumsystem zu verlegen, und wo die Entsorgungseinrichtung stehen soll“, erklärt Dr. Ursula Schließmann vom IGB. „Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die Kosten: Die dezentrale Entsorgung darf nicht teurer sein als der Anschluss ans Kanalnetz. Gleichzeitig kann die neue Technologie aber auch Geld sparen, weil wir — quasi als Abfallprodukte – Biogas und Dünger erzeugen können.“ Patentlösungen gebe es da noch nicht, resümiert Trösch: „Man muss im Einzelfall immer abwägen. Das Ergebnis muss ökologisch sinnvoll und sozialverträglich sein. Doch wenn es auf Basis von Serienkomponenten zusammengebaut werden kann, wird es sich auch rechnen und damit dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen.“

Weitere Informationen: http://www.fraunhofer.de/presse/presseinformationen/2008/04/Presseinformation25April2008.jsp

Marion Horn, Presse und Öffentlichkeitsarbeit Fraunhofer-Gesellschaft 25.04.2008

URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news257514

CAKIR – Trocknungsverfahren

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Dipl.-Ing. (TU) Ugur Cakir

Ökologische und Ökonomische Klärschlammtrocknung nach dem CAKIR-Verfahren

Das Ziel der Klärschlammtrocknung ist neben Gewichts- und Volumenreduktion ein handhabbares und heizwertreiches Produkt zu erhalten.
Folgende herkömmliche Trocknungsverfahren gibt es für die Klärschlammtrocknung.
Kontakttrocknung (z.B., Scheibentrockner, Dünnsichttrockner etc.)
Konventionstrocknung (z.B., Bandtrockner, Trommeltrockner etc.)
Strahlungstrocknung (z.B., solare Trocknung)

Ausgenommen der solaren Trocknung wird bei allen Trocknungsverfahren thermische Energie, die aus der Verbrennung biogener und fossiler Brennstoffe sowie elektrischer Energie gewonnen wird, für die Klärschlammtrocknung eingesetzt.

Es wurde ein neues ökologisch-ökonomisches Verfahren für die Klärschlammtrocknung entwickelt (CAKIR-Verfahren), das seit 2007 in der Kläranlage Weissach als Pilotanlage mit großem Erfolg eingesetzt wird. Eine zweite mechanisch weiter verbesserte Versuchsanlage nach dem CAKIR-Verfahren wird in kurzen Zeit in Wutöschingen / Hochrhein in Betreib genommen.

Das Grundprinzip des CAKIR-Verfahrens basiert sich darauf, dass der ca. 20 – 35 % Trockenrückstand (TR) Gehalt erhaltene mechanisch-entwässerte Schlamm durch den Einsatz der Kompressions- und der Abwärme bis auf zu 85 % TR-Gehalt getrocknet wird.

Das Ablaufschema des CAKIR-Verfahrens ist in der Abbildung dargestellt. 

Bild 1: Ablaufschema des CAKIR-Verfahrens

Bild FW-Schlamm-Crakir-8.jpg

Nach dem Belebungsverfahren benötigt jede Kläranlage Sauerstoff zur Versorgung der Mikroorganismen im Belebungsbecken.
Um den Sauerstoff in das Belebungsbecken einzublasen, werden die in einem Gebläseraum untergebrachten Gebläse eingesetzt. Die Gebläse saugen die Außenluft an und fördern sie über eine Rohrleitung ins Belebungsbecken. Dabei wird die Luft in der Rohrleitung komprimiert, wobei die Lufttemperatur 108°C -140° C erreicht (Wärmequelle-1: Kompressionswärme). Eine weitere Wärmequelle stellt die beträchtliche Abwärme der Gebläse dar, durch die die Luft im Gebläseraum sehr warm wird (Wärmequelle-II: Abwärme).

Bild 2: Kreuzstromwärmetauscher
Bild FW-Schlamm-Crakir-4.jpg

Ab hier beginnt der Einsatz des patentiertes CAKIR-Verfahrens für die ökologische und ökonomische Klärschlammtrocknung.
Dem Luftstrom A (vom Gebläse zum Belebungsbecken) wird mit Hilfe eines Luftstroms B Wärme entzogen. Dieser nutzbare trockene Warmluftstrom B wird mit Hilfe eines regelbaren Ventilators erzeugt, der die vorgewärmte Raumluft über einen Kreuzstromwärmetauscher und einer Rohrleitung zum Trommeltrockner führt. In den Trommeltrockner wird entwässerter Klärschlamm (hier ca. 21 % TR-Gehalt) aus der Schlammpresse mittels einer Förderschnecke eingebracht. Nach dem Befüllen mit Klärschlamm dreht sich der Trommeltrockner in Mischrichtung nach einem speziellen Steuerungsprogramm im Intervallbetrieb, wobei kontinuierlich Warmluft in den Trommeltrockner eingeblasen wird. Die trockene Warmluft entzieht dem Schlamm rasch Wasser, das in Form Wasserdampf entweicht. Durch geeignete Intervalle für Rotation und Pause des Trommeltrockners wird eine körnige Struktur des Schlammes erreicht, wodurch ein Zusammenbacken (Leimphase) verhindert wird. Mit Hilfe eines Ventilators wird die nun staub- und wasserdampfhaltige Luft über einen Filter und einen Entfeuchter am Ende des Trommeltrockners abgesaugt. Diese abgesaugte Luft wird in den Container geführt, um das im Container vorgetrocknete Material weiterzutrocknen. Anschließend wird sie wieder in die Schlamm-Förderschnecke geführt. Während der Befüll- und Trocknungsphase wird über die Messdosen das Gewicht von Trommel und Schlamm gemessen, um den Trocknungsgrad überwachen zu können. Ist der gewünschte Trocknungsgrad erreicht, werden automatisch der Aufstellwinkel und die Drehrichtung des Trommeltrockners geändert, damit der getrocknete Schlamm in den Container gefördert werden kann. Anschließend kann der Trommeltrockner erneut mit Schlamm beschickt werden.

Bild 3: Schema der Trocknung
Bild FW-Schlamm-Crakir-3.jpg
Die Vorteile des CAKIR-Verfahrens gegenüber den herkömmlichen Trocknungsverfahren mit einem thermischen Energieeinsatz bestehen darin,
Dass nach dem CAKIR-Verfahren eine Energie, die ansonsten ohne Nutzen in die Umgebung abgegeben würde, genützt wird;
Dass der Klärschlammanfall gegenüber reinen Schlammentwässungsanlagen (z.B. Band- oder Kammerfilterpressen und Zentrifugen) um etwa Faktor 3 verringert
werden kann. In derselben Größenordnung können die Entsorgungskosten des Klärschlammes gesenkt werden;
Dass sowohl die Investitionskosten und als auch die Betriebkosten sehr günstig sind. Deshalb macht sich die Anlage in ein Paar Jahre schon bezahlt;
Dass die Geruchs- und die Staubemissionen aufgrund der niedrigen Temperatur (bis 60°) und keiner Bildung der anaeroben Phase gering sind;
Die Anlage kann für unterschiedliche Klärschlämme und mittlere Kläranlagengrößen eingesetzt werden;
Dass kein Klärwerkspersonal mit Spezialkenntnisse für die Bedienung der Anlage benötigt wird und schließlich
Dass der getrocknete Klärschlamm nach der Trocknung einen Heizwert (13000kJ/kg) hat, der dem Heizwert von über Braunkohle entspricht. Deshalb gilt das Endprodukt als sekundäre Energieträger.

Die Klärschlammtrocknung nach dem CAKIR-Verfahren erwies sich deutlich als ökologisch und ökonomisch gegenüber den herkömmlichen Trocknungsverfahren und leistet einen großen Beitrag für den Schutz der Umwelt.

Bild 4: Funktionsprinzip des CAKIR-Trockners
Bild FW-Schlamm-Crakir-5.jpg

Kenndaten Kläranlage Weissach:

•  Ausbaugröße  15.500 EW 
Belastung  12.000 EW 
Jahresabwassermenge  rd. 1 Mio. m3 
entwässerter Schlamm  900 Tonnen/a (23% TR) 
mech., biol. und chem. Reinigungsstufe 
Homogenisierung – Schlammstabilisierung (Schlammstapelbecken) 
Bandfilterpresse
Schlammentwässerung- und trocknung

Historie:

Ende 2004  Das neue Trocknungskonzept patentiert   Bild FW-Schlamm-Crakir-1.jpg
Anfang 2005  Eine Versuchsanlage gebaut 
Mitte 2006  Die Trocknungsanlage mit patentierter Energiegewinnung aufgebaut 
Anfang 2007  Die erste Versuchsanlage in Betrieb genommen 
Anfang 2007  Vom Umweltministerium BW als Forschungsobjekt anerkannt 
Juni 2008  Die zweite Versuchsanlage (Inbetriebnahme im April) geplant 

Energiegewinnung:

•  Jede Kläranlage mit Belebschlammverfahren benötigt im Belebungsbecken Sauerstoff. 
Diese Kläranlagen besitzen einen Gebläseraum. 
Je nach Größe der Kläranlage sind ein oder mehrere Gebläse untergebracht. 
Die Gebläse saugen die frische Außenluft an und verdichten, pressen sie durch ein Leitungssystem in das Belebungsbecken. 
Bei diesem Verdichten und Reiben der Luft erhitzt sich diese und es entsteht in der Luftleitung eine Temperatur (Heißluft) 
In diese Luftleitung wird ein Kreuzstromwärmetauscher (Luft gegen Luft) eingebaut 
Dadurch wird nutzbare Heißluft (Trockenluft) gewonnen. 
Die nutzbare Heißluft wird mit einem regelbaren Ventilator durch eine isolierte Luftleitung zum Trommelmischer geleitet. 
Auch die vorgewärmte Luft aus dem Gebläseraum wird vom Ventilator angesaugt und zum Trommelmischer geleitet. 

Trocknung:

Der entwässerte Klärschlamm mit einer TR bis zu 35% wird nach der Entwässerungsmaschine mit einer Förderschnecke in den Trockenmischer eingebracht. 
Die nutzbare Heißluft wird von oben in die Öffnung des Trockenmischers eingeblasen. 
Nach dem Befüllen mit ent. Klärschlamm dreht sich der Trockenmischer in Mischrichtung nach einem abgestimmten Steuerungsprogramm. 
Dann beginnt eine speziell ermittelte Pausenzeit für die Rotation. 
Die Warmluft wird jedoch weiterhin kontinuierlich eingeblasen.
In dieser Pausenzeit bildet die Körnung des Klärschlammes eine trockene Oberfläche.  
Dadurch wird das Zusammenbacken verhindert. 
Dann wird der entwässerte Klärschlamm in dem erwärmten Trockenmischer kontinuierlich mit der Warmluft oder Trockenluft durchmischt. 
Das Wasser entweicht aus dem Klärschlamm in Form von Wasserdampf. 
Mit Hilfe eines Ventilators wird der Wasserdampf, mit dem Staub, in einem Kreislauf durch einen Filter und einen Entfeuchter wieder zurück in die Einfüllöffnung geführt. 
Während der Entleerphase und Befüllphase wird das Gewicht durch Messdosen gemessen und der Trommelmischer auf einen bestimmten Winkel eingestellt.
Das Entleeren des getrockneten Klärschlamm erfolgt durch Ändern der Drehrichtung. Dabei fördern die in den Mischer eingebauten Spiralbleche den getrockneten Klärschlamm in den breitgestellten Container. 

Bild 5: Trockner
Bild FW-Schlamm-Crakir-2.jpg

Bild 6: Trocknertrommel innen
Bild FW-Schlamm-Crakir-6.jpg

Wärmequellen:

•  Patentierte Energiegewinnung
• Raumabwärme von den Gebläsekompressoren
• Abwärme der komprimierten Druckluft
Abwärme aus Blockheizkraftwerken (BHKW) 
Klärgas aus Faulbehälter 
Biogas 
Sonnenenergie 

Verfahrensmerkmale:

die Energie ist in allen Kläranlagen vorhanden 
die nicht genutzte Energie in den Kläranlagen kann durch dieses Verfahren verwendet werden 
geringe Investitionskosten 
optimale Trocknungsleistung unabhängig vom Wetter 
geringer Arbeits- und Wartungsaufwand 
kein zusätzliches Personal nötig 
kein zusätzlicher Flächenbedarf nötig 
keine Geruchsbildung bei der Trocknung 
homogene Produktqualität 
das Trocknungskonzept kann vollautomatisch betrieben werden 
keine zusätzlichen Gebäude oder Bauwerke 
das Trocknungskonzept hat einen geringen Energieverbrauch  
staubfreie Trocknung 
keine „Verleimung“ des Klärschlamms in der Trocknungsphase 
keine Ex-Anlage 
einfache Entleerung durch Förderbleche (Flügel) im Inneren des Trockners 

Brennstoffgranulat – Ersatzbrennstoff:

•  Aus Klärschlamm-Filterkuchen ab 18% TR wird ein biogener Ersatzbrennstoff bis 90% TR. 
Korngröße von unter 1 cm Durchmesser. 
In dieser Kornform ist das Granulat blasfähig. 
Für diesen Brennstoff gibt es einen wachsenden Markt. 
Der Heizwert liegt zwischen 13.000 – 14.000 kJ/kg bei 50% – 65% organischer Substanz. 
Mit Klärschlamm als Brennstoff können Verbrennungsanlagen, Zementwerke und
Kohlenkraftwerke zum Klimaschutz beitragen.  

1 Tonne Trockenschlamm ersetzt
– 0,3 – 0,4 Tonnen Steinkohle,
– 1,0 – 1,3 Tonnen Braunkohle
Emissionen von bis zu einer Tonne CO2 aus fossilen Verbrennungen könnten vermieden werden!!!

Bild 7: Trocknungsschema:
Bild FW-Schlamm-Crakir-7.jpg

Klärschlammanalysen:

1. allgemeine Daten 
  entwässerter Klärschlamm  getrockneter  Klärschlamm   
Untersuchungsparameter  Wert / Einheit ( % )  Wert / Einheit ( % )   
pH – Wert  6,9  6,9   
Trockenrückstand ( TR)   19,9  65   
Wassergehalt  80,1  35   
Glühverlust (org. Substanz)   64,2  63   
2. Schwermetalle 
  entwässerter Klärschlamm  getrockneter Klärschlamm  
Untersuchungsparameter Wert / Einheit
(mg/kg)
Wert / Einheit
(mg/kg)
Grenzwert (mg/kg) 
Blei ( Pb )  44,4  43,2  900 
Cadmium ( Cd )  0,212  0,191  5/10 
Chrom ( Cr )  51  50  900 
Kupfer ( Cu )  668  672  800 
Nickel ( Ni )  28  28  800 
Quecksilber ( Hg )  0,71  0,77  200 
Zink ( Zn )  898  866  2000/2500 
3. Zusatzuntersuchungen 
Untersuchungsparameter  entwässerter Klärschlamm  getrockneter Klärschlamm   
  Wert / Einheit (kJ /kg)  Wert / Einheit (kJ /kg)  
Brennwert ( HO )  1.100 13.600   
Heizwert ( HO wf )   980  13.000   

Betriebskosten
bei einer Ausbaugröße von 15.000 EW

    Strombedarf 
1 Ventilator (4KW / 24BSt.)  4KW x 24h x 365d/a  35.040 KW 
1 Antriebsmotor Mischer (37KW / 1min/St.)  37KW x 24h/60s x 365  5.402 KW 
Stromkosten  40.442 KW x 0,1€/KWh   4.044 € 

Zusammenfassung:

•  die nicht genutzte Energie in den KA kann durch dieses Verfahren verwendet werden 
kann an andere Wärmequellen angekoppelt werden 
SPS-gesteuerte vollautomatische Trocknung 
kein zusätzlicher Personalbedarf 
keine zusätzliche Flächen, Gebäude und Bauwerke 
wenig Energieverbrauch 
geringe Investitionskosten 
keine Verleimung 
staubarme Trocknung 
geruchsarme Trocknung (niedrige Trocknungstemperatur bis 50 °C) 
Trocknung durchgängig im aeroben Bereich 
keine organischen Zersetzungsprodukte – keine Kompostierung 
keine Ex- Anlage 
direkte Beeinflussung der Korngröße und des Trockenrückstandes (TR) durch kontinuierliche Gewichtsmessung  
Endprodukt vielseitig einsetzbar (z.B. Brennstoffgranulat) 

Autor:

Dipl.-Ing. Ugur Cakir
Tel.:0171 7267451
Fax:07152 336664
Ugur.cakir@t-online.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Energiekosten von Kläranlagen und Kanalnetzen

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Dr.-Ing. G. Seibert-Erling/T. Etges 

1. Einleitung

Die gestiegenen Energiekosten zwingen die Verantwortlichen im privaten, kommunalen und industriellen Bereich zum Handeln. Trotz oder gerade wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation und knapper Kassen wächst der Entscheidungsdruck für energetische Investitionen, die sich bei steigenden Preisen wieder lohnen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den anteilig größten Verbrauchern. Im Kommunalen Bereich sind das üblicherweise die Abwasserreinigung (ca. 35%), die Schulen (25%) und die Straßenbeleuchtung (25%). Eine in mehrfacher Weise herausgehobene Stellung hat dabei die Kläranlage:

•  Sie ist oft der größte Einzelverbraucher und somit das von den Energieversorgern begehrte „Sahnestück“ im Stromliefervertrag einer Kommune. 
Ideen zur Verbesserung der Energieeffizienz haben finanziell und ökologisch eine große Wirkung. 
Das anfallende Klärgas ist regenerative Energie, welche bei Nutzung mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) den Wärmebedarf der Anlage fast vollständig und den Strombedarf zu etwa 25 – 40 % deckt. 
Bei einem Anteil der Energiekosten von etwa 30 – 40 % an den Betriebskosten bleibt die erste Pflicht des Betriebsleiters zwar die Einhaltung der Überwachungswerte. Der verantwortliche Umgang mit der Energie ist aber nicht weniger wichtig als Personal, Entsorgung und Abwasserabgabe.

Die Erkennung und Abschätzung von Optimierungspotenzialen ist in den letzten Jahren wegen der kaum kalkulierbaren Preissteigerungen und der energierechtlichen und steuerlichen Randbedingungen schwieriger geworden. In dem vorliegenden Beitrag soll die energetische Situation der Kläranlagen und Sonderbauwerke beleuchtet werden. Betreiber sollen motiviert werden, sich ihre eigene Situation transparent zu machen und eine Strategie zur Optimierung der Energiekosten zu entwickeln.

2. Entstehung, Ziele und Auswirkungen des neuen Energierechts

Die sich zuspitzende Situation bei den Energiekosten ist das vorläufige Ergebnis der Anfang der 90er Jahre eingeleiteten Neugestaltung des Energierechts [1]. Die wesentlichen energiepolitischen Ziele waren eine europaweite Liberalisierung des Energiemarktes und die Förderung des Einsatzes regenerativer Energien. In der Bevölkerung stieß dieses Vorhaben in Erwartung günstiger Preise und angesichts der nicht länger bestreitbaren Auswirkungen der Klimaveränderungen auf breite Zustimmung. Nun war das neue Energierecht keinesfalls zu einem bestimmten Zeitpunkt einheitlich verfügbar, sondern die einzelnen Gesetze sind auf europäischer und nationaler Ebene sukzessive, teilweise parallel und ohne gegenseitige Abstimmung beschlossen und in Kraft gesetzt worden. In Deutschland wurde zusätzlich die sog. ökologische Steuerreform eingeleitet mit dem Ziel, durch eine künstliche Verteuerung der Energie Anreize zum sparsamen Umgang damit zu schaffen. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen sollte die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden. Die praktische Umsetzung dieses politischen Großprojektes in Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften verlief jedoch schleppend. Zudem machten Lücken, Widersprüche und missverständliche Auslegungen häufige Revisionen und Überarbeitungen erforderlich. Die aktuell gültigen gesetzlichen Regelungen sind im Bild 1 dargestellt. Die letzte auch für den Abwasserbereich interessante Neuerung ist das zum 01.08.2006 in Kraft getretene Energiesteuergesetz, welches u. a. das bisherige Mineralölsteuergesetz ablöst. Mit dem heute erreichten Zwischenstand sind die großen politischen Ziele der Liberalisierung und des Einsatzes regenerativer Energien zwar formal durchgesetzt; es ist aber nicht zu übersehen, dass bei der Umsetzung zu blauäugig an das Thema herangegangen wurde und entstandene Fehlentwicklungen auf politischer Ebene spät erkannt wurden. Am Ende hält sich auch die Begeisterung der Verbraucher angesichts galoppierender Preise für Strom und Gas in Grenzen.

Bild 1: Übersicht Energierecht heute
Bild FW-Ene-Seibert-Kosten-2.jpg

Zusammenfassend hat das neue Energierecht folgende Veränderungen mit den nachfolgend aufgeführten Vor- und Nachteilen gebracht:

•  Die alte monopolistische Versorgungsstruktur wurde formal aufgebrochen und in die Bereiche Erzeugung (Kraftwerke), Transport (Netzzugang, Durchleitung) und Lieferung (Verbrauch) aufgeteilt. 
  (+)  Nach einigen turbulenten Jahren des Umbruchs hat sich der Markt neu geordnet. Jeder kann grundsätzlich seine Energie frei am Markt kaufen. Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich zur Ausschreibung verpflichtet. 
  (-)  Es existiert zwar eine dezentrale Versorgungsstruktur mit einer größeren Zahl von Anbietern. Der Markt wird aber nach wie vor von den ehemaligen großen Konzernen beherrscht. Die Verbraucher tragen die Lasten hoher und fast einheitlicher Preise.
Die ökologische Steuerreform ist umgesetzt und entfaltet die ihr zugedachte energiepolitisch lenkende Wirkung. 
  (+) Die Strom- bzw. Ökosteuer und die Umlagen (EEG und KWK) verteuern die Energie und regen zum sparsamen Umgang mit dieser sowie zu Investitionen in energieeffiziente Geräte und Anlagen an. 
  (+) Unbestreitbar hat sich unter den geschaffenen langfristig günstigen Voraussetzungen die Wirtschaft im Bereich der regenerativen Energien, vor allem die Windkraft und Bioenergie, positiv entwickelt und zahlreiche Arbeitsplätze mit guten Exportchancen geschaffen. 
  (-) Die Gesetze sind nicht wie vorgesehen der Leitfaden für energiebewusstes Handeln im Sinne der energiepolitischen Ziele, sondern die Einsparungen ergeben sich in vielen Fällen aus lückenhaften Formulierungen oder nicht berücksichtigten Sonderfällen. Juristische oder steuerliche Spitzfindigkeiten sparen teilweise mehr Geld als energieeffiziente Technik. 

3. Die Auswirkungen auf die Abwasserbranche

An erster Stelle der Auswirkungen steht natürlich der Strompreis, weil er den monatlichen Abrechnungsbetrag bestimmt. Erfreulicherweise war dieser Betrag zwischen 1995 und 1999 für fast alle Betreiber zunächst stark gesunken. Danach setzte infolge der in Stufen eingeführten Ökosteuer und der neuen Umlagen für EEG und KWK wieder ein allmählicher Preisanstieg ein. Etwa 2005 war hinsichtlich der zu zahlenden Endsumme das alte Preisniveau wieder erreicht. Für viele unbemerkt geblieben war jedoch die völlig veränderte Aufteilung der Kosten. Vor der Liberalisierung war die Mehrwertsteuer die einzige Steuer; nach der energiepolitischen Wende sind ca. 35 – 40% des Endbetrages Steuern und Umlagen (Bild 2). An dieser Stelle sei noch einmal kritisch angemerkt, dass mit der Erhebung der Mehrwertsteuer auf die zu zahlende Ökosteuer und sämtliche Umlagen eine Doppelbesteuerung vorliegt.

Bild 2: Liberalisierung und Ökologische Steuerreform
Bild FW-Ene-Seibert-Kosten-3.jpg

Eine ebenfalls spürbare Auswirkung ergab sich auf die Situation der Eigenstromerzeugung aus Klärgas und Erdgas. Für Kläranlagen verschlechterte sich infolge der sinkenden Strompreise die Wirtschaftlichkeit soweit, dass einige mit Erdgas betriebene BHKWs vorübergehend stillgelegt wurden. An einen weiteren Ausbau der Klärgasnutzung bei den erst in geringem Umfang ausgerüsteten Anlagen mit einer Ausbaugröße von 20.000 – 100.000 EW war Mitte der 90er Jahre nicht zu denken. Aber solange die schädlichste aller Varianten der Klärgasnutzung, nämlich das Abfackeln oder gar das unmittelbar die Ozonschicht schädigende Ablassen des Methangases steuerfrei blieben, gab es für die Betreiber weder eine Veranlassung noch einen finanziellen Anreiz, über eine sinnvollere Nutzung nachzudenken. Daran änderten auch die politischen Appelle für den verstärkten Einsatz regenerativer Energien und die nach dem EEG garantierte Vergütung von 7,67 ct/kWh nichts. Der BHKW-Markt in Deutschland brach bei den niedrigen Strompreisen zusammen.

Erst mit der Einführung der Ökosteuer 1999 belebte sich der Markt wieder langsam. Der erhoffte Boom bei den Kläranlagen blieb jedoch aus, weil durch die Preiserhöhung zwar die Klärgasverstromung für den Eigenbedarf interessant wurde. Für die Einspeisung nach dem EEG war bei der Gesetzgebung jedoch übersehen worden, dass bei einem Verkauf des aus Klärgas erzeugten Stroms und der im Gegenzug zu erhöhenden Fremdbezugsmenge weder die Ökosteuer und die Umlagen noch die Mehrwertsteuer kompensiert wurden [2]. Somit brachte ein Verkauf des aus Klärgas erzeugten Stroms nur für wenige größere Betreiber einen finanziellen Vorteil auf Zeit, der mit jeder Erhöhung des Strompreises weiter zusammenschmolz. Spätestens seit der letzten größeren Strompreiserhöhung in diesem Jahr ist für alle Kläranlagen bei den aktuellen steuerlichen Randbedingungen eine EEGEinspeisung uninteressant. Allerdings kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Einspeisung nach dem KWKModG einen finanziellen Vorteil bringen. Obwohl es um eine finanziell und ökologisch nicht zu vernachlässigende Größenordnung geht, sieht die Abwasserbranche bis heute nicht die Notwendigkeit einer Lobby oder einer inhaltlichen Einflussnahme auf die Gesetzgebungsverfahren – ganz im Gegenteil zu den Vertretern der Windkraft, Biomasse, Wasserkraft, Flughäfen und Chemiewerke. Den Betreibern von Kläranlagen bleibt am Ende, sich aus den Gesetzen für sie passende Teilstücke her auszusuchen und daraus mit gerade noch rechtlich vertretbaren Interpretationen ein für sie finanziell möglichst günstiges Vertragswerk zu schmieden.

4. Ansätze zur Optimierung

Die Methoden und Instrumente für eine energetische Optimierung von Kläranlagen sind vorhanden. Mit dem Handbuch „Energie in Kläranlagen NRW“ [3] steht ein umfassendes Nachschlagewerk für die Optimierung des Energieverbrauchs zur Verfügung. Die dort beschriebenen Instrumente der energetischen Grob- und Feinanalyse haben sich in der Praxis bewährt (Bild 3). 

Bild 3: Energiesparende Belüftung
Bild FW-Ene-Seibert-Kosten-4.jpg

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Anleitungen, Veröffentlichungen und Hinweise zum Thema Energie sparen [4,5,6]. Rückblickend fällt die Entstehung dieser Werke und die in NRW mit öffentlichen Mitteln geförderte Durchführung von Energieanalysen gerade in die Zeit (1999 – 2004), als der Strompreis am niedrigsten und folglich die Wirtschaftlichkeit energetischer Investitionen ungünstig war. An diejenigen Betreiber, die schon eine Energieanalyse durchgeführt haben, geht daher die dringende Empfehlung, diese mit den heutigen Energiepreisen und unter Einbeziehung zwischenzeitlich noch vorgenommener Umbauten zu aktualisieren. Viele Maßnahmen, allen voran der Einsatz von BHKWs zur Klärgasnutzung, die seinerzeit an der Schwelle zur Wirtschaftlichkeit standen, sind nach einem Anstieg der Strompreise um ca. 30% rentabel. Betreiber von Kläranlagen müssen sich bei weiter steigenden Energiepreisen aktiv mit dem Thema Energie auseinandersetzen. Der trügerischen Sicherheit einer Fortschreibung der bisherigen Energielieferverträge und einer Beibehaltung bewährter Fahrweisen sollte man sich nicht hingeben.

Die größten Kostenpotenziale liegen erfahrungsgemäß in folgenden Bereichen:

•  Stromliefervertrag und Abrechnung
Bedingt durch die Änderungen des Energierechts, häufige Tarifanpassungen und die Flexibilisierung der Vertragsgestaltung kommt es nicht selten zu Abrechnungsfehlern. Es wird deshalb empfohlen, die Basisdaten der Verträge (Bezugsleistung, Mindestleistung, Abrechnungsperiode, Maximalleistung, etc.) nicht nur rechnerisch nachzuvollziehen, sondern auch ihre fachtechnische Richtigkeit zu prüfen. Bei Kläranlagen kann der Unterschied zwischen einem Monats- und einem Jahresleistungspreis leicht 10% der jährlichen Gesamtkosten ausmachen. Bei Pumpwerken ist Aufmerksamkeit geboten, wenn die Betriebsweise geändert oder die Förderleistung nach unten korrigiert worden ist. Versäumt man dabei die Anpassung der elektrischen Bezugsleistung, wird infolge der üblichen Klausel für die Mindestleistung (i. d. R. 60% der Bezugsleistung) oft jahrelang ein viel zu hoher Leistungspreis abgerechnet.

Verbrauchsreduzierung und Verbesserung der energetischen Effizienz von Kläranlagen
Besondere Aufmerksamkeit gilt den größeren und im Dauerbetrieb laufenden Aggregaten wie Verdichtern und Pumpen. Die Wirtschaftlichkeit der Erneuerung einer Verdichtergruppe kann man leicht torpedieren, indem ein kompletter Austausch der erfahrungsgemäß zu groß dimensionierten alten Verdichter durch neue und energetisch hocheffiziente, aber auch teurere Aggregate angesetzt wird. Hier gilt jedoch die Regel: „Auch der beste Motor spart keine Energie, wenn er nicht läuft!“ Die Maßnahme wird sofort rentabel, wenn die Erneuerung auf den Umfang der nach Erfahrungswerten tatsächlich benötigten Luftmenge beschränkt wird. Es ist also durchaus eine Alternative, von 5 alten Drehkolbengebläsen, von denen vielleicht 2-3 bei normaler Belastung den Luftbedarf decken, nur 2 Stück zu erneuern oder sogar durch Turboverdichter zu ersetzen. Die alte These, dass Drehkolbenverdichter und Turboverdichter nicht gemeinsam betrieben werden sollen, war nicht mehr als ein Marketing-Argument der Hersteller und ist heute durch praktische Erfahrungen widerlegt (Bild 4). 

Bild 4: Gebläsestation Bergisch Gladbach
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Ebenfalls interessant ist eine Betrachtung der Lebenszykluskosten für eine Aggregategruppe oder einen Anlagenbereich [7]. Bleibt man bei der Belüftung, dann kann man überschlägig annehmen, dass auf der Basis heutiger Energiekosten die Drucklufterzeugung für eine Kläranlage mit 100.000 EW über 10 Jahre rd. 1,45 Mio. EUR kostet (Tabelle 1). Davon entfallen 200.000 EUR auf die Beschaffung der Verdichter, die restlichen 1,25 Mio EUR sind Energiekosten. Investiert man nach dem zuvor dargestellten Vorschlag vielleicht 100.000 EUR mehr für die Beschaffung energieeffizienter Aggregate und spart dadurch 25% der Energiekosten, dann ergibt sich bereits ein finanzieller Vorteil von 200.000 EUR zugunsten der besseren Aggregate. Steigt der Strompreis in den folgenden 10 Jahren im Mittel um 30%, dann beträgt die Einsparung 275.000 EUR – das ist mehr als der die zu tätigenden Investitionskosten. Wichtig ist allerdings, nur in die Maschinen zu investieren, dieauch tatsächlich im Dauerbetrieb laufen (Bilder 5 und 6).

Bild 5: Turboverdichter Düsseldorf
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Bild 6: Veralteter Energiefresser
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Die ohnehin fragwürdigen Argumente der einheitlichen Ausrüstung und Ersatzteilhaltung oder der gleichmäßigen Maschinenauslastung sind bei weiter steigenden Energiepreisen nicht mehr vertretbar. 

Technische Ausrüstung von Pumpstationen
In Pumpstationen sind oftmals elektrische Heizungen eingebaut, um die Ausrüstungsteile und Schaltschränke vor Frost und Feuchtigkeit zu schützen. Eine Investition in klimatische verbesserte Schränke kann eine erhebliche Senkung der Energiekosten bewirken. Nicht selten verursachen defekte oder falsch eingestellte Thermostate einen Dauerbetrieb der Heizungen. Bei nur 2 Heizungen mit einer Leistung von je 3 kW sind das jährliche Energiekosten von 5.000 EUR, die oft nicht bemerkt werden. 
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Fahrweise von BHKW-Anlagen
Beim Betrieb von Heizungen und BHKW-Anlagen mit Klärgas und Erdgas, was auf vielen Kläranlagen schon aus Verfügbarkeits- und Redundanzgründen möglich ist, muss bei der Festlegung der Fahrweise neben der energetischen auch die finanzielle und steuerliche Seite gesehen werden. Nach dem neuen Energiesteuergesetz (früher nach dem Mineralölsteuergesetz) wird die Steuer auf Erdgas beim Einsatz zur Kraft-Wärme-Kopplung komplett erstattet, hingegen beim Verfeuern in der Heizung nicht. Dies ist vielen Klärmeistern oder Anlagenfahrern nicht unbedingt geläufig. Es kommt daher öfter vor, dass vornehmlich in der kalten Jahreszeit nach wie vor Klärgas mit den BHKWs verstromt wird und zusätzlich Erdgas in den Heizungen verfeuert wird. Durch ein einfaches Umstellen der Gasart lassen sich bei einer mittelgroßen Anlage schnell einige 10.000 EUR Steuern einsparen. Die Erstattung in Höhe von 5,50 EUR/MWh Erdgas erfolgt auf Antrag beim örtlich zuständigen Hauptzollamt. 

5. Ausblick

Die Bereiche Abwasser und Energie werden zukünftig stärker verschmelzen. Die steigenden Energiepreise wirken sich nicht nur auf die Strom- und Gasrechnung aus, sondern das Abwasser und die Kläranlage werden neuerdings als energiewirtschaftliche Faktoren interessant. Beim Abwasser bzw. Schlamm reichen die Gedanken von der schon in einigen Projekten umgesetzten Nutzung der Abwasserwärme bis hin zur Aufbereitung und Abgabe in Form von Wasserstoff als Energie für die zukünftigen Antriebstechnologien [8]. Die Kläranlage wird unter infrastrukturellen Gesichtspunkten zunehmend interessant als Standort für energetische Prozesse. Kläranlagen liegen traditionell außerhalb von Wohngebieten, sind aber hinsichtlich Gasund Stromversorgung als Großverbraucher sehr gut angebunden und auch verkehrstechnisch wegen der notwendigen Transporte für Schlamm, Fällmittel, etc. meist gut erschlossen. Das häufig bestehende energetische Ungleichgewicht in der Energiebilanz, im Wesentlichen gekennzeichnet durch permanent hohen Strombedarf, hohen Wärmeüberschuss im Sommer und noch unerschlossenen Energiequellen (Abwasserwärme, etc.) ließe sich durch Aufstellung oder Ansiedlung von weiteren Erzeugern oder Verbrauchern sehr kostengünstig ausgleichen. Kläranlagen als Standorte für Windkraftanlagen, Biogaserzeugung, Gewächshäuser, Trocknungsanlagen für Industrieprodukte oder Gastankstellen sind längst nicht nur energiepolitische Sandkastenspiele oder ökologische Visionen energieautarker Betriebsführung [9]. Bei den zu erwartenden Preissteigerungen rückt die Kläranlage aus energetischer Sicht immer stärker in den Focus wirtschaftlich interessanter Nutzungsmöglichkeiten. Genauso wie sich viele Landwirte plötzlich in einer neuen Rolle als „Energiewirt“ wieder finden, wird sich auch der eine oder andere Klärmeister oder Betriebsleiter zukünftig vermehrt mit energetischen Fragestellungen auseinandersetzen müssen, die über die reine Verbrauchs- und Kostenoptimierung des Abwasserreinigungsprozesses hinausgehen.

Literatur 

 

[1]  Rayermann, M., Loibl, H. (Hrsg.): 
  Energierecht, Handbuch 
  Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2003 
[2]  Seibert-Erling, G.: 
  Neue Energiepolitik und niedrige Strompreise Fluch oder Segen für die Kläranlagen ? 
  Beitrag zum Seminar „Die transparente Kläranlage“ am 10.5.1999 in München, erschienen im gleichnamigen Tagungsband, Hrsg. Fa. Dr. Lange, Düsseldorf, 1999 
[3]  Müller, E.A., Kobel, B., Pinnekamp, J., Seibert- Erling, G., Schaab, R., Böcker, K.: 
  Handbuch Energie in Kläranlagen NRW 
  Hrsg.: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein- Westfalen, Düsseldorf, 1999 
[4]  Schmitt, F., Weil, Chr., Seibert-Erling, G., Brandenburg, H.: 
  Energieanalyse als Instrument der Betriebskosten und Verfahrensoptimierung 
  Korrespondenz Abwasser 46 (1999), S. 399- 409 
[5]  Roth, M., Baumann, P.: 
  Senkung des Stromverbrauchs auf Kläranlagen – Leitfaden für das Betriebspersonal, 
  Hrsg.: ATV Landesgruppe Baden- Württemberg, Stuttgart, Nov.99 
[6]  Pinnekamp, J., Kobel, B.: 
  Vorgehensweise bei der Erstellung von Energiekonzepten für Kläranlagen, 
  erschienen in : Gewässerschutz, Wasser, Abwasser, Bd. 172, 32. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft vom 17.3. – 19.3.99 in Aachen 
[7]  Kopf, U.: 
  Lebenszykluskosten von Pumpen 
  Vortragsmanuskript zum Firmenseminar der Fa. EGGER, Schweiz, 2001 
[8]  Gredigk-Hoffmann, S., Vogt, R.: 
  Technische und ökologische Bewertung verschiedener Produktions- und Nutzungswege von Wasserstoff als Energieträger auf Kläranlagen 
  erschienen in : Gewässerschutz, Wasser, Abwasser, Bd. 198, 38. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft vom 9.3. – 11.3.2005 in Aachen 
[9]  Kraft, A., Rossol, D., Meyer, H.: 
  Energetische Optimierung einer Kläranlage unter besonderer Berücksichtigung der Energieträger Erdgas und Wasserstoff 
  erschienen in : Gewässerschutz, Wasser, Abwasser, Bd. 198, 38. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft vom 9.3. – 11.3.2005 in Aachen 

Anschrift der Verfasser

Dr.-Ing. G. Seibert-Erling
Tanja Etges

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Fax: 02234-988 095-11
Mail: info@setacon.de
Web: www.setacon.de

Co-Vergärung – neue Biogasquelle?

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Die Mitbehandlung von Bio-Abfällen im Faulbehälter zur Erhöhung der Gasausbeute scheint auch für KA eine attraktive Quelle zusätzlicher Energiegewinnung zu sein. Doch wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Co- Vergärung?

Der Bericht der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Koblenz gibt einen Überblick, an welche Vorschriften zu denken ist:

Zu finden in der Rubrik Fachwissen/Biogaserzeugung:
https://klaerwerk.info/Biogaserzeugung/Wissenschaftliche-Berichte-zur-Biogaserzeugung

TOSU im Trinkwasser

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Sauberes Trinkwasser für vier Millionen Menschen

Keine Kompromisse beim Gesundheitsschutz: Regierungspräsident Helmut Diegel wird die in den letzten Tagen bekannt gewordene Belastung der Ruhr durch die Industrie-Chemikalie Tetraoxaspiro(5.5)-undecan, kurz „Tosu“, nicht hinnehmen. Die Bezirksregierung hat am Freitag verfügt, dass das Arnsberger Chemieunternehmen Perstorp ab sofort sicher stellen muss, dass der von der Trinkwasserkommission beim Bundesumweltamt festgesetzte „lebenslang gesundheitlich duldbare Orientierungswert“ (GOW) von 0,3 Mikrogramm pro Liter Wasser auch in der Ruhr nicht mehr überschritten werden darf. „Auch wenn es bislang noch keine toxikologische Bewertung dieser Chemikalie gibt, ist eben nicht auszuschließen, dass ,Tosu‘ die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen kann. Ich sehe zum Schutz der vier Millionen Menschen, die ihr Trinkwasser aus der Ruhr beziehen, keinen anderen Weg, als die Einleitung durch die Firma Perstorp nachhaltig zu beschränken“, so Regierungspräsident Helmut Diegel.

In sechs Wasserwerken an der Ruhr war „Tosu“ bei Messungen im März in Konzentrationen deutlich jenseits des GOW nachgewiesen worden. Als Einleiter der Chemikalie kommt ausschließlich die Firma Perstorp in Frage – „Tosu“ fällt dort bei der Produktion von Pentaerythrit an, einem Grundstoff u.a. für die Lackherstellung und für Schmierstoffe.

Der Hochsauerlandkreis als damals zuständige Behörde hatte im Februar 2000 die Einleitung von „Tosu“ in die Ruhr genehmigt. Diese Genehmigung wurde am 11. April 2008 seitens der – seit dem 1. Januar 2008 zuständigen – Bezirksregierung mit strengen Auflagen modifiziert. Danach darf die Firma ab sofort nur noch 1,2 Milligramm Tetraoxaspiro(5.5)-undecan statt 42 Milligramm pro Liter in die Ruhr einleiten. Des Weiteren wurde dem Unternehmen aufgetragen, wöchentlich Abwasseruntersuchungen an der Einleitungsstelle vorzunehmen – statt bislang acht Untersuchungen pro Jahr. Gleichzeitig ist die sofortige Vollziehung des Änderungsbescheides angeordnet worden.

„Die Bezirksregierung setzt damit ein klares Zeichen für sauberes Wasser für vier Millionen Menschen. Dies besitzt für mich höchste Priorität“, so Helmut Diegel.