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1. Einleitung
Das Belebtschlammverfahren ist das am weitesten verbreitete Verfahren zur Reinigung kommunaler Abwässer. Die Qualität des Ablaufwassers ist sehr stark von der Effizienz der Fest/ Flüssig-Trennung im Nachklärbecken abhängig. Diese ist nur hoch, wenn die Bildung von Belebtschlammflocken im Belebungsbecken ungestört funktioniert.
Im Zuge der weitergehenden Abwasserreinigung ist auf Kläranlagen die Stickstoff- und Phosphorelimination eingeführt worden. Besonders für die Optimierung der Nitrifikation ist der Parameter „Säurekapazität“ von großer Bedeutung, da die nitrifizierenden Bakterien Säure produzieren. Sofern das Abwasser nicht über eine ausrei-chend hohe Säurekapazität verfügt, kann der pH-Wert dadurch unter 7,0 fallen. In diesem pH-Bereich sind jedoch sowohl die Nitrifikationsleistung als auch die Belebtschlammflockenbildung stark beeinträchtigt.
Doch nicht immer ist eine zu geringe Säurekapazität die alleinige Ursache für kleine, leichte und scherempfindliche Belebtschlammflocken. Fast genau so häufig sind erhöhte Natriumkonzentrationen im Zulauf für schlecht absetzbare Belebtschlammflocken (mit)verantwortlich.
2. Die Entstehung von schlecht absetzbaren Belebtschlammflocken
Ursache für die ungünstige Flockenstruktur ist in der Regel die Aneinanderreihung folgender Umstände:
→ | Niedrige Härtegrade im Einzugsbereich der Kläranlage und/oder ein hoher An-teil an Niederschlagswasser im Zulauf führen zu niedrigen Calciumgehalten im Zulauf der Kläranlage. |
→ | Der Belebtschlamm und das zufließende Abwasser kommen in Kontakt und die Calciumionen im Schlamm und im Wasser verteilen sich gemäß dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht auf beide Fraktionen. |
→ | Ist die Calciumkonzentration im Zulauf gering – was bei hohem Niederschlagswasseranteil die Regel ist – wird dem Belebtschlamm viel Calcium entzogen und gelangt in den Vorfluter. Da das Calcium jedoch für den Zusammenhalt der Belebtschlammflocken entscheidend verantwortlich ist, werden die Flocken mit der Zeit immer kleiner, leichter und scherempfindlicher. |
→ | Aufgrund der Nitrifikation, bei der Salpetersäure (HNO3) produziert wird, wird Calcium zur Bildung von Puffersubstanzen (Calciumhydrogencarbonat) benötigt und bei Bedarf aus dem Belebtschlamm herausgelöst. Je mehr nitrifiziert wird, desto mehr Calcium aus dem Schlamm herausgelöst. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man Trüb- und Filtratwässer behandelt. |
→ | Bei der Denitrifikation wird Lauge produziert, wodurch die Hälfte der bei der Nitrifikation verbrauchten Säurekapazität zurück gewonnen werden kann. Ist die Denitrifikationsleistung aufgrund von „Futtermangel“ (Mangel an leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen) nur eingeschränkt möglich, wird auch wenig Säure abgepuffert. Der pH-Wert im Ablauf sinkt. |
→ | Bei niedrigen Temperaturen löst sich Sauerstoff im Belebungsbecken wesentlich besser als bei hohen Temperaturen. Deshalb kann die Belüftungsintensität reduziert werden. Infolge dessen wird jedoch auch weniger CO2 aus der Belebung herausgestrippt und bleibt als Kohlensäure im Wasser. Diese Kohlensäure verbindet sich ebenfalls mit Calcium zu Calciumhydrogencarbonat und gelangt in den Vorfluter. |
→ | Reicht das im Zulaufwasser und im Belebtschlamm verfügbare Calcium nicht mehr aus, um sowohl die bei der Nitrifikation entstehende Salpetersäure, als auch die beim C-Abbau entstehende Kohlensäure anzupuffern, sinkt der pH-Wert des Abwassers, wodurch die Nitrifikation deutlich verlangsamt wird, bis sie zum Erliegen kommt. |
→ | Bei einem pH-Wert < 6,8-7,0 im Belebungsbecken ist das Wasser in der Belebung in der Regel „kalkaggressiv“ und löst alle verfügbaren Kalk- bzw. Calciumverbindungen sowohl im Belebtschlamm als auch im Beton der Beckenwände auf. Die gelösten Calciumverbindungen gelangen in den Vorfluter. Mit der Zeit können so erhebliche Schäden am Beton entstehen. |
→ | Ohne Calciumverbindungen im Schlamm gibt es keine vernünftige Belebtschlammflocke. Der Belebtschlamm treibt bei hydraulischer Belastung der Kläranlage in Form von Feinsuspensa ab. Der Ablauf ist trüb, die CSB- und Ges.-P-Gehalte steigen deutlich an. |
→ | Kommt der durch oben genannte negative Einflüsse vorgeschädigte Belebtschlamm mit Natriumionen (aus industriellen Abwässern oder durch Streusalzeinsatz im Einzugsgebiet)in Kontakt, tauschen die Natriumionen die verbleibenden Calciumionen im schlimmsten Fall innerhalb weniger Stunden aus, so dass der Belebtschlamm vollends seine Flockungsfähigkeit verliert. |
Zusammenfassend führen folgende Faktoren zu dem auf Kläranlagen zu schlecht absetzbaren Belebtschlammflocken:
→ | Niedrige Wasserhärte im Trinkwasser des Einzugsgebietes |
→ | Hoher Niederschlagswasseranteil im Zulauf |
→ | Geringe Temperaturen |
→ | Hohe Stickstoffgehalte im Zulauf |
→ | Behandlung von Trüb- und Zentratwässern |
→ | Eingeschränkte Denitrifikation aufgrund von „Futtermangel“ |
→ | Häufiger Schneefall mit Streusalzeinsatz |
→ | Hohe Natriumgehalte im Zulauf |
→ | Problem: Effektive Belüftungssysteme |
Leider treffen alle Faktoren vor allem im Winter, aber teilweise auch im Sommer, zu.
Die einzige Möglichkeit, den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen, ist eine gezielte Calciumzugabe mit Hilfe eines geeigneten calciumhaltigen Produkts. Dafür kommen folgende Kalkprodukte in Frage:
→ | Kreide (CaCO3) |
→ | Kalkhydrat |
→ | Dolomit (CaCO3+MgCO3) |
Aus folgenden Gründen empfehlen wir in der Regel den Einsatz von Kreide:
→ | Schnelle Verfügbarkeit (Zugabe aus dem LKW möglich) |
→ | Vorteile beim Handling (kein Risiko für Haut, Augen und Lunge, da pH-neutral) |
→ | Günstiger Preis |
→ | Sehr hohe Säurepufferwirkung |
→ | Geringe Calcium-Verluste über den Ablauf |
→ | Hohe Oberfläche |
→ | Gute Unterstützung vom Hersteller. |
Mit dem Einsatz von Kreide sind folgende Effekte zu erwarten:
– | Verringerung des Flockenabtriebes aus den Nachklärbecken, |
– | Erhöhung der Sichttiefen, Verringerung der Trübung und der Gehalte an abfiltrierbaren Stoffen im Ablauf, |
– | Verringerung der Ammonium-, CSB-, BSB5– und Phosphatkonzentrationen im Ablauf und Vermeidung von Spitzen, |
– | Verbesserung der Entwässerungseigenschaften des Faulschlammes. |
Die Zugabe der Kreide sollte direkt aus dem Silo in das Belebungsbecken erfolgen. Die Kreide sollte nicht mit Rohabwasser in Kontakt kommen. Die Dosierung ist einfach und unkompliziert und erfolgt trocken.
Zu beachten ist, dass sich durch den Kreideeinsatz der Schlammanfall etwas erhöht. Da die Kreide sich sehr positiv auf die Klärschlammentwässerbarkeit auswirkt, führt der Trockenmassezuwachs in der Regel nicht zu einer Erhöhung der zu entsorgenden Schlammmengen.
Autorin:
Bioserve GmbH
Kirsten Sölter
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55129 Mainz
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soelter@bioserve-gmbh.de
Literatur:
1. | Sölter, K.: Die Bedeutung der Säurekapazität auf Kläranlagen, Anwendungsbericht Ch. No. 77, Hach Lange GmbH (siehe www.hach-lange.de) |
2. | Kara, F. et al: Monovalent cations and their influence on activates sludge floc chemistry , structure and physical characteristics von Kara, F. et. al; Biotechnoloy and Bioengineering Volume 100, No. 2, June 1, 2008, http://www3.interscience.wiley.com/journal/117864364/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0 |
3. | Bever, J. et. al. 1993: Weitergehende Abwasserreinigung, R. Oldenbourg Verlag München, Wien, 2. Auf-lage, ISBN 3-486-26277-7 |
4. | Hänel, K. 1986: Biologische Abwasserreinigung mit Belebtschlamm, VEB Gustav Fischer Verlag Jena, ISBN 3-334-00023-0 |
5. | Kapp, H., 1983: Zur Interpretation der Säurekapazität des Abwassers, gwf wasser/abwasser 124 (1983), H. 3, S. 127 – 130 |
6. | Tlamicha, J., 1999: Ergebnisse einer Berechnung mit dem dynamischen Simulationssystem der Fa. UAS Messtechnik GmbH, Ruhmannsfelden für den Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e.V., Köln |
7. | Sölter, K., 1998: Einsatz von Kalk zur Unterstützung der biologischen Abwasserreinigung, Vortrag an-lässlich der 12. Karlsruher Flockungstage, 14./15. 12.1998 |
8. | Strohmaier, A. 1996: Fällungschemikalien – Auswahlkriterien und Kosten, Vortrag, ATV-Seminar für die Abwasserpraxis, 6./7. 11. 1996, BITZ 13/96 |