Es gibt rund 10 Millionen Schachtbauwerke in Deutschland. Sie sind damit ein wesentlicher
Bestandteil bei der Errichtung und der Nutzung von Abwasserleitungen und -kanälen. Schon
die Vielfalt an Funktionen von der Abwasserableitung über die Richtungsänderung bis hin zur
Sicherstellung der Zugänglichkeit für Inspektion, Reinigung und Zustandserfassung machen
die Bedeutung der Bauwerke deutlich. Auch die gesetzlichen Grundlagen – so das Wasserhaushaltsgesetz
(WHG) und das Landeshaushaltsgesetz (LWG) – beziehen die „Tore zur Unterwelt“
konkret mit ein. Doch die Praxis zeigt: Entgegen ihrer Bedeutung werden Schachtbauwerke
bei Sanierungsarbeiten an den Kanalnetzen eher stiefmütterlich behandelt. Zur Zeit
erfolgt die Sanierung von Schächten mit vorgefertigten Kurzrohren, örtlich hergestellten und
erhärtenden Auskleidungen, montierten Einzelelementen, integrierten Verankerungen, GfKoder
PE-Segmenten, Ortslaminaten, mineralischen Beschichtungen, organischen Beschichtungen
und anderen Verfahren. Diese Verfahren sind hinlänglich bekannt, werden sie aber
auch richtig eingesetzt? Mit einem neuen Merkblatt „6.2 Schachtsanierung“ will der RSV –
Rohrleitungssanierungsverband e.V. eine Orientierungshilfe für Planer und Betreiber schaffen.
In dem Merkblatt sollen Anforderungen an die Verfahren, Gütesicherung und Prüfungen
beschrieben werden, die als Grundlage für eine Bewertung des Bauwerkes und der Schadensbilder
sowie für die Wahl des richtigen Sanierungsverfahrens geeignet sind.
Bild1: gemauerter Schacht (Foto: Sturm)
Ganzheitliche Betrachtungsweise
Vor einem Jahr wurde der Arbeitskreis „Schachtsanierung“ ins Leben gerufen. Bei der Arbeit
der 29 Teilnehmer – hierunter Hersteller, Anwender, Netzbetreiber, Sachverständige und Mitarbeiter
aus Ingenieurbüros sowie Forschung und Lehre – steht in erster Linie die Betrachtung
des Gesamtbauwerks im Mittelpunkt. In neun Untergruppen werden die Themen Zustandserfassung,
Statik, Schachtkopf, Werkstoff GFK, Werkstoff PE, Organische Werkstoffe, Mineralische
Werkstoffe, Einbauten/Steighilfen und Prüfungen im eingebauten Zustand bearbeitet.
Ende 2010 soll der Entwurf für ein neues RSV-Merkblatt vorgestellt werden, das sich „rund
um den Schacht“ mit allen Aspekten von der Statik bis zu den geeigneten Sanierungsverfahren
beschäftigt. Die Arbeiten hieran schreiten zügig voran und der Inhalt nimmt konkrete
Formen an. Zurzeit gliedert sich die „Abfolge der statischen Nachweisführung einer Schachtsanierung“
wie folgt:
1. Einordnung Altschacht in den Altschachtzustand durch Inspektion; gegebenenfalls ist
eine Standsicherheitsbetrachtung des Altschachtes erforderlich
2. Wahl des geeigneten Sanierungsverfahrens
a. Verfahren ohne statische Wirkung
– dichtendes Verfahren für Altschachtzustand I
– dichtendes Verfahren mit Rissüberbrückung für Altschachtzustand II
oder
b. Verfahren mit statischer Wirkung
– dichtendes Verfahren mit Rissüberbrückung und statischer Wirkung
für Altschachtzustand III
3. Nachweise für den Betriebszustand in Abhängig von
a. Beanspruchung
Für die Ermittlung der Beanspruchungen ist sinngemäß A 127 anzuwenden.
Besonderheiten für die Nachweisführung der Schächte ergeben sich:
– aus der direkten Belastung der Schächte durch Verkehrslasten
– Schwächungen in der Tragstruktur (Einbindungen)
– der i.d.R. geometrisch ungleichmäßigen Ausbildung des Schachtbodens
(Berme; Gerinne)
b. Altschachtzustand
Die Besonderheiten der Berechnung, die in A 127 nicht enthalten sind, enthält
M 127-2 für ausgewählte Lining- und Montageverfahren:
– Imperfektionen bei der Bettung im Altschacht
– Langzeit-Spannungsnachweis für den langzeitig wirkenden äußeren
Wasserdruck
– Kontaktdruckprobleme
– nichtlineare Berechnung (Theorie II. Ordnung)
Die Bemessungsregeln gelten für Bau- und Betriebszustand; es wird von standsicheren
Altschacht-Bodensystem ausgegangen.
Für andere Verfahren sowie über die in M 127-2 hinausgehenden Randbedingungen
sind gesonderte Überlegungen erforderlich.
c. Verfahren
Abhängig vom Verfahren sind zusätzliche Nachweise für den Bauzustand erforderlich,
beispielsweise
– Einbau / Einziehen
– Verfüllen Ringraum
1. Dämmerdruck
2. Temperatur Aushärtung
Bild 2: Vorgesehene Sanierung mit GfK-Auskleidung
Bild 3: Maschinelle Beschichtung mit Mörtel (Fotos: Sturm)
„Die Bedeutung, Funktion und Erhaltung von Schächten ist genauso wichtig wie die des Kanals“
macht der geschäftsführende RSV-Vorstandsvorsitzende Dipl.-Volkswirt Horst Zech
deutlich. „Vielmehr noch sind Schächte weitaus stärkeren Beanspruchungen ausgesetzt, als
der im Erdreich liegende Kanal, denn über die Schachtabdeckung werden direkt Kräfte in den
Schacht eingeleitet.“ Kein Verständnis hat Zech deshalb für unsachgemäßes Vorgehen, etwa
wenn Fachleute aus anderen Gewerken – zum Beispiel Straßenbauer – an den Schächten arbeiten.
Mängel in der Praxis
Um eine sinnvolle Schachtsanierung durchführen zu können muss der Zustand des Schachtes
zuerst erfasst werden. Die Erfahrungen zeigen, dass die ersten Konflikte hier schon vorprogrammiert
sind. Der Schacht wird mit Wasserhochdruck gereinigt und dann inspiziert. Bei
einer solchen Vorgehensweise können kleine Undichtigkeiten nicht mehr festgestellt werden.
Hinzu kommt: Während bei der Kanalsanierung die statische Berechnung und Prüfung der
eingebauten Materialen wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen Renovierung sind, werden
Schächte sträflich vernachlässigt. Auch bei der Sanierungsmaßnahme kommt es immer
wieder zu unsachgemäßen Vorgehensweisen. So sind die Anforderungen an das Schachtsanierungssystem
teilweise höher als sie das alte System erfüllen kann. Oft wundern sich nachher
die Beteiligten, dass der zuvor dichte Schacht nach der Kanalsanierung plötzlich starken
Grundwassereintrag zeigt.
Enormer Handlungsbedarf
Diese Beispiele belegen den enormen Handlungsbedarf. Bei der Abnahme, aber auch innerhalb
der Gewährleistungsfrist kommt es bei Schächten immer wieder zu Beanstandungen und
Mängelrügen. Die Mängelliste ist lang: Sie reicht von fehlerhafter Dimensionierung, falscher
Ausbildung von Gerinnen und Auftritten, falschem Steigmaß oder fehlerhafter Montage der
Schachtabdeckung bis hin zu Undichtigkeiten und vielem mehr. „Dem wollen wir mit dem
neuen RSV-Merkblatt 6.2 Schachtsanierung vorbeugen“, so Zech.
(Quelle: RSV – Rohrleitungssanierungsverband e.V.)