Innovative Lösung für Verwertung organischer Abfälle in Paris
Deutsch-französisches Konsortium errichtet Pilotanlage für innovative Technologiekombination im Großraum Paris
Zuschlag für ein deutsch-französisches Konsortium: Ab März 2020 werden die fünf Partner Tilia GmbH (Leipzig), GICON – Großmann Ingenieur Consult GmbH (Dresden), France Biogaz Valorisation (Strasbourg), Fraunhofer IGB (Stuttgart) und DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (Leipzig) im Großraum Paris eine Pilotanlage mit neuen Verfahren zur gemeinsamen Behandlung von organischen Restabfällen und Klärschlämmen errichten und betreiben. Wenn sich das Pilotprojekt bewährt, soll nach diesem Konzept ab 2025 eine industrielle Großanlage unter anderem bis zu 76.000 Tonnen organischer Reststoffe pro Jahr umweltgerecht zu Biogas und Dünger verarbeiten.
Verfahrensschema zur Verwertung der organischen Abfälle.
Neues Vertragsmodell macht mehr möglich
Gestartet war das Projekt bereits 2017 mit einem neuen Vertragsmodell – die Innovationspartnerschaft. „Diese neue Art eines öffentlichen Auftrags ermöglicht es, Anforderungen und Bedürfnisse zu erfüllen, die der Markt und vorhandene Produkte oder Dienstleistungen bisher nicht abdecken konnten“, sagt Christophe Hug, Geschäftsführer des Leipziger Dienstleisters Tilia. „Im Gegensatz zu üblichen Forschungsprojekten bleibt es aber nicht dabei, innovative Lösungen zu entwickeln – sie werden auch unmittelbar in der industriellen Praxis umgesetzt. Der Auftraggeber hat dann die Möglichkeit, bei mehreren Auftragnehmern mitzuarbeiten und verschiedene Wege zu testen, bevor er sich für eine Lösung entscheidet.“
Für eine erste Labor- und Konzeptphase haben zwei kommunale Pariser Zweckverbände (Syctom und SIAAP) 2018 zunächst 4 Konsortien ausgewählt, technologische Konzepte für eine maximale Verwertungsquote der Abfallfraktionen zu entwickeln. Dies erfolgte zeitlich parallel im Sinne eines Wettbewerbs. Das in Phase 1 von der Leipziger Tilia geführte deutsch-französische Konsortium hatte im Ergebnis der ersten Projektphase ein innovatives Technologiekonzept aus verschiedenen Modulen präsentiert, mit denen eine maximale Umwandlung von organischem Kohlenstoff in den Energieträger Biomethan sowie eine Nährstoffrückgewinnung ermöglicht wird. Dafür wurden fast 8.000 Kilogramm organischer Reststoffe (Hausmüll, Klärschlamm, Pferdemist sowie Fett) analysiert und hunderte Tests durchgeführt.
Um die Machbarkeit und die Leistung des konzipierten Behandlungskonzeptes beweisen zu können, entwarf das Konsortium anschließend eine Pilotanlage, die eine spätere Großanlage im „Kleinen“ darstellt. Grundlage für die Planung und Auslegung der Pilotanlage bildeten dabei die in den Laboren von DBFZ, Fraunhofer IGB und GICON ermittelten Versuchsergebnisse.
GICON®-Geschäftsführer Dr. Hagen Hilse beschreibt die Bedeutung eigener Forschung & Entwicklung: „GICON setzt seit der Firmengründung vor mehr als 25 Jahren auf die Entwicklung innovativer Technologien und hat dabei neben eigenen Forschungstätigkeiten eine enge Kooperation mit Forschungseinrichtungen aufgebaut. Dank unseres aufgebauten Know-hows und der vorhandenen Infrastruktur für Substratversuche konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern eine passgenaue Lösung zur Behandlung und Weiterverwertung der Pariser Abfälle entwickeln. Das ist ein Musterbeispiel für anwendungsorientierte Forschung.“
Vom Pilotprojekt zur industriellen Großanlage
Das Konzept hat offenbar überzeugt: Im Januar 2020 haben Syctom und SIAAP zwei Konsortien beauftragt, in Phase 2 der Innovationspartnerschaft eine Pilotanlage zu errichten, darunter das von Tilia geführte Konsortium. Für den Auftrag hatte auch die langjährige Erfahrung der deutschen Konsortiumsmitglieder bei der Methanisierung und Nährstoffrückgewinnung eine entscheidende Rolle gespielt. „Tilia verfügt über ein breites Wissen in der Konzipierung von innovativen technischen Lösungen sowie im Betrieb von Anlagen und gewährleistet die technisch-wirtschaftliche Integration“, so Christophe Hug. „Als deutsch-französisches Unternehmen und dank ihrer Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Bereichen konnten wir auch den kooperativen Dialog und das Projektmanagement erfolgreich meistern.“
Im März 2020 wird die Umsetzung des Pilotprojekts beginnen, wofür der Dresdner Ingenieurdienstleister GICON die übergreifende Generalplanung für die gesamte Pilotanlage übernimmt. Zunächst beschäftigt sich das Konsortium mit den detaillierten Planungen für die Pilotanlage, die aus mehr als 8 einzelnen technologischen Komponenten (Modulen) besteht und eine Behandlungskapazität von ca. 400 Tonnen pro Jahr erreichen wird.
Ab 2021 werden die Bauarbeiten in der Nähe von Paris starten. Anschließend werden alle Module zusammen in einer zwölfmonatigen Testphase betrieben. Dabei werden die optimalen Betriebsparameter sowie ein für alle innovativen Module aufeinander abgestimmtes Betriebsregime ermittelt. Aufbauend darauf erfolgt eine Validierung der Umsetzbarkeit und Leistungsfähigkeit des Behandlungskonzeptes für die industrielle Anlage.
Am Ende dieser Erprobungsphase werden die zwei Zweckverbände auf Basis der Versuchsergebnisse und der Leistungsfähigkeit der Pilotanlage entscheiden, ob das Konzept auch im industriellen Maßstab realisiert werden soll. Mit der industriellen Anlage könnten dann pro Jahr enorme Mengen organischer Reststoffe mit einem hohen Wertschöpfungsgrad verarbeitet werden – unter anderem bis zu 76.000 Tonnen aufbereiteter organischer Restabfall und erhebliche Mengen von Klärschlamm und Pferdemist.
Hintergrundinformation
Bei der Aufbereitung von Abfällen und Abwässern, entstehen verschiedene Reststoffe. In Frankreich ist deren Weiterverwertung, Entsorgung oder Rückführung mittlerweile stark reglementiert – teilweise sogar verboten. Lösungen zur stofflichen und energetischen Verwertung sind gefragt. So auch im Großraum Paris, wo die Verbände Syctom und SIAAP für Abfall- und Abwasserbehandlung zuständig sind. Um die strengen Vorgaben umzusetzen, haben sie ein gemeinsames Co-Behandlungs-Projekt aufgesetzt: „Cométha“.
• Presseinformation [ PDF 0,07 MB ]
https://www.igb.fraunhofer.de/content/dam/igb/de/documents/pressemitteilungen/2020/SIAAP_Syctom_PresseMitteilung_Fin.pdf
• Nährstoffrückgewinnung am Fraunhofer IGB
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/wasser-abwasser/naehrstoffmanagement.html
• Thermische Trennverfahren am Fraunhofer IGB
https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/funktionelle-inhaltsstoffe/thermische-trennverfahren.html
• Tilia Communiqué de presse (francais) [ PDF 0,19 MB ]
https://www.igb.fraunhofer.de/content/dam/igb/de/documents/pressemitteilungen/2020/Tilia-Communiqu%C3%A9-de-presse-Projet-Com%C3%A9tha.pdf
Förderung eines Projekts zur Karbonisierung von Klärschlamm
Das TerraNova®-Ultra-Verfahren zur hydrothermalen Karbonisierung von Klärschlamm soll bis 2020 um zwei weitere Komponenten ergänzt werden: Durch die Zugabe von Säure innerhalb des Prozesses kann der im Klärschlamm enthaltene Phosphor gelöst und über das abgetrennte Schlammwasser mittels Adsorption, Fällung oder Kristallisation zurückgewonnen werden. Auf dieser Basis wird von der TerraNova Energy GmbH (TNE) die wirtschaftliche Herstellung eines handelbaren Sekundärphosphor-Produkts entwickelt und in einer Demonstrationsanlage umgesetzt. Der Ruhrverband stellt für das Vorhaben einen geeigneten Standort auf der Kläranlage Duisburg-Kaßlerfeld zur Verfügung. Das verbleibende, phosphorarme Restwasser eignet sich aufgrund des hohen Gehalts an biologisch abbaubaren organischen Bestandteilen gut zur Biogaserzeugung. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ) führt dazu über einen Zeitraum von zwölf Monaten kontinuierliche Technikumsversuche sowohl unter mesophilen als auch thermophilen Bedingungen am Standort Leipzig durch, um Umsetzungsgrade und Methanproduktion zu optimieren und die Langzeitstabilität der Biogaserzeugung nachzuweisen. In einer abschließenden Energiebilanz wird untersucht, in welcher Höhe der Eigenenergiebedarf des Verfahrens durch das zusätzlich produzierte Faulgas und die bei der anschließenden Verstromung anfallende Abwärme gedeckt werden kann. Diese Versuche laufen im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts CarBioPhos. Das TerraNova®-UItra-Verfahren wird bereits großtechnisch in China eingesetzt und dient bislang der Reduktion der Entsorgungsmenge um bis zu 80 Prozent und ersetzt damit thermische Trocknungsverfahren.
Weiterführende Links
www.terranova-energy.com
http://www.gfa-news.de/webcode.html?wc=20200219_003
Mehr kommunaler Klärschlamm verbrannt
2018 wurde noch mehr Klärschlamm aus kommunalen Kläranlagen verbrannt als im Jahr davor. Dafür sank die stoffliche Verwertung des Schlamms in zwei anderen Bereichen.
Die Menge des verbrannten Klärschlamms aus kommunalen Kläranlagen in Deutschland ist im Jahr 2018 um rund 100.000 Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, entspricht dies einem Anstieg von rund 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit wurden 74 Prozent des entsorgten Klärschlamms verbrannt.
Die stoffliche Verwertung von kommunalem Klärschlamm in der Landwirtschaft oder beim Landschaftsbau hat sich 2018 gegenüber 2017 um rund 80.000 Tonnen verringert. Dabei sank der Anteil …mehr:
https://www.zfk.de/entsorgung/abwasser/artikel/mehr-kommunaler-klaerschlamm-verbrannt-2019-12-12/
Dossier: Neuordnung der Klärschlammentsorgung – Was kommt jetzt auf Abwasserentsorger zu?
Im Oktober 2017 ist die novellierte Klärschlammverordnung in Kraft getreten. Sie regelt den Umgang mit Klärschlamm komplett neu: Größere Kläranlagen sind künftig verpflichtet, den im kommunalen Abwasser bzw. Klärschlamm enthaltenen Phosphor zurückzugewinnen – ab 2029 alle Kläranlagen größer 100.000 Einwohnerwerten und ab 2032 alle Kläranlagen größer 50.000 Einwohnerwerten. Zudem endet für viele Kläranlagen die bodenbezogene Verwertung.
Mehr:
Mehr zum Thema Klärschlamm lesen Sie in unserem wöchentlichen Brancheninformationsdienst EUWID Wasser und Abwasser, der in der Regel dienstags als E-Paper und Printmedium erscheint. Die Fachzeitung informiert Leser mit knappem Zeitbudget kompakt über die relevanten Entwicklungen in der Wasser- und Abwasserbranche. Auch unsere Publikation EUWID Recycling und Entsorgung berichtet regelmäßig über das Thema Klärschlamm.
Noch kein Abonnent? Mit einem Testpaket können Sie sämtliche Informationsmodule von EUWID Wasser und Abwasser (u.a. Printausgabe, E-Paper, Archiv und Top-News) kostenlos und unverbindlich ausprobieren.