Beim Belebungsverfahren beeinflussen sich der mikrobielle Prozess der Nitrifikation und das Kohlensäuresystem wechselseitig über den pH-Wert. Bei der Nitrifikation entstehen Säuren. Diese senken, wenn sie nicht abgepuffert werden, den pH-Wert. Ein niedriger pH-Wert hemmt wiederum die Nitrifikation. An der Pufferung der entstehenden Säuren hat das Gleichgewichtssystem der Kohlensäure einen entscheidenden Anteil. Es ist das bedeutendste Puffersystem im aquatischen Milieu. Da die Bestandteile des Kohlensäuresystems und der pH-Wert sich wechselseitig beeinflussen, besteht über den pH-Wert ein direkter Zusammenhang zur Nitrifikation.
Für eine stabile Nitrifikation fordern einschlägige Bemessungsgrundlagen leicht alkalische pH-Werte und eine Mindestkonzentration an Säurekapazität von 1,5 mmol/l. Neuere Untersuchungen zeigen, dass es auch bei Säurekapazitäten größer 4 mmol/l zu einem Anlösen der Belebtschlammflocken und zu Störungen der biologischen Stoffwechselprozesse kommen kann, falls der Anteil an überschüssiger freier Kohlensäure entsprechend hoch und der pH-Wert niedrig ist. Das heißt, dass hier Wechselwirkungen zwischen dem Kohlensäuresystem und der Mikrobiologie bestehen, die bislang wenig beachtet werden, jedoch bei der Nitrifikation in pufferschwachem Abwasser von entscheidender Bedeutung sind. Ziel dieser Arbeit war es, den Einfluss des pH-Werts auf den mikrobiellen Prozess der Nitrifikation unter Beachtung der wechselseitigen Wirkung durch das Kohlensäuresystem zu untersuchen. An einer Belebungsanlage im Aufstauverfahren wurden hierzu halbtechnische Untersuchungen mit gezielter Anhebung der Säurekapazität pufferschwachen Abwassers durchgeführt.
Die kontinuierliche Messung der einflussnehmenden Parameter war Voraussetzung für die Auswertungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Darüber hinaus konnten weitere Fragestellungen hinsichtlich den Absetzeigenschaften und der Flockenstruktur des belebten Schlamms geklärt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sind nicht nur für Regionen mit pufferschwachem Wasser bedeutsam, wie es im Urgestein und im Dünenwasser an den Küsten vorkommt, sondern auch hinsichtlich der Auswirkungen verschiedener Optimierungsprozesse in der Betriebsführung kommunaler Kläranlagen. Durch tiefere Belebungsbecken, effizientere Belüftungssysteme oder den Einsatz von Metallsalzen als Fällmittel werden das Kohlensäuresystem und der pH-Wert negativ beeinflusst.
Die Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen die Erkenntnisse, dass bei sinkendem pH-Wert auch die Umsatzgeschwindigkeit der Nitrifikation zurückgeht. Es zeigte sich, dass die Beeinträchtigung der Umsatzgeschwindigkeit infolge des pH-Werts auch von der Pufferungsintensität abhängt. Sie ist umso stärker, je geringer der pH-Wert und je geringer die Pufferungsintensität sind. Zur Beurteilung der Schädigung der Belebtschlammflocken bei einer Säurekapazität größer als 1,5 mmol/l erweist sich der Sättigungsindex als geeignet. Er ist ein Maß für die Einhaltung des Kalk- Kohlensäure-Gleichgewichtes.
Für die Anwendung im Bereich der kommunalen Abwasserreinigung wurden vereinfachte Berechnungsgrundlagen abgeleitet. Eine mögliche Absenkung des pHWerts und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Nitrifikation kanndurch eine entsprechende Erhöhung des dimensionslosen Sicherheitsfaktors bei der Berechnung des erforderlichen Bemessungsschlammalters berücksichtigt werden. Dieser ist von der Pufferungsintensität abhängig. Alternativ können auch Maßnahmen ergriffen werden, die ein Absinken des pH-Werts verhindern, wie beispielsweise die Zugabe von Alkalien. Halbtechnische Untersuchungen zum Einfluss des pH-Wertes auf die Nitrifikation beim Belebungsverfahren in Abhängigkeit des Kohlensäuresystems…
Dissertation von Falk Schönherr
Betreuer: Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang
Günthert (Universität der Bundeswehr
München) und Prof. Dr.-Ing. Matthias
Barjenbruch (TU Berlin).
Die Dissertation
ist erschienen als Heft 101 der Reihe
Mitteilungen des Instituts für Wasserwesen,
Shaker-Verlag, Aachen
ISBN 978-3-8322-8888-4
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