Einsatz der IONERGY®-Technologie am Fallbeispiel Kläranlage Bonn-Duisdorf
Dr.-Ing. Jörg Strunkheide (Hattingen) und Achim Höcherl (Bonn)
Vorkommen von Arzneistoffen in Zu- und Abläufen von kommunalen Kläranlagen
Das „Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz)“ definiert im §2
Arzneimittel u.a. als „Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch
ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden,
Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu
erkennen“. Der Haupteintragspfad in die Umwelt für Humanarzneistoffe und deren Metabolite
ergibt sich, bei bestimmungsgemäßen Gebrauch, über den Patienten bzw. Anwender in das
kommunale Abwasser (private Haushalte, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen usw.) und
somit in die Kläranlage (siehe Bild 1) /1/. Von hier gelangen Arzneistoffe und deren
Metabolite über das gereinigte Kläranlagenabwasser in den Vorfluter (Fließgewässer) und
über den Klärschlamm ist bei der Verwertung in Landwirtschaft und Landschaftsbau eine
Kontamination des Bodens nicht auszuschließen /2/. Aufgrund einer oder mehrerer der
folgenden umweltrelevanten Eigenschaften der meisten Arzneistoffe ist eine potentielle
Gefährdung von Mensch und Natur gegeben /3/:
– hohe Persistenz in der Umwelt,
– hohe Mobilität in der wässrigen Phase,
– umwelt- und gesundheitsschädigendes Potenzial.
In Tabelle 1 ist für deutsche Kläranlagen eine Auswahl von nachgewiesenen Arzneistoffen
mit Angabe der Schwankungsbreiten bezüglich der Konzentrationsangaben und Rückhalt
aufbereitet.
Bild 1: Haupteintragspfad von Humanarzneistoffen und deren Metaboliten in die Umwelt /1/
Tabelle 1: Arzneistoffe in Kläranlagenabläufen /1/
Hygienische Anforderungen bei der Brauchwassernutzung auf Kläranlagen
Da eine besondere Gefährdung für den Menschen bei direktem Kontakt mit kontaminiertem
Wasser besteht, wird als Richtlinie bzw. Güteanforderung an die Gewässernutzung häufig
die EG-Richtlinie über die Qualität der Badegewässer herangezogen /4/. Die hier genannten
mikrobiologischen Richtwerte lassen sich auf die Anforderungen an die mikrobiologische
Abwassergüte übertragen. Bei Kläranlagen wird neben Brunnenwasser in vielen Fällen
gereinigtes Abwasser anstatt teures Trinkwasser als Betriebswasser (z.B. für
Reinigungsvorgänge) genutzt. Dieses wird aus dem gereinigten Abwasser entnommen und
in einer Behandlungstechnologie (z.B. Filtration mit nachgeschalteter UV-Entkeimung) für
den gesundheitlich unbedenklichen Gebrauch beispielsweise für Reinigungsvorgänge
aufbereitet.
Escherichia coli und Darmenterokokken sind im Prinzip ausschließlich auf Verunreinigungen
durch Fäkalien menschlicher und tierischer Herkunft zurückzuführen und signalisieren mit
hinreichender Sicherheit ein Infektionsrisiko. In Deutschland wird in der Praxis als
Qualitätskriterium gefordert, dass das aus gereinigtem Abwasser (Ablauf Nachklärung)
aufbereitete Brauchwasser bezüglich der mikrobiologischen Parameter E.Coli und
Enterokokken die Leitwerte 100 cfu/100 ml der alten EG-Badegewässerrichtlinie einhalten
sollte.
Aufbau und Wirkungsmechanismen der IONERGY®-Technologie
Die elektrochemisch-physikalisch arbeitende IONERGY-Kompaktanlage (B 200) bestand im
wesentlichen aus drei Komponenten (Bild 2):
- Elektroflockulationszelle (EF)
- IONERGY-Filtereinheit (Abwärtsfilter)
- nachgeschaltete UV-Einheit
Die patentierte Elektroflockulationszelle (Bild 3) stellt das eigentliche Kernstück des
IONERGY®-Modules dar. Durch eine optimierte Beschichtung der Elektroden sowie
Eisenspäne als Elektronendonator konnte eine großflächige Anode entwickelt werden, die
auf engstem Raum Platz findet. Durch das pulsierende Eindüsen von Druckluft wird eine
kontinuierliche Durchmischung des Eisenspanbettes sichergestellt. Die Kraft des Zeta-
Potentials verhindert bei Abwasserinhaltsstoffen mit einer Teilchengröße von weniger als 20
m ein Zusammenballen -diese Teilchen haben die gleiche elektrische Ladung und stoßen
sich daher ab, so dass diese mit wirtschaftlichen Verfahren nicht filtrierbar sind. In der
Elektroflockulationszelle wird das Klärabwasser (Ablauf Nachklärung) an
Edelmetallanoden mit Eisenspänen (FESP) als Verbrauchsanoden elektroflockuliert. Dabei
wird das Zeta-Potential der Feinstteilchen (< 20 m) weitgehend zerstört und eine gut
filtrierbare Flocke aus diesen zusammengeballten Teilchen mit Fe(OH)3 erzeugt. Diese abfiltrierbaren Flocken werden dann in der nachgeschalteten Filtereinheit (Abwärtsfilter)
zurückgehalten. Nach der Filtereinheit ist eine UV-Einheit zur Nachentkeimung installiert.
Bild 2: Vereinfachte Darstellung der Funktionseinheiten der IONERGY-Elektroflockulationsanlage
Bild 3: Schematische Darstellung der IONERGY-Elektroflockulationszelle
Versuchsbetrieb auf der Kläranlage Bonn-Duisdorf
Die Abwasserreinigung auf der Kläranlage Bonn-Duisdorf mit einer Ausbaugröße von 30.000
EW erfolgt mit Hilfe des A (Hochlastbelebung)/B (Schwachlastbelebung) -Verfahrens. Der BStufe
ist zum Rückhalt der feinstverteilten Abwasserinhaltsstoffe (Suspensa) eine Filtrationseinheit
nachgeschaltet. Die Klärschlammbehandlung setzt sich aus den Prozessstufen Voreindicker, maschinelle Vorentwässerung mittels Siebband, Faulungsstufe (2 Faulbehälter),
maschinelle Entwässerung des ausgefaulten Schlammes mittels Zentrifuge
zusammen. Der entwässerte Schlamm wird anschließend der Verbrennungsanlage auf der
Kläranlage Bonn-Salierweg zugeführt. Die Faulgasverwertung erfolgt mittels
Heizkesselanlagen und Blockheizkraftwerken (BHKW). Zusätzlicher Fremdenergiebedarf
wird über Erdgas abgedeckt. Zur Minderung der Geruchsemissionen wird die Abluft aus den
abgedeckten Bauwerken über einen Biofilter (Rindenmulche) geführt. Die Durchführung des
Versuchsbetriebes erfolgte mit personeller und technischer Unterstützung durch das
Betriebspersonal der Kläranlage Bonn-Duisdorf.
Prozessziele
Die Untersuchungen wurden auf der 2-straßigen Kläranlage Bonn-Duisdorf in Nordrhein-
Westfalen mit den folgenden Prozesszielen durchgeführt.
– Reduktion von Arzneimittelsubstanzen
– Desinfektion des Brauchwassers
– Reduktion des Feststoffanteils
Verfahrenstechnische Einbindung
Die Brauchwasserbehandlungsanlage IONERGY war in der Nähe der Nachklärbecken der
B-Stufe gegenüber dem Biofilter platziert (Bild 4). Der mit der IONERGY®B-200-ANLAGE zu
behandelnde Teilstrom (10 m3/h) wurde im Schacht vor der Filtration mittels Tauchpumpen
entnommen und entspricht somit qualitativ dem Ablauf der Nachklärung. Das Rohabwasser
wurde über eine Druckleitung vom Entnahmeschacht zur IONERGY®B-200-ANLAGE
gefördert und dort mittels Pumpe in den Behandlungsprozess eingespeist /5/.
Bild 4: IONERGY®B-200-ANLAGE /5/
Versuchszeitraum
Für die Erprobung der IONERGY-Technologie war ein Betriebsversuch mit 13
Analysenreihen auf der Kläranlage Bonn-Duisdorf durchgeführt worden.
Das Versuchsprogramm wurde in zwei Versuchsabschnitte unterteilt:
– Versuchsabschnitt I: Drei Vorversuche (Versuchsreihen 0.1, 0.2 und 0.3, zur Einstellung der Versuchsrandbedingungen (Betriebsspannung in der Elektroflockulationszelle: 40 Volt)
– Versuchsabschnitt II: Zehn Versuche (Versuchsreihen 1 bis 10) zur Überprüfung der
Versuchsrandbedingungen und der erzielten Ergebnisse im Dauerbetrieb
Probenahmestellen
Die Probenahme erfolgte an den folgenden Messstellen:
• Messstelle A: im gereinigten Abwasser (Ablauf Nachklärung) als Nullprobe vor der Elektroflockulationszelle
• Messstelle B: direkt nach der Elektroflockulationszelle (vor dem Abwärtsfilter)
• Messstelle Z: direkt nach dem Filter (vor der UV-Behandlung)
• Messstelle C: in der behandelten Probe (nach Passage der IONERGY-Technologie, d.h. direkt nach der UV-Einheit).
Analytikprogramm
Das begleitende Analytikprogramm schloss neben der im Rahmen der Eigenüberwachung erfassten „Standardanalytik“ im Ablauf der Nachklärung folgende Parameter mit ein:
• Mikrobiologische Parameter (Messstelle A, Z und C):
– E.Coli [cfu/100 ml]
– Enterokokken [cfu/100 ml]
• Feststoff-Parameter (Messstelle A, B und C):
• Abfiltrierbare Stoffe (filtriert über 20 µm bzw.1 µm (Glasfaserfilter))
• Arzneimittel-Substanzen (Messstelle A und C):
Ergebnisse
– Reduktion der Arzneimittel
Die ermittelten Arzneistoffkonzentrationen der Gruppe I und II waren zum Teil deutlich oberhalb der Bestimmungsgrenze, im Bereich von einigen μg/l, nachweisbar. Die Höhe der erzielten Eliminationsrate war abhängig von der betrachteten Arzneisubstanz und schwankte zwischen 0 und nahezu 100 %. Die Minima, Maxima und Mittelwerte der gemessenen Arzneistoffkonzentrationen sind für die Substanzen, deren Werte an der Messstelle A oberhalb der Bestimmungsgrenze lagen, in der Tabelle 2 für die 5 durchgeführten Arzneimittel- Analytikreihen zusammengefasst (Für die Berechnung des arithmetischen Mittelwertes der Arzneistoffkonzentrationen erfolgte bei Analysen mit dem Ergebnis „kleiner
Bestimmungsgrenze“ (
Tabelle 2: Arzneimittel-Analytikwerte (Minimum, Maximum und Mittelwert über die 5 Versuchsreihen) /5/
Die Arzneisubstanzen Clofibrinsäure (Antiarteriosklerotikum), Clarithromycin (Antibiotikum), Erythromycin (Antibiotikum), Roxithromycin (Antibiotikum), Metronidazol (Chemotherapeutikum), Trimethoprim (Chemotherapeutikum) und Diclophenac (Antiphlogisticum) wurden am besten (>70%) durch die IONERGY-Technologie zurückgehalten.
Bild 5: Mittlere Eliminationsraten der Arzneisubstanzen (berechnet über die 5 Versuchsreihen) /5/
Reduktion der mikrobiologischen Parameter (Desinfektion des Brauchwassers)
Die Werte für E.Coli (Tabelle 3) und Enterokokken (Tabelle 4) der Wasserproben nach
Passage des IONERGY-Filters lagen oberhalb der für die Beurteilung der
Brauchwasserqualität etablierten Leitwerte von 100 cfu/100 ml. Der Ablauf an der Messstelle
C (nach der UV-Zelle) war auch im gesamten Versuchsabschnitt vollständig keimfrei.
Tabelle 3: E.Coli-Analysenwerte /5/
Tabelle 4: Enterokokken-Analysenwerte /5/
Reduktion des Feststoffanteils
Wie aus Tabelle 5 zu ersehen ist, kam es durch den Prozess der Elektroflockulation zu
einem signifikanten Anstieg der abfiltrierbaren Stoffe (Messstelle B) aus zusammengeballten
Teilchen mit Fe(OH)3. Die gut filtrierbaren Flocken wurden im Abwärtsfilter weitestgehend
zurückgehalten, so dass der Ablauf an Messstelle C quasi feststofffrei und somit konform mit
den Nullwerten der Mikrobiologie war.
Tabelle 5: Feststoff-Analytikwerte (filtriert über 1 µm Glasfaserfilter) /5/
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Die spezifischen Betriebs- und Kapitalkosten der IONERGY B 200 -Anlage sind in der
Tabelle 6 aufbereitet und liegen mit 0,15 €/m3 deutlich unter den am Markt platzierten
Konkurrenzverfahren. Bei Ultrafiltrationsanlagen mit nachgeschalteten Behandlungsstufen
wie beispielsweise Aktivkohleeinheiten oder eine Ozonung kombiniert mit UV-Licht liegen die
Kosten bei gleicher Leistungsfähigkeit deutlich oberhalb von 0,40 €/m3.
Tabelle 6: Spezifische Betriebs- und Kapitalkosten der IONERGY B 200 – Anlage
Zusammenfassung und Ausblick
Die mit der IONERGY-Technologie erzielten Ergebnisse dokumentieren, dass neben der Reduktion von Arzneistoffen auch eine vollständige Reduktion der mikrobiologischen Parameter und der Feststoffe möglich ist. Der Wartungs- und Betriebsaufwand sowie die Investitions- und Betriebskosten sind im Vergleich zu Konkurrenzverfahren (z.B. Ultrafiltration) als gering einzustufen. Bemerkenswert dürfte für die Praxis die Erkenntnis sein, dass diese Ergebnisse bereits bei einer Betriebsspannung der Elektroflockulationszelle von 40 Volt erzielt worden sind. Hier sollten noch durch weitere Betriebsversuche die Möglichkeiten der Variation der Freiheitsgrade der IONERGY-Technologie (Variation der Betriebsspannung oberhalb von 40 Volt, Belüftung, Reaktionszeit, Filtergeschwindigkeit) im Hinblick auf eine weitere Optimierung der Entfernung von Arzneistoffen untersucht werden. In der Praxis werden sich viele Anwendungsfälle ergeben -wie beispielsweise die Behandlung von Krankenhausabwässern, Grauwasseraufbereitung, industrielle Prozesswasseraufbereitung (z.B.: Chemische Industrie, Farbherstellung / Lackieranlagen,Papierindustrie, Lebensmittelindustrie, Textilindustrie). Auch wird es mit geringfügigen Modifikationen möglich sein, Arsen aus Trinkwasser bzw. Abwässern zu entfernen.
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