StartNützlichesAllgemeine Meldungen und BerichteDeutsche Wasserstoffstrategie - Eine Chance für Kläranlagen?

Deutsche Wasserstoffstrategie – Eine Chance für Kläranlagen?

Ein viel diskutierter Energieträger im Rahmen der Energiewende ist Wasserstoff. Aufgrund der vielfältigen Nutzungs- und Speichermöglichkeiten kann die Wasserstoff-Technologie einen Beitrag zu einer erfolgreichen Umgestaltung der Energiewirtschaft darstellen. Auch seitens der Politik wurde dieser Energieträger durch bundes- und landesweite Wasserstoffstrategien in den Fokus gerückt, u. a. auch in Rheinland-Pfalz.

Durch seine Vielseitigkeit kann Wasserstoff in den Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie eingesetzt werden. Wesentlich für einen Beitrag zum Klimaschutz ist jedoch, dass der Wasserstoff durch regenerative (Überschuss-) Energien gewonnen wird, d. h. durch Photovoltaik, Windkraft, Biomasse usw. Eine Möglichkeit, Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen, ist dabei die Elektrolyse. Bei dieser wird mit Hilfe elektrischen Stroms Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In der Regel wird nur der Wasserstoff als Energieträger genutzt, der entstehende Sauerstoff und die Abwärme werden als Abfallprodukte ungenutzt in die Umwelt abgegeben.

Die ersten Elektrolyseure auf Kläranlagen befinden sich aktuell in Planung oder wurden bereits umgesetzt (z. B. in Mainz). Bei diesen steht jedoch häufig die Erzeugung von Sauerstoff für die 4. Reinigungsstufe (Ozon) im Vordergrund. Bei solchen Anwendungsfällen ist der Sauerstoff als ein Hauptprodukt der Elektrolyse anzusehen. Dabei ist der Abwasserreinigungsprozess direkt vom Betrieb der Elektrolyse abhängig. Aber können auch kleinere Kläranlagen eine Rolle in der Wasserstoffinfrastruktur einnehmen, den entstehenden Sauerstoff bzw. die Abwärme gewinnbringend einsetzen und gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vorteil auf die Wasserstoffgestehungskosten haben?

Im Rahmen einer durch ein Teammitglied der IG S+P erarbeiteten Masterthesis an der TH Bingen im berufsbegleitenden Studiengang „Energie- und Betriebsmanagement“ wurde eine Herangehensweise sowie Bewertungsmethodik möglicher Synergieeffekte durch die Nutzung der „Abfallprodukte“ Sauerstoff und Abwärme auch für kleinere Kläranlagen erstellt. Dabei wurde neben der Identifizierung möglicher Vorteile des Elektrolyse-Standortes Kläranlage auch eine Methodik zur Bewertung möglicher Synergieeffekte entwickelt.

Erstmals fand diese Methodik nun im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projektes „SmartQuart Kaisersesch“ Anwendung.

Im Rahmen des Projektes wird in Kaisersesch aktuell die Errichtung eines regionalen Wasserstoffquartiers geplant und umgesetzt. Der Wasserstoff soll mittels Elektrolyse aus regenerativem Strom erzeugt werden. Daraufhin soll er vor Ort in einer Pipeline verteilt und gespeichert sowie in jedem Sektor (Strom, Wärme und Mobilität) genutzt werden. In unmittelbarer Nähe zum geplanten Aufstellungsort des Elektrolyseurs befindet sich die derzeit in Umplanung befindliche kommunale Kläranlage Kaisersesch, die von 5.500 EW auf 15.000 EW erweitert wird. In der Trasse der Wasserstoffpipeline wäre auch ein Transport des bei der Elektrolyse entstehenden Sauerstoffes und der Abwärme zum Kläranlagenstandort möglich. Der Sauerstoff könnte zur Belüftung des Belebungsbeckens eingesetzt werden, wodurch der Stromverbrauch der Gebläse reduziert wird.

Die Abwärme könnte im Rahmen einer vorgesehenen solaren Trocknungshalle genutzt werden, wodurch diese kleiner dimensioniert und so Investitionskosten reduziert werden. Aufgrund der notwendigen Trassenlänge von rd. 1,4 km stellen sich jedoch in diesem ausgewählten Beispiel beide Nutzungspotenziale als nicht wirtschaftlich dar (Amortisation Sauerstoffnutzung -> rd. 17 Jahren; Abwärmenutzung -> keine Amortisation).

Gerade bei geringeren Entfernungen zwischen der Kläranlage und dem Elektrolyseur kann die Wirtschaftlichkeitsanalyse und folglich auch die Entscheidung für die Einbindung einer Kläranlage in die Wasserstoffinfrastruktur gänzlich anders ausfallen. Demnach sollten Kläranlagen bereits frühzeitig bei der Planung entsprechender Infrastrukturen Berücksichtigung finden.

https://www.siekmann-ingenieure.de/aktuelles/news/deutsche-wasserstoffstrategie-eine-chance-fuer-klaeranlagen-170/