2024
- SpongeWorks: Expertenteam plant Schwammlandschaften für Klimaresilienz und Biodiversität
- Integrierte Digitalisierung der Trinkwasserversorgung – InDigWa
- Ausgebremst: Reifenabrieb bedroht Süßgewässer
- Mikroplastik verstehen – mit High-Speed-Kameras
- Medikamente im Wasser verändern Verhalten und Fortpflanzung von Fischen
- eawag: Innovative Wasserlösungen für nachhaltige Städte
- Brennstofffreies Wohnquartier in Köln nutzt Abwasser als Wärmequelle
- Effiziente Spurenstoffelimination mit modularer Ozonanlage
- Eawag: Oxidation, aber richtig – preisgekrönte Dissertation
- eawag: Biologischer Abbau von Mückenschutzmitteln erst teilweise geklärt
- Neuer Bericht der IKSR zur Entwicklung der Abflüsse des Rheins unter dem Einfluss des Klimawandels
- Grundwasservorräte in Südwesteuropa insgesamt stabiler als angenommen / Differenzierte Betrachtung jedoch notwendig
- Abwässer womöglich artenreicher als gedacht
- Klärwerke als Dienstleister: Projekt „FlexAqua“ will mit KI die Energieflexibilität steigern
- Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger
- UV-Filter im Geschinersee
- Wasser- und Energieinfrastruktur
- Virale Artenvielfalt im Abwasser
- Phosphor-Recycling: Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger Verfahren zur Struvitfällung auf Kläranlage Braunschweig optimiert
- Klimawandel: Steigende Temperaturen beeinträchtigen Grundwasserqualität
- Vortragsveranstaltung zur Präsentation des NOWATER Leitfadens mit über 200 Teilnehmenden
- Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert
- ULTRA-F Projekt stellt Ergebnisse auf Berliner Energietagen vor
- Giftige Alge in der Oder Forscher entschlüsseln Erbgut der Oder-Goldalge und entdecken Gift-Quelle
- Effekt von Hochtemperatur-Wärmespeicher auf das Grundwasser
- Beseitigung von PFAS aus Wasser: Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen optimieren PerfluorAd®-Verfahren
- Pestizide in Gewässern – es gibt noch Arbeit
- Antibiotikaresistente Keime im Abwasser
- Unser Wasser- und Abwassermanagement: eine unendliche Quelle für grüne Energie
- Effiziente plastikfressende Pilze in Süßgewässern identifiziert
- Klimagerechte Entwicklung von Stadt und Land
- Biologischer Abbau von Mikroplastik durch „PlasticWorms“
- Schifffahrt schadet der Biodiversität in Europas Flüssen
- Lokale Sturzflut-Gefahr vorhersagen
- UFZ: Zwei Fliegen mit einer Klappe – Grundwasserreinigung und Wärmespeicherung
- Klimaforschung in Gewässern: ParKli Wassersensorik zum Nachbauen
- Neues Handlungskonzept soll Messungen an staugeregelten Gewässern verbessern
- Forscher kartieren Gewässer als CO2-Quellen
- Biodiversität in Gewässern erforschen und schützen
- 1,9 Mio. Euro für Verbundprojekt: Biodiversität im Wasser als Indikator für die Gesundheit der Menschen
- Hochwasser und Seuchen: So schützen Sie sich
- Kritische Rohstoffe aus Abwasser rückgewinnen und wieder in die Wertschöpfungskette bringen
- Funktionalisiertes Chitosan als biobasiertes Flockungsmittel für die Aufbereitung komplexer Abwässer
- Land unter- was extreme Überschwemmungen verursacht
- Klopapier belastet die Umwelt – wie das „Dusch-WC“ den deutschen Markt erobern will
- Klimawandel: Steigende Temperaturen beeinträchtigen Grundwasserqualität
- aee-intec: Wasser
- Expertenliste zu Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser
- Pilotanlage zum biologischen Schadstoffabbau durch Forschungsgruppe Sustainable Bioengineering entwickelt
- Patient See
- Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen
- Wie sich Schweizer CO2 in Island in Stein verwandelt
- Ein wirkungsorientiertes Vorhersagesystem für die bessere Frühwarnung vor Hochwasser
- Glyphosat in Gewässern: Tübinger Forscherin sieht Waschmittel als Quelle
- Mit Roboter, KI und Photovoltaik mehr Gewinn für Umwelt und Gemüseacker
- Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
- Forschungsprojekt GOW-Opti gestartet
- Laser-Tauchsonde für ein smartes Inline-Monitoring von Wasser und Abwasser
- Weltwassertag 2024: Die Speicher sind aufgefüllt
- Riesenviren befallen tödlichen Parasiten
- Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
- Forschungsprojekt GOW-Opti gestartet
- Neuentdeckter Virengigant aus der Kläranlage befällt eine für Menschen tödliche Amöbe
- Wasser für eine Welt im Wandel: BMBF-Projekte zur Wasserwiederverwendung auf der Woche der Umwelt
- Beurteilungswert für Weichmacher in Urin festgelegt
- Land unter – was extreme Überschwemmungen verursacht
- Unkrautvernichter – Entsteht Glyphosat in der Kläranlage?
- Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren
- Wie Grünalgen und Bakterien gemeinsam zum Klimaschutz beitragen
- Wie Kläranlagen zur Energiewende beitragen können
- Ökosystem See: Stickstoff wird bislang unterschätzt
- Fraunhofer UMSICHT und das Stadtwerkenetzwerk ASEW arbeiten an einer Online-Plattform für Wärmetransformation-Tools
- Innovatives Forschungsprojekt zur Optimierung der Gewässerqualität in der Schussen
- PFClean sucht Lösungen für „Ewigkeits-Chemikalien“ PFAS: Forschende testen Methoden zum Schutz von Grundwasser
- Nutzwasser kann alternative Quelle sein
- Mikroalgen als grüne Reinigungskraft
- Kartierung der chemischen Fußabdrücke in europäischen Flüssen
- Fund eines Weichmachers in Urinproben – Fragen & Antworten
- Qualitätskriterien-Dossiers auf Webseite verfügbar
- LWI | AngryWaters – Küsten vor Extremereignissen schützen
- Start für das Projekt BEFuel: Von Abgasen und Abwässern zu E-Treibstoffen und hochwertigen Chemikalien
- Oder-Katastrophe: Was wissen wir über die Alge Prymnesium parvum?
- Water-for-X – ein Leitfaden für den verantwortlichen Umgang mit der Ressource Wasser in der Energiewende
- Hepatitisviren im Abwasser aufspüren
- Mikroplastik: Reifen- und Fahrbahnabrieb im Fokus einer neuen Publikation
- Neues internationales Forschungsprojekt will Makroplastik in der Ostsee reduzieren
- Grubenwasser besser überwachen und nutzen
- Erster Erfolg im Exzellenzstrategie-Wettbewerb: Wasser-Forschung erreicht Meilenstein
- Potenzialanalyse: Abwärme könnte bis zu 10 Prozent des zukünftigen Wärmebedarfs Berlins decken
- Forschungskooperation zur Gewässerwiederherstellung an der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler vorgestellt
- Bei jedem Toilettengang spülen wir wertvolle Ressourcen hinunter – doch die Toilette der Zukunft trennt an der Quelle
- Wasseraufbereitung in Zeiten des Klimawandels – mehr Physik beim Umweltschutz
SpongeWorks: Expertenteam plant Schwammlandschaften für Klimaresilienz und Biodiversität
EU-Projekt soll unter Koordination der Leibniz Universität Hannover Wasserrückhaltung auf Landschaftsebene verbessern und Hochwasser vorbeugen
Extreme Wetterereignisse nehmen zu: Seit 1980 haben Überschwemmungen in Europa über 4.300 Todesfälle und wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 170 Milliarden Euro verursacht. Die Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren hängen von der Gesundheit der europäischen Landschaften und ihrer natürlichen Fähigkeit ab, Wasser zu halten, ähnlich wie ein Schwamm. Naturbasierte Lösungen, die die „Schwamm“-Funktion von Landschaften verbessern, entwickeln sich zunehmend zu einem nachhaltigen Ansatz, um die Resilienz und Wasserrückhaltekapazität von Landschaften zu erhöhen.
An diesem Punkt setzt ein neues, mit 15 Millionen Euro von der Europäischen Union gefördertes Projekt an. „SpongeWorks: Co-creating and upscaling Sponge Landscapes by Working with Natural Water Retention and Sustainable Management“ ist im September 2024 gestartet und wird von der Leibniz Universität Hannover (LUH) koordiniert. Der Projektleiter, Prof. Dr. Christian Albert vom Institut für Umweltplanung an der LUH, erklärt: „SpongeWorks zielt darauf ab, „Schwammlandschaften” so zu planen und „Schwammmaßnahmen” so umzusetzen, dass der Wasserrückhalt und die Wasserqualität verbessert, die Resilienz gegenüber Dürre und Überschwemmungen erhöht und die Biodiversität auf Landschaftsebene geschützt und entwickelt werden.“ Das Projekt wird verschiedene „Schwammmaßnahmen” umsetzen: von landwirtschaftlichen Praktiken wie der Anlage von Hecken, Pufferzonen und Versickerungsteichen bis hin zur Renaturierung von Flüssen und Mooren sowie der Wiedervernässung von Wäldern und Grünland. Diese Maßnahmen werden auf ihre Fähigkeit hin untersucht, die Bodengesundheit zu verbessern, Erosion zu verhindern und Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen.
Dr. Ellis Penning von Deltares, Ko-Koordinatorin des Projekts, erläutert: „Indem wir die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in einem breiteren Landschaftskontext in drei SpongeWorks-Demonstratoren aufzeigen, wollen wir andere europäische Regionen inspirieren und in die Lage versetzen, ebenfalls naturbasierte Maßnahmen zur Verbesserung der Klimaresilienz umzusetzen.“
SpongeWorks wird 19 unterschiedliche Schwammmaßnahmen umsetzen, die 4.000 Hektar Land, 47 Kilometer Flussstrecke und 22 Kilometer Hecken abdecken und mehr als 800 landwirtschaftliche Flächen einbeziehen. Die Projektpartner werden eng mit lokalen Entscheidungsträgern, Experten und Praktikern zusammenarbeiten, um die technischen, sozioökonomischen und finanziellen Aspekte dieser Maßnahmen gemeinsam zu bewerten. Durch ein einheitliches und systematisches Monitoring wird SpongeWorks die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen demonstrieren.
In Deutschland sind die Umsetzung und Erforschung von Schwammmaßnahmen im grenzüberschreitenden deutsch-niederländischen Demonstrationsvorhaben des Vechte-Einzugsgebiets geplant. Hier sollen unter anderem Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Waldgebieten sowie die Renaturierung von Flussabschnitten im Laarer Flussgebiet durchgeführt werden. Zusätzlich werden wassersensible landwirtschaftliche Praktiken umgesetzt, um die Wasserrückhaltekapazität im Boden zu steigern.
Zu den insgesamt 28 Konsortialpartnern gehören neben der LUH mit dem Institut für Umweltplanung als Koordinatorin und dem niederländischen Institut Deltares als Ko-Koordinatorin unter anderem die Universität Twente (Niederlande), das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IASA) (Österreich), das UK Centre for Ecology & Hydrology (UKCEH) (Großbritianien) und das Office International de l’Eau (OiEau) (Frankreich). Das Projekt läuft von September 2024 bis August 2028. Es wird gemeinsam gefördert aus den EU-Horizon-Europe-Förderlinien Mission „Adaptation to Climate Change“, Mission “Restore our ocean and waters by 2030” und Mission „A Soil Deal for Europe“.
Das Auftakttreffen des SpongeWorks-Projektes findet vom 24. bis 26. September 2024 am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover statt. Weitere Details und eine Übersicht aller Partner sind auf der Projektwebsite verfügbar: https://spongeworks.eu/.
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen stehen Ihnen Prof. Dr. Christian Albert und Maike Gebker, Institut für Umweltplanung an der Leibniz Universität Hannover, per Telefon unter Telefon +49 511 762 2697 oder per E-Mail unter gebker@umwelt.uni-hannover.de gern zur Verfügung.
Integrierte Digitalisierung der Trinkwasserversorgung – InDigWa
InDigWa ist eine Morgenstadt Innovationspartnerschaft für synergetische Datennutzung der Trinkwasserversorgung »vom Brunnen bis zur ressourcenschonenden Nutzung und Entsorgung«.
Ziel ist es, erstmals alle relevanten Stakeholder zusammenzubringen, um mittels datenbasierter Lösungen sowohl Effizienz als auch Qualität des Gesamtsystems zu steigern und damit die Trinkwassersicherheit weiter zu verbessern.
Hierzu sollen alle bisher weitestgehend autonom agierenden Stakeholder und ihre unterschiedlichen Datenformate vernetzt und disruptive neue Wertschöpfung geschaffen werden.
Für jeden Bereich existieren bereits Einzellösungen, jedoch kein integriertes Gesamtsystem. Um ein smartes System zu erarbeiten, werden deshalb Daten über den gesamten Prozess des Trinkwasserkreislaufs gesammelt und ausgewertet. Durch eine Zusammenführung der Einzelkomponenten wird eine Effizienzsteigerung im Datenfluss erzielt, sodass ein zukunftsfähiges Wassermanagement entsteht. Dabei geht es um eine virtuelle Verknüpfung von Daten und vor allem auch um die Erprobung und Auswertung neuer Lösungen.
Die Unternehmenspartner decken sowohl die Bereiche der Wasserver- und -entsorgung ab als auch die Bereiche der Wohnungswirtschaft, des Gebäudemanagements, Armaturen, Wasseraufbereitung, Pumpen, Messtechnik, Sensorik und Digitalisierung.
https://www.morgenstadt.de/de/projekte/indigwa.html
Ausgebremst: Reifenabrieb bedroht Süßgewässer
Toxisches Gemisch kleinster Partikel schädigt Wasser-Organismen, zeigt neue Studie. Ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klimaforschungszentrum Frankfurt (SBiK-F) hat die Auswirkungen von Reifenabriebpartikeln auf Süßwasser-Ökosysteme untersucht. Ihre nun im Fachjournal „Science of The Total Environment“ erschienene Studie zeigt: Das aus dem Straßenverkehr stammende toxische Partikelgemisch schädigt wichtige Wasserorganismen. Die Forschenden warnen vor der unterschätzten Gefahr für unsere Umwelt.
Die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Umwelt, das Klima und die menschliche Gesundheit sind allgemein bekannt und werden in der Gesellschaft breit diskutiert. Dabei stehen vor allem der CO2-Ausstoß und die Verschmutzung der Luft durch Abgase und Feinstaub im Fokus. Den Emissionen, die nicht in die Luft abgegeben werden, wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei können die nano- bis mikrometergroßen Partikel, die kontinuierlich durch die Abnutzung von Reifen und Straßenoberflächen entstehen, durch Wind und Regen leicht in der Umgebung verteilt werden. So gelangen sie auch in Gewässer und gefährden deren Ökosysteme, wie eine jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science of The Total Environment“ erschienene Studie unter Leitung von Prof. Dr. Markus Pfenninger (SBiK-F) zeigt. Das Team mit Forschenden unter anderem des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und der Goethe-Universität Frankfurt untersuchte die Auswirkungen von Reifenabriebpartikeln auf Larven der Zuckmückenart Chironomus riparius – eines der häufigsten Lebewesen in Gewässerökosystemen und ein vielgenutzter Organismus bei Umweltverträglichkeitsprüfungen – und kam zu alarmierenden Ergebnissen: Der Reifenabrieb beeinträchtigt das Überleben, die Entwicklung und die Fortpflanzung der Organismen.
„Die winzig kleinen Reifen- und Straßenabriebpartikel – kurz TRWP – sind eine chemisch komplexe Mischung aus vielen verschiedenen Komponenten wie Mikroplastik, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs), Mineralölen, Metallen, Reifengummi und synthetischen Chemikalien, einschließlich Reifengummizusätzen und Weichmachern. Über 20.000 Tonnen von diesem Gemisch werden jedes Jahr allein in Deutschland in Gewässer eingetragen, vor allem durch ungefilterten Straßenabfluss“, erklärt Pfenninger.
Die Forschenden analysierten Sedimente aus straßennahen Rückhaltebecken und bestimmten zunächst die Menge und die Zusammensetzung des darin enthaltenen Reifenabriebs. Die Zuckmücken-Larven wurden dann unterschiedlichen Konzentrationen der Sedimente ausgesetzt, anschließend maßen die Forschende Parameter wie Sterblichkeit, Entwicklung, das Geschlechterverhältnis, Fruchtbarkeit und Größe. Zudem wurde analysiert, in welchem Umfang die Organismen „oxidativem Stress“ durch freie Radikale ausgesetzt waren und die Entwicklung der Populationswachstumsrate geschätzt.
„Wir haben in den urbanen Sedimenten ein hochkomplexes, für die Verschmutzung durch Straßenabflüsse typisches Stoffgemisch gefunden“, berichtet Lorenzo Rigano, Erstautor der Studie und Doktorand am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), und fährt fort: „Diese Mischung hatte bei unseren Laboruntersuchungen komplexe und deutlich schädliche Auswirkungen auf die Mückenlarven und die adulten Organismen. Das kontaminierte Sediment erhöhte die Sterblichkeit um fast 30 Prozent. Auch die Fruchtbarkeit nahm sichtbar ab und es kam zu einer Verringerung der Zahl fruchtbarer Eier pro Weibchen. Wir konnten deutliche Zeichen von oxidativem Stress feststellen und die Populationswachstumsrate war je nach Konzentration signifikant verringert. Unsere Studie zeigt deutlich, dass Reifenabriebpartikel eine unterschätzte Gefahr für unsere Gewässer darstellen. Die in den Partikeln enthaltenen Schadstoffe wirken sich zusammen toxischer auf Wasserorganismen aus, als es jede einzelne Komponente alleine tun würde.“
Als besonders besorgniserregend stellt die Studie heraus, dass die beobachteten Fortpflanzungsstörungen möglicherweise über mehrere Generationen hinweg bestehen bleiben könnten. Zudem enthalten TRWPs eine Vielzahl von Chemikalien und Schadstoffen, die sich im Körpergewebe anreichern können und so über die Nahrungskette kaskadenartige Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme haben können.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die toxische Wirkung von Gemischen genau zu untersuchen, da deren Zusammenwirken unerwartete Auswirkungen haben kann“, schließt Pfenninger. „Konkret müssen wir die Belastung unserer Umwelt durch den toxischen Reifenabrieb reduzieren, um unsere Gewässer zu schützen und die biologische Vielfalt zu erhalten.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Pfenninger
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt
Tel. 069 7542 1841
markus.pfenninger@senckenberg.de
Mikroplastik verstehen – mit High-Speed-Kameras
Wie sich Mikroplastik-Partikel im Ozean ausbreiten, hängt von mikroskopischen Details ab. An der TU Wien gelang es nun, das Verhalten dieser Partikel genau zu charakterisieren.
Mikroplastik ist ein weltweites Problem: Es gelangt in Flüsse und Meere, es reichert sich in Lebewesen an und stört ganze Ökosysteme. Wie sich winzige Partikel in einer Strömung verhalten, ist wissenschaftlich schwer zu beschreiben – besonders bei dünnen Fasern, die mehr als die Hälfte der Mikroplastik-Kontamination in marinen Lebewesen ausmachen. In turbulenten Strömungen lässt sich ihre Bewegung kaum vorhersagen.
An der TU Wien gelang es nun in Experimenten in einem Strömungskanal mit Hilfe von High-Speed-Kameras, das Verhalten solcher Mikroplastik-Fasern genau zu charakterisieren. Das soll nun die Grundlage für neue Modelle werden, mit denen man die Ausbreitung von Mikroplastik global vorhersagen möchte. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert.
Kleine, gekrümmte Fasern
„Wie sich Mikroplastik-Teilchen bewegen, verteilen und ablagern, hängt von ihrer Rotationsdynamik ab“, erklärt Vlad Giurgiu, Erstautor der aktuellen Publikation und Doktorand im Team von Prof. Alfredo Soldati an der TU Wien. „Bei annährend kugelförmigen Teilchen ist das leicht zu analysieren. Aber oft hat man es mit langgezogenen, gekrümmten Mikrofasern zu tun.“ In diesem Fall kommt es zu komplizierten Effekten: Die Fasern können in allen drei Raumrichtungen rotieren, diese Rotation beeinflusst auch ihre Wechselwirkung mit der umgebenden Strömung.
„In einer perfekt gleichmäßigen, laminaren Strömung könnten wir das Verhalten von einfachen Objekten, zum Beispiel von Kugeln oder Ellipsoiden, theoretisch vorhersagen“, sagt Marco De Paoli (Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung, TU Wien). „Aber in der echten Welt hat man es weder mit perfekt laminaren Strömungen zu tun, noch mit perfekt symmetrischen Partikeln. Stattdessen treten Turbulenzen auf, und die Teilchen haben komplexe geometrische Formen, die den Transport maßgeblich beeinflussen und eine theoretische Vorhersage unmöglich machen.“
Was dabei genau passiert, ist schwer zu berechnen. „Es gab dazu schon verschiedene Computersimulationen, aber sie beruhen auf vereinfachten Modellen, um das Verhalten der Fasern zu beschreiben“, sagt Vlad Giurgiu. „Man braucht daher experimentelle Daten, mit denen man die theoretischen Modelle vergleichen und verbessern kann.“
Genau diese Daten lassen sich am Strömungskanal der TU Wien am Science Center (Arsenal, Wien) messen. Auf einer Weglänge von 8,5 Metern können dort kontrollierte Strömungen erzeugt werden. Kleine, gekrümmte Mikroplastik-Fasern mit einer Länge von rund 1,2 Millimetern wurden in das Wasser eingebracht und einer turbulenten Strömung ausgesetzt.
Sechs Kameras sehen mehr als zwei
Knapp über der Wasseroberfläche installierte das Team sechs Spezialkameras: Mit einer Frequenz von 2000 Bildern pro Sekunde wurden hochauflösende Aufnahmen der Mikroplastik-Teilchen in der Strömung gesammelt. Aus den Bildern lässt sich dann die dreidimensionale Position und Ausrichtung jedes einzelnen Mikroplastik-Teilchens errechnen. „Theoretisch würde das auch mit nur zwei Kameras funktionieren, aber mit sechs Kameras werden die Daten noch verlässlicher und genauer, besonders wenn die Konzentration der Teilchen hoch ist“, erklärt Giuseppe Carlo Alp Caridi, Koautor der Studie und Leiter der optischen Rekonstruktion am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung.
Auf diese Weise kann man eine große Datenmenge über das Bewegungsverhalten hunderttausender Mikroplastik-Teilchen extrahieren und anschließen statistisch untersuchen. „So zeigte sich zum Beispiel, dass die Fasern in der Nähe einer Wand ein ganz anderes Verhalten zeigen als in der Mitte des Flüssigkeitsstroms, weit entfernt von den Wänden“, erklärt Vlad Giurgiu.
Damit steht nun erstmals zuverlässiges Datenmaterial zur Verfügung, um theoretische Rechenmodelle über das Verhalten solcher Teilchen zu validieren. Damit soll sich in Zukunft auch die Ausbreitung von Mikroplastik-Fasern auf großer Skala vorhersehen lassen.
„Stellen Sie sich vor, sie haben ein Schiff, das Mikroplastik aus dem Meerwasser filtern kann“, sagt Marco De Paoli. „Dann müssen Sie wissen, wo sie dieses Schiff am besten hinschicken – denn der Ozean ist groß. Wenn man das Verhalten der Partikel genau versteht, dann lässt sich die Antwort mit großer Zuverlässigkeit berechnen.“
Die Forschungsarbeit wurde von der TU Wien und vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF großzügig unterstützt.
https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/presseaussendungen/news/mikroplastik-verstehen-mit-high-speed-kameras
Medikamente im Wasser verändern Verhalten und Fortpflanzung von Fischen
Medikamente sollen eigentlich heilen oder behandeln, was nicht richtig ist. Gelangen sie jedoch durch Kläranlagen in die Gewässer, wirken sie auch dort und können gemäß dem Sprichwort „Die Dosis macht das Gift“ das Gegenteil für andere Lebewesen bewirken.
Medikamente sind dafür gemacht, eine positive Wirkung auf die Gesundheit zu erzielen. Doch was den (menschlichen) Körper direkt beeinflusst, kann indirekt auch eine ungewollte Veränderung bei anderen Lebewesen hervorrufen, wie australische und italienische Biologen nun zeigen.
Jene Veränderung gehe so weit, dass das Medikament zum pharmazeutischen Schadstoff wird und sich negativ auf das Verhalten und die Fortpflanzungsmerkmale von Fischen …mehr:
https://www.epochtimes.de/wissen/forschung/medikamente-im-wasser-veraendern-verhalten-und-fortpflanzung-von-fischen-a4846092.html
eawag: Innovative Wasserlösungen für nachhaltige Städte
Städte müssen nachhaltiger werden und ihre Wasserressourcen effizienter nutzen. Wasser in lokalen, kleinräumigen Kreisläufen zu managen, ist eine mögliche Lösung. Ein neues Weissbuch von Eawag, Universität Berkeley und BlueTech Research zeigt, wie das mit innovativen Ansätzen gelingen kann. Drei Roadmaps beschreiben Lösungen für einzelne Gebäude, Stadtquartiere und Städte inklusive regionaler Landwirtschaft. Sechs Grossstädte aus der ganzen Welt dienen als Leuchttürme für andere Städte, welche an der Integration von innovativen Wasserlösungen interessiert sind.
Der Klimawandel, knapper werdende Wasserressourcen und die rasant wachsende Stadtbevölkerung fordern ein Umdenken in der Siedlungswasserwirtschaft. Grossstädte rund um den Globus wie San Francisco, Kapstadt, Bengaluru oder Barcelona kämpfen mit wiederkehrenden Wasserkrisen. «Wir brauchen neue Wege, um die Widerstandskraft von Städten gegen zunehmende Dürreprobleme zu erhöhen», sagt…mehr:
https://www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/innovative-wasserloesungen-fuer-nachhaltige-staedte/
Brennstofffreies Wohnquartier in Köln nutzt Abwasser als Wärmequelle
Das von dem Projektentwickler wvm Gruppe und der naturstrom AG realisierte Quartier LÜCK in Köln-Ehrenfeld nutzt eine bislang kaum erschlossene Wärmequelle: Städtisches Abwasser dient einer zentralen Wärmepumpe als Energiereservoir. Der Strom für die Wärmeerzeugung kommt direkt von Photovoltaikanlagen auf den Gebäudedächern, ergänzt um Ökostrom aus dem öffentlichen Netz. Bei einer Baustellenbegehung macht sich NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach ein Bild von der fossilfreien Versorgungslösung und deren Potenzial für die Wärmewende.
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Zukunft wird aus Mut gemacht. Nur wer mutig neue Wege geht und technologieoffen denkt, kann einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Mit der öffentlichen Wohnraumförderung Nordrhein-Westfalen unterstützen wir Innovation und mutige Schritte – wie beim Quartier LÜCK in Köln. Zur Versorgung der Mieterinnen und Mieter wurde ein Quartierswärmenetz unter Nutzung von Abwasserwärme geschaffen. Von diesen Erfahrungen profitieren andere Bauwillige, die Mieterinnen und Mieter und natürlich die Umwelt. Mit rund 12,6 Millionen Euro aus der öffentlichen Wohnraumförderung wird zudem die Bezahlbarkeit der Miete gesichert.“
Mit dem Bau des Wohnquartiers an der Subbelrather Straße hat die wvm Gruppe bereits 2023 begonnen. Auf einem brachliegenden Fabrikgelände entstehen derzeit vier Mehrparteienhäuser für 216 Wohneinheiten und eine Großtagespflege. Neben Abwasserwärme nutzt LÜCKauch Solarstrom direkt vom eigenen Dach. Hierfür werden Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 99 Kilowatt peak installiert.
Pufferspeicher speist lokales Wärmenetz
„Die Wärmepumpe in der Energiezentrale nutzt den lokal erzeugten Solarstrom sowie echten Ökostrom aus dem Netz, um das Heizwasser auf Temperatur zu bringen und einen 20 Kubikmeter großen Pufferspeicher zu befüllen“, erläutert Dr. Sarah Debor, Geschäftsfeldleiterin Urbanes Wohnen und Gewerbe bei der naturstrom AG, das Energiekonzept. „Dieser speist das quartierseigene Wärmenetz. Bei Spitzenlast oder besonders viel lokal erzeugter Solarenergie wird eine Power-to-Heat-Anlage zugeschaltet.“
Die Trinkwasser-Erhitzung übernehmen dezentrale Wohnungsstationen in den einzelnen Wohneinheiten. So können die Vorlauftemperaturen für die Bereitstellung der Raumwärme niedrig und besonders effizient gehalten werden.
Abwasser – wichtiger Baustein der urbanen Wärmewende
Die Hauptenergiequelle liegt nur wenige Meter außerhalb des Quartiers – treffenderweise unter der Äußeren Kanalstraße. Auf einer Länge von rund 120 Metern entzieht ein Wärmetauscher dem vorbeirauschenden Abwasser Wärmeenergie. „Abwasser als Energiequelle bringt zwei zentrale Vorteile mit sich“, erklärt Stephan von Bothmer, Geschäftsführer von UHRIG Energie, welche die Wärmetauscher-Technik im Projekt stellen. „Zum Ersten ist es gerade im Winter mit mindestens zehn bis zwölf Grad eine vergleichsweise energiereiche und verlässliche Wärmequelle. Das ermöglicht ein besonders effizientes Arbeiten der angeschlossenen Wärmepumpen. Zum Zweiten steht diese Energie passend zum Wärmebedarf zur Verfügung: Gerade im urbanen Raum, wo viel Wärme benötigt wird, fällt besonders viel Abwasserwärme an – häufig ein perfektes lokales Match!“
Umweltfreundlich, skalierbar und wirtschaftlich
„Für uns war es von Beginn an wichtig, das Energiekonzept von LÜCK so nachhaltig wie möglich zu planen“, erinnert sich Erika Werres, Geschäftsführerin der wvm Gruppe in Köln. „Mit Abwasser haben wir hier nicht nur die ideale Energiequelle für unser Wohnquartier gefunden, sondern zeigen auch, dass die Wärmegewinnung aus Kanälen wirtschaftlich und skalierbar ist.“
Bei der Umsetzung des innovativen Energiekonzepts kooperieren die Projektpartner eng mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, in deren Kanäle die Wärmetauscher eingebracht werden. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir hier mit unserem Plan auf offene Ohren gestoßen sind“, freut sich Sarah Debor von naturstrom. „Obwohl die Potenziale der Abwasserwärmegewinnung unbestritten sind, scheuen anderswo manche Stadtentwässerungsbetriebe bislang davor zurück. Wir freuen uns, mit LÜCK ein Vorzeigeprojekt vorstellen zu können, das zeigt, was möglich ist. Die Potenziale im urbanen Raum sind derart groß, dass wir mittlerweile standardmäßig bei jedem Projekt eine Umsetzung prüfen.“
Das Quartier LÜCK nutzt Abwasserwärme, um über 200 Wohnungen mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. (© naturstrom AG)
Wärmetauscher im anliegenden Abwasserkanal dienen einer zentralen Wärmepumpe als effiziente Wärmequelle. (© UHRIG Energie)
Das Energiekonzept des Quartiers stelle eine 100 % fossilfreie Wärmeversorgung sicher. (© naturstrom AG)
Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, erklärt die Bedeutung von Abwasserwärme und Technologieoffenheit im Wohnungsbau.
https://www.naturstrom.de/ueber-uns/presse/news-detail/brennstofffreies-wohnquartier-in-koeln-nutzt-abwasser-als-waermequelle
Effiziente Spurenstoffelimination mit modularer Ozonanlage
Aufgrund der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie werden zahlreiche Kläranlagen eine zusätzliche Reinigungsstufe zur Elimination von Spurenstoffen integrieren müssen.
Positive Ergebnisse aus Praxiseinsatz in Kläranlage
Effiziente Spurenstoffelimination mit modularer Ozonanlage
Aufgrund der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie werden zahlreiche Kläranlagen eine zusätzliche Reinigungsstufe zur Elimination von Spurenstoffen integrieren müssen. Nach dem Stand der Technik und Erfahrungen aus der Praxis bietet die Ozonung mit nachfolgender Filtrationsstufe eine der effizientesten Viertbehandlungen, um die neuen Vorgaben erzielen zu können. Mit der hier betrachteten modularen Systemlösung kann flexibel auf stark schwankende Abwassermengen und Zusammensetzungen reagiert werden. Kläranlagen erreichen damit das gleiche oder ein besseres Reinigungsergebnis mit geringerem Aufwand und zu reduzierten Betriebskosten im Vergleich zu herkömmlichen Ozonanlagen.
Neue Kommunalabwasserrichtlinie
Voraussichtlich im Herbst 2024 wird die Neufassung der Richtlinie für alle EU-Mitglied-staaten in Kraft treten. Im vorliegenden Beitrag wird der daraus resultierende Handlungsbedarf für Kläranlagenbetreiber in Deutschland hinsichtlich der Viertbehandlung von Abwasser erörtert. Artikel 8 der neuen Richtlinie definiert die Anforderungen zur Elimination von Spurenstoffen bis zum Jahr 2045 für Kläranlagen der Größenklasse 5 (über 150.000 Einwohner; bundesweit rund 240 Kläranlagen) sowie für Kläranlagen kleinerer Gemeinden, welche in sensitive Gewässer einleiten.
Spurenstoffe im Abwasser
Zu den anthropogenen Spurenstoffen, auch als Mikroverunreinigungen oder Mikroschadstoffe bezeichnet, zählen Arznei-, Pflanzenschutz- und Reinigungsmittel, Kosmetikprodukte sowie Industriechemikalien. In den meisten Kläranlagen werden diese Spurenstoffe zurzeit noch nicht oder nicht vollständig abgebaut und zurückgehalten. Auch wenn die human- und ökotoxikologische Wirkung einzelner Stoffe in Studien bereits untersucht wurde, ist bisher noch sehr wenig bekannt, welche Auswirkungen der „Cocktail“ verschiedener Stoffe im Wasser haben könnte. Die neue Richtlinie hat jetzt 12 Leitsubstanzen als Richtwert festgelegt. Demzufolge müssen bei der Abwasserbehandlung mindestens sechs der aufgeführten Substanzen um mindestens 80% reduziert werden. Exemplarisch seien hier das Schmerzmittel Diclofenac und das Korrosionsschutzmittel Benzotriazol genannt.
Verfahren zur Spurenstoffelimination
Die Adsorption an Aktivkohle und die Ozonung in Kombination mit einer nachfolgenden Filtrationsstufe wird seit mehreren Jahren in Deutschland eingesetzt. Weitere, meist oxidative Verfahren sind Gegenstand von Forschungsprojekten, die sich jedoch unter wirtschaftlichen Aspekten momentan noch nicht für die Anwendung in Kläranlagen eignen.
Die Ozonung in Kombination mit granulierter Aktivkohle (GAK) bietet mehrere Vorteile: Auch bei einer schwankenden Zusammensetzung der Verunreinigungen wird eine stabile und hohe Eliminationsrate von über 80% erreicht. Vor der Aktivkohlebehandlung werden oxidierbare und teilweise adsorbierbare Stoffe beseitigt. Dies führt zu einem besseren Abbau der Spurenstoffe und deutlich längerer Nutzungsdauer der Aktivkohle.
Herausforderungen bei der Anlagenauswahl
Die wirtschaftlichste Lösung hängt vor allem von der Zusammensetzung des Abwassers und der darin vorhandenen Konzentration der Spurenstoffe ab. Starke Schwankungen in der Wasserzusammensetzung und der Durchflussmenge verursachen große Abweichungen bei der erforderlichen Ozonkapazität.
Jeder Ozongenerator hat einen optimalen Betriebspunkt, bei dem die Betriebskosten minimal sind. Dieser optimale Betriebspunkt hängt ab von der Ozonleistung und -konzentration sowie den lokalen Strom-, Sauerstoff- und Kühlwasserkosten. Der optimale Wirkungsgrad im Nennbetrieb sollte bei weniger als 8 kWh/kg Ozon liegen. Eine dynamische Modulation des Sauerstoff- und Stromverbrauchs in Abhängigkeit von den lokalen Kosten trägt somit erheblich zur Minimierung der Gesamtbetriebskosten bei.
Vergleich modulare zu herkömmlicher Ozonanlage
Die bestimmenden Parameter für die Auslegung der erforderlichen Ozonmenge sind DOC-Werte nach der Sedimentation von 5-15mg/l mit einer Ozon-Dosierungsrate von 0,3-0,8 g Ozon/g DOC. Typische Kontaktzeiten liegen zwischen 20-30 Minuten. Besondere Beachtung gilt der Bromat-Bildung, worauf später in diesem Beitrag eingegangen wird.
Zur Auslegung der Ozonanlagen orientiert man sich in der Regel an dem maximalen Abwasservolumenstrom und den höchsten zu erwartenden DOC-Gehalt, um auch in Spitzenzeiten die Reduktionsleistung erfüllen zu können. Diese Spitzenlast wird jedoch nur selten benötigt. Untersuchungen in mehreren Pilotprojekten von ProMinent GmbH aus Heidelberg zeigen, dass in mehr als 75% der Betriebszeit von herkömmlichen Anlagen die erforderliche Ozonkapazität unter 50% der maximalen Ozonleistung liegt. Nur in 12% der gesamten Betriebszeit wird die maximale Leistung benötigt. Gespräche mit Klärwerksbetreibern bestätigen diese Ergebnisse. Da die Effizienz eines Ozongenerators von der erforderlichen Ozonleistung abhängt, ist eine solche Anlage für den Rest eines Betriebsjahres quasi überdimensioniert.
Wesentlich effizienter arbeitet im Vergleich dazu ein modulares System: Im betrachteten Pilotprojekt können bis zu 16 autarke Ozonerzeugungsmodule je nach Ozonbedarf individuell aktiviert werden. Insbesondere bei Betrieb im mittleren und unteren Leistungsbereich senkt die modulare Anlage den Energieverbrauch erheblich.
Deutliche Verringerung der Kontaktzeiten
Bisher sind für eine wirksame Elimination von Spurenstoffen bei maximalem Durchfluss Kontaktzeiten von 20 bis 30 Minuten üblich. Das erfordert große Kontaktbehälter aus Beton und Stahl, die hohe Baukosten verursachen und erheblichen Platz benötigen. Das Pilotprojekt in einer luxemburgischen Kläranlage mit dem modularen System hingegen liefert positive Ergebnisse trotz deutlich geringeren Kontaktzeiten. Dabei ist die Zusammensetzung des Abwassers aufgrund der unterschiedlichen Quellen (privat und industriell) eine enorme Herausforderung, da es organisch und chemisch mit hohen Bromidkonzentrationen belastet ist.
Entscheidend für die Eliminationsleistung ist die Kombination aus effizienter Einmischung und einer bedarfsgesteuerten Ozonerzeugung. Dies ermöglicht eine deutliche Reduktion der Kontaktzeit auf nur noch fünf Minuten ohne jegliche Einbußen bei der Reduktionsleistung.
Positive Ergebnisse mit modularem System
Die Auswertungen der laufenden Pilotprojekte belegen die Effizienz von modularen Ozonanlagen als Viertbehandlung. Systeme, die Ozonung und Aktivkohle kombinieren, erreichen eine Abbaurate der Spurenstoffe von über 80%. Die im vorliegenden Praxisbeispiel eingesetzte Ozonanlage der ProMinent GmbH in Kombination mit einer effizienten Einmischung ermöglicht eine deutliche Verkürzung der Kontaktzeit. Das bedeutet eine deutliche Einsparung bei den Baukosten und letztlich auch der CO2-Emissionen.
Je nach Abwassermatrix und Anforderungen an die Reinigungsleistung kann das betrachtete System aufgrund der zu- und abschaltbaren Module jederzeit an Schwankungen flexibel angepasst werden. Dank der modularen Bauweise können bestehende Anlagen einfach erweitert, ausgetauscht oder nachgerüstet werden. Die äußerst kompakte Bauweise ermöglicht nachweislich bis zu 70% weniger Platz. Die genannten Vorteile führen somit zu einer signifikanten Minimierung der Investitions- und Betriebskosten.
Die Pilotanlage in Luxemburg zeigt zudem einen besonders positiven Nebeneffekt: Das eingeleitete Abwasser aus dem Industriegebiet enthält Bromid. Bei der Behandlung mit Ozon kann potenziell schädliches Bromat entstehen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch, dass durch die gute Regelung der Ozonanlage in Verbindung mit dem Drallmischer zum Ozoneintrag und der vorliegenden Wassermatrix trotz der hohen Bromid-Konzentrationen die Bromat-Bildung vernachlässigt werden kann.
Literaturverzeichnis / Quellenangaben
Als Informationsquellen für den vorliegenden Artikel wurden Publikationen folgender Institutionen und Verbände genutzt: UBA, BMU, KomS BW, VKU, DWA, Statistisches Bundesamt. Eigene Erhebungen der ProMinent GmbH aus den genannten Pilotprojekten sind ebenfalls Grundlage dieses Beitrags.
Autoren: Egbert Hocke, Verfahrensentwickler Wasseraufbereitung und Wolfgang Matheis, Produktmanager
https://www.prominent.de/de/Unternehmen/Unternehmen/Presse/focus-on-effiziente-spurenstoffelimination-mit-modularer-Ozonanlage.html
Eawag: Oxidation, aber richtig – preisgekrönte Dissertation
Die Umweltchemikerin Joanna Houska ist für Ihre Doktorarbeit von der Deutschen Wasserchemischen Gesellschaft ausgezeichnet worden. Houska hat an der Eawag und EPFL geforscht und sowohl theoretisch als auch mit Experimenten aufgezeigt, wie die oxidative Behandlung von Wasser mit Ozon oder Chlor effizienter eingesetzt werden kann, wenn genauer bekannt ist, welche organischen Stoffe im zu behandelnden Wasser gelöst sind.
«Die Arbeit ist ein Meilenstein für ein besseres Verständnis der Rolle von gelöstem organischem Material bei der oxidativen Wasseraufbereitung», sagt Joanna Houskas Betreuer, Urs von Gunten. Er ist Professor an der EPFL und leitet am Wasserforschungsinstitut Eawag die Gruppe für Trinkwasserchemie. Houska verfüge, so von Gunten, über «eine enorme Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Fragestellungen theoretisch und experimentell zu bearbeiten und Probleme mit grosser Unabhängigkeit erfolgreich zu lösen.» In ihren Experimenten, aber auch mit Modellieren habe die Forscherin spannende neue Daten produziert und interpretiert, die zur Verbesserung der oxidativen Wasseraufbereitung eingesetzt werden können.
Ineffizient und gefährlich ohne genaue Analyse
Wo liegt denn das Problem? Werden Chlor oder Ozon zur Desinfektion/Oxidation von Wasser eingesetzt, ist das Hauptziel, Krankheitskeime und Mikroverunreinigungen unschädlich zu machen. Aber der grösste Teil der Oxidationsmittel reagiert mit Wassermatrixbestandteilen wie dem gelösten organischen Material. Das verringert nicht nur die Effizienz der Verfahren, sondern kann im dümmsten Fall zur Bildung von toxischen Nebenprodukten führen. Also sollte man möglichst genau wissen, was im zu behandelnden Wasser gelöst ist, um die Oxidation effizient zu machen. Hier hat Forscherin Houska mit ihren Studien eingesetzt, denn bisher wurden dafür hauptsächlich Summenparameter verwendet, abgeleitet zum Beispiel aus der UV-Absorption. In ihrer Dissertation hat sie deshalb erst Methoden entwickelt, um die Konzentration von relevanten Verbindungen zu messen. Anschliessend hat sie diese charakterisiert und bewertet, ob und wie stark sie problematische Nebenprodukte bilden können. Und schliesslich hat sie über die Sauerstoffisotope im Wasserstoffperoxid aufgedeckt, wie die heiklen Vorläufersubstanzen voneinander unterschieden werden können. Interessant ist ausserdem, dass Houska ihre Forschung nicht nur auf die Desinfektion/Oxidation von Wasser, das als Trinkwasser genutzt wird, beschränkt hat. Vielmehr hat sie auch auf einer Kläranlage die Bildung von Ozonungs-Nebenprodukten und deren anschliessenden Abbau in der biologischen Nachbehandlung von gereinigtem Abwasser verfolgt.
Erstmals in die Schweiz
Der Promotionspreis auf dem Gebiet der Wasserchemie wird seit 1992 verliehen und ist mit 1500 Euro dotiert. 2024 geht er zum ersten Mal in die Schweiz. Was Joanna Houska mit dem Batzen machen wird, weiss sie schon: «Mein Fahrrad benötigt dringend ein Upgrade, deshalb wird das Preisgeld am ehesten darin investiert». Sie arbeitet inzwischen in der Umweltabteilung bei Roche im Bereich Abwasser und Gewässerschutz.
https://www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/oxidation-aber-richtig-preisgekroente-dissertation/
eawag: Biologischer Abbau von Mückenschutzmitteln erst teilweise geklärt
Mikroorganismen in Biofilmen in Flüssen können Schadstoffe abbauen. Einige sind auch in der Lage, Biozide abzubauen, unter anderem das Insektenabwehrmittel Diethyltoluamid (DEET) – so vermutet man zumindest. Forschende des Wasserforschungsinstituts Eawag haben nun herausgefunden, dass DEET besser abgebaut wird, wenn der Anteil an gereinigtem Abwasser im Gewässer hoch ist. Sie machen dafür spezifische Enzyme verantwortlich, die vor allem dort vorkommen, wo Kläranlagen das Wasser ins Gewässer zurückleiten. Eindeutig identifizieren konnten sie diese Enzyme aber erst im Ansatz.
Wenn Abwasser aus der Kläranlage zurück in den Fluss geleitet wird, ist die Reinigungsarbeit längst nicht getan. Mikroorganismen im Wasser zersetzen verbliebene Fremdstoffe und Verschmutzungen im Wasser. Eines der Biozide, das als biologisch abbaubar gilt, ist Diethyltoluamid (DEET). Es kommt in Mückenschutzmitteln vor und gehört zu den am häufigsten gemessenen organischen Chemikalien in Oberflächengewässern – auch in der Schweiz. Doch bislang ist wenig darüber bekannt, unter welchen Begebenheiten DEET abgebaut.
https://www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/biologischer-abbau-von-mueckenschutzmitteln-erst-teilweise-geklaert/
Neuer Bericht der IKSR zur Entwicklung der Abflüsse des Rheins unter dem Einfluss des Klimawandels
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart, auch für die Wasserwirtschaft. Trockenheit, Hochwasser und hohe Wassertemperaturen können sich negativ auf das Ökosystem des Rheins und seiner Nebenflüsse sowie auf Wassernutzungen auswirken.
Von Dürre bis Hochwasser: Wetterextreme nehmen weiter zu
Internationale Fachleute aus den Staaten im Rheineinzugsgebiet haben anhand der neuesten Klimadaten untersucht, wie sich die Abflüsse des Rheins und seiner wichtigsten Nebenflüsse bis 2100 voraussichtlich entwickeln werden.
In den Monaten November bis April steigt tendenziell die Hochwassergefahr. Von Mai bis Oktober wird Trockenheit voraussichtlich häufiger vorkommen, länger andauern und stärker ausgeprägt sein. Der ausgleichende Einfluss der Gletscher- und Schneeschmelze, die zu dieser Jahreszeit den Rhein mit Wasser versorgt und so die geringe Niederschlagsmenge ausgleicht, nimmt bis Ende des Jahrhunderts weiter ab. Der Rhein wird dadurch stärker von Regen abhängig sein. Regional erwartet man im Sommer außerdem häufigere Sturzfluten, wie zuletzt im Juli 2021 unter anderem in der Eifel und den Ardennen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Häufigkeit und Intensität der hydrologischen Extreme weiter und schneller als vor zehn Jahren angenommen zunehmen werden. Durch den fortschreitenden Klimawandel nimmt der Druck auf das Ökosystem Rhein zu, die Trinkwasserversorgung wird aufwändiger und die Schifffahrt wird vermehrt eingeschränkt. Deshalb besteht ein dringender Handlungsbedarf, Anpassungsmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen.
Den Rhein klimafit machen
Die neue Studie dient als eine wichtige Grundlage zur Überarbeitung der IKSR-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Hierzu ist im Frühling 2025 ein Workshop mit vom Klimawandel betroffenen Nutzergruppen geplant.
„Basierend auf Faktenwissen müssen wir Anpassungsmaßnahmen ergreifen, um den Rhein und sein Einzugsgebiet klimafit zu machen. Mit dem vorliegenden Bericht und dem für 2025 geplanten Workshop stellen wir wichtige Weichen.“, stellt IKSR-Präsidentin Miriam Haritz anlässlich der Veröffentlichung des Berichts fest.
Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins hat sich mit dem Programm „Rhein 2040“ das Ziel gesetzt, den Rhein und sein Einzugsgebiet nachhaltig zu entwickeln und an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen.
Link zur Studie: https://www.iksr.org/de/oeffentliches/dokumente/archiv/fachberichte/fachberichte-einzeldarstellung/297-klimawandelbedingte-abflussszenarien-fuer-das-rheineinzugsgebiet
Grundwasservorräte in Südwesteuropa insgesamt stabiler als angenommen / Differenzierte Betrachtung jedoch notwendig
Grundwasser ist eine wichtige Ressource für Natur und Menschen. Der zunehmende Klimawandel und anthropogene Einflüsse können jedoch die Verfügbarkeit gefährden, vor allem in Südwesteuropa. Diese Gefährdung hat ein vom UFZ koordiniertes Forschungsteam genauer untersucht und die Daten von mehr als 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien ausgewertet. Die überraschende Erkenntnis: Der Grundwasserspiegel sinkt nicht wie allgemein angenommen überall, sondern vielmehr vor allem in semi-ariden Regionen mit intensiver Landwirtschaft und häufigen Dürreperioden sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten.
„Die Meinung ist weit verbreitet, dass der Grundwasserspiegel überall in Südwesteuropa kontinuierlich sinkt. Eine genauere Untersuchung der Daten zeigt jedoch, dass die Situation komplexer ist“, sagt UFZ-Hydrologe Dr. Seifeddine Jomaa, korrespondierender Autor der Studie. So ergab die Auswertung der Hydrologen für die Jahre 1960 bis 2020, dass 68 Prozent der untersuchten Brunnen in den vergangenen drei Jahrzehnten stabile Werte aufwiesen. 20 Prozent der Brunnen zeigten steigende Pegelwerte in dem Zeitraum, bei lediglich 12 Prozent sanken sie. „Um Verallgemeinerungen zu vermeiden, bedarf es einer differenzierten und detaillierten Betrachtung der lokalen Grundwassersysteme“, sagt er.
Der genaue Blick auf das Datenmaterial zeigt nun, dass sich Brunnen mit stabilen Grundwasserpegeln vor allem in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich befinden. „In diesen Regionen halten hohe Neubildungsraten den Grundwasserspiegel nahezu stabil“, sagt Rafael Chávez García Silva, Erstautor und ebenfalls Hydrologe am UFZ. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steigt der Grundwasserspiegel unter anderem infolge einer natürlichen Bodensenkung sogar an, sodass Oberflächenwasser abgeleitet und Grundwasser abgepumpt werden muss, um Überschwemmungen zu verhindern.
In semi-ariden Regionen wie zum Beispiel in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien) finden sich dagegen vielerorts Grundwassermessstände, deren Pegel seit Jahrzehnten sinken. Dies ist zum einen auf die durch den Klimawandel bedingten geringeren Niederschläge und höheren Temperaturen zurückzuführen. Mitentscheidend ist zum anderen aber auch die intensive Landwirtschaft. „Diese vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich“, sagt Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Doch auch in Regionen mit gemäßigtem Klima fanden die Forscher Brunnen mit rückläufigen Grundwasserständen. Die Ursache dafür: Die Nähe zu Städten und Industriebetrieben. Rückläufig sind seit den 1960er Jahren zum Beispiel die Grundwasserpegel im Großraum von Städten wie Lyon, Nizza, Modena oder Bordeaux. In der neuntgrößten Stadt Frankreichs Bordeaux lässt sich die hohe Grundwassernutzung auf den zunehmenden Wasserverbrauch der Haushalte zurückführen. In der beliebten französischen Touristenstadt Béziers ist der Grundwasserspiegel aufgrund der verstärkten Entnahme von Trinkwasser für die Sommertouristen erheblich gesunken.
Während sich der Rückgang des Grundwassers in urbanen und industriell geprägten Regionen nicht so leicht stoppen lässt, fanden die Forscher in semi-ariden, landwirtschaftlich geprägten Regionen effektive Managementansätze. Deswegen konnten sich dort die Grundwasserstände erholen – wie etwa in La Mancha Oriental in Spanien. Bis in die 1990er Jahre sank der Grundwasserspiegel aufgrund der übermäßigen Bewässerung. „Infolgedessen trocknete beispielsweise der Fluss Júcar 1994 an einigen Abschnitten erstmals aus – ein dramatisches Ereignis, das Landwirte dazu bewog, eine lokale Wassernutzervereinigung zu gründen, die mit einer Kombination aus Monitoring, der Fernerkundung und individuellen Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands stoppen wollte. Diese Maßnahmen waren effektiv und haben die Entwicklung des Grundwasserspiegels umgekehrt“, sagt J. Jaime Gómez-Hernández, Professor für Hydrogeologie an der Universitat Politècnica de València und Co-Autor der Studie.
Aus den Erfahrungen Südwesteuropas lassen sich auch Rückschlüsse für das Grundwassermanagement in Deutschland und anderen Regionen weltweit ziehen, denn auch da steigt der Grundwasserbedarf, und die Grundwasserneubildung leidet vielerorts aufgrund des Klimawandels. „Deutschland könnte von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, zum Beispiel wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können“, sagt Seifeddine Jomaa. Denn eines sei in jedem Fall klar: Deutschland braucht einen vorausschauenden Ansatz für eine nachhaltige Grundwassernutzung.
Diese Forschungsarbeit wurde von den Projekten InTheMED und OurMED unterstützt, die Teil des PRIMA-Programms (Partnership for Research and Innovation in the Mediterranean Area) sind. PRIMA wird durch das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 finanziert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Rode
UFZ-Department Aquatische Ökosystemanalyse
michael.rode@ufz.de
Abwässer womöglich artenreicher als gedacht
Berlin – Metagenomanalysen von Abwasserproben können detaillierte Einblicke in die Dynamik von viralen Pathogenen geben. Die analysierten Proben aus einer Berliner Kläranlage spiegeln die saisonale Ausbreitung von Virusvarianten wider. Zudem wurden im Abgleich mit global verfügbaren Daten sowohl bekannte als auch neue Virusstämme identifiziert (Environment International 2024; DOI: 10.1016/j.envint.2024.108875). Abwasserproben enthalten eine sehr…
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/153257/Abwaesser-womoeglich-artenreicher-als-gedacht?
Klärwerke als Dienstleister: Projekt „FlexAqua“ will mit KI die Energieflexibilität steigern
Mit dem neu gestarteten Projekt „FlexAqua“ wollen Forschende der Bergischen Universität Wuppertal das für ein nachhaltiges und flexibles Energiesystem bislang ungenutzte Potenzial der Abwasserwirtschaft nutzbar machen. Sie setzen dabei auf die Unterstützung von Künstlicher Intelligenz. Das Vorhaben soll einen wichtigen Beitrag bei der Erreichung der Klimaneutralitätsziele bis 2045 leisten.
Städtische Abwasserbetriebe benötigen zur Aufbereitung von Schmutzwasser viel Energie – häufig gehören die Kläranlagen zu den größten kommunalen Einzelverbrauchern. Sie sind aber ebenso Orte der nachhaltigen Strom- und Wärmeerzeugung: Das in den sogenannten Faulbehältern der Anlage entstehende Klärgas beispielsweise gilt als äußerst ergiebiger und erneuerbarer Energieträger mit großem Potenzial, entscheidend zur Energiewende beizutragen. Zudem lässt sich durch innovative Betriebsweisen der Energiebezug zeitlich verschieben und immer häufiger gehen Betreibende dazu über, Kläranlagen als Standorte für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu nutzen. All diese Potenziale machen es möglich, die Kläranlage energieflexibel als Dienstleistung für das Energiesystem zu betreiben. Heißt: Die Anlage würde damit zum Herzstück des im Zuge der Energiewende angestrebten Auf- und Ausbaus eines flexiblen städtischen Energieversorgungssystems. Durch eine gezielte zeitliche Verschiebung von Energiebezug und -verbrauch kann beispielsweise Strom vermehrt bezogen werden, wenn viel Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. In Zeiten mit wenig Wind und Sonne kann weniger Energie bezogen werden oder gar überschüssige Energie ins System eingespeist werden.
Zu hoher Aufwand
Allerdings: „Um diese Potenziale auch nutzen zu können, müssen die Betreibenden der Anlage in der Lage sein, Verbrauch und Erzeugung besser einschätzen zu können, um sie auf die prognostizierte Situation des Energiesystems und des Stromnetzes abstimmen zu können. Aktuell sind solche Flexibilitäten nur unter erheblichem Zeit- und Ingenieursaufwand prognostizierbar“, erklärt Prof. Markus Zdrallek, Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik der Bergischen Universität und Projektkoordinator. Gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln AöR, dem IT-Dienstleister EnFlex.IT und der Universität Duisburg-Essen untersucht das Team um den Wissenschaftler daher nun Lösungsansätze, mit denen sich die Energieeinsatzplanung in den Betrieben optimieren lässt. Dabei setzen die Beteiligten auf die Unterstützung von Künstlicher Intelligenz: Unter Anwendung von Methoden des Machine Learnings ist es das Ziel, Prognosen für relevante Einflussgrößen zu generieren, mit denen sich die Flexibilitätspotenziale von Abwasseranlagen erkennen, analysieren und bestmöglich ausnutzen lassen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Prognosen, zu welchen Zeitpunkten welche Mengen an zu klärendem Wasser am Klärwerk eintreffen, die abhängig sind von Regenmengen, Verbrauchsverhalten der Haushalte und Verhalten der Industrie.
Praxistests und Prüfung der Übertragbarkeit
Durch einen optimierten Betrieb erhielten die Abwasserbetriebe also nicht nur die Möglichkeit, CO2-Emissionen und die eigenen Energiekosten zu senken, sondern selbst zusätzliche Einnahmen aus der Vermarktung der Energieflexibilität zu erzielen. „In FlexAqua werden wir mit unseren Partnern zunächst verschiedene Lösungsansätze simulieren und testen. In einem späteren Schritt gehen wir in die Praxis, um die gefundenen Lösungen auch unter realen Bedingungen anzuwenden“, erklärt Zdrallek das Vorgehen. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, prototypische Lösungsansätze zu entwickeln, die für einen produktiven Einsatz im Regelbetrieb weiterentwickelt werden können. Die Erkenntnisse aus dem Praxistest sollen insbesondere hinsichtlich der Übertragbarkeit auf weitere Wasserwirtschafts- und auch Industriebetriebe analysiert werden.
Gefördert wird das Vorhaben „FlexAqua“ in den kommenden drei Jahren vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit insgesamt rund 1,1 Millionen Euro. Der Anteil der Bergischen Universität beträgt rund 270.000 Euro.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek
Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik
E-Mail: zdrallek@uni-wuppertal.de
https://idw-online.de/de/news837771
Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger
Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der zukünftigen Versorgung. Die TU Braunschweig treibt diese Rückgewinnung mit ihrem Projekt „P-Net“ voran.
Klärschlamm ist nicht nur Abfall, sondern auch eine ergiebige Phosphorquelle. Rund 60.000 Tonnen Phosphor enthalten die rund zwei Millionen Tonnen Klärschlamm, die jährlich in deutschen Kläranlagen anfallen. Daraus könnten rund 40 Prozent des Phosphorbedarfs für Mineraldünger gedeckt werden. Bislang wurde der Schlamm jedoch meist verbrannt, die phosphorreiche Asche entsorgt. Teilweise wurde der Klärschlamm auch als Dünger auf die Felder ausgebracht. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung hat die Bundesregierung 2017 auch die Verwertung neu geregelt. So müssen Betreiber von Kläranlagen spätestens ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlamm oder der Klärschlammverbrennungsasche zurückgewinnen und recyceln. Eine landwirtschaftliche Ausbringung, wie in Braunschweig seit Jahrzehnten üblich, ist dann ebenfalls nicht mehr möglich.
https://gwf-wasser.de/forschung-und-entwicklung/vom-klaerschlamm-zum-pflanzenduenger/
UV-Filter im Geschinersee
In einem beliebten Badesee im Wallis hat das Oekotoxzentrum Rückstände von Sonnenschutzmitteln nachgewiesen. Die Konzentrationen stiegen während dem Badebetrieb an und lagen für einige Stoffe in derselben Grössenordnung wie die vorläufigen Qualitätskriterien. Eine vertiefte Untersuchung der Situation in der Schweiz ist geplant.
Die Sonne ist für uns lebensnotwendig, doch ihre UV-Strahlen können zu Sonnenbrand und Hautkrebs führen. Um uns davor zu schützen, verwenden wir Sonnenschutzmittel mit UV-Filtern, die beim Baden auch in Gewässer gelangen. Einige der rund 30 UV-Filter, die in der Schweiz zugelassen sind, können jedoch ungesund für Wasserorganismen sein. Daher hat das Oekotoxzentrum in einem Pilotprojekt im Geschinersee im Wallis untersucht, ob sich die Stoffe in diesem beliebten Badesee nachweisen lassen. Das Pfadibundeslager, das dort im Sommer 2022 mit mehr als 30’000 Teilnehmenden und regelmässigem Badebetrieb durchgeführt wurde, bot dazu eine ideale Gelegenheit.
UV-Filter können Wasserorganismen schädigen
Einige UV-Filter können schädliche Auswirkungen auf Organismen im Ökosystem haben: zum Beispiel Beeinträchtigungen des Wachstums und der Photosynthese von Algen, Schädigungen der Nachkommen von Muscheln, Ausbleichen und Absterben von Korallen sowie Verweiblichung und Fortpflanzungsprobleme bei Fischen. Die Auswirkungen auf Korallen in Meeren sind am besten erforscht, diese können durch UV-Filter schon bei geringen Konzentrationen geschädigt werden. «Wir wissen noch wenig über die chronische Toxizität der Stoffe, dies gilt besonders für Süsswasserorganismen», sagt Projektleiterin Alexandra Kroll. «Es gibt jedoch Hinweise, dass einige UV-Filter hormonaktiv sind.»
Sieben Stoffe in Badesee nachgewiesen
Das Oekotoxzentrum hat das Umweltteam des Pfadibundeslagers zunächst beraten, mit welchen Massnahmen sich das Risiko für den kleinen See durch den zusätzlichen Badebetrieb während des Lagers verringern lässt. Ausserdem wurden vor und während des Lagers an verschiedenen Stellen Wasserproben genommen und chemisch auf die sieben häufigsten organischen UV-Filter analysiert: Alle Stoffe konnten im Geschinersee nachgewiesen werden, und zwar in Konzentrationen von bis zu 800 ng/L. Die Konzentrationen stiegen im Lauf des Lagers wegen dem regelmässigen Badebetrieb an, besonders auffallend war dies für die beiden Stoffe Benzophenon-3 und Octocrylen. «Die gemessenen Konzentrationen lagen in derselben Grössenordnung wie die vorläufigen Qualitätskriterien für diese Stoffe», sagt Projektleiterin Alexandra Kroll. «Wir können also schädliche Wirkungen auf Gewässerorganismen nicht ausschliessen.»
Umfassende Studie zur Situation in der Schweiz geplant
Im Sommer 2024 wird das Oekotoxzentrum mehrere Schweizer Seen mit Badebetrieb über die Saison hin überwachen. «So möchten wir mehr Daten zum Auftreten und der Verteilung von UV-Filtern in diesen Gewässern erhalten», sagt Alexandra Kroll. Ausserdem sind Badeversuche in Versuchsteichen geplant, um den Weg der UV-Filter von der Haut ins Wasser und das weitere Schicksal der Stoffe zu verfolgen. Frühere Messungen haben gezeigt, dass sich die Stoffe in Sedimente verlagern können – dies soll hier überprüft werden. Auch Versuche zur Wirkung von UV-Filtern auf Sedimentorganismen und zur historischen Belastung von Seen mit Hilfe von Sedimentkernen sind geplant. «So möchten wir ein umfassendes Bild zur Situation der UV-Filter in Badeseen der Schweiz gewinnen», erklärt Alexandra Kroll.
Infoblatt zu Sonnenschutzmitteln in Gewässern
Video zum Projekt im Geschinersee
Verschiedene Typen von UV-Filtern
Um die Haut vor UV-Strahlung zu schützen, enthalten Sonnenschutzmittel organische (also chemische) oder mineralische (also physikalische) UV-Filter. Jeder UV-Filter schützt in einem bestimmten Wellenlängenbereich. Die Stoffe werden häufig in Mischungen eingesetzt, um einen breiten Schutz zu gewährleisten. Organische UV-Filter sind Substanzen, die UV-Strahlung aufnehmen und in Wärmestrahlung umwandeln. Insgesamt sind in der Schweiz 28 organische UV-Filter zugelassen. Mineralische UV-Filter enthalten kleine Teilchen, die UV-Strahlen absorbieren und reflektieren und so die Haut vor der Sonnenstrahlung schützen. Die beiden derzeit zugelassenen mineralischen UV-Filter sind Titandioxid (TiO2) und Zinkoxid (ZnO).
http://www.oekotoxzentrum.ch/news-publikationen/news/uv-filter-im-geschinersee
Wasser- und Energieinfrastruktur
Flexible Infrastrukturkopplungen und -nutzungen entwickeln
Die aktivierende Einbindung der Wasser- und Energieverbaucher:innen, die intersektorale Verbindung von Infrastrukturen und regionalen Ressourcen, aber auch die Dezentralisierung und Flexibilisierung von technischen Infrastruktursystemen − das sind einige unserer Forschungsansätze für eine nachhaltige Ver- und Entsorgung.
https://www.inter3.de/forschungsfelder/wasser-und-energieinfrastruktur
Virale Artenvielfalt im Abwasser
Umfassende Metagenom-Sequenzierungen des Berliner Abwassers über 17 Monate zeigen, dass man so die Ausbreitung von Krankheitserregern überwachen und Ausbrüche vorhersagen kann. Wie das Team um Markus Landthaler in „Environmental International“ schreibt, haben sie zudem Tausende neuer Viren entdeckt.
Dass Gesundheitsbehörden das städtische Abwasser überwachen, um bestimmte Mikroben wie Polioviren oder SARS-CoV-2 aufzuspüren, ist nicht neu. Eine umfassende Surveillance, die zusätzlich auf bislang unentdeckte und somit unbekannte Viren abzielt, ist dagegen in den meisten Orten der Welt nicht die Norm.
Das könnte sich in der Zukunft ändern. Denn Abwasser ist eine wahre Fundgrube für Daten zu Viren in unserer unmittelbaren Umgebung, zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“ von Professor Markus Landthaler am Max Delbrück Center. Die Wissenschaftler*innen analysierten Proben aus einer Berliner Kläranlage mithilfe der Shotgun-Metagenom-Sequenzierung. Dank dieser Technologie konnten sie alle Viren im Wasser umfassend untersuchen: von der Bestimmung von Virusvarianten bis hin zur Nachverfolgung einzelner Buchstabenänderungen im Erbgut.
Die Verbreitung der Virusvarianten nachvollziehen
Sie fanden dabei zuverlässig alltägliche Viren wie RSV oder Grippe und konnten die saisonale Ausbreitung der Virusvarianten nachvollziehen. Je nach Jahreszeit wiesen sie außerdem typische Besucher im Abwasser nach: Viren, die Spargel infizieren, tauchten im Frühjahr auf, Weintrauben-Viren im Herbst und solche, die es auf Wassermelonen oder die Berliner Mücken abgesehen haben, im Sommer.
Die weit verbreiteten Astroviren, die beim Menschen den Magen-Darm-Trakt befallen, schauten sich die Wissenschaftler*innen genauer an. Sie verglichen, welche Mutationen im viralen Genom im Berliner Abwasser vorkamen und welche anderswo gefunden worden waren. So konnten sie die weltweite Ausbreitung einzelner Stämme nachverfolgen. In angereicherten Proben detektierten und sequenzierten sie außerdem etwa 70 menschliche Pathogene, die seltener zu finden sind. Sie entdeckten Tausende neuartiger Viren und erweiterten so unser Wissen um die virale Artenvielfalt. Doch ihre Analyse machte nicht bei den Viren halt. Die Daten brachten Hunderte Enzyme namens TnpB-Endonukleasen ans Licht, die potenziell in der Biotechnologie nützlich sein können. Das Team veröffentlichte die Studie in „Environment International“.
„Die Überwachung des Abwassers hat meines Erachtens ungeheures Potenzial. Denn Sequenzierungen werden billiger“, sagt Landthaler. „Und mit den Maschinen werden sich auch die Bioinformatik-Werkzeuge verbessern, die wir für die Analyse dieser Daten brauchen.“
Nach bislang unbekannten Viren suchen
Die Forschung an den Abwasserproben hatte während der Coronapandemie begonnen. Dank einer Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben hatte die Arbeitsgruppe von Markus Landthaler Proben aus einer Berliner Kläranlage bekommen. So konnten das Team die Verbreitung und die Wellen der SARS-CoV-2-Varianten verfolgen. Als die Pandemie allmählich abebbte, beschlossen die Wissenschaftler*innen die zwischen März 2021 bis Juli 2022 gesammelten Proben erneut zu untersuchen. „Wir waren neugierig, was da noch zu finden ist“, sagt Dr. Emanuel Wyler, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Landthaler und Erstautor der Studie. „Wir hatten hier ja ein sehr umfassendes Set an Daten, das in seiner Tiefe und Zeitspanne einzigartig ist.“
Die Forscher*innen extrahierten RNA aus den Proben und generierten 116 Bibliotheken komplementärer DNA. Sie speisten die Bibliotheken in einen Sequenzierer ein – und das Ergebnis waren Millionen Messwerte. „Diese Daten zu analysieren, ist eine Herausforderung“, sagt Dr. Chris Lauber, ein auf Bioinformatik spezialisierter Virologe von TWINCORE, dem Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Genomische Daten in die großen Virenfamilien einzusortieren, ist vergleichsweise einfach. Aber eine tiefgehende Analyse, die nach Varianten oder ganz neuen Viren sucht, kann sehr anspruchsvoll sein.“
Dies alles zeige, welches Potenzial die Überwachung des Abwassers hat – um die Evolution pathogener Viren zu untersuchen und im Hinblick auf Public Health und damit für die Gesundheit der Bevölkerung, sagt Landthaler. „Die Analyse des Metagenoms von Abwasser an möglichst vielen Standorten weltweit sollte Priorität haben“, sagt er.
Max Delbrück Center
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscherinnen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patientinnen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.
https://idw-online.de/de/news837195
Phosphor-Recycling: Vom Klärschlamm zum Pflanzendünger Verfahren zur Struvitfällung auf Kläranlage Braunschweig optimiert
Phosphor ist ein wichtiger Pflanzennährstoff und damit unverzichtbar für die Nahrungsmittelproduktion. Die weltweiten Phosphorvorkommen sind jedoch begrenzt. Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm spielt daher eine wichtige Rolle bei der Sicherung der zukünftigen Versorgung. Die Technische Universität Braunschweig treibt diese Rückgewinnung mit ihrem Projekt „P-Net“ maßgeblich voran. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erzeugung des kristallinen Phosphorprodukts Struvit und der Aufbau eines Netzwerks zum Phosphor-Recycling in der Region zwischen Harz und Heide. Erster Erfolg des Projekts: Auf der Kläranlage Braunschweig testen die Projektpartner erstmalig großtechnisch ein Verfahren zur Struvitfällung, um künftig die durch die Klärschlammverordnung geforderte Rückgewinnungsquote zu erreichen.
Klärschlamm ist nicht nur Abfall, sondern auch eine ergiebige Phosphorquelle. Rund 60.000 Tonnen Phosphor enthalten die rund zwei Millionen Tonnen Klärschlamm, die jährlich in deutschen Kläranlagen anfallen. Daraus könnten rund 40 Prozent des Phosphorbedarfs für Mineraldünger gedeckt werden. Bislang wurde der Schlamm jedoch meist verbrannt, die phosphorreiche Asche entsorgt. Teilweise wurde der Klärschlamm auch als Dünger auf die Felder ausgebracht. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung hat die Bundesregierung 2017 auch die Verwertung neu geregelt. So müssen Betreiber von Kläranlagen spätestens ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlamm oder der Klärschlammverbrennungsasche zurückgewinnen und recyceln. Eine landwirtschaftliche Ausbringung, wie in Braunschweig seit Jahrzehnten üblich, ist dann ebenfalls nicht mehr möglich.
Ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen
Hier setzt das Verbundprojekt „P-Net“ an, das von der TU Braunschweig koordiniert wird. Die Forschenden verfolgen das Phosphor-Recycling auf der sogenannten Struvit-Schiene. Bei diesem Verfahren werden durch Fällung und Kristallisation kristalline Phosphorprodukte hergestellt, insbesondere Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit). Dabei war Struvit zunächst ein Nebenprodukt oder vielmehr ein „Betriebsproblem“ der Kläranlagen, das bei hohen Konzentrationen von Ammonium, Phosphat und Magnesium entsteht. Die Struvitkristalle führen häufig zu Verkrustungen, unter anderem an Rohrleitungen, Wärmetauschern und Ventilen, und damit zu Störungen im Betrieb. Deshalb wurden Verfahren entwickelt, um das Struvit gezielt zu fällen und damit besser kontrollieren zu können. Auf den Kläranlagen in Gifhorn und Braunschweig haben die Anlagenbetreiber solche Verfahren bereits installiert. Mehr;
https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/phosphor-recyling-vom-klaerschlamm-zum-pflanzenduenger/
Klimawandel: Steigende Temperaturen beeinträchtigen Grundwasserqualität
Forschende des KIT untersuchen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Grundwasserressourcen und die damit verbundenen Folgen
Grundwasser bildet das größte ungefrorene Süßwasserreservoir der Welt und ist für das Leben auf der Erde von entscheidender Bedeutung. Wie sich die globale Erwärmung auf dessen Temperatur auswirkt und was das für Mensch und Natur bedeutet, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) jetzt untersucht. Die Studie zeigt, dass bis zum Jahr 2100 voraussichtlich mehr als 75 Millionen Menschen in Gebieten leben werden, in denen das Grundwasser den höchsten von einem Land festgelegten Grenzwert für die Trinkwassertemperatur überschreitet. Ihre Ergebnisse sind in Nature Geoscience veröffentlicht. (DOI: 10.1038/s41561-024-01453-x)
Das Klimasystem erwärmt sich. Grund dafür ist die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, welche die Wärmeabstrahlung einschränken. Einen großen Teil dieser Wärme nehmen die Ozeane auf, aber auch Böden und das Grundwasser wirken als Wärmesenken. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, wie sich diese Erwärmung der Erdoberfläche räumlich und zeitlich auf das Grundwasser auswirkt. „Um die Lücke zu schließen, haben wir die prognostizierten Veränderungen der Grundwassertemperatur bis zum Jahr 2100 auf globaler Ebene dargestellt“, sagt Dr. Susanne Benz vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) des KIT, welche die Studie gemeinsam mit Dr. Kathrin Menberg und Professor Philipp Blum vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT erstellt hat. „Wir stellen globale Temperaturkarten für Grundwasser in verschiedenen Tiefen unter der Erdoberfläche zur Verfügung. Diese zeigen, dass an Orten mit flachem Grundwasserspiegel und/oder hoher atmosphärischer Erwärmung weltweit die höchsten Grundwassererwärmungsraten zu erwarten sind.“
Die Forschenden beziehen sich auf die Klimaszenarien „SSP2-4.5“ und „SSP5-8.5“. Solche Szenarien beschreiben verschiedene sozioökonomische Entwicklungen sowie unterschiedliche Verläufe des atmosphärischen Treibhausgasgehalts in der Zukunft. SSP2-4.5 stellt dabei etwa die Mitte der möglichen zukünftigen Treibhausgasentwicklungen dar, SSP5-8.5 den oberen Rand.
Millionen Menschen von zu warmem Trinkwasser betroffen
Die Studie zeigt, dass die Grundwassertemperaturen bis zum Jahr 2100 um 2,1 Grad Celsius nach SSP2-4.5 und um 3,5 Grad Celsius nach SSP5-8.5 ansteigen werden. „Schon heute leben rund 30 Millionen Menschen in Gebieten, in denen das Grundwasser wärmer ist, als die strengsten Richtlinien für Trinkwasser vorgeben. Das bedeutet, dass das Wasser dort nicht bedenkenlos direkt getrunken werden kann, sondern zum Beispiel abgekocht werden muss. Denn auch das Trinkwasser in den Wasserleitungen wird durch die Wärme im Boden aufgeheizt“, so die Wissenschaftlerin. „Je nach Klimaszenario werden bis zum Jahr 2100 bis zu mehrere Hundert Millionen Menschen betroffen sein.“ Nach SSP2-4.5 steige die Zahl auf 77 bis 188 Millionen Menschen, nach SSP5-8.5 auf 59 bis 588 Millionen an, so die Studie. Die starken Schwankungen hängen mit der räumlichen Variabilität des Klimawandels und der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Die geringsten Erwärmungsraten prognostizieren die Forschenden für Gebirgsregionen mit tief liegendem Grundwasserspiegel wie die Anden oder die Rocky Mountains.
Temperaturänderungen beeinflussen Ökosysteme
Die Temperatur des Grundwassers spielt eine entscheidende Rolle für die Wasserqualität. Sie beeinflusst eine Vielzahl chemischer, biologischer und physikalischer Prozesse. „Wenn die Bedingungen stimmen, können steigende Grundwassertemperaturen indirekt dazu führen, dass sich schädliche Stoffe wie Arsen oder Mangan im Grundwasser anreichern. Diese erhöhten Konzentrationen können sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirken, insbesondere wenn das Grundwasser als Trinkwasserquelle genutzt wird“, sagt Benz. Zudem beeinflusse wärmeres Grundwasser den Temperaturhaushalt von Flüssen, grundwasserabhängige Ökosysteme, aquatische biogeochemische Prozesse und das geothermische Potenzial. Dies stelle eine Herausforderung für die biologische Vielfalt dar und berge das Risiko, dass Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe gestört werden.
Darüber hinaus können die erhöhten Temperaturen im oberflächennahen Boden und im Grundwasser kritische Schwellenwerte in den Wasserverteilungsnetzen überschreiten. Dies könnte gesundheitliche Folgen haben, beispielsweise durch das Wachstum von Krankheitserregern wie Legionella spp. Auch Fischarten, insbesondere der Lachs, sind von den veränderten Bedingungen betroffen. Laichplätze in Flüssen, die auf das Grundwasser angewiesen sind, könnten durch die Erwärmung zu warm werden und so die Fortpflanzung gefährden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressourcen zu ergreifen und nachhaltige Lösungen zu finden, um den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser entgegenzuwirken“, appelliert Benz.
https://www.kit.edu/kit/pi_2024_044_klimawandel-steigende-temperaturen-beeintraechtigen-grundwasserqualitaet.php
Vortragsveranstaltung zur Präsentation des NOWATER Leitfadens mit über 200 Teilnehmenden
Vortragsveranstaltung zur Präsentation des NOWATER Leitfadens mit über 200 Teilnehmenden
Am 01.03.2024 präsentierte das Projektteam von NOWATER die Forschungsergebnisse im Rahmen einer Online-Veranstaltung.
Das interdisziplinäre Verbundprojekt, koordiniert durch die Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität der Bundeswehr München, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ erstreckte sich über den Zeitraum von 2020 bis 2023. Ziel war die Entwicklung organisatorischer und technischer Lösungsansätze für den Fall einer Störung der Wasserver- und -entsorgung von Krankenhäusern, die Teil der Kritischen Infrastruktur sind.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Professor Christian Schaum und Frau Dr. Muhle vom Projektträger VDI zeigte Frau Prof. Christiane Höller in ihrem Impulsvortrag die Relevanz und den Handlungsbedarf in Bezug auf eine Notfallvorsorgeplanung für solch eine Störung oder Ausfall auf.
Die Vorträge der Projektpartner behandelten unterschiedliche Aspekte eines ganzheitlichen Risikomanagements. So stellte die Universität der Vereinten Nationen technische und soziale Faktoren der Notfallvorsorge vor und zeigte auf, wie wichtig die Sensibilisierung der relevanten Akteure ist. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe klärte über die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen auf und stellte eine angepasste Methodik der Risikoanalyse vor. Maßnahmen der Vorbereitung und Krisenbewältigung wurden in den Vorträgen der Technischen Hochschule Köln sowie der Universität der Bundeswehr München vorgestellt. Der Vortrag der TH Köln umfasste dabei insbesondere organisatorische Aspekte, wie die Aufbau- und Ablauforganisation für die Krisenbewältigung, inklusive eines Notfall- und eines Übungskonzeptes. Der Vortrag der Universität der Bundeswehr legte den Schwerpunkt auf die technischen Aspekte, insbesondere auf die Bestandteile des im Projekt von den Firmen Strecker GmbH und teckons GmbH & Co. KG entwickelten und von der Universität der Bundeswehr erprobten technischen Demonstrators für die Aufbereitung und den Transport von Wasser im Falle einer Ersatz- oder Notwasserversorgung.
Herr Privatdozent Bernhard Jahn-Mühl von AGAPLESION berichtete zum Abschluss der mit über 200 Teilnehmenden erfolgreichen Veranstaltung von den Erfahrungen eines Krankenhauses im Projekt und den daraus gewonnenen Erkenntnissen. Die Ergebnisse der Veranstaltung wurden von Professor Steffen Krause zusammengefasst auch im Hinblick auf die zukünftigen Arbeiten.
Die Präsentationen boten somit einen detaillierten Einblick in die erzielten Ergebnisse des Projekts und lieferten Impulse für die Verbesserung der Notfallvorsorgeplanung von Krankenhäusern als Kritische Infrastruktur.
Der Leitfaden sowie die Abschlussberichte stehen demnächst zum Download zur Verfügung.
Für weitere Fragen und Anregungen können das Team der Universität der Bundeswehr München gerne kontaktieren unter swa@unibw.de
Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert
Der Sauerstoffgehalt in den Gewässern auf unserer Erde nimmt rapide und dramatisch ab – vom Teich bis zum Ozean. Der fortschreitende Sauerstoffverlust bedroht nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlage großer Bereiche der Gesellschaft und den gesamten Planeten, urteilen die Autor:innen einer internationalen Studie mit Beteiligung des GEOMAR, die heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde. Sie fordern, den Sauerstoffverlust der Gewässer als planetare Belastbarkeitsgrenze anzuerkennen, um globale Überwachung, Forschung und politische Maßnahmen zu fokussieren.
Sauerstoff ist eine grundlegende Voraussetzung für das Leben auf dem Planeten Erde. Der Verlust von Sauerstoff im Wasser, auch als aquatische Desoxygenierung bezeichnet, stellt eine unmittelbare Bedrohung für das Leben im Wasser dar. In einer heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Studie beschreibt ein internationales Forschungsteam, welche Gefahren der fortschreitende Sauerstoffverlust auch für die Lebensgrundlage weiter Bereiche der Gesellschaft und für die Stabilität des Lebens auf unserem Planeten darstellt.
Frühere Forschungen haben eine Reihe globaler Prozesse identifiziert, die als planetare Belastbarkeitsgrenzen bezeichnet werden. Werden diese Belastbarkeitsgrenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großräumiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen („Kipp-Punkte“), und die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine Stabilität, wird gefährdet. Zu den derzeit neun planetaren Grenzen gehören unter anderem der Klimawandel, die Veränderung der Landnutzung und der Verlust der biologischen Vielfalt. Die Autor:innen der neuen Studie argumentieren, dass der Sauerstoffverlust der Gewässer sowohl auf andere planetare Grenzprozesse reagiert als auch diese reguliert und deswegen als weitere planetare Grenze definiert werden sollte.
„Es ist wichtig, dass die Sauerstoffabnahme in der Hydrosphäre auf die Liste der planetaren Grenzen gesetzt wird“, sagt Erstautor Dr. Kevin Rose, Professor am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York. „Dies wird helfen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unsere aquatischen Ökosysteme und damit auch die Gesellschaft insgesamt zu schützen.“
In allen aquatischen Ökosystemen, von Bächen und Flüssen über Teiche, Seen und Stauseen bis hin zu Küsten und dem offenen Ozean, ist die Sauerstoffsättigung in den vergangenen Jahrzehnten rapide und erheblich gesunken. Seen und Stauseen haben seit 1980 Sauerstoffverluste von 5,5 beziehungsweise 18,6 Prozent erlitten. Der Ozean hat seit 1960 im globalen Durchschnitt mehr als zwei Prozent seines Sauerstoffs verloren. Prozentual klingt dies nach wenig, absolut bedeutet es aber aufgrund des riesigen Volumens des Weltozeans eine ungeheure Menge an Sauerstoff – und die Geschwindigkeit der Abnahme nimmt weiter zu. Die Wassermenge mit extremer Sauerstoffarmut (hypoxisch) beziehungsweise ohne jeglichen Sauerstoff (anoxisch) ist bei allen Gewässertypen dramatisch gestiegen, mit immer sichtbarer werdenden Konsequenzen für die betroffenen Ökosysteme.
„Ursachen des aquatischen Sauerstoffverlusts sind die globale Erwärmung durch Emissionen von Treibhausgasen und der Eintrag von Nährstoffen als Folge der Landnutzung“, sagt Ko-Autor Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Steigen die Wassertemperaturen, nimmt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser ab. Dazu kommt eine ausgeprägtere Schichtung der Wassersäule, weil sich wärmeres, salzärmeres Wasser mit geringer Dichte auf das darunter geschichtete kältere, salzigere Tiefenwasser legt. Das behindert den Austausch der sauerstoffarmen Tiefenschichten mit dem sauerstoffreicheren Oberflächenwasser. Nährstoffeinträge von Land fördern zusätzlich Algenblüten, die dazu führen, dass mehr Sauerstoff verbraucht wird, wenn mehr organisches Material absinkt und in der Tiefe von Mikroben zersetzt wird.“
Bereiche im Meer, in denen so wenig Sauerstoff vorhanden ist, dass Fische, Muscheln oder Krebse nicht mehr überleben können, bedrohen nicht nur die Organismen selbst, sondern auch Ökosystemdienstleistungen wie Fischerei, Aquakultur, Tourismus und kulturelle Praktiken. Mikrobiotische Prozesse in sauerstoffarmen Regionen erzeugen darüber hinaus verstärkt Treibhausgase wie Lachgas und Methan, was zu einer weiteren Verstärkung der Erderwärmung und damit einer wesentlichen Ursache der Sauerstoffabnahme führen kann.
Die Autoren warnen: Wir nähern uns kritischen Schwellenwerten des Sauerstoffverlusts in den Gewässern, die mehrere andere planetare Grenzen beeinflussen werden. Professor Dr. Rose: „Gelöster Sauerstoff reguliert die Rolle von Meeres- und Süßwasser bei der Steuerung des Erdklimas. Die Verbesserung der Sauerstoffsättigung in Gewässern hängt von der Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen ab, einschließlich der Klimaerwärmung und der Abwässer aus bewirtschafteten Landschaften. Wird der Sauerstoffmangel in den Gewässern nicht adressiert, wird dies letztlich nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die Wirtschaft und die Gesellschaft auf globaler Ebene beeinträchtigen.“
Die Trends bei der Sauerstoffverarmung der Gewässer sind ein deutliches Warnsignal und ein Aufruf zum Handeln, das verhindern muss, diese planetare Grenze zu überschreiten. Die Studie von Professor Rose und seinen Kolleg:innen wird den Weg für weitere Forschung ebnen und die Tür für neue Regulierungsmaßnahmen öffnen. Sie entstand im Umfeld des Netzwerks Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO), das ebenso wie das Programm Global Ocean Oxygen Decade (GOOD) der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen von Professor Oschlies geleitet wird.
https://idw-online.de/de/news836972
ULTRA-F Projekt stellt Ergebnisse auf Berliner Energietagen vor
Sichere Trinkwasserhygiene und Energieeinsparung – geht das gleichzeitig? Auf den Berliner Energietagen im Mai wurden umfangreiche Erkenntnisse aus Versuchen im Labor, im Technikum sowie in realen Wohngebäuden zur Wirksamkeit der Ultrafiltration hinsichtlich eines hygienisch sicheren Betriebs einer Trinkwasserinstallation bei abgesenkter Temperatur des Warmwassers vorgestellt. Zusätzlich wurden die Aspekte der Verminderung von CO2-Emissionen und der Wirtschaftlichkeit betrachtet.
Das interdisziplinär aufgestellte Forscher:innen-Team mit IWW-Beteilung sprach die Empfehlung aus, dass in einer zentralen Trinkwassererwärmung an keiner Stelle der Zirkulation eine Temperatur von 45 °C unterschritten werden dürfe. Dabei kann auch ohne Ultrafiltration ein hygienisch sicherer Betrieb bei einer Minimaltemperatur des Warmwassers in der Zirkulation von mind. 50 °C möglich sein. Wesentlichste Voraussetzung ist, dass der thermohydraulische Abgleich in der Trinkwasserinstallation gewährleistet ist und kontinuierlich überwacht wird. Außerdem muss das Vorkommen von Legionellen regelmäßig überprüft werden. Weiterhin wurden die Randbedingungen für den sicheren Betrieb von Ultrafiltrationsanlagen herausgearbeitet sowie Anpassungen des Regelwerkes empfohlen.
https://iww-online.de/ultra-f-projekt-stellt-ergebnisse-auf-berliner-energietagen-vor/
Giftige Alge in der Oder Forscher entschlüsseln Erbgut der Oder-Goldalge und entdecken Gift-Quelle
Sie war mitverantwortlich für das massenhafte Fischsterben vor zwei Jahren in der Oder, nun haben Forscher das Erbgut der giftigen Goldalge entschlüsselt. Das könnte in Zukunft bei bevorstehenden Naturkatastrophen helfen.
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben das Erbgut der giftigen Goldalge aus dem Grenzfluss Oder vollständig entschlüsselt. Dabei haben sie wichtige Informationen über einzelne Gene gewonnen. Dies könnte künftig helfen, eine sprunghafte Vermehrung der Goldalge „Prymnesium parvum“ und eine Naturkatastrophe wie im Jahr 2022 zumindest einzudämmen.
„Wir haben die Gene identifiziert, die das Gift produzieren“, sagte IGB-Wissenschaftler Heiner Kuhl dem rbb am Montag. In der Praxis könnten ihm zufolge quantitative PCR-Tests
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/07/genom-gift-alge-oder-entschluesselt-hilfe-zukunft.html
Effekt von Hochtemperatur-Wärmespeicher auf das Grundwasser
In einem kürzlich gestarteten Projekt untersucht das Wasserforschungsinstitut Eawag, wie sich der Einsatz von Erdsonden-Wärmespeichern (BTES) auf das umliegende Erdreich, das Grundwasser und die darin lebenden Mikroorganismen auswirkt. In Zusammenarbeit mit der Empa und deren Demonstrator Energy Hub (ehub) entsteht so ein Projekt in einem bislang einmaligen Setting direkt auf dem Campus in Dübendorf.
Klassische Erdwärmepumpen holen im Winter die Wärme aus dem Boden, um Gebäude zu heizen. Bei den auf dem Areal der Empa und der Eawag installierten Bohrloch-Wärmespeichern handelt es sich um Erdsonden, die nicht nur im Winter die Wärme an die Oberfläche holen können, sondern die Hitze aus den Sommermonaten in den Boden zurückführen, damit diese dann in der kälteren Jahreszeit zur Verfügung steht. Dabei können dem Speicher maximal Temperaturen bis zu 65 Grad Celsius zugeführt werden. Ein Rekord in der Schweiz und damit im Land einzigartig. Das führt dazu, dass lokal im Boden im Schnitt bis zu 50 Grad Celsius erreicht werden können.
Bislang ist allerdings wenig über die Reaktionen des Untergrunds auf solche Hochtemperatur-Speicher bekannt. Das regelmässige Erhitzen und Abkühlen der Sonden in bis zu 100 Metern Bodentiefe kann die chemischen Komponenten im Grundwasser ebenso beeinflussen wie die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden und im Wasser. Wie und in welchem Ausmass genau, ist nun Teil des Forschungsprojekts ARTS (Aquifer Reaction to Thermal Storage) des Wasserforschungsinstituts Eawag.
144 Erdwärmesonden wurden auf dem Campus in Dübendorf «abgeteuft». Sie führen bis zu 100 Meter in die Tiefe und laufen in einem Kellerraum neben dem neuen Parkhaus zusammen. Überwacht und gesteuert werden sie vom Energieleitsystem des Empa/Eawag Areals (GAMS), da das Sondenfeld hydraulisch in das Energiesystem des Campus eingebunden ist. Die gemessenen Werte des Speichers werden dann in der Datenbank des NEST-Gebäudes der Empa und der Eawag abgelegt und stehen den Forschenden zur Verfügung.
Neu sind im Januar drei weitere Löcher in den Boden gebohrt worden: Die Grundwasser-Beobachtungspunkte der Eawag. Über die nächsten drei Jahre werden aus dem Untergrund Wasserproben an die Oberfläche befördert, die Aufschluss darüber geben sollen, wie die Mikrobiologie der Umgebung auf die Sonden reagiert und inwieweit die chemische Beschaffenheit des Grundwassers beeinflusst wird.
Von den drei Bohrlöchern fördern die Forschenden mittels fünf Pumpen Grundwasserproben zutage, bevor, während und nachdem es mit den Erdsonden in Kontakt kommt. In den ersten Jahren des Projekts werden erst zwei der drei Beobachtungsstationen relevant sein, da bereits einige Monate nach Inbetriebnahme der Sonden Vergleiche möglich sind. Bis das Grundwasser aus der direkten Umgebung der Sonden allerdings die dritte Station weiter abseits erreicht, kann es mehrere Jahre dauern – so langsam fliesst das Wasser durch den Untergrund.
Massenspektrometer in Kleinformat
Ziel des Projekts ist es, Einblicke über die Reaktionen zu erhalten, die diese Art von Wärmespeichern im Grundwasser auslösen. Das beinhaltet nicht nur die Hydrogeochemie und die Mikrobiologie, sondern auch die Analyse von entstehenden Gasen wie Sauerstoff, Methan oder Kohlenstoffdioxid durch die Wärmeeinwirkung im Boden. Solche Gase werden hauptsächlich von Bakterien im Untergrund konsumiert und produziert – abhängig von Hitze- und Kälteeinwirkung. Dazu fliesst das Wasser in der Pumpe in das an der Eawag entwickelte Massenspektrometer GE-MIMS (auch Mini-RUEDI genannt). «Für die nächsten drei Jahre messen Mini-RUEDI-Geräte stündlich die gelösten Gase im Grundwasser, während pro Minute 2.4 Liter Wasser durch das Massenspektrometer gepumpt werden», erklärt Joaquin Jimenez-Martinez, Leiter des Projekts und Forscher der Eawag-Abteilung Wasser und Trinkwasser.
Die abgezapften Wasserproben werden ausserdem von Forschenden der Eawag-Abteilungen Umweltmikrobiologie sowie Aquatische Ökologie regelmässig im Labor untersucht. Für sie steht die Frage im Zentrum, wie sich die mikrobielle Vielfalt unter dem Einfluss von Temperaturen dieser Grössenordnung verändert. Ebenfalls lässt sich mit DNA-Spuren (sogenannter eDNA) nachweisen, welche Organismen das Grundwasser bevölkern und ob sich ihre Anzahl und Verbreitung aufgrund der Erdsonden verändert.
Grosses Interesse bei Bund und Kantonen
Die Schweiz verfügt heute schon über die höchste Dichte an Erdwärmesonden pro Flächeneinheit in ganz Europa, daher stösst das Projekt bei Kantonen und Bund auf grosses Interesse. Die Nachfrage nach neuen Möglichkeiten zur Energiegewinnung und saisonalen Speicherung ist im Rahmen der Energiewende zusätzlich gestiegen. Ebenso von Interesse sind die Auswirkungen des Temperatureintrags auf das Grundwasser als Gesamtsystem. ARTS wird daher vom Bundesamt für Energie, sowie von den Kantonen Zürich, Aargau, Thurgau, Zug und Genf unterstützt und läuft unter der Kooperation der Empa und der Eawag. Dabei tragen Mitarbeitende aus den Umweltämtern von Zürich und Thurgau auch fachlich zum hydrogeologischen Verständnis bei. Eine Zusammenarbeit in diesem Umfang ist nicht alltäglich und auch die Geschwindigkeit, mit der das Projekt entstand, ist beispiellos. «Von der ersten Idee im Flur der Eawag bis zur Bohrung der Löcher auf dem Campus für die Sensoren sind nur zehn Monate vergangen», so Jimenez-Martinez. Das zeigt, wie drängend das Thema ist.
Beseitigung von PFAS aus Wasser: Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen optimieren PerfluorAd®-Verfahren
Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) bergen aufgrund ihrer hohen Stabilität und ihrer allgegenwärtigen Verbreitung Gefahren für Mensch und Umwelt. Mit der Aufbereitungstechnologie PerfluorAd® haben Fraunhofer UMSICHT und die Cornelsen Umwelttechnologie GmbH ein marktreifes Verfahren entwickelt, das PFAS kostengünstig und effektiv aus wässrigen Medien entfernt. Das aktuelle NRW-Vorhaben Perfluor.Dat verfolgt eine umfassende datenbasierte Prozessoptimierung, u. a. um das Verfahren an die Erfordernisse internationaler Märkte anpassen zu können.
PFAS sind in unzähligen Industrie- und Alltagsprodukten enthalten – ob in Medizintechnik, Feuerwehrlöschschäumen und Li-Ionen-Batterien oder in Textilien, Kosmetika und Verpackungen. Über die Luft und Abwässer gelangen sie in die Umwelt, wo sie Böden und Wasser kontaminieren. Von dort geht es in die Nahrungskette und letztendlich in den menschlichen Organismus. Die human- und ökotoxikologischen Wirkungen der über 10 000 verschiedene Chemikalien umfassenden Stoffgruppe sind eindeutig belegt. Aktuell fehlen für viele Anwendungen jedoch noch Alternativen.
Vorreiter in Deutschland
Bereits seit 2008 arbeiten Fraunhofer UMSICHT und Cornelsen gemeinsam an der Beseitigung von PFAS aus kontaminiertem Wasser und Abwasser – und sind damit Vorreiter in Deutschland. Die Kooperation führte zur Entwicklung des patentgeschützten PerfluorAd®-Verfahrens, um speziell Medien wie Löschwasser, die erhöhte PFAS-Konzentrationen und/oder hohe organische Hintergrundgehalte aufweisen, wirtschaftlich aufzureinigen. Aber auch viele weitere Wasseraufbereitungsprojekte und Dekontaminierungen von PFAS-belasteten Systemen wurden bereits durchgeführt. Dabei wird je nach Anwendungsfall der PFAS-spezifische Ausfällungsprozess des PerfluorAd®-Verfahrens mit etablierten Aufbereitungstechnologien wie Ionenaustausch, Membranverfahren oder Aktivkohleadsorption kombiniert. Das Ergebnis ist eine Minimierung der Gesamtmenge des zu entsorgenden PFAS-Abfalls.
Mit dem Start des neuen Vorhabens wird das PerfluorAd®-Verfahren nun weiterentwickelt. In den nächsten drei Jahren werden im Rahmen von Perfluor.Dat sowohl der PFAS-spezifische Ausfällungsprozess als auch der Abtrennungsschritt für den PFAS-haltigen Niederschlag intensiviert. Zum Einsatz kommen dabei einerseits funktionale Co-Additive, andererseits neue analytische Methoden zur Prozessüberwachung und -kontrolle. Des Weiteren werden auch die in den vergangenen Jahren angefallenen Prozessdaten aus unterschiedlichsten Anwendungsfällen über eine Mustererkennung analysiert. Bestenfalls resultiert hieraus ein Prozessmodell, das durch Untersuchungen in einem mobilen Versuchsreaktor verifiziert werden kann.
Internationalisierung im Blick
Beim Kick-off-Treffen von Perfluor.Dat hat das interdisziplinäre Team zu den Kernthemen chemische Prozessoptimierung, Analytik und Datenerhebung drei Fachgruppen gebildet. Dr. Stefano Bruzzano, der Projektkoordinator von Fraunhofer UMSICHT, betont die Bedeutung des Vorhabens: »Wir haben durch das neue F&E-Vorhaben die Weichen stellen können, um unser PerfluorAd®-Verfahren für die Zukunft noch leistungsfähiger und flexibler zu gestalten.« Dabei haben die Beteiligten längst nicht nur die nationalen Anwendungsfälle und den hiesigen Markt im Blick. Die Erkenntnisse aus Perfluor.Dat sollen auch die zunehmende Internationalisierung des PerfluorAd®-Verfahrens unterstützen, die zum Teil unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen erfolgt.
Perfluor.Dat – Chemistry/Analytics/Numerics
Perfluor.Dat war Teil des Innovationswettbewerbs Green.Economy.IN.NRW und wird durch Land und EU gefördert.
Weitere Informationen:
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2024/perfl…
Weiterführende Informationen
https://idw-online.de/de/news836630
Pestizide in Gewässern – es gibt noch Arbeit
Die VSA-Plattform Wasserqualität und die Eawag haben die bisherigen Wirkungen der ergriffenen Massnahmen des «Aktionsplans zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» auf die Gewässerqualität untersucht. Die Anzahl Grenzwertüberschreitungen hat seit 2019 deutlich abgenommen. Trotzdem sind immer noch unverändert viele Kilometer Fluss- und Bachläufe belastet. Ein besonders grosses Risiko für die Gewässer stellen die Pyrethroide dar.
Mit dem im Jahr 2017 verabschiedeten Aktionsplan Pflanzenschutzmittel setzt der Bundesrat Ziele um die Risiken durch Pflanzenschutzmittel in den Gewässern zu reduzieren. Am 8. Mai 2024 zog der Bundesrat dazu insgesamt eine positive erste Bilanz. Die nun in der Zeitschrift Aqua und Gas publizierte Studie von VSA und Eawag -Plattform Wasserqualität hat für diese Zwischenbilanz anhand von gemessenen Pestizidkonzentrationen die Wirkung des Aktionsplans auf die Fliessgewässer untersucht.
Gewässerbelastung immer noch hoch
Die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln beschränkt sich nicht auf das gezielte Verhindern von Krankheiten oder Abtöten von Schädlingen und Unkräutern. In Gewässern können sie die Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen schädigen und damit die Biodiversität reduzieren. Die Ziele des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel verlangen daher auch eine Beurteilung des Gewässerzustands basierend auf den Grenzwerten der Gewässerschutzverordnung. Und da zeigen die neusten Auswertungen, dass die Massnahmen zwar greifen, unsere Bäche und Flüsse aber weiterhin stark mit Pflanzenschutzmitteln belastet sind: An 22 der 36 untersuchten Standorten (61 %) wurden ökotoxikologisch begründeten Grenzwerte überschritten.
Halbierungsziel noch fern
Die Anzahl Standorte, an welchen alle Grenzwerte eingehalten werden, hat sich zwischen 2019 und 2022 kaum verändert. Zwar zeigt sich im Jahr 2022 eine leichte Verbesserung in den mittelgrossen und grossen Fliessgewässern. In den kleinen und mittelgrossen Bächen mit Landwirtschaft und Siedlung im Einzugsgebiet wurden Grenzwerte jedoch an mehr als drei Vierteln der untersuchten Stellen überschritten. Der Bericht des Bundesrates geht deshalb davon aus, dass ohne Entwicklung von neuen Alternativen für den Schutz der Kulturen die Fliessstrecke mit Grenzwertüberschreitungen bis 2027 voraussichtlich nicht halbiert werden kann. Erfreulich ist hingegen, dass es 2022 deutlich weniger Standorte mit mehr als 10 Grenzwertüberschreitungen gab. Zumindest bei den stark belasteten Gewässern ist also ein Trend zur Verbesserung sichtbar.
Pyrethroide im Fokus
Stefan Hasler, Direktor des VSA, liest aus der Studie, dass es sinnvoll sei, die Anstrengungen auf besonders giftige Stoffe zu fokussieren. Von ihnen geht ein besonders hohes Risiko für Gewässerorganismen aus. Im Zentrum stehen dabei die Pyrethroid-Insektizide.
https://www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/pestizide-in-gewaessern-es-gibt-noch-arbeit/
Antibiotikaresistente Keime im Abwasser
Antibiotikaresistente Bakterien sind weltweit eine Gefahr für die Gesundheit. Umso wichtiger ist es, ihre Verbreitung nicht nur zu verfolgen, sondern auch Trends zu erkennen. Forschende der Eawag haben über ein Jahr das Abwasser aus sechs Kläranlagen in der Schweiz auf die Verbreitung antibiotikaresistenter Colibakterien untersucht. Die Studie zeigt, dass die Überwachung des Abwassers dabei helfen kann, Trends und regionale Unterschiede unabhängig der effektiven Krankheitsfälle zu beobachten. Sie liefert zudem Grundlagen für Präventionsmassnahmen.
Die Problematik von antibiotikaresistenten Bakterien ist bekannt und stellt eine wachsende Gefahr dar, die bereits jetzt weltweit Millionen an Todesopfern fordert. Über die Verbreitung solcher resistenten Bakterien ist jedoch wenig bekannt. Bisherige Schätzungen beziehen sich hauptsächlich auf Fälle, bei denen im Krankheitsfall im Spital eine Resistenz festgestellt wird. Ob und wie viele Personen in der Bevölkerung jedoch antibiotikaresistente Keime in sich tragen, ist schwer einzuschätzen. «Messungen im Abwasser können Licht ins Dunkel bringen», so Sheena Conforti, vom Wasserforschungsinstitut Eawag.
Während einem Jahr hat das Team rund um Conforti wöchentlich das Abwasser von sechs Kläranlagen in der ganzen Schweiz untersucht. Bei den Proben legten die Forschenden den Fokus auf Escherichia coli–Bakterien, insbesondere auf das antibiotikaresistente ESBL- E. coli. Bei durchschnittlich 1.9% der gefundenen E. coli -Bakterien handelte es sich tatsächlich um die resistente ESBL-Variante. «Dieser Wert liegt im unteren Bereich von in bisherigen Studien publizierten vergleichbaren europäischen Daten, die von 1.6% in Griechenland bis zu 4.4% in Deutschland reichen», ordnet Conforti ein.
Nebst dem Schweizer Durchschnittswert von 1.9% konnte das Team allerdings aufgrund des Standorts der Kläranlagen weitere Erkenntnisse gewinnen. Zürich, Genf und Lugano wiesen eine signifikant höhere Anzahl an ESBL-E. coli im Abwasser auf, als Proben aus beispielsweise Chur. Das führt die Forscherin auf mehrere Faktoren zurück. Zum einen behandeln Kläranlagen in grösseren Städten das Abwasser aus entsprechend dichter bevölkerten Einzugsgebieten, zum anderen ist es nur logisch, dass die Verbreitung von übertragbaren Bakterien in diesen dicht besiedelten Gebieten höher ausfällt. Ausserdem verfügen Genf wie auch Zürich über internationale Flughäfen, sowie zahlreiche Spitäler und Kliniken. Beides fördert die Verbreitung von resistenten Bakteriensträngen. «Unsere Resultate betonen das Potenzial von Abwasser als Indikator für die Verbreitung von ESBL-E. coli in der Bevölkerung», so Conforti.
Abwasserdaten als Berechnungsgrundlage für die Anzahl betroffener Personen
Die Studie weist auch auf die Notwendigkeit zusätzlicher Forschung hin, um die mögliche Anzahl betroffener Personen in der Bevölkerung genauer zu bestimmen. Dazu fehlt ein wichtiger Faktor: Das Verhältnis von resistenten E. coli zu behandelbaren E. coli-Bakterien im Darm der betroffenen Personen (die Forschenden sprechen von Abwurflast), und die Frage, ob dieses Verhältnis bei allen Trägerinnen und Trägern ähnlich ist. Mit diesem Wert liessen sich zusammen mit den Daten aus dem Abwasser ableiten, wie viele Personen im Einzugsgebiet der Kläranlage Träger von resistenten Bakterien sind. Umgekehrt liesse sich die Abwurflast mit Hilfe der Abwasser-Daten errechnen, wenn die tatsächliche Anzahl betroffener Personen bekannt wäre.
Für beide dieser Faktoren – Abwurflast und Trägerzahl – gibt es bisher nur Schätzungen und Daten aus anderen Ländern. Diese bewegen sich in einem Streubereich: Beispielweise geht man in Europa davon aus, dass 6% der Bevölkerung Träger von antibiotikaresistente ESBL-E. coli sind, was zusammen mit den Daten aus dem Schweizer Abwasser zu einer Abwurflast von 32% in Schweizer Betroffenen führen würde. Rechnet man mit einem Wert zu Abwurflast aus einer Studie aus Bangladesch (19%) mit den Abwasserdaten für die Schweiz um, wären rund 10% der Schweizer Bevölkerung von resistenten E. coli betroffen. Weder für die Abwurflast, noch für die Anzahl betroffener Personen gibt es allerdings Zahlen aus der Schweiz. Diese Werte sind daher Schätzungen.
Monitoring für die Früherkennung
Auch die Messfrequenz kann einen Einfluss auf die Resultate haben, wie das Team festgestellt hat. In bisherigen europäischen Vergleichsstudien wurden zwar auch schon Proben aus Kläranlagen untersucht, allerdings teilweise nur einmal pro Saison. Dies führt zu weniger genauen Ergebnissen, denn Temperatur- und Wetterverhältnisse können die Daten verzerren. Engmaschige Kontrollen sind jedoch aufwändig und teuer. Der ideale Wert liegt daher gemäss Conforti bei ein bis zweimal pro Monat. Dies kann relevant sein, sollte die regelmässige Abwassermessung in nationale Monitoring-Bestrebungen aufgenommen werden.
Unterstützt wurde die Arbeit der Eawag-Forschenden unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds sowie vom Bundesamt für Gesundheit. Die kürzlich in der Zeitschrift mSphere der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie publizierte Studie stösst auf breites Interesse. Mittlerweile hat Conforti das Monitoring der Abwasserproben auf weitere potentiell resistente Erreger ausgeweitet. Dazu gehören MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokken), VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) sowie CRE (Carbapenem-resistente Enterobakterien). Von diesen Erregern geht mittlerweile eine ähnliche Gefahr aus wie von resistenten E. coli-Bakterien. Umso wichtiger ist es, auch deren Verbreitung zu überwachen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Behandlung von AMR-Infektionen in Kliniken, bringt das Monitoring im Abwasser zumindest erste Anhaltspunkte und könnte dabei unterstützen, frühzeitig Präventionsmassnahmen zu lancieren.
Originalpublikation
Monitoring ESBL-Escherichia coli in Swiss wastewater between November 2021 and November 2022: insights into population carriage
https://www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/antibiotikaresistente-keime-im-abwasser/
Unser Wasser- und Abwassermanagement: eine unendliche Quelle für grüne Energie
ResNRJwater stellt die Herausforderung, den erneuerbaren Energieerzeugungs- und -verbrauchsmix in NWE zu verbessern, indem es die nicht ausgebeuteten Potenziale des Wasser- und Abwassersektors in städtischen und ländlichen Gebieten anspricht.
Aufgrund der Energie- und Klimakrise muss NWE seine Energieversorgungsresistenz erhöhen, insbesondere für die hochenergetischen Verbrauchs- und Abwasserinfrastrukturen (Abwasseraufbereitungsanlagen, Pumpstationen). In Paradoxerweise bieten die bereits von den Wasser- und Abwasserinfrastrukturen belegten Räume (wwtp, Abwasserkanäle, Retentionsbecken, Deichen, Pumpstationen, Seen) ungenutzte Potenziale für die Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen (Solar/Windkraft, Wärme/Kühlung, grünes Gas).
Durch eine ausgewogene Verteilung in Nordwesteuropa können die Kläranlagen auch zur Netzstabilisierung beitragen. ResNRJwater will die Wasser- und Abwasserinfrastrukturen und die damit verbundenen Anlagen in Nordwesteuropa in Energiezentren verwandeln. Im Vergleich zu jetzt werden diese Infrastrukturen energietauer sein, erneuerbare Energiequellen für NWE-Endverbraucher bereitstellen und zur Stabilisierung der Energienetze beitragen.
Erwartete Ergebnisse
Am Ende des Projekts können Wasser- und Interkommunitäten in 4 Gebieten (DE/Ruhr, BE/Flandern, NL/Nordholland, FR/Loire-Atlantique) eine Strategie verfolgen, um die Wasser- und Abwasserinfrastrukturen in Energiezentren und damit verbundene Aktionspläne für städtische und ländliche Gebiete in Nordwesteuropa zu verwandeln. Basierend auf 7 Piloten können sie 3 validierte Technologien auffassen, um die Aufnahme erneuerbarer Energiequellen…mehr:
https://resnrjwater.nweurope.eu/
Effiziente plastikfressende Pilze in Süßgewässern identifiziert
Das Vorkommen von Kunststoffen in unserer Umwelt stellt eine zunehmende Belastung für die Natur und für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Potsdam haben nun Pilze aus Süßgewässern identifiziert, die Kunststoffpolymere aus Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi effizient abbauen können. Entgegen bisheriger Annahmen war dafür keine Vorbehandlung der Kunststoffe notwendig. Die Studie wurde in Science of the Total Environment veröffentlicht.
Kunststoffe aus Polymeren können jahrzehntelang in der Umwelt verbleiben, da sie von Bakterien im Boden oder Gewässer nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Weltweit wird deshalb an praxistauglichen und nachhaltigen Methoden für den Umgang mit Kunststoff- und Gummiabfällen geforscht. Ein Forschungsteam des IGB und der Universität Potsdam hat 18 Pilzstämme aus Süßgewässern ausgewählt und ihre Fähigkeit untersucht, Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi abzubauen. Diese gehören zu den am häufigsten in der Umwelt vorkommenden Kunststoffen. Die Ergebnisse zeigen, dass Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia, and Trichoderma ein hohes Potenzial zum Abbau von Kunststoffen besitzen.
Pilze gut an „Plastiksphäre“ angepasst:
In den letzten Jahren konnten Forscherinnen und Forscher bereits zeigen, dass es Mikropilze gibt, die auch komplexe Polymere zersetzen und damit für den biologischen Schadstoffabbau – Bioremediation – geeignet sind.
Doch warum sind die Pilze so gute Kunststoff-Recycler? „Pilze produzieren Enzyme, die selbst chemische Verbindungen aus vielen Makromolekülen wie Kunststoff aufspalten können. Außerdem sind sie mit ihren invasiven Wachstumsformen und ihrer Fähigkeit, Biofilme zu bilden und mit bereits bestehenden Biofilmen zu interagieren, gut an das Leben in der Plastiksphäre angepasst“, sagt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart, der die Studie leitete.
Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten dem Team, dass sich die Zellwände einiger Pilze verformen, wenn sie die Kunststoffe besiedeln. „Das sind wahrscheinlich strukturelle Anpassungen der Myzelien, die es ihnen ermöglichen, beispielsweise das wasserabweisende Polyurethan zu besiedeln“, sagt Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB und Erstautorin der Studie.
Die FT-IR-Spektroskopie zur Analyse von Veränderungen in der Feinstruktur der Pilze und die DOC-Analyse zur Bestimmung ihrer Stoffwechselaktivität lieferten Hinweise darauf, dass die anfängliche enzymatische Aktivität der Pilze zur Bildung von Zwischenprodukten führt, die den Pilzen als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen, indem sie die Konzentration des für das Pilzwachstum verfügbaren löslichen organischen Kohlenstoffs erhöhen. „So schaffen sich die Pilze durch den Abbau immer wieder neue Nahrung“, sagt Sabreen Dawoud.
Keine Vorbehandlung durch UV-Licht, Ozonisierung oder andere chemische oder thermische Verfahren nötig:
Die Studie zeigte auch, dass Pilze Polymere ohne jegliche Vorbehandlung der Kunststoffe und ohne Zugabe von Zuckern als Energiequelle abbauen können.
Um den mikrobiellen Abbau von Kunststoffpolymeren zu initiieren, wurden in vielen Studien zunächst UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Vorbehandlungen eingesetzt, um die Kunststoffpolymere effektiv zu oxidieren und reaktive funktionelle Gruppen zu erzeugen, bevor das Polymer mit Pilzen beimpft wurde. Diese Behandlungen wurden in dieser Studie nicht angewandt und scheinen für die Pilzaktivität nicht wesentlich zu sein. Es wurde jedoch noch nicht untersucht, ob solche Behandlungen die Geschwindigkeit des Abbauprozesses verändert hätten.
Und das sind die erfolgreichen Plastikfresser:
Unter den ausgewählten Stämmen zeigten Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma ein besonders hohes Potenzial zum Abbau von Polyethylen, Polyurethan und Reifengummi. Einige der terrestrischen Vorkommen dieser Pilze sind beim Menschen bisher nur wenig beliebt: Fusarien sind zum Beispiel in der Landwirtschaft als Schadpilze für Getreide und Mais bekannt. Auch Botryotinia kann verschiedene Pflanzenkrankheiten auslösen. Trichoderma-Arten sind Fadenpilze, die weltweit verbreitet im Boden, in Pflanzen, in verrottenden Pflanzenresten oder auch in Holz leben. Sie sind wichtige Zersetzer und stehen in Wechselwirkung mit Pflanzen, anderen Mikroorganismen und dem Boden. Arten der Gattung Penicillium spielen hingegen eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Penicillin und Lebensmitteln wie Schimmelkäse.
Die Forschenden testeten auch, ob bestimmte Pilzarten nur bestimmte Arten von Kunststoff oder Gummi abbauen können und welcher Kunststoff am besten von Pilzen zersetzt wird. Das Ergebnis: Polyurethan erwies sich von allen getesteten Kunststoffen als am besten abbaubar. „Die Kenntnis effizienterer Pilzstämme, insbesondere für den biologischen Abbau von Polyurethan, trägt dazu bei, großtechnische Recyclingkonzepte für Kunststoffabfälle zu entwickeln“, sagt Hans-Peter Grossart.
Methodik:
Die Studie beschreibt die Probenahme und Identifizierung von 18 Pilzstämmen aus den Seen Stechlin und Mirow in Nordostdeutschland und klassifiziert sie anhand der molekularen Daten ITS, SSU und LSU. Die Stämme wurden auf ihre cellulo-, lignino- und chitinolytische Aktivität und ihre Fähigkeit zum Abbau verschiedener Kunststoffe, darunter Polyethylen, Polyurethan, Reifenkautschuk und Polyethylen niedriger Dichte, untersucht. Die Abbauversuche wurden sowohl auf Agar- als auch auf Flüssigmedien durchgeführt, mit optischen Auswertungen zur Beobachtung des Kunststoffabbaus und Respirationsversuchen zur Messung des O2-Verbrauchs und der CO2-Produktion. Nach der Inkubation wurden das Frischgewicht und der gelöste organische Kohlenstoff (DOC) gemessen und die Pilzmyzelien mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) analysiert. Für die Datenanalyse wurde die Software R verwendet, wobei ANOVA, Dunn-Test und lineare Regression eingesetzt wurden, um die Ergebnisse zu vergleichen und Korrelationen zwischen ihnen zu bestimmen.
Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff:
PU ist eines der am weitesten verbreiteten umweltschädlichen Polymere. Es wird in vielen Industriezweigen verwendet und eignet sich besonders für langfristige Anwendungen, bspw. für Schaumstoffe, Elastomere für Sportbekleidung oder medizinische Geräte, Beschichtungen und Dichtstoffe. PU ist daher für raue Umweltbedingungen ausgelegt.
PE macht etwa ein Drittel der gesamten Kunststoffnachfrage in Europa aus, was zum Teil auf seine umfangreiche Verwendung für Verpackungen zurückzuführen ist.
Mikroplastik aus Reifen trägt zu den größten Verschmutzungen durch Mikroplastik bei, darunter Reifenabriebpartikel, recycelte Reifenkrümel und Rückstände aus der Reifenreparatur.
Quelle:https://idw-online.de/de/news836088
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud, Doktorandin am IGB: https://www.igb-berlin.de/profile/sabreen-samuel-ibrahim-dawoud
Prof. Hans-Peter Grossart, Forschungsgruppenleiter „Aquatische mikrobielle Ökologie“ am IGB und Professor für “ Aquatische mikrobielle Ökologie und funktionelle Biodiversität“ an der Universität Potsdam: https://www.igb-berlin.de/profile/hans-peter-grossart
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Klimagerechte Entwicklung von Stadt und Land
TU Braunschweig leitet zwei neue Climate Future Labs
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Stadt und ihre Menschen aus? Welche Anpassungen sind nötig? Und wie können Städte unter Beteiligung von Bürgerinnen klimagerecht entwickelt werden? Das untersuchen Wissenschaftlerinnen der Technischen Universität Braunschweig zukünftig in zwei neuen Zukunftslaboren am Zentrum Klimaforschung Niedersachsen. Die sogenannten „Climate Future Labs“ werden aus dem Programm zukunft.niedersachsen des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung mit jeweils bis zu fünf Millionen Euro für sechs Jahre gefördert.
„Die Förderung der beiden Climate Future Labs zur klimagerechten Stadtentwicklung unterstreicht die herausragende Rolle unserer Universität in der Stadtforschung vor dem Hintergrund des Klimawandels“, betont die Präsidentin der TU Braunschweig, Angela Ittel. „Die beiden Zukunftslabore ermöglichen es, unseren Wissenschaftlerinnen im Verbund mit weiteren niedersächsischen Universitäten und außeruniversitären Partnerinnen, innovative Lösungen für die drängenden Herausforderungen des Klimawandels zu entwickeln und unser Engagement für eine nachhaltige Zukunft zu stärken.“
Urban Climate Future Lab für Niedersachsen und darüber hinaus
Hitze, Starkregen, Hochwasser, Dürre: Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf Städte und die vielen Menschen, die dort leben. Ziel des Urban Climate Future Labs (UCFL) unter der Leitung von Professorin Vanessa Carlow des Institute for Sustainable Urbanism der TU Braunschweig ist es, das komplexe Zusammenspiel zwischen Klimawandel, Klimawandelanpassung und Urbanisierung zu erforschen. Daran werden Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover, der Leuphana Universität Lüneburg sowie der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft und dem Climate Service Center Germany zusammenarbeiten. Beteiligt sind Disziplinen wie Architektur, Städtebau und Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Ingenieurwesen, Psychologie, Governance, Umweltwissenschaften, Geografie, Physik und Klimawissenschaften. Um nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu forschen, plant das Urban Climate Future Lab strategische Partnerschaften mit Städten, Gemeinden, Industrie und Zivilgesellschaft.
In der ersten Phase wird das UCFL untersuchen, wie die unterschiedlichen Siedlungstypen in Niedersachsen zum Klimawandel beitragen und wie sie gleichzeitig davon betroffen sind. Denn noch ist unklar ist, wie genau die verschiedenen Siedlungstypen – zum Beispiel Groß-, Mittel- oder Kleinstädte, Dörfer, Industriegebiete oder Stadtviertel – zum Klimawandel beitragen, wie sie davon betroffen sind und welche Risiken oder Potenziale mit Blick auf Klimawandelanpassung bestehen. In der zweiten Projektphase stehen dann die Transformationsmöglichkeiten im Mittelpunkt: Wie kann das Siedlungssystem und wie können Orte in Niedersachsen so umgestaltet werden, dass die Auswirkungen des Klimawandels reduziert und die Resilienz und Nachhaltigkeit insgesamt erhöht werden? Auch wenn Niedersachsen im Fokus des Projekts steht, will das Forschungsteam Strategien und Modelle entwickeln, die für Stadtregionen weltweit anwendbar sind.
„Städte und Stadtregionen sind besonders stark von Klimawandel betroffen – auch in Niedersachsen. Als Sprecherin des multi-disziplinären Forschungsverbunds ‚Urban Climate Future Lab‘ freue ich mich, in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem UCFL-Team und vielen weiteren Partnerinnen aus Städten und Gemeinden wissenschaftlich fundierte Entwicklungspfade für die nachhaltige Transformation Niedersachsens zu erarbeiten“, sagt Professorin Vanessa Carlow, Leiterin des Institute for Sustainable Urbanism und Sprecherin des neuen UCFL Zukunftslabors. „Für den Wandel hin zu einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Zukunft in Stadt und Land wollen wir innovative Planungs-, Mobilitäts-, Produktions- und Energiesysteme gemeinsam entwickeln. Dies schließt auch neue Formate der Beteiligung von Bürgerinnen, neue Governance-Ansätze, ein neues Verständnis des Umgangs mit Klimarisiken, sowie neue physikalische Modelle ein, die auf den spezifischen Merkmalen des urbanen Systems mit seinen unterschiedlichen Siedlungs- und Landschaftstypen und der Lebenswirklichkeit der Menschen basieren.“
Klimawissen und Stadtgestaltung
Als weiteres Climate Future Lab zum Thema klimagerechter Stadtentwicklung startet das Projekt „Open Planning Cultures. Design Principles for Transformative Spaces (OPEN_CULTURES)“ unter der Leitung von Professorin Tatjana Schneider, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt der TU Braunschweig, an dem Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig, des Julius Kühn-Instituts und der Universität Oldenburg beteiligt sind. OPEN_CULTURES knüpft an das gemeinsame Stadtentwicklungsprojekt der TU Braunschweig und der Stadt Braunschweig Co_Living Campus an. Ziel ist es, zu untersuchen, wie Klimawissen durch Gestaltungsprinzipien, die die Klimaanpassung in der Stadtentwicklung und Raumplanung direkt unterstützen, in nachhaltiges Leben übersetzt werden kann. Um diese „Übersetzungslücke“ zu schließen, will „OPEN_CULTURES“ das komplexe Verhältnis zwischen Klimawissen und der Praxis von Stadtgestaltung und nachhaltigem Leben in drei Sub-Labs entwirren.
So wollen die Wissenschaftler*innen die Rolle von Partizipation bei der Schaffung von klima-sensiblen Formen der Stadtgestaltung betrachten. Das zweite Sub-Lab beschäftigt sich mit der Frage, wie die Gestaltung von Gebäuden klima-sensible Formen des städtischen Lebens unterstützen kann. Das dritte Sub-Lab untersucht die Art und Weise, wie Vorstellungen über den Klimawandel Alltagspraktiken beeinflussen und darin reproduziert werden, und wie Klimawandel anders erzählt werden könnte, um zu einer nachhaltigen Lebenspraxis zu motivieren. Das interdisziplinäre Forschungskonsortium verfolgt dabei einen partizipativen und transdisziplinären Ansatz, der Gebäude und grüne Infrastrukturen zusammen mit sozialen und symbolischen Dimensionen untersucht und durch die Entwicklung von Gestaltungsprinzipien auf gerechte, gleichberechtigte und inklusive Formen der Klimaanpassung fokussiert.
„Das Zukunftslabor ist eine fantastische Möglichkeit, die für unsere Gesellschaft und Umwelt so wichtigen Fragestellungen der klimagerechten Gestaltung von Stadt interdisziplinär zu betrachten“, sagt Professorin Tatjana Schneider, Leiterin des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt der TU Braunschweig und Sprecherin des Projekts. „Besonders an unserem Ansatz ist hierbei die Zusammenarbeit von Geistes- und Sozialwissenschaften mit gestalterischen und technischen Disziplinen. Das Projekt wird außerdem von einer breiten Allianz aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, gemeinwohlorientierten Vereinen und anderen Organisationen unterstützt, die sich für zukunftsfähige Quartiere und Nachbarschaften einsetzen. Wir freuen uns sehr, dieses Vorhaben gemeinsam auf den Weg zu bringen.“
Biologischer Abbau von Mikroplastik durch „PlasticWorms“
An der Fakultät Bioingenieurwissenschaften der Hochschule Weihenstphan-Triesdorf (HSWT) wird ein innovatives biologisches Verfahren entwickelt, bei dem Würmer und Mikroorganismen Mikroplastik in Kläranlagen abbauen können.
Mikroplastik ist in aller Munde und oft so klein, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. Es entsteht an vielen Stellen des täglichen Lebens und verursacht große Probleme für Mensch und Umwelt. Da Mikroplastik auch im Abwasser vorkommt und nach heutigem Stand der Technik in Kläranlagen noch nicht vollständig entfernt werden kann, sind neue Lösungsansätze gefragt. Abhilfe könnte das Forschungsprojekt PlasticWorms https://www.hswt.de/forschung/projekt/1841-plastic-worms der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) schaffen.
Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart https://www.hswt.de/sabine-gruener-lempart, Inhaberin der HTA-Forschungsprofessur https://www.hightechagenda.de/ „Sustainable Bioengineering“ an der Fakultät Bioingenieurwissenschaften, ist es zusammen mit ihrem Team gelungen, durch den Einsatz von Würmern und Mikroorganismen in einem biologischen Verfahren Mikroplastik abzubauen Die entwickelte Technologie soll nun in einer Kläranlage in der Praxis erprobt und optimiert werden, um sich als ideale Ergänzung zu den bisherigen drei Reinigungsstufen in Kläranlagen zu etablieren.
Würmer und Mikroorganismen – ein starkes Team gegen Mikroplastik
Der Abbau von Mikroplastik erfolgt in einem Biorieselbettreaktor, der natürliche Lavasteine aus der Vulkaneifel enthält. Deren poröse Oberfläche bietet einen optimalen Lebensraum für Mikroorganismen und Würmer. Bakterien und Pilze bilden dort einen Biofilm, der als Grundlage für den Abbau des Mikroplastiks dient. Zusätzlich werden Würmer wie Egel oder Fadenwürmer eingesetzt, die in Symbiose mit den Mikroorganismen leben. Die Würmer übernehmen die Vorzerkleinerung der Kunststoffpartikel, während die Mikroorganismen den Kunststoff in seine molekularen Bestandteile zerlegen. Das Ergebnis: schadstofffreie Biomasse und mikroplastikfreies Wasser für Mensch und Umwelt.
Im Labormaßstab konnte bereits gezeigt werden, dass der biologische Abbau von Mikroplastik funktioniert. Der Kooperationspartner ZWT Wasser- und Abwassertechnik GmbH aus Bayreuth https://www.zwt.de/ konstruiert aktuell eine Pilotanlage im industriellen Maßstab von fünf Kubikmetern. Diese wird voraussichtlich ab Juli 2024 in der Kläranlage Petershausen (Landkreis Dachau) https://petershausen.de/rathaus/eigenbetrieb-wasser-abwasser/abwasser/ eingesetzt. Die innovative Technologie basiert ausschließlich auf natürlichen Materialien, Prozessen und Lebewesen und hat damit das Potenzial, sich als nachhaltiges Standardverfahren in Kläranlagen zu etablieren und langfristig Mensch und Umwelt durch mikroplastikfreies Wasser zu schützen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) https://www.zim.de/ZIM/Navigation/DE/Home/home.html gefördert.
Wissenstransfer für die Bevölkerung
Um die Bürgerinnen und Bürger über das Forschungsprojekt und die Pilotanlage zu informieren, wird eine Informationstafel https://www.hswt.de/fileadmin/Redaktion/News_und_Veranstaltungen/ZFW/2024/Infota… vor Ort in Petershausen aufgestellt. In Kooperation mit der youknow GmbH https://you-know.de/ aus München ist zudem ein aussagekräftiges Video zum Projekt PlasticWorms entstanden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Fakultät Bioingenieurwissenschaften
HTA-Forschungsprofessur „Sustainable Bioengineering“
Am Hofgarten 10, 85354 Freising
E-Mail: sabine.gruener-lempart@hswt.de
Telefon: +49 8161 71-3842
Schifffahrt schadet der Biodiversität in Europas Flüssen
Anhand umfangreicher Langzeitdaten zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), dass die Binnenschifffahrt in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Verlust der biologischen Vielfalt von Fischen, Muscheln, Schnecken und Kleinkrebsen in europäischen Flüssen beigetragen hat – und dazu, dass die verbliebenen Tiergemeinschaften immer einheitlicher werden und flusstypische Arten verloren gehen. Invasive Arten hingegen nehmen deutlich zu. Die Forschenden zeigen auch, wie diese Effekte durch ein besseres Ufer- und Landmanagement abgemildert werden könnten.
Das internationale Forschungsteam mit Prof. Sonja Jähnig und Dr. Christian Wolter vom IGB hat Datensätze zur Biodiversität in europäischen Flüssen zusammengetragen und modelliert, wie sich Belastungen durch Schiffsverkehr, Hafendichte und Schleusen auf die Artenvielfalt im Wasser auswirken. Die ausgewerteten Zeitreihen von Fischen und größeren wirbellosen Tieren, wie Insektenlarven, Kleinkrebse, Muscheln und Schnecken, umfassten mehr als 19.500 Beobachtungen von über 4.000 Probestellen aus den letzten 32 Jahren.
Bestände flusstypischer Fischarten wie Barbe, Nase oder Zährte gehen zurück:
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie zeigen, geht die Binnenschifffahrt mit einem Rückgang der biologischen Vielfalt in den befahrenen Flüssen einher. Das betrifft sowohl den Reichtum und die Häufigkeit von Arten, als auch die Vielfalt der ökologischen Gilden, also der Gruppen von Arten mit gleichen Ansprüchen an bestimmte Umweltfaktoren, wie zum Beispiel die Strömung. Bei den Fischen gingen so in den letzten Jahrzehnten viele flusstypische Fischarten wie Barbe, Nase oder Zährte zurück und invasive Arten wie die Schwarzmundgrundel breiten sich aus.
„Wir haben festgestellt, dass die Artengemeinschaften in den Flüssen immer homogener werden. Auch in den europäischen Flüssen gibt es keine typischen Unterschiede in der Fauna mehr. Das Problem ist, dass sich dadurch die Nahrungsnetze verschieben können und auch die Widerstandsfähigkeit der Gewässer abnimmt“, sagt Prof. Sonja Jähnig.
Wellen und Rückströmungen von Schiffen: Verringerte Geschwindigkeit und Flachwasserzonen würden helfen:
Schiffe selbst beeinträchtigen die Artenvielfalt und die funktionelle Biodiversität von Fischen und großen wirbellosen, bodenlebenden und strömungsempfindlichen Arten, denn die von Schiffen verursachten Wellen und Rückströmungen üben einen Selektionsdruck aus: Fische, die ihre Eier in Gelegen an Substrate wie Steine oder Pflanzen heften, haben bessere Vermehrungschancen als Arten, deren frei schwimmende Eier weggespült werden. Schiffswellen erodieren die Ufer und setzen Sedimente frei, was die Lebensräume sowohl für Fische als auch für Wirbellose verschlechtert.
„Lebensräume mit unterschiedlichen Strömungen sind für die Artenvielfalt essentiell. Eine Verringerung der Schiffsgeschwindigkeit und die Schaffung von flachen Lebensräumen, die vor Schiffswellen geschützt sind, könnten einige dieser negativen Auswirkungen der Wellen mildern“, sagt Prof. Sonja Jähnig.
Nicht nur die Schiffe selbst, sondern auch der Gewässerausbau mit Häfen, Schleusen, Kanälen und Deckwerken schadet:
Negative Auswirkungen auf das Leben in unseren Flüssen hat neben den Schiffen oft auch die begleitende Infrastruktur: Schwere Deckwerke aus Beton oder Steinen, häufig eingesetzt, um die Ufererosion zu verhindern, beeinträchtigen beispielsweise die Lebensräume im Uferbereich und führen nachweislich zu einer geringeren Fischvielfalt.
Außerdem wird die Fahrrinne vieler Wasserstraßen regelmäßig ausgebaggert, um die Tiefe zu erhalten, was Lebensräume und Tiere am Gewässergrund schädigt.
Mehrere Stressoren können zusammenwirken: Renaturierung von Uferzonen würde Biodiversität besser schützen:
Das Forschungsteam untersuchte auch, wie die Schifffahrt mit anderen Stressoren zusammenwirkt. Wie stark der Einfluss des Schiffsverkehrs war, hängt von der lokalen Landnutzung und der zusätzlichen Degradation der Uferbereiche ab. Für Fische sind die negativen Auswirkungen in Flussabschnitten, die in städtischen oder stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten liegen, am stärksten, da hier Belastungen durch hohe Nähr- und Schadstoffeinträge hinzukommen.
Auf Muscheln, Schnecken und Krebse wirkt sich der Ausbau von Fließgewässern zu Wasserstraßen vor allem dann negativ aus, wenn auch die Ufer stark degradiert sind. Bei starker Uferdegradation geht die Kanalisierung zudem mit einer Zunahme invasiver Arten einher.
„Diese verstärkenden Effekte zeigen uns, dass die Wiederherstellung von Uferlebensräumen sehr sinnvoll sein kann. Breite, nicht landwirtschaftlich genutzte Uferzonen können als Puffer gegen Nährstoffeinträge wirken. Die Ufervegetation ist ein natürlicher Erosionsschutz und bietet vielen Tierarten Lebensraum, Struktur, Schatten, Nahrung und Verbindung zum Umland. So können die negativen Auswirkungen der Kanalisierung reduziert werden“, sagt Dr. Christian Wolter.
Ökologisch wichtige Flüsse wie die Oder weitgehend von der Schifffahrt ausnehmen:
„Der Branchenverband Inland Navigation Europe (INE) beschreibt in seinem Post-COVID-Programm, dass die Binnenschifffahrt in Europa in den nächsten 25 Jahren um 50 Prozent wachsen soll. Es gäbe nicht nur mehr und größere Schiffe, auch die Infrastruktur würde ausgebaut. Das bedeutet mehr Wehre, größere Schleusen und Häfen sowie zusätzliche Wasserstraßen. Angesichts der Schäden für die biologische Vielfalt muss jedoch für jeden Fluss sorgfältig abgewogen werden, ob der Nutzen als Wasserstraße die hohen ökologischen Kosten wirklich rechtfertigt. So ist beispielsweise der geplante Ausbau der Oder ernsthaft zu hinterfragen“, so Dr. Christian Wolter.
https://idw-online.de/de/news835350
Lokale Sturzflut-Gefahr vorhersagen
- Forschende der Universität Freiburg entwickeln Index um die Gefahr von Sturzfluten einzuordnen, der lokale Gegebenheiten berücksichtigt
- In die Vorhersage fließen neben Niederschlagsdaten hydrologische und hydraulische Modelle ein
•„Mit Hilfe der Vorhersagen können Alarm- und Einsatzpläne verbessert werden“, sagt Prof. Dr. Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Universität Freiburg
Aktuell sind große Teile Baden-Württembergs und Bayerns von Starkregen, Hochwasser und deren Folgen betroffen. Neben Flusshochwassern bergen Sturzfluten in solchen Situationen eine große Gefahr. Diese sind schwer vorherzusagen, da bei ihrem Auftreten neben dem Niederschlag viele weitere Faktoren entscheidend sind. Ein Team unter der Leitung von Wissenschaftler*innen der Universität Freiburg hat nun einen Index entwickelt, der die jeweils erwartete lokale Gefahr von Sturzfluten angibt. Prof. Dr. Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Universität Freiburg, koordiniert das Projekt.
In den sogenannten Sturzflutindex (SFI) fließen neben dem Niederschlag Eigenschaften des jeweiligen Gebiets mit ein. Relevant ist etwa, wie viel Wasser die lokalen Böden aufnehmen können: Handelt es sich um versiegelte Flächen? Ist der Boden bereits feucht oder gesättigt? In welchem Maße ist er mit Pflanzen bedeckt? Eine weitere Frage ist, wie das Wasser abfließt: Ist die Gegend flach oder hügelig? Treffen mehrere spontan gebildete Flüsse an einer Stelle aufeinander? Auf Basis von Bodenkarten und Daten etwa zu Landnutzung und Versiegelung berechnen die Forschenden diese lokalen Gegebenheiten mit Hilfe von hydrologischen und hydraulischen Computermodellen.
Risiko-Klassen geben an, wie gefährlich erwartete Sturzfluten werden
Besonders gefährlich sind Sturzfluten dann, wenn das Wasser mit hoher Geschwindigkeit fließt, der Wasserstand hoch ist, oder bei einer Kombination aus beiden Faktoren. In solchen Fällen könnten Fußgängerinnen oder Fahrzeuge Halt verlieren und weggeschwemmt werden. Um die Gefahr in einem bestimmten Gebiet abzuschätzen, haben die Wissenschaftlerinnen vier Risiko-Klassen definiert: Keine bis geringe Gefahr, mäßige Gefahr, erhebliche bis große Gefahr oder sehr große Gefahr. Bei dieser Einordnung beziehen die Wissenschaftler*innen historische Erfahrungswerte mit ein. In welche Klasse ein Gebiet fällt, hängt davon ab, welcher Anteil der lokalen Flächen laut Modell von gefährlichen Sturzfluten betroffen sein wird.
Bewohner*innen rechtzeitig warnen und langfristig vorsorgen
Um den SFI zu testen, bestimmten die Forschenden Gefahren bei früheren Hochwassern anhand historischer Daten. Tatsächlich sagte der Index die jeweils betrachteten Sturzfluten korrekt vorher. „Der SFI bietet einen deutlichen Mehrwert gegenüber bloßen Starkregenwarnungen“, sagt Weiler. „Mit Hilfe der Vorhersagen können Bewohner*innen betroffener Gebiete in Zukunft hoffentlich rechtzeitig gewarnt werden, Alarm- und Einsatzpläne objektiviert und verbessert werden. Langfristig hilft der Index, vorzusorgen und die lokalen Gefahren durch Sturzfluten zu verringern. Um seinen Einsatz voranzutreiben, sind wir bereits mit mehreren Landesämtern im engen Kontakt.“
Der SFI wurde im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts AVOSS (Auswirkungsbasierte Vorhersage von Starkregen und Sturzfluten auf verschiedenen Skalen: Potentiale, Unsicherheiten und Grenzen) entwickelt. An der Forschung beteiligt sind Wissenschaftlerinnen mehrere Universitäten und Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland, die mit Meteorologinnen und Ingenieurbüros zusammenarbeiten.
https://idw-online.de/de/news835177
UFZ: Zwei Fliegen mit einer Klappe – Grundwasserreinigung und Wärmespeicherung
Ein UFZ-Team testet eine Anlage zur unterirdischen Speicherung thermischer Energie, die gleichzeitig belastetes Grundwasser reinigt
Thermische Energie in Grundwasserleitern zu nutzen, kann einen wichtigen Beitrag zum CO2-freien Wärmemanagement leisten. Vor allem oberflächennahe Grundwasserleiter in Städten und Industriearealen sind häufig mit Schadstoffen verunreinigt. Damit können sie nicht ohne weiteres als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Firma Eneotech haben nun am UFZ-Standort in Leipzig im Rahmen des Forschungsprojekts KONATES eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Sie soll als Wärmetauscher dienen, zugleich Schadstoffe aus dem Grundwasser entfernen – und könnte Blaupause sein für eine CO2-arme, energetische Bewirtschaftung kontaminierter Grundwasserleiter generell.
Grundwasserleiter, so genannte Aquifere, sind wichtig, weil sie vielerorts Trink- oder Brauchwasser liefern. Sie können aber noch eine andere wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Darauf setzen UFZ-Forschende in Leipzig: Sie nutzen einen bis zu 5 Meter mächtigen Grundwasserleiter, in dem unter dem UFZ-Gelände in rund 12 Meter Tiefe das Grundwasser mit einer konstanten Temperatur von 14 Grad Celsius und einer Geschwindigkeit von ca. einem Meter pro Tag durch den sandigen Kies strömt. „Wenn man dem Grundwasserleiter im Sommer das Wasser entnimmt, und ihm über Wärmetauscher die Kälte entzieht, kann man damit Gebäude kühlen und das erwärmte Wasser zurück in den Untergrund pumpen. Fördert man nun das eingespeiste erwärmte Wasser im Winter aus dem Grundwasserleiter, lässt sich die gewonnene Wärme zum Heizen von Gebäuden nutzen“, erklärt Prof. Holger Weiß, der das Forschungsprojekt KONATES koordiniert. Das Besondere an dem Vorhaben: Die Forschenden wollen mit einer sogenannten ATES (Aquifer Thermal Energy Storage)-Anlage nicht nur Wärme und Kälte für einen künftigen CO2-freien Wissenschaftspark erzeugen, sondern auch das mit chlorierten Kohlenwasserstoffen belastete Grundwasser reinigen, eine Altlast, wie sie an vielen Stadt- und Industriestandorten zu finden ist.
Im Wissenschaftspark Leipzig hat das Team um den Geologen Holger Weiß deswegen eine Pilotanlage errichtet. Darin wird das Grundwasser aus dem Aquifer über einen Brunnen nach oben gepumpt und in zwei Container geleitet. Dort wird das Wasser erwärmt und in aufeinanderfolgenden Zyklen zurück in den Untergrund gepumpt. „Unsere Modellierungen mit der UFZ open source Modellierungsplattform OpenGeoSys haben ergeben, dass bei den konkreten hydraulischen Randbedingungen sogar für den flachen Aquifer eine Wärmerückgewinnung von 25 Prozent möglich ist. Ein höherer Wirkungsgrad ist in der Erprobungsphase (proof-of-concept) und auf dieser Maßstabsebene auch erst mal nicht beabsichtigt“, sagt Holger Weiß. Zum anderen wird in Feldexperimenten untersucht, welche Mikroorganismen bei unterschiedlichen Temperaturen im Grundwasser vorkommen und ob diese die Schadstoffe im Grundwasser abbauen. „Aus früheren Untersuchungen an einem ähnlichen Grundwasserleiter bei Wittstock, dem Testfeld der Uni Kiel (TestUM), wissen wir zum Beispiel, dass sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft zwischen 45 und 60 Grad Celsius Wassertemperatur drastisch ändert“, berichtet der UFZ-Forscher. Unklar ist aber, ob die Mikroorganismen, die bei diesen hohen Temperaturen überleben, genau jene chlorierten Kohlenwasserstoffe abbauen, die den Aquifer im Untergrund des UFZ-Areals belasten. Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass dort vor allem Mikroorganismen der Gattung Dehalococcoides weit verbreitet sind, die chlorhaltige Verbindungen abbauen können. Die Forschenden erwärmen deswegen das entnommene Wasser auf bis zu 80 Grad Celsius und ermitteln dann, bei welcher Temperatur die Bakterien am effizientesten Schadstoffe abbauen.
Untersuchen wird das Forschungsteam auch, welche biogeochemischen Auswirkungen der mikrobielle Abbau auf die technische Ausrüstung hat. So können die Mikroorganismen bei erhöhten Temperaturen Biofilme bilden, die die kleinen Filterschlitze in den Brunnen verstopfen. Zudem kann es zur Korrosion an Anlagenteilen und zu Problemen bei der Behandlung des in Leipzig sehr harten Grundwassers kommen, wenn dort insbesondere Kalk, aber auch Eisen durch die Erwärmung ausfällt. Außerdem werden die Forschenden neue Reinigungsmethoden erproben. Stand der Technik ist bislang, dass die chlorierten Kohlenwasserstoffe über Aktivkohle absorbiert werden – mit dem Nachteil, dass diese hinterher aufwendig regeneriert oder entsorgt werden muss. Als nachhaltigere Alternative sollen in der Anlage neue, am UFZ entwickelte Zeolith-Adsorber getestet werden. „Diese Filtermaterialien können vor Ort regeneriert und dann wieder eingesetzt werden“, sagt Holger Weiß.
Aus den beiden Containern wird das entnommene und behandelte Grundwasser anschließend über einen zweiten Brunnen zurück in den Aquifer gepumpt. Dort kühlt es sich auf dem weiteren Weg zur UFZ-Grundstückgrenze ab. In einem dritten, abstromig gelegenen Brunnen wird überwacht, dass das Grundwasser beim Verlassen des Geländes den vorgegebenen Temperaturgrenzwert von 16 Grad Celsius nicht überschreitet. Insgesamt zwölf auf der Anlage verteilte Messstellen geben zudem Auskunft, wie sich im Grundwasserleiter die Temperaturen und die Schadstoffbelastung entwickeln und welche Bakterienstämme bei welchen Temperaturen die Schadstoffe abbauen.
Bis Mitte 2025 haben die Forschenden im Projekt KONATES nun Zeit für die Experimente – Zeit, die sie brauchen, um die Leistungsgrenzen der ATES-Pilotanlage zu ermitteln. Anschließend erstellen sie einen Leitfaden mit Empfehlungen, wie sich die saisonale Wärmespeicherung mit Sanierungsmaßnahmen des Grundwassers ideal kombinieren lässt. „Ziel ist, CO2-arme energetische Bewirtschaftungssysteme zunächst für den Wissenschaftspark Leipzig zu entwickeln“, sagt Holger Weiß. Für die Methodik sieht er bundesweit ein großes Potenzial. „In vielen industriellen und urbanen Gegenden finden sich chemische Altlasten wie etwa chlorierte Kohlenwasserstoffe. Da bei der geothermischen Nutzung kontaminierter Grundwässer diese zu reinigen sind, könnte man mit diesem klimaneutralen Verfahren der Wärmebewirtschaftung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
Das Projekt KONATES (KONtaminiertATES) hat eine Laufzeit bis 07/2025. Es wird über das BMBF-Fachprogramm Geoforschung für Nachhaltigkeit (GEO:N) im BMBF-Themenschwerpunkt „Möglichkeiten und Grenzen thermischer Energiespeicherung in Aquiferen“ gefördert. Projektpartner sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Institut für Geowissenschaften, Kompetenzzentrum Geo-Energie (KGE)) und die Firma eneotech Umwelt GmbH.
https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=21/2024
Klimaforschung in Gewässern: ParKli Wassersensorik zum Nachbauen
Die Hochschule Reutlingen, das Herman Hollerith Zentrum (HHZ) Böblingen und die open science for open societies gGmbH haben gemeinsam im Rahmen des Forschungsprojekts „ParKli – Partizipative Frühwarnsysteme zur Bekämpfung lokaler Folgen des Klimawandels durch Citizen Science Aktivitäten in der Umweltinformatik“ an der Entwicklung eines Wassersensors gearbeitet, um ein Langzeitmonitoring zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden am 21. Juni bei der Abschlussveranstaltung präsentiert.
Gewässer erbringen wesentliche Ökosystemdienstleistungen, die für das Überleben und Wohlergehen der Menschheit essenziell sind. Dazu zählen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, die Regulierung des Klimas und der Atmosphäre sowie die Bereitstellung von Nahrung und Erholungsräumen. Aquatische Ökosysteme unterstützen zudem die biologische Vielfalt, regulieren den Wasserhaushalt und tragen zur Bodenbildung bei. Diese Faktoren sind besonders wichtig, da sie helfen, natürliche Schwankungen und Störungen abzufedern und die Resilienz gegenüber Umweltveränderungen zu erhöhen.
Die Erwärmung der Atmosphäre hat direkte Auswirkungen auf den Wasserkreislauf, was zu veränderten Niederschlagsmustern, erhöhter Verdunstung und einer Intensivierung von Wetterextremen führt. In der Folge erleben wir häufigere und intensivere Hochwasser sowie verlängerte Dürreperioden, die den Wasserstand und die Wasserqualität beeinträchtigen. Diese Veränderungen bedrohen die Fähigkeit der Gewässer, ihre essenziellen Dienstleistungen zu erbringen, und erhöhen das Risiko von Schadstoffausbreitung und Eutrophierung. Der Anstieg der Gewässertemperatur kann ebenfalls die Lebensbedingungen für aquatische Arten verschlechtern und die biologische Vielfalt sowie die ökologische Funktionalität von Gewässerökosystemen verringern. Die Überwachung und das Monitoring ermöglichen es, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität und zur Förderung der Resilienz gegenüber dem Klimawandel einzuleiten. Dies trägt zur langfristigen Sicherung der Ökosystemdienstleistungen bei und unterstützt die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen.
Daher haben die Hochschule Reutlingen, das Herman Hollerith Zentrum (HHZ) Böblingen und die open science for open societies gGmbH im Rahmen des Forschungsprojekts „ParKli – Partizipative Frühwarnsysteme zur Bekämpfung lokaler Folgen des Klimawandels durch Citizen Science Aktivitäten in der Umweltinformatik“ an der Entwicklung eines Wassersensors gearbeitet, um ein Langzeitmonitoring zu ermöglichen. Der Sensor mit Boje kann kostengünstig nachgebaut werden, da alle Anleitungen und Spezifikationen als Open Source verfügbar sind.
Im Rahmen eines Hackathons, in Zusammenarbeit mit Studierenden des Studienganges Human-Centered-Computing organisiert, konnten Daten des Wassersensors bereits analysiert und veranschaulicht sowie der Umgang mit der Plattform aktiv geübt werden.
Der ParKli-Wassersensor zur Überprüfung der Wasserqualität erzeugt hochwertige Messreihen der Parameter pH-Wert, Trübung, Leitwert und Temperaturen in unterschiedlichen Wasserschichten. Bei der schwierigen und umfassenden Aufgabe der Gewässerüberwachung kann er daher eine sinnvolle Unterstützung, z.B. für Angelvereine bieten, die oft für die Gewässerüberwachung zuständig sind.
Das Forschungsprojekt ParKli wird durch die Baden-Württemberg Stiftung im Programm “Innovationen zur Anpassung an den Klimawandel” gefördert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dieter Hertweck
Herman Hollerith Zentrum
Hochschule Reutlingen
dieter.hertweck@reutlingen-university.de
https://idw-online.de/de/news835013
Neues Handlungskonzept soll Messungen an staugeregelten Gewässern verbessern
Vom 4. bis 6. Juni 2024 trafen sich Vertreter/-innen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), von Landesämtern, sowie von Wasserwirtschafts-verbänden, um gemeinsam Durchflussmessungen an staugeregelten Gewässern zu optimieren. Das Anwendertreffen organisierte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Kooperation mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Spree-Havel. Ziel des Treffens war die Erarbeitung eines Handlungskonzepts.
„Die Bestimmung der Abflussmengen von Fließgewässern mit Wehren oder anderen Querbauwerken sind aufgrund der geringen und unsteten Strömung besonders herausfordernd“, sagt Dr. Ole Rößler. Der Hydrologe ist Ansprechperson der BfG für alle Fragen rund um das Thema Hydrometrie und war für die Vorbereitung und Durchführung des 10. „ADCP Anwendertreffens“ verantwortlich.
Neben dem Erfahrungsaustausch der Teilnehmenden standen bei dem Treffen Durchflussmessungen an zwei Standorten der Havel im Mittelpunkt. Die Messungen fanden in sogenannter Regatta-Form statt: Dazu befuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit (Mess-)Booten zeitgleich eine vorher abgestimmte Strecke. Die eigentliche Messung fand mittels Ultraschall-Doppler-Profil-Strömungsmesser (ADCP) statt. ADCP-Messgeräte erfassen die lokale Strömungsgeschwindigkeit eines Fließgewässers über die sogenannte Doppler-Frequenzverschiebung. Dabei sendet das Messgerät ein Schallsignal aus und ermittelt aus der Frequenzverschiebung des Rückstrahls von Streukörpern in der Wassersäule, wie etwa Plank-ton oder umhertreibenden Sedimente, die Fließgeschwindigkeit.
„Die Kenntnis über Fließgeschwindigkeiten und -richtungen ermöglicht es, die Abflussmenge an einem bestimmten Punkt eines Gewässers zu bestimmen. Dieses Wissen ist einerseits eine wichtige Grundlage für die Schifffahrt. Andererseits helfen uns diese Daten auch bei unseren Bestrebungen, die ökologische Qualität eines Gewässers zu erhalten oder wiederherzustellen“, sagt Thomas Born vom WSA Spree-Havel, Mitorganisator der Veranstaltung. „Die Weiterentwicklung einer qualitativ und quantitativ hochwertigen Grundlagendatenerfassung ist für die WSV von elementarer Bedeutung, gerade vor dem Hintergrund, dass die wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Flussgebiete immer vielfältiger werden“, so Thomas Born weiter.
Handlungsempfehlung zu Messungen in staugeregelten Gewässern
Am letzten Veranstaltungstag trugen die Teilnehmer/-innen die Erfahrungen aus ihren Regionen bei der Messung staugeregelter Gewässer zusammen und diskutierten über die Ergebnis-se des Vortrags. Dies dient der BfG im Nachgang als Basis für das eigentliche Handlungskonzept, das zeitnah ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt werden soll.
Veranstaltungsort des ADCP-Anwendertreffens war das Haus der Flüsse Havelberg. Das Natura 2000-Informationszentrum des Biosphärenreservates Mittelelbe ist Anlaufstelle für naturinteressierte Gäste und Anwohner/-innen Havelbergs und Umgebung. „Der fachliche Austausch und die Vernetzung im Rahmen der Umweltforschung gehören neben der Förderung von nachhaltigen Wirtschaftsformen und der naturschutzfachlichen Entwicklung unserer wertvollen Flussauen zu den Kernthemen des Biosphärenreservates Mittelelbe. Fachveranstaltungen wie das ADCP-Anwendertreffen stärken insbesondere den notwendigen Wissenstransfer in Region und sind daher auch in Zukunft sehr gern in unseren Informationszentren gesehen.“, freut sich Fachbereichsleiter Philipp Ritzmann.
Forscher kartieren Gewässer als CO2-Quellen
Hohe Nährstoffgehalte und steigende Temperaturen erhöhen die Abbauraten von organischem Material in Flüssen. Damit kann ein erhöhter CO2-Ausstoß in die Atmosphäre einhergehen. Dies zeigt ein internationales Konsortium in einer Studie, die nun in der Fachzeitschrift Science erschienen ist. Frei zugängliche Karten zeigen die Unterschiede für mehr als 500 Flusseinzugsgebiete weltweit.
Bei Treibhausgasemissionen denkt man meist an Auspuffrohre und Fabriken, doch ein Teil der Kohlenstoffemissionen kann auch aus aquatischen Ökosystemen stammen. Die Quelle dieser Emissionen sind organische Stoffe, die im Wasser von Mikroorganismen abgebaut werden.
Die Zersetzung ist ein natürlicher Prozess, doch wenn der Mensch Gewässer mit Nährstoffen aus Dünger und anderen Quellen belastet und die Wassertemperaturen im Zuge des Klimawandels steigen, erhöhen sich die Abbauraten und damit auch die CO2-Emissionen in die Atmosphäre. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam, das CELLDEX-Konsortium (CELLDEX: CELLulose Decomposition Experiment), dem auch die IGB-Wissenschaftler Prof. Mark Gessner und Prof. Hans-Peter Grossart angehören. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Science erschienen.
Die Forscherinnen und Forscher haben die Abbauraten von organischem Material in Süßwasserökosystemen weltweit kartiert, bis hinunter auf kleine Einzugsgebiete und auch in Regionen wie den Tropen, die in bisherigen Studien unterrepräsentiert waren. Dazu verwendeten sie Daten aus 550 Flüssen weltweit, die aus einem standardisierten Feldtest stammten, der auf dem Abbau kleiner Baumwollstoffstreifen basiert. Mit Hilfe von Vorhersagemodellen und Algorithmen des maschinellen Lernens identifizierten sie die wichtigsten Umweltvariablen, die für erhöhte Zersetzungsraten verantwortlich sind, insbesondere Temperatur und Nährstoffkonzentration. Auf der Grundlage dieser Daten wurde ein Online-Kartografie-Tool entwickelt, mit dem Interessierte sehen können, wie schnell verschiedene Blattarten in einem bestimmten Fluss abgebaut werden.
Der Text basiert auf der Pressemitteilung der Oakland University
https://www.igb-berlin.de/news/forscher-kartieren-gewaesser-als-co2-quellen
Biodiversität in Gewässern erforschen und schützen
Eine neue Versuchsanlage am Limnologischen Institut der Universität Konstanz ermöglicht es, die Entwicklung der Artenvielfalt in Gewässern wie dem Bodensee zu untersuchen. Möglich wurde sie durch die Förderung der Gips-Schüle-Stiftung.
Wie verändert sich die Biodiversität in Gewässern wie dem Bodensee? Welche Faktoren nehmen Einfluss darauf? Und was kann man künftig ändern, um dem Artenschwund Einhalt zu gebieten? Das Forschungsvorhaben Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) am Limnologischen Institut der Universität Konstanz will diese Fragen beantworten. Die dazu neu installierte Versuchsanlage macht es Wissenschaftler*innen der Universität Konstanz möglich, die Biodiversität unter verschiedenen Bedingungen zu verfolgen; und das über lange Zeiträume.
Seit den 1970er Jahren hat die durchschnittliche Anzahl der Individuen pro Art im Süßwasser in Flüssen und Seen um 83% abgenommen. „Dieser sehr beunruhigende Rückgang der Biodiversität ist allerdings nur wenig verstanden und wir wissen so gut wie gar nichts über die Vielfalt innerhalb von Arten, die eine wichtige Rolle bei der Reaktion von Ökosystemen auf Störungen spielt“, sagt Lutz Becks, Professor für Aquatische Ökologie und Evolution an der Universität Konstanz. „Biodiversitätsforschung ist daher so wichtig und dringlich, nicht nur um zu verstehen, wie es zu diesen Veränderungen kommt bzw. gekommen ist, sondern auch um vorhersagen zu können, was künftig anders gemacht werden muss.“ Letztlich geht es darum, dass die Biodiversität nach dem Rückgang wieder zunehmen kann, und dass wir mit den gewonnenen Erkenntnissen entsprechende Maßnahmen einleiten, die diese fördern.
Versuchsanlage schafft ideale Voraussetzungen für die Forschungsexperimente
Die 600-Liter-Tanks der Anlage, auch Mesokosmen genannt, sind groß genug, um die Diversität in ihrer Komplexität gut abbilden zu können. Sie werden mit planktonhaltigem Bodenseewasser befüllt. Indem die Wassertanks Experimente mit echtem Seewasser ermöglichen, dies aber in einem abgetrennten Bereich, sind sie vergleichbar mit einem in sich geschlossenen Miniatur-Biotop. In diesem kontrollierten Umfeld können die Wissenschaftler*innen Umwelteinflüsse simulieren und dabei ganz spezifische Aspekte der Artenentwicklung unter die Lupe nehmen. Mesokosmen schaffen dadurch eine wichtige Brücke zwischen Labor- und Freilandforschung. „Großartig an dieser Anlage ist, dass wir nicht nur einzelne Arten erfassen, sondern auch die Vielfalt innerhalb der einzelnen Arten und ihre Interaktionen untereinander beobachten können“, so Becks. „Und wir können Bedingungen verändern, also manipulieren. Dies ermöglicht es uns beispielsweise, Stressfaktoren wie die Temperatur zu ändern und zu messen, welchen Einfluss dies auf die Planktongemeinschaften hat.“
Ein entscheidendes Merkmal der Anlage wird die automatisierte Bilderfassung zur Bestimmung der Lebensgemeinschaften sein. „Wir freuen uns sehr, dieses zukunftsträchtige Forschungsvorhaben zu unterstützen, das ökologische Forschung mit moderner KI-Technologie verbindet,“ sagt Stefan Hofmann, Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung.
Die Pilotanlage soll bis zum Herbst 2024 intensiv getestet werden, bevor mit dem Bau weiterer Tanks fortgefahren wird. Die komplette Anlage wird 34 Tanks umfassen. Auch Studierenden soll die Anlage neue Möglichkeiten eröffnen. „Wir planen unter anderem, die Anlage in Praktika im Bachelor- und Masterstudiengang einzusetzen. So können wir die nächste Generation von Wissenschaftler*innen an modernste Methoden und grundlegende Fragestellungen heranführen. Gleichzeitig können wir mit Hilfe der Studierenden entsprechend große Datenmengen generieren und bearbeiten“, meint Becks.
Zur Gips-Schüle-Stiftung
Die Gips-Schüle-Stiftung fördert vielseitige Projekte in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Nachwuchs und Lehre. Neben dem Forschungsvorhaben Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) fördert sie die Gips-Schüle-Forschungsgruppe Communication and Collective Movement an der Universität Konstanz Außerdem gehört sie seit 2019 zum Fördererkreis des Deutschlandstipendiums an der Universität Konstanz. Der Chemiker Manuel Häußler erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Nachwuchspreis der Gips-Schüle-Stiftung in der Kategorie Technikwissenschaften.
Faktenübersicht:
- Das Forschungsprojekt Aquatic Biodiversity Exploratories (ABOVE) untersucht, unter welchen Bedingungen sich Biodiversität verändert. Mittels spezieller Mikroskop-Anlagen und unter Einsatz von KI sollen unterschiedliche Planktongemeinschaften identifiziert, beobachtet und deren Entwicklung unter verschiedenen, simulierten Umwelteinflüssen ausgewertet werden.
- Die Pilotanlage mit vier Tanks wurde Ende April 2024 im Limnologischen Institut aufgebaut und in Betrieb genommen.
- Das Projekt wird seit 2023 durch die Gips-Schüle-Stiftung gefördert. Die für 2024 neu bewilligte Fördersumme beläuft sich auf 230.000 Euro.
https://idw-online.de/de/news835498
1,9 Mio. Euro für Verbundprojekt: Biodiversität im Wasser als Indikator für die Gesundheit der Menschen
Im Abwasser einer Großstadt finden sich verschiedenste Bakterien, Viren, Pilze und andere mikroskopisch kleine Lebewesen. Wie sich die Vielfalt dieses sogenannten aquatischen Mikrobioms verändert und was sich daraus über die Gesundheit der Stadtbevölkerung ableiten lässt, erforscht ein neues Monitoring-Verbundprojekt unter Leitung von Forschenden der Universität Hamburg.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Biologie werden dafür entlang der Abwasserströme der Hansestadt Hamburg Proben nehmen und die mikrobiotische Artenvielfalt untersuchen. Die Zusammensetzung wird dabei vor allem durch den Menschen bestimmt, etwa durch die vermehrt eingesetzten Antibiotika, die andere Bakterien im Wasser zerstören oder zu Resistenzen führen. Zudem gelangen immer mehr Giftstoffe, Weichmacher und Mikroplastik in den Wasserkreislauf und verändern die Biodiversität. Der Klimawandel verstärkt diese Entwicklungen.
Die Mitarbeitenden des Forschungsverbundes „Molekulares Monitoring der bakteriellen Biodiversität im Wasserkreislauf (MOMOBIO)“ möchten nun herausfinden, welche Kleinstlebewesen an welchen Stellen in Hamburg im Wasser zu finden sind. Dafür nutzen sie bioinformatorische Analysemethoden und führen beispielsweise molekulargenetische Untersuchungen durch, um einen umfassenden Datensatz für die Bestimmung der Artenvielfalt zu erstellen. Kombiniert mit Modellierungsansätzen aus der Ökologie wollen sie das Monitoring als indirektes Maß für die Gesundheit von Mensch und Tier nutzbar machen.
„Nicht erst in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass das menschliche Abwasser ein sehr guter Indikator ist, um etwa die Verbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung vorherzusagen. Wir möchten im Rahmen des Projekts ein Instrument für Hamburg entwickeln, das aus der Analyse des aquatischen Mikrobioms zuverlässige Aussagen zu Gesundheitsfragen ermöglicht“, erklärt Verbundkoordinator Prof. Dr. Wolfgang Streit, Leiter der Abteilung Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität Hamburg. Ziel sei ein multidisziplinäres Langzeitmonitoring mikrobieller Biodiversitätsveränderungen.
Dafür arbeiten im Rahmen von MOMOBIO Arbeitsgruppen der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sowie „Hamburg Wasser“, das Institut für Hygiene und Umwelt als Aufsichtsbehörde der Stadt Hamburg und die Nichtregierungsorganisation „Life Science Nord“ zusammen. Nach einer einjährigen Konzeptionsphase erhält MOMOBIO in der Förderlinie „BiodivGesundheit – Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nun für die kommenden drei Jahre 1,9 Millionen Euro, um das Vorhaben umzusetzen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Streit
Universität Hamburg
Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften
Fachbereich Biologie
Tel.: +49 40 42816-463
E-Mail: wolfgang.streit@uni-hamburg.de
Hochwasser und Seuchen: So schützen Sie sich
Hochwasser und daraus resultierende Seuchen stellen auch in Deutschland eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung dar. Grund zur Panik besteht nicht – wenn man ein paar Regeln befolgt.
Während eines Hochwassers können verschiedene lebensbedrohliche Krankheitserreger auftreten. Entsprechend kann es nach dem Hochwasser schlimmstenfalls zu Seuchen kommen – oder aber zu schweren Erkrankungen einzelner Menschen, die sich mit den jeweiligen Erregern infiziert haben.
Welche Erreger können auftreten?
Hepatitis A: Das ist eine durch Viren verursachte Leberentzündung, die sich leicht über kontaminiertes Wasser verbreiten kann.
Typhus: Typhus ist eine bakterielle Infektion, die durch Salmonellen verursacht wird. Kontaminiertes Wasser kann die Ausbreitung von Typhus begünstigen.
Cholera: Hochwasser kann eine Ursache für Cholera sein, da es häufig zu einer Verunreinigung von Trinkwasserquellen mit dem Bakterium Vibrio cholerae führt. Unbehandelt endet Cholera sehr oft tödlich. Überschwemmungen beschädigen oft sanitäre Einrichtungen oder führen zu deren Überflutung, was die Verbreitung von Fäkalien und Krankheitserregern in der Umwelt fördert. Wenn Menschen kontaminiertes Wasser konsumieren oder damit in Berührung kommen, kann sich die Krankheit rasch verbreiten. Das Risiko einer Cholera-Epidemie ist besonders in Regionen mit unzureichender Wasserinfrastruktur und Hygiene nach Hochwasser hoch. Das ist in Deutschland zwar nicht der Fall – aber auch nicht ganz ausgeschlossen.,
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Erregern wie dem Hepatitis-A-Virus, Salmonellen und Cholera-Bakterien können weitere Pathogene bei Hochwasserkatastrophen eine Rolle spielen. Dazu zählt unter anderem Giardia lamblia, ein Parasit, der gastrointestinale Erkrankungen hervorruft..
Bakterien der Gattung Leptospira sind eine ernsthafte Bedrohung. Sie verursachen Leptospirose, eine Krankheit, die schwere Schäden an Leber und Nieren verursachen kann.
Noroviren sind ebenfalls relevant, da sie plötzlich einsetzende Gastroenteritis verursachen können. E. coli, insbesondere der Serotyp O157:H7, löst wiederum schwere Durchfallerkrankungen aus.
Wie kann ich mich schützen?
Der beste Schutz ist Hygiene. Nach Kontakt zum Hochwasser sollten Sie sich die Hände gründlich waschen und desinfizieren. Vermeiden Sie es, Wasser aus Überschwemmungsgebieten – auch ungewollt – zu schlucken. Kochen Sie das Trinkwasser immer ab, solange die Überschwemmungssituation anhält, und verwenden Sie auch danach für einige Zeit entweder abgekochtes Wasser, oder Wasser aus dem Supermarkt.
Worauf sollte ich noch achten?
Falls Sie sich nach dem Hochwasser unwohl oder krank fühlen, lassen Sie sich umgehend ärztlich untersuchen. Sofern keine Diagnose auf Anhieb gestellt wird, bitten Sie um eine Blutuntersuchung und weisen explizit auf die Hochwassersituation hin. Scheuen Sie sich nicht, auf die Untersuchung zu bestehen. Viele der oben genannten Erkrankungen lassen sich erst mit Hilfe von Laborwerten korrekt erfassen – und eine Untersuchung, die umsonst durchgeführt wurde, gibt es nicht: Sie schließt letztendlich das Schlimmste aus.
Wie sieht es mit dem Impfschutz aus?
Das RKI empfiehlt insbesondere Rettungskräften auf ihren Tetanus- und Hepatitis-A Impfstatus zu achten. Der Grund:
„Im Rahmen der Aufräumarbeiten ist von einer erhöhten Verletzungsgefahr auszugehen, dadurch steigt das Risiko für eine mögliche Tetanus-Infektion. Tetanus wird durch Clostridium (C.) tetani verursacht. Die im Erdreich ubiquitär vorkommenden Sporen sind widerstandsfähig gegen Hitze und Desinfektionsmittel.“
Weitere Informationen:
http://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Tipps-Notsituationen/Hochwasser/_docu…
http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/U/Ueberschwemmung/Infektionsrisiken.html
http://www.dgkl.de/aktuelles/unsere-news/detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&a…
Kritische Rohstoffe aus Abwasser rückgewinnen und wieder in die Wertschöpfungskette bringen
Der Verbrauch natürlicher Ressourcen durch moderne Industriegesellschaften führt schon heute zu einer bedenklichen Verknappung essentieller Rohstoffe. Das betrifft unter anderem Phosphor, für den es in der EU kaum noch Quellen gibt. Daher gewinnt die Rückgewinnung aus Abwasser an Bedeutung. Ein Forscherteam der RPTU schafft die verfahrenstechnischen Grundlagen, um Phosphor und weitere Rohstoffe aus Abwasserströmen und Klärschlamm zu erschließen und für industrielle Prozesse nutzbar zu machen. Auf der Prozessindustrie-Messe Achema in Frankfurt stellt das Team sein Vorhaben vom 10. bis 14. Juni am Forschungsstand Rheinland-Pfalz (Stand E51, Halle 6.0) vor.
Phosphor ist ein wichtiger Grundstoff für die Düngemittelproduktion und damit auch für die Produktion von Nahrungsmitteln. Er wird von der Europäischen Kommission in einer Liste mit 30 kritischen Rohstoffen geführt, die ein großes Versorgungsrisiko bei gleichzeitiger hoher ökonomischer Bedeutung aufweisen.
Potential zur Rückgewinnung bieten kommunale Abwässer, in die große Mengen an Phosphor aus Privathaushalten und Industrie eingetragen werden. Hier setzt die Forschungsarbeit an, die im Rahmen des Graduiertenkollegs „WERA“ (Wertstoff Abwasser) an der RPTU stattfindet und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.
WERA hat mehrere Ziele im Blick: „Wir arbeiten an Lösungsansätzen, um die Phosphor-Konzentration in kommunalen Abwässern vom Zulauf bis zum Ablauf um circa den Faktor 100 zu senken“, erläutert Professor Dr. Sergiy Antonyuk, Sprecher des Graduiertenkollegs und Leiter des Lehrstuhls für die Mechanische Verfahrenstechnik an der RPTU.
„Gleichzeitig geht es uns darum, den entfernten Phosphor stofflich so aufzubereiten, dass er im Sinne des Kreislaufprinzips der Industrie wieder als Ressource zur Verfügung steht.“
Ein dritter Aspekt betrifft die Umwelt. Professorin Dr. Heidrun Steinmetz, stellvertretende Sprecherin des Graduiertenkollegs und Leiterin des Fachgebiets Ressourceneffiziente Abwasserbehandlung an der RPTU sagt hierzu: „Zusätzlich soll die Phosphor-Konzentration im Ablauf der Kläranlagen weitergehend reduziert werden, um unsere Gewässer vor Algenbildung zu schützen. Es gibt zwar schon Pilot-Projekte, die das für einzelne Kläranlagen realisieren, aber nicht in Kombination mit einer Phosphor-Rückgewinnung. Dabei gibt es erhebliche Wissenslücken, welche Verfahren unter welchen Bedingungen Erfolg versprechend sind. Diese wollen wir schließen.“
Im Rahmen des Forschungsprogramms verbindet die RPTU Expertise aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Es geht unter anderem um die Erprobung von maßgeschneiderten Adsorber-Materialien, an denen sich Phosphor-Verbindungen anreichern können. Eine weitere Forschungsaufgabe dreht sich darum, die Grundlagen der Kristallisation bzw. Fällung zu untersuchen – Trennverfahren, mit denen die Rückgewinnung vom Phosphor aus Klärschlamm in Form pflanzenverfügbarer Düngererfolgen kann.
„Zusätzlich werden wir innovative Charakterisierungsverfahren, Messtechniker und Simulationsmethoden einsetzen bzw. weiterentwickeln, um die Einflüsse von im realen Abwassersystem vorliegenden Randbedingungen auf die Effizienz der Phosphor-Rückgewinnung mit Kristallisation- und Adsorptionsprozessen und die Produktqualität zu beschreiben“, ergänzen Steinmetz und Antonyuk. „Hierfür nutzen wir eine auf dem Campus der RPTU in Kaiserslautern als Pilotanlage installierte Abwasserbehandlungs- und Recyclinganlage. Und ultimativ ist es unser Ziel, dass wir die entwickelten Materialien und Prozesse auch auf andere Rohstoffe übertragen und etwa für die Rückgewinnung von Stickstoff, Kalium oder organischem Kohlenstoffen anpassen können.“
Fragen beantwortet:
Prof. Dr.-Ing. Sergiy Antonyuk
Lehrgebiet Mechanische Verfahrenstechnik / RPTU in Kaiserslautern
Tel.: 0631 205-3524
E-Mail: sergiy.antonyuk@mv.rptu.de
Über Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Graduiertenkollegs sind Einrichtungen der Hochschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die von der DFG für maximal neun Jahre gefördert werden. Im Mittelpunkt steht die Qualifizierung von Doktorandinnen und Doktoranden im Rahmen eines thematisch fokussierten Forschungsprogramms sowie eines strukturierten Qualifizierungskonzepts. Eine interdisziplinäre Ausrichtung der Graduiertenkollegs ist erwünscht. Ziel ist es, die Promovierenden auf den komplexen Arbeitsmarkt „Wissenschaft“ intensiv vorzubereiten und gleichzeitig ihre frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit zu unterstützen.
Mehr unter: https://www.dfg.de/foerderung/programme/koordinierte_programme/graduiertenkolleg…
Funktionalisiertes Chitosan als biobasiertes Flockungsmittel für die Aufbereitung komplexer Abwässer
Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben ein biobasiertes und funktionalisiertes Flockungsmittel entwickelt, mit dem sich Abwässer mit komplexen Inhaltsstoffen effizient aufreinigen lassen. Dabei sorgt das Enzym Laccase in einer Matrix aus Chitosan zusätzlich dafür, dass toxische Phenole aus dem Wasser entfernt werden.
Mit der Flockung werden in der Abwasserreinigung und Wasseraufbereitung feinste Feststoff-Verunreinigungen abgetrennt. Flockungsmittel bewirken dabei, dass Schwebstoffe zu größeren Flocken agglomerieren, welche zu Boden sinken oder abfiltriert werden können – das Wasser wird wieder klar. Zur Entfernung von Huminstoffen in der Trinkwasseraufbereitung oder zur Aufbereitung von Prozesswasser in der Papierherstellung kommen häufig anorganische Metallsalze zum Einsatz, etwa Eisen- oder Aluminiumsulfate und -chloride, ebenso bei der Fällung von Phosphor in kommunalen Kläranlagen. Teilweise werden zusätzlich polymere Flockungsmittel, aus fossilen Rohstoffen hergestellte synthetische Polymere, hinzugeben. Der Nachteil herkömmlicher Methoden liegt auf der Hand: Aufgrund der zugesetzten Chemikalien oder Polymere kann der resultierende Schlamm nicht weiterverwendet, sondern muss aufwendig entsorgt werden.
Aus diesem Grund setzen Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB auf natürliches und vollständig biologisch abbaubares Chitosan. Es wird aus dem nachwachsenden Rohstoff Chitin gewonnen, der als strukturelle Komponente in den Schalen von Krustentieren, Panzern und Häuten von Insekten und in Pilzen enthalten ist. Damit ist Chitin – nach der aus Pflanzen stammenden Cellulose – das zweithäufigste natürliche Polymer auf der Erde.
Neue Technologie mit natürlichen biobasierten Rohstoffen
Tatsächlich wird Chitosan auch heute schon zur Klärung von Schwimmbecken und Teichen angeboten. Die Fraunhofer-Forscher gehen aber einen Schritt weiter und funktionalisieren Chitosan zusätzlich mit dem Enzym Laccase. Das Enzym ist in vielen Pflanzen, aber auch in Pilzen und Bakterien, zu finden. In der Natur sind Laccasen an der Vernetzung aromatischer Monomere zu Lignin wie auch an dessen Abbau beteiligt. Ihre Eigenschaft, Phenole und andere phenolische Substanzen zu oxidieren, macht sie für verschiedene industrielle Anwendungen gefragt, von der Entfernung toxischer Phenole in Fruchtsäften, über die Entfärbung von Textilabwässern bis zum Abbau von Schadstoffen in Wasser und Boden.
“Wir hatten die Idee, dass Laccase – gebunden an Chitosan als Matrix – auch für komplexe Abwässer, wie sie bei der Herstellung von Wein oder Olivenöl anfallen, geeignet sein könnte”, sagt Dr. Thomas Hahn, der am Fraunhofer IGB seit Langem an der Aufbereitung von Chitin aus den verschiedensten Abfallströmen und der nachfolgenden Konversion zu Chitosan forscht. Nach der Weinlese stoßen kommunale Kläranlagen schnell an ihre Grenzen, wenn in kurzer Zeit das drei- bis vierfache Volumen an Abwasser die vorwiegend kleinen Kläranlagen in ländlichen Weinbaugebieten erreicht. “Die Phenole im Abwasser wirken toxisch auf die Bakterien im Belebungsbecken. In der Folge muss die Belüftung erhöht werden, sodass der Energiebedarf der Kläranlage signifikant steigt”, weiß Marc Beckett, Experte im Bereich Wassermanagement und Wasseraufbereitung am IGB. In Olivenölmühlen werden die Waschabwässer gar in große Sammelbecken geleitet, wo das Wasser im Laufe der Zeit verdunstet und einen für Flora und Fauna giftigen Schlamm zurücklässt.
Getestet mit Abwässern der Wein- und Olivenherstellung
Aus der Idee wurde ein zweijähriges Fraunhofer-Forschungsprojekt, das bis Dezember 2023 im Programm “Schnelle Mittelstandsorientierte Eigenforschung (SME)” gefördert wurde. Beteiligt war auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam, dessen Part die Funktionalisierung des Chitosans mit Laccase war. Um die Wirkung des mit Laccase funktionalisierten Chitosans mit realen Abwässern überprüfen zu können, etablierten die Forschenden im IGB zunächst die entsprechende Methodik und Analytik.
Auch phenolische Inhaltsstoffe werden abgetrennt
“Unsere Technologie weist für komplexe agroindustrielle Abwässer eine Flockungsleistung auf, die mit der von herkömmlich eingesetzten metallsalzhaltigen Koagulationsmitteln oder synthetischen polymeren Flockungsmitteln vergleichbar ist. LaChiPur, wie wir unser funktionalisiertes Produkt nennen, ist aber vollständig biobasiert und lässt sich somit biologisch abbauen”, fasst Beckett, Biologe und Umweltwissenschaftler, zusammen. Die Kombination mit Laccase erwies sich bei diesen Abwässern als echter Vorteil, da das funktionalisierte Chitosan nicht nur als Flockungsmittel eingesetzt werden kann, sondern gleichzeitig auch Phenole oxidiert werden, polymerisieren und ebenfalls sedimentieren.
Regionale Herstellung und vielfältige Anwendungen
Weitere Vorteile der neuen umweltfreundlichen Technologie: Der Ausgangsstoff Chitin fällt lokal in der Lebensmittel- oder Biotechnologieindustrie in großen Mengen als Abfallstoff an. Dies gewährleistet nicht nur eine wirtschaftliche Herstellung, sondern auch Versorgungssicherheit – ohne die Abhängigkeiten verflochtener internationaler Lieferketten. Wird der nach der Flockung entstehende abbaubare Schlamm in Kläranlagen vergärt, kann dies die Biogasausbeute sogar deutlich erhöhen.
“Dank unserer interdisziplinären Expertise können wir in Industriebetrieben anfallende Abwässer und Prozesswässer nun bei uns im Labor daraufhin untersuchen, mit welchem Ergebnis das mit LaChiPur behandelte Wasser gereinigt wird”, so Hahn und Beckett. Aufgrund der ersten vielversprechenden Ergebnisse wollen die Forscher ihre Technologie darüber hinaus mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Flockungsmittel vertreiben oder herstellen, weiter optimieren, in einen größeren Maßstab überführen und in die industrielle Anwendung bringen. “LaChiPur eignet sich ebenso als Filtermaterial und weist Eigenschaften von Fällmitteln auf. Daher wollen wir unser Produkt auch für den Einsatz in der Phosphorfällung weiterentwickeln. Aufgrund seiner Eigenschaften ist es zudem für die Reinigung von Textilabwässern oder den Einsatz in der Trinkwasseraufbereitung interessant”, sind die IGB-Wissenschaftler überzeugt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Thomas Hahn
Telefon: +49 711 970-4159
E-Mail: thomas.hahn@igb.fraunhofer.de
Marc Beckett M. Sc.
Telefon: +49 711 970-4086
E-Mail: marc.beckett@igb.fraunhofer.de
Diego Eufracio Lucio M. Sc.
Telefon: +49 711 970-4214
E-Mail: diego.eufracio.lucio@igb.fraunhofer.de
Land unter- was extreme Überschwemmungen verursacht
UFZ-Forschende haben gezeigt, dass Hochwasser umso extremer ausfallen, je mehr Faktoren dafür eine Rolle spielen.
Wenn Flüsse über die Ufer treten, können die Folgen verheerend sein, wie beispielsweise das katastrophale Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor drei Jahren gezeigt hat. Um in Zukunft die Überschwemmungsschäden in Grenzen zu halten und die Bewertung von Hochwasserrisiken zu optimieren, muss besser verstanden werden, welche Variablen in welchem Ausmaß zu extremen Ausprägungen von Überflutungen führen können. Mit Methoden des Erklärbaren Maschinellen Lernens haben Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) nachgewiesen, dass Überschwemmungen extremer ausfallen, wenn mehrere Faktoren an deren Entstehung beteiligt sind. Die Forschungsarbeit wurde im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
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Die Lufttemperaturen, die Bodenfeuchte und die Höhe der Schneedecke sowie die tägliche Niederschlagsmenge in den Tagen vor einem Hochwasser – sie alle sind Variablen, die bei der Entstehung von Hochwasser eine wichtige Rolle spielen. Um zu verstehen, welchen Anteil die einzelnen Faktoren an Überschwemmungen haben, haben Forschende des UFZ mehr als 3.500 Flusseinzugsgebiete weltweit untersucht und für jedes von ihnen Hochwasserereignisse zwischen den Jahren 1981 und 2020 analysiert. Das Ergebnis: Lediglich für rund ein Viertel der fast 125.000 Hochwasserereignisse war die Niederschlagsmenge der alleinig ausschlaggebende Faktor. Die Bodenfeuchte war in etwas mehr als zehn Prozent der Fälle entscheidend, Schneeschmelze und Lufttemperatur spielten als alleiniger Faktor nur jeweils bei etwa 3 Prozent eine Rolle. Dagegen waren für etwas mehr als die Hälfte der Überschwemmungen (51,6 Prozent) mindestens zwei Faktoren verantwortlich. Dabei tritt mit etwa 23 Prozent die Kombination aus Niederschlagsmenge und Bodenfeuchte am häufigsten auf.
Allerdings fanden die UFZ-Forschenden bei der Datenanalyse auch heraus, dass drei oder sogar alle vier Variablen gemeinsam für ein Hochwasserereignis verantwortlich sein können. So sind zum Beispiel Temperatur, Bodenfeuchte und Schneedecke immerhin für rund 5.000 Überschwemmungen entscheidend gewesen, während alle vier Faktoren bei etwa 1.000 Hochwasserereignissen bestimmend waren. Und nicht nur das: „Wir konnten auch zeigen, dass die Hochwasserereignisse immer extremer ausfallen, je mehr Variablen dafür ausschlaggebend waren“, sagt Prof. Jakob Zscheischler, Leiter des UFZ-Departments „Compound Environmental Risks“ und Letztautor des Artikels. Lag der Anteil mehrerer Variablen an einem 1-jährlichen Hochwasser bei 51,6 Prozent, waren es bei einem 5-Jahres-Hochwasser 70,1 Prozent und bei einem 10-Jahres-Hochwasser 71,3 Prozent. Je extremer die Hochwasser also ausfallen, desto mehr treibende Faktoren gibt es und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie bei der Entstehung des Ereignisses zusammenwirken. Dieser Zusammenhang gilt oft auch für einzelne Flusseinzugsgebiete und wird von den Autoren als Hochwasserkomplexität bezeichnet.
Als Flusseinzugsgebiete mit geringer Hochwasserkomplexität stuften die Forscher zum Beispiel die nördlichen Regionen Europas und Amerikas sowie den Alpenraum ein, weil dort die Schneeschmelze als entscheidender Faktor für die meisten Hochwasser unabhängig von der Abflussmenge dominiert. Ähnliches gilt für das Amazonasbecken, wo oft die hohe Bodenfeuchte infolge der Regenzeit ein wesentlicher Auslöser von Überschwemmungen unterschiedlicher Ausprägung ist. In Deutschland sind zum Beispiel die Havel und die Zusam, ein Nebenfluss der Donau in Bayern, Flusseinzugsgebiete mit einer niedrigen Hochwasserkomplexität. Zu den Regionen mit einer hohen Hochwasserkomplexität in den Flusseinzugsgebieten zählen dagegen vor allem Ostbrasilien, die Anden, Ostaustralien, die Rocky Mountains bis zur US-Westküste sowie die west- und mitteleuropäischen Ebenen. In Deutschland gehören dazu beispielsweise die Mosel und der Oberlauf der Elbe. „Einzugsgebiete in diesen Regionen weisen in der Regel mehrere Überflutungsmechanismen auf“, sagt Jakob Zscheischler. So können Flusseinzugsgebiete in den europäischen Ebenen von Überschwemmungen betroffen sein, die durch das Miteinander von hohen Niederschlägen, Schneeschmelze und hoher Bodenfeuchte verursacht werden.
Entscheidend für die Frage, wie komplex Hochwasserprozesse sind, ist aber auch die Beschaffenheit der Landoberfläche. Denn jedes Flusseinzugsgebiet hat seine eigenen Besonderheiten. Dazu zählten die Forschenden unter anderen den Klima-Feuchtigkeits-Index, die Bodentextur, die Waldbedeckung, die Größe des Flusseinzugsgebiets und das Flussgefälle. „In trockeneren Regionen etwa sind die Mechanismen, die zur Entstehung des Hochwassers führen, heterogener. Für moderate Hochwasser reichen dort schon wenige Tage mit viel Regen, während es für extreme Hochwasser länger auf feuchte Böden regnen muss“, sagt der Erstautor Dr. Shijie Jiang, der mittlerweile nicht mehr am UFZ, sondern am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena tätig ist.
Die Wissenschaftler:innen nutzten für die Analyse das sogenannte Explainable Machine Learning, also erklärbares maschinelles Lernen. „Dabei sagen wir zuerst aus den zehn Treibern – Lufttemperatur, Bodenfeuchte und Schneedecke sowie dem wöchentlichen Niederschlag, der für jeden Tag als einzelner Treiber genutzt wird -, die Abflussmenge und damit die Größe des Hochwassers vorher“, erläutert Jakob Zscheischler. Anschließend wird quantifiziert, welche Variablen und Variablenkombinationen wie viel zu der Abflussmenge eines bestimmten Hochwassers beigetragen haben. Erklärbares maschinelles Lernen nennt sich dieser Ansatz, weil man so versuche, die Black Box des trainierten Modells zwischen Hochwassertreibern und Abflussmenge im Hochwasserfall zu verstehen. „Mit dieser neuen Methodik können wir quantifizieren, wie viele Treiber und Treiberkombinationen relevant für die Entstehung und die Intensität von Überschwemmungen sind“, ergänzt Shijie Jiang.
Helfen sollen die Ergebnisse der UFZ-Forschenden künftig bei der Vorhersage von Hochwasserereignissen. „Unsere Studie leistet einen Beitrag, besonders extreme Hochwasser besser abschätzen zu können“, sagt Klimaforscher Jakob Zscheischler. Denn bislang erfolge die Abschätzung von Hochwasser, indem man weniger extreme Werte extrapoliere und so zu neuen Abschätzungen zur Abflussmenge komme. Das sei aber zu ungenau, da bei sehr extremen Hochwasserereignissen die einzelnen Faktoren einen anderen Einfluss bekommen könnten.
Publikation:
Shijie Jiang, Larisa Tarasova, Guo Yu, Jakob Zscheischler (2024): Compounding effects in flood drivers challenge estimates of extreme river floods. Science Advances, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adl4005
https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=13/2024
Klopapier belastet die Umwelt – wie das „Dusch-WC“ den deutschen Markt erobern will
Toilettenpapier reinigt mäßig und seine Herstellung belastet die Umwelt. Eine hygienischere Alternative aus asiatischen Ländern….mehr:
https://www.stern.de/panorama/wissen/dusch-wc-vs–klopapier–was-ist-hygienischer-und-umweltfreundlicher–33337066.html
Klimawandel: Steigende Temperaturen beeinträchtigen Grundwasserqualität
Grundwasser bildet das größte ungefrorene Süßwasserreservoir der Welt und ist für das Leben auf der Erde von entscheidender Bedeutung. Wie sich die globale Erwärmung auf dessen Temperatur auswirkt und was das für Mensch und Natur bedeutet, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) jetzt untersucht. Die Studie zeigt, dass bis zum Jahr 2100 voraussichtlich mehr als 75 Millionen Menschen in Gebieten leben werden, in denen das Grundwasser den höchsten von einem Land festgelegten Grenzwert für die Trinkwassertemperatur überschreitet. Ihre Ergebnisse sind in Nature Geoscience veröffentlicht. (DOI: 10.1038/s41561-024-01453-x)
Das Klimasystem erwärmt sich. Grund dafür ist die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, welche die Wärmeabstrahlung einschränken. Einen großen Teil dieser Wärme nehmen die Ozeane auf, aber auch Böden und das Grundwasser wirken als Wärmesenken. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, wie sich diese Erwärmung der Erdoberfläche räumlich und zeitlich auf das Grundwasser auswirkt. „Um die Lücke zu schließen, haben wir die prognostizierten Veränderungen der Grundwassertemperatur bis zum Jahr 2100 auf globaler Ebene dargestellt“, sagt Dr. Susanne Benz vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) des KIT, welche die Studie gemeinsam mit Dr. Kathrin Menberg und Professor Philipp Blum vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT erstellt hat. „Wir stellen globale Temperaturkarten für Grundwasser in verschiedenen Tiefen unter der Erdoberfläche zur Verfügung. Diese zeigen, dass an Orten mit flachem Grundwasserspiegel und/oder hoher atmosphärischer Erwärmung weltweit die höchsten Grundwassererwärmungsraten zu erwarten sind.“
Die Forschenden beziehen sich auf die Klimaszenarien „SSP2-4.5“ und „SSP5-8.5“. Solche Szenarien beschreiben verschiedene sozioökonomische Entwicklungen sowie unterschiedliche Verläufe des atmosphärischen Treibhausgasgehalts in der Zukunft. SSP2-4.5 stellt dabei etwa die Mitte der möglichen zukünftigen Treibhausgasentwicklungen dar, SSP5-8.5 den oberen Rand.
Millionen Menschen von zu warmem Trinkwasser betroffen
Die Studie zeigt, dass die Grundwassertemperaturen bis zum Jahr 2100 um 2,1 Grad Celsius nach SSP2-4.5 und um 3,5 Grad Celsius nach SSP5-8.5 ansteigen werden. „Schon heute leben rund 30 Millionen Menschen in Gebieten, in denen das Grundwasser wärmer ist, als die strengsten Richtlinien für Trinkwasser vorgeben. Das bedeutet, dass das Wasser dort nicht bedenkenlos direkt getrunken werden kann, sondern zum Beispiel abgekocht werden muss. Denn auch das Trinkwasser in den Wasserleitungen wird durch die Wärme im Boden aufgeheizt“, so die Wissenschaftlerin. „Je nach Klimaszenario werden bis zum Jahr 2100 bis zu mehrere Hundert Millionen Menschen betroffen sein.“ Nach SSP2-4.5 steige die Zahl auf 77 bis 188 Millionen Menschen, nach SSP5-8.5 auf 59 bis 588 Millionen an, so die Studie. Die starken Schwankungen hängen mit der räumlichen Variabilität des Klimawandels und der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Die geringsten Erwärmungsraten prognostizieren die Forschenden für Gebirgsregionen mit tief liegendem Grundwasserspiegel wie die Anden oder die Rocky Mountains.
Temperaturänderungen beeinflussen Ökosysteme
Die Temperatur des Grundwassers spielt eine entscheidende Rolle für die Wasserqualität. Sie beeinflusst eine Vielzahl chemischer, biologischer und physikalischer Prozesse. „Wenn die Bedingungen stimmen, können steigende Grundwassertemperaturen indirekt dazu führen, dass sich schädliche Stoffe wie Arsen oder Mangan im Grundwasser anreichern. Diese erhöhten Konzentrationen können sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirken, insbesondere wenn das Grundwasser als Trinkwasserquelle genutzt wird“, sagt Benz. Zudem beeinflusse wärmeres Grundwasser den Temperaturhaushalt von Flüssen, grundwasserabhängige Ökosysteme, aquatische biogeochemische Prozesse und das geothermische Potenzial. Dies stelle eine Herausforderung für die biologische Vielfalt dar und berge das Risiko, dass Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe gestört werden.
Darüber hinaus können die erhöhten Temperaturen im oberflächennahen Boden und im Grundwasser kritische Schwellenwerte in den Wasserverteilungsnetzen überschreiten. Dies könnte gesundheitliche Folgen haben, beispielsweise durch das Wachstum von Krankheitserregern wie Legionella spp. Auch Fischarten, insbesondere der Lachs, sind von den veränderten Bedingungen betroffen. Laichplätze in Flüssen, die auf das Grundwasser angewiesen sind, könnten durch die Erwärmung zu warm werden und so die Fortpflanzung gefährden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressourcen zu ergreifen und nachhaltige Lösungen zu finden, um den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser entgegenzuwirken“, appelliert Benz. (swi)
Kontakt für diese Presseinformation:
Sandra Wiebe, Pressereferentin, Tel.: +49 721 608-41172, E-Mail: sandra.wiebe@kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: https://www.kit.edu/kit/presseinformationen.php
aee-intec: Wasser
Wasser ist die wichtigste Ressource der Erde. In Österreich werden 2,6 Mrd. m³ Wasser in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt, der Großteil wird als Abwasser in Kläranlagen eingeleitet. Die Kosten der Abwasserentsorgung sind oft höher als der Frischwasserzukauf. AEE INTEC forscht und entwickelt neue technologische Lösungen und Konzepte zur Schließung von Wasserkreisläufen und Recycling von Wertstoffen zur Sicherung eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Wasser. Wasseraudits sind ein wichtiges Werkzeug um nachhaltige Konzepte zur Kreislaufschließung in der Industrie zu erarbeiten – wir bieten Firmen dieses Service an und entwickeln branchenübergreifende Optimierungsansätze. Spezieller Fokus in der Technologieentwicklung liegt in der Prüfung, Auslegung und Demonstration der Membrandestillation als innovatives Verfahren zu Aufreinigung, Rückführung und Wertstoffgewinnung aus industriellen Prozess- und Abwasserströmen. Die Stickstoffentfernung aus Abwässern mittels Membrandestillation und Nutzbarmachung als Wertstoff (Energievektor, Chemikalie, Nährstoff) ist eine der Schlüsseltechnologien, die bei AEE INTEC entwickelt wird.
AEE – Institut für Nachhaltige Technologien
DIin Dr.in Bettina Muster
Leiterin der Forschungsgruppen Wasser- und Prozesstechnologien
https://www.aee-intec.at/wasser-b15
Expertenliste zu Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser
Nur kurze Zeit nach rekordträchtig warmen Frühsommerwochen überzogen Gewitterfronten Deutschland mit ebenso ungewöhnlich starken wie ausdauernden Regenfällen. In der Folge traten viele Flüsse über die Ufer und überfluteten Städte und Dörfer. Vor allem der Süden des Landes meldete mancherorts so viel Regen wie nur alle 50 bis 100 Jahre und anschließende Jahrhunderthochwasser. Bislang sind vier Todesopfer zu beklagen, das Ausmaß der Schäden ist noch nicht absehbar, dürfte aber gewaltig sein. Deutlich zeigt sich, wo Städte und Gemeinden die Aufgabe zum Risikomanagement und Hochwasserschutz ernst genommen haben – und wo nicht.
Forschende der Universität Potsdam stehen den Medien zu Fragen rund um Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser sowie den Folgen für Natur und Gesellschaft zur Verfügung.
Prof. Dr. Axel Bronstert ist Professor für Hydrologie und Klimatologie an der Universität Potsdam und stellvertretender Sprecher des Graduiertenkollegs „NatRiskChange“. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Klimawandel, hydrologische Extremereignisse, Hochwasser- oder Dürrevorhersage sowie Sturzfluten und der Einfluss des Klimawandels auf den Wasserhaushalt.
E-Mail: axel.bronstert@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Sascha Oswald ist Professor für Wasser- und Stofftransport in Landschaften an der Universität Potsdam. Er ist Leiter der DFG-Forschungsgruppe „Cosmic Sense“ zur innovativen Messung der Bodenfeuchte. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Auswirkung des Klimawandels auf Bodenfeuchte und Grundwasser.
E-Mail: sascha.oswald@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Annegret Thieken ist Professorin für Geographie und Naturrisikenforschung an der Universität Potsdam, Sprecherin des Graduiertenkollegs „NatRiskChange“ und Leiterin des Forschungsprojekts „ExTrass“ zu urbaner Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Auswirkungen und Management von Hochwasser, Starkregen und Hitze sowie Vorsorge und Klimaanpassung in Städten.
E-Mail: annegret.thieken@uni-potsdam.de
Dr. Klaus Vormoor ist Geograf und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Auswirkungen von Klima- und Landbedeckungsänderungen auf hydrologische Prozesse und Extreme sowie Monitoring- und Vorhersagesysteme, beispielsweise zu Wasserverfügbarkeit und Dürren.
E-Mail: klaus.vormoor@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Thorsten Wagener ist Professor für die Analyse hydrologischer Systeme an der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen der Einfluss des Klimawandels auf den hydrologischen Kreislauf, Extreme im Wasserkreislauf wie Hochwasser und Dürren, Computermodelle zur Vorhersage des Wasserkreislaufs einschließlich Quantifizierung von Unsicherheiten.
E-Mail: thorsten.wagener@uni-potsdam.de
Medieninformation 06-06-2024 / Nr. 053
Matthias Zimmermann/Dr. Stefanie Mikulla
Universität Potsdam
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https://idw-online.de/de/news834837
Pilotanlage zum biologischen Schadstoffabbau durch Forschungsgruppe Sustainable Bioengineering entwickelt
Im Rahmen der HTA-Forschungsprofessur Sustainable Bioengineering hat Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart mit Team und Partnern eine innovative Pilotanlage zum biologischen Schadstoffabbau entwickelt. Die Anlage wurde im Rahmen des Forschungsprojektes MicroCleanExhaust https://www.hswt.de/forschung/projekt/1632-microcleanexhaust zusammen mit den Kooperationspartnern LIQUI Filter GmbH https://liqui-filter.de/ und Mesa Electronic GmbH https://mesa-international.de/de/ entwickelt und Ende April von der LIQUI Filter GmbH der Forschungsgruppe übergeben. Demnächst soll diese noch durch eine Sensoreinheit der Mesa Electronic GmbH ergänzt werden.
Die neue Pilotanlage bereichert die Ausstattung des Biotechnikums vor allem um neue Expertisen bei nachhaltigen Technologien zum biologischen Abbau von Schadstoffen. Der modulare Aufbau aus drei Biorieselbettreaktoren ermöglicht die gleichzeitige Analyse unterschiedlicher Schadstoffgruppen der Abluft industrieller Prozesse. Gegenüber konventionellen Verfahren wie z. B. der thermischen Nachverbrennung ist die biologische Abluftreinigung eine besonders nachhaltige Alternative, da weder hohe Temperaturen noch fossile Brennstoffe für den Schadstoffabbau benötigt werden.
Im Projekt MicroCleanExhaust wurde mit der neuen Anlage der biologische Abbau unterschiedlicher Schadstoffgruppen mithilfe von ausgewählten Mikroorganismen untersucht. Die Pilotanlage soll aber auch fest in die Lehre des Bachelorstudiengangs Biotechnologie integriert werden, um die praxisnahe Ausbildung der Studierenden zu erweitern, die im Rahmen von Abschlussarbeiten oder Praktika damit umfangreiche Erfahrungen sammeln können.
Gefördert wird das Projekt über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das eine Kooperation von kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Forschungseinrichtungen wie der HSWT ermöglicht. Die Projektbearbeitung unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart erfolgt durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Pia Reinisch (bis 14.09.2023) und Julian Eckert (ab 15.09.2023). Biotechnologie-Student Samuel Schmucker unterstützt als studentische Hilfskraft.
https://idw-online.de/de/news834796
Patient See
Ob Kreislaufprobleme, falsche Ernährung oder Atemnot: Mensch und Gewässer sind gar nicht so verschieden, wenn sie krank sind
Wie wir Menschen können auch Seen unter einer Vielzahl von gesundheitlichen Störungen leiden: von hohen Temperaturen über Probleme mit dem Kreislauf, der Atmung, Ernährung oder dem Stoffwechsel bis hin zu Infektionen und Vergiftungen. Darauf weisen Forscherinnen und Forscher unter Leitung der schwedischen Universität Uppsala und mit Beteiligung des IGB in einer aktuellen Studie hin. Um Seen vor chronischen Leiden und bedrohlichen Zuständen zu schützen und sie zu heilen, sollten ähnliche Strategien wie in der menschlichen Gesundheitsversorgung angewandt werden: Prophylaxe, regelmäßiges Screening, Behandlung und Schadensbegrenzung auf lokaler bis globaler Ebene.
Weltweit gibt es 1,4 Millionen Seen, deren Oberfläche größer als 10 Hektar ist. Rund 12 Prozent der gesamten Weltbevölkerung leben in einem Umkreis von 3 Kilometern um diese Seen und nutzen sie zur Trinkwassergewinnung, für die Fischerei, zur Erholung oder für den Tourismus. Diese wichtigen Funktionen können Seen am besten für den Menschen erfüllen, wenn sie in einem guten Gesundheitszustand sind.
In einer aktuellen Studie schlagen Forschende vor, die Terminologie und die Ansätze des menschlichen Gesundheitswesens zu nutzen, um den Zustand der globalen Seesysteme zu bewerten. So könnten Seen mit mehreren Gesundheitsproblemen als „multimorbide“ bezeichnet werden, und regelmäßige Untersuchungen, ähnlich wie beim Menschen, könnten helfen, Probleme in Seen frühzeitig zu erkennen. „Die Analogien verdeutlichen, dass Seen lebendige Systeme sind, die Sauerstoff, sauberes Wasser und eine ausgewogene Energie- und Nährstoffversorgung benötigen“, sagt Dr. Gesa Weyhenmeyer, Wissenschaftlerin an der Universität Uppsala und Erstautorin der Studie.
Das Team nutzte die Daten von LakeATLAS des globalen Kompendiums HydroATLAS von etwa 1,4 Millionen Seen weltweit, um Störungen des Kreislaufs (wie Austrocknung), des Stoffwechsels (wie Versauerung und Versalzung), der Ernährung (wie Nährstoffüberschuss) und der Atmung (wie Sauerstoffmangel) sowie andere Beeinträchtigungen zu untersuchen.
Bewertung des Gesundheitszustands mithilfe von Referenzbedingungen
Doch wann ist ein See gesund – oder krank? Viele Länder haben in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte bei der Bewertung des Gesundheitszustandes ihrer Binnengewässer gemacht. Es gibt Ansätze, wie z.B. die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, diese Bewertungen länderübergreifend zu harmonisieren.
Ein zentrales Konzept ist dabei der Vergleich der aktuellen Situation mit Referenzbedingungen, die häufig als Bedingungen ohne oder mit nur geringem menschlichem Einfluss definiert werden. „Der Ansatz zur Bewertung von Abweichungen von den Referenzbedingungen ähnelt der Praxis im Gesundheitsbereich. Bislang gibt es jedoch kein einfaches globales System, um den Gesundheitszustand von Seen zu klassifizieren“, sagt Dr. Sabine Hilt, Wissenschaftlerin am IGB und Mitautorin der Studie.
Typische Krankheiten, an denen Seen heute auf der ganzen Welt leiden…mehr:
https://www.igb-berlin.de/news/patient-see
Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen
Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen.
Abfall zu verwenden, um Wasser zu reinigen – das klingt vielleicht widersinnig. Doch an der TU Wien ist nun genau das gelungen: Eine spezielle Nanostruktur wurde entwickelt, die eine weitverbreitete Klasse gesundheitsschädlicher Farbstoffe aus dem Wasser filtern kann. Eine entscheidende Komponente dabei ist ein Material, das eigentlich selbst als Abfall gilt: Gebrauchte Zellulose, etwa in Form von Reinigungstüchern oder Pappbechern. Mit der Zellulose wird ein feines Nano-Gewebe beschichtet, um verschmutztes Wasser möglichst effektiv zu filtern.
Farbiges Gift im Wasser
Organische Farbstoffe stellen die größte Gruppe synthetischer Farbstoffe dar, darunter auch die sogenannten Azo-Verbindungen. Besonders in der Textilindustrie werden sie häufig eingesetzt, auch in Ländern, in denen wenig Augenmerk auf Umweltschutz gerichtet wird und die Farbstoffe oft ungefiltert ins Abwasser gelangen. „Das ist gefährlich, denn solche Farbstoffe werden nur sehr langsam abgebaut, sie können lange Zeit im Wasser bleiben und bergen große Gefahren für Mensch und Natur“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien.
Es gibt verschiedene Materialien, die solche Farbstoffe binden können. Doch das alleine genügt noch nicht. „Wenn man das verschmutzte Wasser einfach nur über eine Filterfolie fließen lässt, die Farbstoffe binden kann, ist der Reinigungseffekt gering“, erklärt Günther Rupprechter. „Viel besser ist es, ein Nanogewebe aus vielen winzigen Fasern herzustellen, durch die das Wasser hindurchsickert.“ Das Wasser kommt dann mit einer viel größeren Oberfläche in Kontakt, und somit können auch viel mehr organische Farbstoff-Moleküle gebunden werden.
Zelluloseabfall als Nano-Filter
„Wir arbeiten mit semi-kristalliner Nano-Zellulose, die man aus Abfallmaterial herstellen kann“, sagt Qaisar Maqbool, Erstautor der Studie und Postdoc in Rupprechters Forschungsgruppe. „Oft setzt man für ähnliche Zwecke metallhaltige Substanzen ein. Unser Material ist für die Umwelt hingegen völlig harmlos, und wir können es noch dazu durch Upcycling von Altpapier herstellen.“
Diese Nano-Zellulose wird gemeinsam mit dem Kunststoff Polyacrylnitril zu Nanostrukturen „versponnen“. Dafür ist allerdings einiges an technischem Geschick nötig. Erfolgreich war das Team der TU Wien mit dem sogenannten Elektrospinning-Verfahren. Dabei wird das Material in flüssiger Form versprüht, die Tröpfchen werden elektrisch aufgeladen und durch ein elektrisches Feld geschickt.
„Dadurch kann man erreichen, dass die Flüssigkeit beim Aushärten extrem feine Fädchen bildet, mit einem Durchmesser von 180 bis 200 Nanometern“, sagt Günther Rupprechter. Diese Fädchen bilden ein feines Gewebe mit sehr hoher Oberfläche – ein sogenanntes „Nanoweb“. Auf einem Quadratzentimeter kann man ein Geflecht von Fädchen unterbringen, die insgesamt eine Oberfläche von mehr als 10 cm2 aufweisen.
Erfolgreiche Tests
Die Tests mit diesen zellulosebeschichteten Nano-Strukturen verliefen sehr erfolgreich: In drei Zyklen wurde mit violettem Farbstoff belastetes Wasser gereinigt, dabei konnten 95% des Farbstoffs entfernt werden. „Die Farbstoffe bleiben im Nanogewebe gespeichert. Man kann dann entweder das ganze Gewebe entsorgen oder es aber auch regenerieren, die gespeicherten Farbstoffe herauslösen und das Filtergewebe wiederverwenden“, erklärt Günther Rupprechter.
Weiterführende Untersuchungen sind notwendig, um die mechanischen Eigenschaften der hochentwickelten Nanonetze und deren Biokompatibilität zu bewerten, die Spezifität gegenüber komplexeren Schadstoffen zu beurteilen und Skalierbarkeit auf Industriestandards zu erreichen. Auch will Rupprechter mit seinem Forschungsteam untersuchen, wie sich diese Farbstoff-Filtertechnologie auf andere Einsatzbereiche übertragen lässt. „Auch für den medizinischen Bereich könnte diese Technik sehr interessant sein“, glaubt Rupprechter. „Bei der Dialyse etwa geht es ebenfalls darum, ganz bestimmte chemische Stoffe aus einer Flüssigkeit herauszufiltern.“ Beschichtete Nano-Gewebe könnten auch bei solchen Anwendungen ihre Stärken ausspielen.
Originalpublikation
Maqbool, Q., Cavallini, I., Lasemi, N., Sabbatini, S., Tittarelli, F. and Rupprechter, G. (2024), Waste-Valorized Nanowebs for Crystal Violet Removal from Water. Small Sci. 2300286., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Kontakt
Prof. Günther Rupprechter
Institut für Materialchemie
Technische Universität Wien
+43 1 58801 165100
guenther.rupprechter@tuwien.ac.at
X: @Rupprechter_Lab
Wie sich Schweizer CO2 in Island in Stein verwandelt
Die Abscheidung von CO2 aus schmutzigen Industrieverfahren und seine unterirdische Einlagerung stossen weltweit auf Interesse. Ein Schweizer Pilotprojekt in Island könnte den Durchbruch bringen.
Was wäre, wenn man CO2 noch vor seiner Freisetzung in die Atmosphäre in einem industriellen Prozess isolieren und für immer in Stein verwandeln könnte?
Genau diese Idee verfolgen Schweizer Wissenschaftler:innen im Rahmen eines Pilotprojekts zur Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS).
Dabei wird industriellen Prozessen, z.B. Kläranlagen oder Stahlwerken, CO2 direkt entzogen und unterirdisch eingelagert. So soll die Schweiz bei den Treibhausgasemissionen das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen.
Das abgeschiedene CO2 wird allerdings nicht in der Schweiz eingelagert, sondern in geologischen Speichern in Island. Das Projektteam um Marco Mazzotti, Professor für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich, liess kürzlich verlauten, das Verfahren sei technisch machbar. Dies habe zu grossem Interesse geführt, hält Mazzotti stolz fest.
“Für das Klima ist die gespeicherte Menge an CO2 zwar irrelevant. Aber die Tatsache, dass wir alle praktischen Probleme lösen und ein grosses Konsortium zusammenbringen konnten, hat einiges ins Rollen gebracht”, erklärt Mazzotti gegenüber SWI swissinfo.ch.
https://www.swissinfo.ch/ger/wissenschaft/wie-sich-schweizer-co2-in-island-in-stein-verwandelt/77522754?utm_source=multiple&utm_campaign=swi-rss&utm_medium=rss&utm_content=o
Ein wirkungsorientiertes Vorhersagesystem für die bessere Frühwarnung vor Hochwasser
Extremereignisse wie beispielsweise Hochwasser werden durch den Klimawandel häufiger. Dies verstärkt die Notwendigkeit, Methoden zur genaueren und schnelleren Hochwasservorhersage zu entwickeln, um die Bevölkerung künftig besser zu schützen. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) hat in der Zeitschrift Nature Communications ein Hochwasservorhersagesystem vorgestellt, das rechtzeitig nicht nur Wasserstände an Pegeln, sondern auch dynamische hochaufgelöste Überflutungskarten bereitstellt. So können die Folgen einer Überschwemmung präzise bis auf das Niveau einzelner Gebäude prognostiziert werden.
In der räumlichen und zeitlichen Vorhersage von Hochwasserereignissen hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben. So ist es derzeit möglich, Hochwasserstände an einzelnen Pegeln vorherzusagen. Welche Auswirkungen Überschwemmungen für Städte und Gemeinden vor allem für die Menschen im Unterlauf von Flüssen haben können, konnte bisher allerdings nur grob oder sogar fehlerhaft abgeschätzt werden. Diese Präzision ist jedoch entscheidend, weil die betroffene Bevölkerung möglichst schnell vorab informiert werden muss, um gegebenenfalls Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten. „Was es bräuchte, ist ein mit dem neuesten Stand der Technik ausgestattetes Hochwasserfrühwarnsystem, das hochauflösend rechtzeitig Überschwemmungsvorhersagen liefert und angibt, welche Auswirkungen das Hochwasser auf einzelne Gebäude hat“, sagt UFZ-Modellierer Prof. Luis Samaniego, Letztautor des Artikels. Dies würde die Grundlage für das Krisenmanagement entscheidend verbessern.
Für das neue Hochwasservorhersagesystem kombinierten die Forscher der beiden Helmholtz-Zentren in einem ersten Schritt die Niederschlagsvorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (NWP limited area ensemble prediction system) mit dem am UFZ entwickelten hydrologischen Modellsystem mHM (mesoscale hydrologic model). Dieses Modell liefert nicht nur Informationen zum Wasserabfluss, sondern auch zum zeitlichen Verlauf der Bodenfeuchte – einer der entscheidenden Faktoren für die Entwicklung von Hochwasser. Anhand der vorliegenden Daten zur Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 gelang es ihnen im Nachgang, anhand eines Ensembles von 20 Vorhersagenmodellen die Höhe der Flutwelle für den Pegel Altenahr stündlich zu prognostizieren. Zudem konnten sie die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob ein 50- und ein 100-jährliches Hochwasser eintreten. Die Modellierung ergab, dass 47 Stunden und damit fast zwei Tage vor dem Eintreffen der Flutwelle im Ahrtal 15 Prozent der Modelle ein 100-jährliches Hochwasser prognostiziert hätten. Je näher das Ereignis kam, umso wahrscheinlicher wurde, dass die zu dem Zeitpunkt festgelegte Jahrhundertmarke tatsächlich überschritten wird: So sagten 75 Prozent aller Modelle 17 Stunden vor der Flutwelle das Jahrhunderthochwasser voraus, sieben Stunden davor waren es schließlich 100 Prozent. „Wenn 75 Prozent der Vorhersagen in einem Ensemble ein Jahrhunderthochwasser anzeigen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es eintritt“, sagt der UFZ-Modellierer Dr. Husain Najafi, Erstautor der Studie.
Im zweiten Schritt verknüpften die Helmholtz-Forscher das hydrologische Modellsystem mHM mit dem hydrodynamischen Hochwassermodell RIM2D, das das GFZ Potsdam entwickelt hat. RIM2D simuliert in sehr kurzer Zeit die Ausbreitung von Überflutungsflächen und die dynamische Entwicklung von Überflutungstiefen. Erst dieses Modell mit einer räumlichen Auflösung von 10 Meter x 10 Meter macht es möglich, stündlich vorherzusagen, bis zu welcher Höhe das Wasser Flächen überflutet – und damit, in welcher Ortschaft welche Gebäude, Straßen, Eisenbahnstrecken, Krankenhäuser oder sonstige kritische Infrastrukturen wie stark vom Hochwasser betroffen sind. „Zuständige Behörden und Bevölkerung haben so nicht nur Informationen über einen möglichen Pegelstand 30 Kilometer am Flussoberlauf vorliegen, sondern auch eine detaillierte Überflutungskarte, die zeigt, welche Auswirkungen das Hochwasser hat. So könnten sie beispielsweise wissen, wo und welche Personen in Gefahr sein könnten oder wer evakuiert werden muss“, sagt der Hydrologe Dr. Sergiy Vorogushyn vom GFZ.
Für die Rekonstruktion des extremen Hochwasserereignisses im Ahrtal hat das kombinierte Vorhersagemodell des UFZ und des GFZ den ersten Test bestanden. Ab dem Sommer wird die automatisierte Modellkette im Rahmen der Helmholtz-Klima-Initiative in einer weiteren Testphase in zwei weiteren Einzugsgebieten an der Fils und an der Murr in Baden-Württemberg in Echtzeit erprobt. Besteht das Modellsystem auch diese Phase, wäre es aus Sicht der Wissenschaftler für Regionen mit einer erhöhten Hochwassergefahr insbesondere als Folge von Sturzfluten anwendbar. Damit könnte es bestehende Hochwasserfrühwarnsysteme entscheidend ergänzen und den inhaltlichen Horizont der Vorhersagen um die Auswirkungen durch das Hochwasser erweitern. Dies könnte Personen- und Sachschäden künftig erheblich reduzieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Luis Samaniego
UFZ-Department Hydrosystemmodellierung
luis.samaniego@ufz.de
Dr. Sergiy Vorogushyn
Deutsches GeoForschungsZentrums GFZ
sergiy.vorogushyn@gfz-potsdam.de
https://idw-online.de/de/news833502
Glyphosat in Gewässern: Tübinger Forscherin sieht Waschmittel als Quelle
Kommt das Glyphosat in unseren Gewässern hauptsächlich aus unserem Waschmittel und nicht aus der Landwirtschaft? Eine Tübinger Forscherin vermutet das. Es gibt aber auch Zweifel.
Die Landwirtschaft ist nicht die Hauptquelle für die Glyphosat-Belastung unserer Gewässer – davon geht zumindest die Forscherin Carolin Huhn von der Universität Tübingen aus. Sie vermutet, dass die Glyphosat-Spur zu unseren Waschmaschinen führt. Genauer gesagt: zu dem Waschmittel, das wir benutzen. Noch wird die Forschung der Tübinger Wissenschaftlerin geprüft, es regen sich aber bereits erste Zweifel.
Tübinger Professorin fallen Ungereimtheiten auf
Am Anfang stand für Carolin Huhn lediglich ein Verdacht. Bereits seit mehreren Jahren untersucht die Professorin den Glyphosat-Gehalt in heimischen Gewässern. Glyphosat wird vor allem auch in der Landwirtschaft eingesetzt, um die Felder unkrautfrei zu machen. In der Kritik steht der Einsatz in der Landwirtschaft schon lange, es gilt als möglicherweise krebserregend und kann Mikroorganismen in Gewässern verändern. Doch Carolin Huhn fielen in ihrer Forschung dazu immer wieder Ungereimtheiten auf.
Ihre Beobachtung: Landwirte bearbeiten ihre Felder meist im Frühjahr und im Herbst mit Glyphosat. In diesen Zeiträumen hätte sich der Glyphosat-Gehalt im Wasser also deutlich erhöhen müssen. Das sei aber nicht der Fall gewesen. „Wir stellten besonders hohe Werte im Sommer fest, was mit der Arbeit der Landwirte überhaupt nicht übereinstimmt“, so Huhn.
Weiteres Indiz: Glyphosat, das auf die Felder gesprüht wird, gelangt über Regen in die Böden und ins Wasser. Folglich hätte nach starkem Niederschlag der Glyphosat-Gehalt im Wasser ansteigen müssen. Doch auch das sei nicht der Fall gewesen, so Huhn.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/glyphosat-aus-waschmittel-100.html
Mit Roboter, KI und Photovoltaik mehr Gewinn für Umwelt und Gemüseacker
DBU: Innovation mit Kurs auf nachhaltige Landnutzung
Kempen. Spannende Chancen für eine umweltgerechte Landnutzung bieten Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI), so die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Ein Beispiel: Der vom Startup AI.Land in Kempen entwickelte halbmobile Agrarroboter namens „Davegi“, der die Gemüseproduktion mit Photovoltaik energieautark und ressourcenschonend ermöglicht. Die DBU förderte mit 125.000 Euro.
Energie- und Gemüseproduktion: Mehr Effizienz auf einer Fläche
Der Agrarroboter „Davegi“ kreist mit seinen acht Solarmodulen über ein Gemüsefeld. „Anders als herkömmliche, fest installierte Photovoltaik-Anlagen kann sich der Davegi um 360 Grad drehen“, sagt Josef Franko, Gründer von AI.Land und Entwickler des Prototypen. „Dadurch erhalten die Anbaupflanzen ausreichend Sonnenlicht, während gleichzeitig Solarenergie gewonnen wird.“ Dem Gerät gelingt laut Franko so eine um 50 Prozent effizientere Nutzung der parallelen Energie- und Gemüseproduktion im Vergleich zu unbeweglichen schattenwerfenden Agri-Photovoltaik-Anlagen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) bezeichnet eine solche Doppelnutzung als zukunftsfähige Mehrgewinnstrategie. „Fläche steht nur begrenzt zur Verfügung“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Wir brauchen deshalb einen nachhaltigen Umgang mit Land – für Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und zugleich Ernährungssicherung.“ Digitalisierung und KI seien „vielversprechende Instrumente für die Mehrfachnutzung einer Fläche“. Das Projekt sei ein gutes Beispiel dafür.
Multitalent Agrarroboter Davegi: ackern, säen, wässern, düngen und ernten
Nach Angaben des Startups wird der Davegi ein landwirtschaftliches Multitalent und soll zukünftig ackern, säen, wässern, düngen, ernten. „Mit unserem Prototypen lassen sich sämtliche pflanzenbauliche Prozesse – von der Bodenbearbeitung bis zur Ernte – präzise durchführen, und zwar je nach Bedarf der einzelnen Pflanzen“, sagt Franko, der mit dem System auf biologische Landwirtschaft setzt. Durch die individuelle Behandlung lassen sich ihm zufolge Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Wasser einsparen. Die Pflanzen sollten zudem dann geerntet werden, wenn sie die entsprechende Reife erreicht haben. „Das verringert die Lebensmittelverschwendung“, so Franko. Die Vision des Unternehmens: Auf 2.500 Quadratmeter, etwa einem Drittel eines Fußballfelds, soll Davegi pro Tag 60 Kisten mit insgesamt 600 Stück geerntetem Gemüse in zehn unterschiedlichen Sorten autonom und energieautark bestücken. „Wir wollen das Gemüse regional verkaufen“, sagt Franko. Ein Testfeld sei in Planung. Wegen kurzer Wege werde Treibstoff und somit Energie eingespart. Auch das verbessere zusätzlich zum autarken Betrieb mit Solarenergie die Treibhausgas-Bilanz im Gemüseanbau.
Innovationspreis Moderne Landwirtschaft für AI.Land
Für Franko ist mit dem halbmobilen Agrarroboter ein wichtiger Zwischenschritt in Richtung vollautomatisierte Landwirtschaft erreicht. „Mit dem Prototyp zeigen wir in einem ersten Schritt, dass eine durch Photovoltaik betriebene, energieautarke und vollautomatisierte Gemüseproduktion inklusive Feldlogistik möglich ist“, sagt der Startup-Gründer. „Der Davegi erleichtert die Arbeit und erhöht den Ertrag.“ Das hätten die Tests im Freiland bewiesen. Die AI.Land startet Ende 2024 das Pilotprojekt „RoboFeld“. Dabei sollen in einem zweiten Schritt Familien aus der Nähe von Kempen und Umgebung frisches Gemüse direkt vom Feld erhalten. Für seine Erfindung erhielt AI.Land den mit 5.000 Euro dotierten Innovationspreis Moderne Landwirtschaft bei der Internationalen Grünen Woche 2024 in Berlin. Das Startup AI.Land wurde im November 2020 vom Institut für mobile autonome Systeme und kognitive Robotik der Fachhochschule Aachen gegründet und beschäftigt aktuell 15 Mitarbeitende. Zusätzlich zu den Anfängen der Agrarroboter-Entwicklung wurde die Unternehmensgründung von A.I.Land durch die DBU Green Startup-Förderung unterstützt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert neben innovativen, modellhaften und lösungsorientierten Vorhaben zum Schutz der Umwelt mit besonderem Blick auf die mittelständische Wirtschaft auch grüne Startups.
Weitere Informationen:
https://www.dbu.de/news/mit-roboter-ki-und-photovoltaik-mehr-gewinn-fuer-umwelt-… Online-Pressemitteilung
https://idw-online.de/de/news833192
Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
Vom 18.-20. April 2024 waren Expertinnen aus der Wasserforschung an der TH Lübeck für einen Workshop der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Gast. Ziel der Veranstaltung ist der Austausch und die Entwicklung längfristiger Forschungskooperationen zwischen jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen in der Wasserforschung.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit der Initiative „Unterstützung der Internationalisierung von Forschung an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (UDIF-HAW)“ HAWs, die sich für internationale Forschungskooperationen interessieren oder diese ausbauen möchten. In verschiedenen Veranstaltungsformaten tauschen sich Forschende deutscher HAWs mit internationalen Forscher*innen aus verschiedenen Zielländern aus, mit dem Ziel Forschungspartnerschaften zu bilden. In diesem Rahmen fand vom 18.-20. April 2024 an der Technischen Hochschule Lübeck bereits der zweite DFG Workshop zum Thema nachhaltiger Wasserbewirtschaftung in Zusammenarbeit mit Jordanien statt.
Die Präsidentin der TH Lübeck, Dr. Muriel Helbig, eröffnete die Veranstaltung: „Es ist großartig, dass dieser Austausch stattfindet. Im Hinblick auf die zahlreichen Krisen und Kriege, die in diesem Moment die Welt erschüttern, ist es umso wichtiger, dass die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zusammenarbeitet und voneinander lernen kann. Die Ressourcen sind knapp und werden gerade in wärmeren Regionen der Erde noch knapper. Wasserforschung international zu betreiben und die Stärken der jordanischen Universitäten und deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu nutzen, ist genau der richtige Ansatz.“
Wasserbewirtschaftung: Strategien für eine nachhaltige Zukunft
In der DFG Veranstaltungsreihe „Water nexus research – challenges and strategies for a sustainable future“ (Wasser-Nexus-Forschung – Herausforderungen und Strategien für eine nachhaltige Zukunft) kamen am 15. Februar 2022 erstmals rund 70 Forschende deutscher HAWs und jordanischer Hochschulen zu einem Austausch ihrer Forschungsschwerpunkte und –ideen zusammen. Dr. Christoph Külls, Professor für Hydrologie und Internationale Wasserwirtschaft vertrat dabei die Technische Hochschule Lübeck. Er erläuterte den ganzheitlichen Ansatz von „Water Nexus Research“.
Alles ist miteinander verbunden: der Nexus-Ansatz
Nexus ist ein lateinisches Wort und bedeutet Verbindung/Gefüge. Der Nexus-Ansatz ist neben der Integration von sozioökonomischen Aspekten eines der zentralen Leitbilder des integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM). Der Ansatz berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den eng verbundenen Sektoren Wasserwirtschaft, Energie- und Nahrungsmittelerzeugung. Das heißt, dass im Hinblick auf Ressourcenknappheit, die Bewirtschaftung der Ressourcen Wasser, Energie, Land gemeinsam betrachtet werden, um eine nachhaltige Sicherung der Grundversorgung zu erreichen.
Gemeinsame Wasserforschung
Der zweite DFG Workshop vertiefte die Vernetzung der jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen nach einer Delegationsreise in Jordanien weiter. Über zwei Tage hinweg vernetzten sich die internationalen Expertinnen an der TH Lübeck, gaben sich gegenseitig Einblicke in ihre Forschungstätigkeiten und analysierten, welche Faktoren zu einer erfolgreichen Forschungskooperation zwischen Jordanien und Deutschland beitragen können.
https://idw-online.de/de/news832464
Forschungsprojekt GOW-Opti gestartet
Gemeinsam mit dem TZW (DVGW-Technologiezentrum Wasser) beschäftigt sich das IWW mit der Weiterentwicklung von gesundheitlichen Regelungswerten im Trinkwasser und Optimierung des Transfers in die Praxis. Das Projekt läuft insgesamt 1 Jahr.
Die enorme Menge an chemischen Substanzen in Produktion und Anwendung sowie der Umwelt führt dazu, dass sich ein nicht unerheblicher Teil in nahezu allen Umweltkompartimenten nachweisen lässt. Internationale Institutionen wie die WHO, die ECHA und EFSA oder nationale Behörden wie das Umweltbundesamt (UBA) können bisher nur einen kleinen Anteil der in die Umwelt, in Gewässer, gelangten Stoffe auf Basis von chronischen Versuchsdaten toxikologisch bewerten. Daher werden angepasste Bewertungskonzepte gebraucht, mit denen bei unzureichender oder fehlender toxikologischer Datenlage eine robuste Aussage im Rahmen der Vorsorge getroffen werden kann.
Ziele und Methodik
Im Rahmen des Projekts wird das bewährte Konzept der gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) einer Prüfung unterzogen, ob und wie es in der Praxis der Gesundheitsbehörden ankommt und wie es umgesetzt wird und wie gegebenenfalls weitere Optimierungen angepackt werden könnten. Dabei wird die Sichtweise der Wasserversorger mit einbezogen, die von den Anordnungen und Maßnahmen der Behörden direkt betroffen sind. Es werden Potentiale zur Optimierung von Schwachpunkten zur Verfestigung von Stärken abgeleitet, was zu einem direkten Nutzen für die Wasserversorgung und die Überwachung führen kann. Dabei wird darauf Wert gelegt, den GOW mit den anderen relevanten Regelungswerten in Beziehung zu setzen. Zudem werden strategische Umsetzungshinweise für die Verbesserung der Anwendung in der Praxis gegeben. Daraus sollte sich ein wichtiger Input für weitere Vorgehensweisen beim UBA sowie den Beteiligten auf der operativen Ebene ergeben.
https://iww-online.de/forschungsprojekt-gow-opti-gestartet/
Laser-Tauchsonde für ein smartes Inline-Monitoring von Wasser und Abwasser
Eine neuartige laserbasierte Tauchsonde, die das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen im Zuge BMBF- und EU-geförderter Projekte mit Industriepartnern und Anwendern erprobt, könnte den Weg zu einem fortlaufenden Inline-Monitoring von Wasseraufbereitungsprozessen in Kläranlagen ebnen. Das 2D-Fluoreszenzmessverfahren generiert direkt vor Ort spektroskopische Daten im Klärbecken. Diese sind in Verbindung mit einer intelligenten Auswertesoftware der Schlüssel zu einer energie- und ressourceneffizienten Wasseraufbereitung. Auf der Münchener Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT 2024 wird das Verfahren erstmals öffentlich präsentiert.
Um Wasseraufbereitungsprozesse in Kläranlagen zu überwachen, setzen deren Betreiber bisher auf 24-Stunden-Mischproben. Diese werden über den Tagesverlauf kontinuierlich gesammelt und anschließend im Labor auf Summenparameter hin analysiert; so etwa die Gesamtmenge enthaltener organischer Kohlenstoffe (Total Organic Carbon; TOC), gelöste organische Kohlenstoffe (Dissolved Organic Carbon; DOC) oder die Menge an Sauerstoff, die der vollständige aerobe Abbau biologischer Inhaltsstoffe (Biological Oxygen Demand; BOD) verbraucht. Angesichts der steigenden Bevölkerungsdichte in urbanen Räumen und variierender Abwasserzusammensetzungen stößt dieses 24-Stundenraster jedoch an Grenzen. Eine engmaschigere Kontrolle wäre nicht nur mit Blick auf die Qualität aufbereiteter Abwässer wünschenswert. Auch der Bedarf an Energie und teuren, in der Herstellung oft umweltbelastenden Betriebsstoffen ließe sich erheblich reduzieren, wenn die Betreiber im laufenden Aufbereitungsprozess nachvollziehen könnten, wie sich die Messwerte der Summenparameter verändern, um ihre Anlagen auf dieser Echtzeitdatenbasis steuern zu können.
Neuartige Tauchsonde detektiert Emissionen von Fluorophoren im Abwasser
Ein Forschungsteam des Fraunhofer ILT legt aktuell das technologische Fundament, um eine solche datenbasierte Wasseraufbereitung real werden zu lassen. Das Herzstück hierfür ist eine neuartige laserbasierte Tauchsonde, welche die Wasseranalytik aus dem Labor direkt in die Klärbecken verlegt. »Wir nutzen das Phänomen, dass für die Wasserqualität relevante Inhaltsstoffe bei der Anregung mit spezifischen Lichtwellenlängen fluoreszieren. Unsere Tauchsonde regt diese Fluorophore mit verschiedenen Wellenlängen zwischen dem UV- und dem sichtbaren Spektralbereich an und detektiert jeweils die emittierten Fluoreszenzsignale«, erklärt Dr. Christoph Janzen, Spezialist für Bioanalytik, der am Fraunhofer ILT für die Entwicklung der 2D-Fluoreszenzsonde verantwortlich ist. Targets der Inline-2D-Fluoreszenzanalytik sind beispielsweise die Aminosäuren Tryptophan (TRP), Tyrosin (TYR), Phenylalanin (PHE) und die Gruppe der Huminsäuren (HS). Da die Wellenlängen für ihre Anregung von 260 Nanometern für PHE bis 350 Nanometern für HS reichen, koppelt das Team die Sonde mit einer durchstimmbaren Lichtquelle. »Diese kann alle Zielstoffe mit ihren spezifischen Wellenlängen anregen. Sofern sie im Abwasser vorhanden sind, emittieren sie ihr charakteristisches längerwelliges Fluoreszenzsignal«, sagt er. Mithilfe eines empfindlichen Spektrometers lässt sich für jede Anregungswellenlänge ein Fluoreszenzspektrum aufnehmen.
So entstehen 2D-Karten, welche die Anregungswellenlängen samt korrespondierender Lichtemission festhalten. Diese Anregungs-Emissions-Matrizen (Excitation Emission Matrices; EEM) visualisieren die detektierten Fluoreszenzsignale und informieren die Betreiber in jedem Stadium des Aufbereitungsprozesses präzise über die organische Schmutzfracht im Abwasser. »Diese 2D-Fluoreszenzmessung ermöglicht es, inline die charakteristischen Summenparameter des Abwassers direkt im Aufbereitungsprozess zu erfassen. Bisherige Verfahren können das nur offline im Labor. Kommerziell verfügbare Inline-Sonden für die Summenparameterbestimmung sind oft nur in einem begrenzten Parameterbereich zuverlässig und liefern falsche Messdaten, wenn die Abwasserzusammensetzung stark variiert«, erklärt Janzen. Um die Messungen abzusichern, sei es möglich, mit der Tauchsonde ergänzend zu den Fluoreszenzdaten auch Transmissionsspektren aufzunehmen.
Anspruchsvolle Integration in eine handliche Tauchsonde
Um das komplexe Inline-Messverfahren, das bisher üblicherweise offline in Laborgeräten erfolgt, in Form einer handlichen Tauchsonde zu realisieren, hat das Team auf den umfassenden Optikdesign- und Messtechnik-Kompetenzen des Fraunhofer ILT aufgebaut. Als Strahlquelle dient im Sinne hoher Brillanz und geringer Wärmeverluste eine lasergezündete Xenon-Plasma-Lampe. Über einen Monochromator wird aus ihrem Licht die jeweils gewünschte Wellenlänge gefiltert und über eine optische Faser zur Tauchsonde geleitet. Dort kollimiert eine Linse das Licht der Quelle und fokussiert es mit einer asphärischen Optik am Messpunkt. Dieselbe Optik koppelt Fluoreszenzsignale der gesuchten Inhaltsstoffe über eine zweite Kollimationslinse in eine weitere Faser ein und überträgt sie zu einem CCD-Spektrometer. Zur Auswertung und Visualisierung der Messdaten ist eine Software im Einsatz, die das Team in einem Verbundforschungsprojekt mit Partnern aus Industrie und Forschung entwickelt hat.
Während das Aachener Forschungsteam die Sonde selbst im EU-geförderten Projekt »FluoMonitor – 2D-Fluoreszenzsonde für das Inline Wasser- und Abwasser Monitoring« mit einem mittelständischen Anbieter von Messtechnik, einem wasserwirtschaftlichen Forschungsinstitut sowie einem regionalen Wasserverband entwickelt hat, geht es im laufenden BMBF-Förderprojekt AIX-Watch darum, die 2D Fluoreszenz-Messmethodik weiterzuentwickeln und unter Realbedingungen zu erproben. »Das mittelfristige Ziel ist es, die Steuerung und Regelung von Kläranlagen auf Basis der fortlaufenden Inline-Messungen zu optimieren«, sagt Janzen. Betreiber müssen kontrollieren und dokumentieren, dass ihre Anlage die Grenzwerte für Summenparameter wie TOC, DOC und BOD einhält. Diese erfasst das neuartige 2D-Fluoreszenzverfahren zwar nicht direkt, doch korrelieren die erfassten Amino- und Huminsäuren mit den Summenparametern. »Es gibt bereits mathematische Modelle, die aus diesen Korrelationen auf die Werte der Summenparameter schließen. Wenn diese Modelle fortlaufend erhobene Inline-Messdaten verarbeiten, die unsere Tauchsonden liefern, wird die Analysegenauigkeit perspektivisch immer weiter zunehmen«, sagt Janzen. Betreiber bekämen so Inline-Zugriff auf den Status ihrer Wasseraufbereitungsprozesse und könnten die Betriebsstrategien entsprechend anpassen.
Mit KI und Inline-Sensorik zu einer smarten, adaptiven Wasseraufbereitung
Damit würde die laserbasierte Tauchsonde zur Basistechnologie für eine smarte Wasseraufbereitung. Im Zusammenspiel von Inline-Sensorik und Künstlicher Intelligenz wäre es trotz schwankender Abwasserzusammensetzungen möglich, Energie und aufwändig herzustellende Betriebsstoffe wie Ozon nur in dem Maß einzusetzen, wie es zum Einhalten der gesetzlichen Grenzwerte tatsächlich notwendig ist. »Da wir uns hier im Bereich mathematischer Modelle bewegen, bedarf es noch der Absicherung durch herkömmliche Offline-Analysen«, betont Janzen. Doch die lernenden Modelle seien ein vielversprechender Ansatz für eine adaptive Abwasseraufbereitung, die sich auf Inline-Messungen stützt und am Ist-Zustand des Wassers und seiner aktuellen Zusammensetzung ihre Betriebsstrategien orientiert. Um das Verfahren auf einen flächendeckenden Einsatz vorzubereiten, treibt das Team am Fraunhofer ILT parallel die Weiterentwicklung der Sonde voran. Ein Ansatz dafür ist es laut Janzen, anstelle der durchstimmbaren Xenon-Plasma-Lichtquelle kostengünstigere LEDs einzusetzen. Denn im Zusammenhang mit Datamining und KI komme es vor allem darauf an, die Datenbasis schnell auszuweiten. Kostengünstigere Tauchsonden sind ein Weg, um diesem Ziel näher zu kommen. »Interessierte sind herzlich eingeladen, sich auf der IFAT 2024 am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (Halle B2, Stand 338) eingehend über das neue 2D Fluoreszenz-Messverfahren und dessen Zukunftspotenzial zu informieren«, erklärt Janzen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Christoph Janzen
Gruppe Lasermedizintechnik und Bioanalytik
Telefon +49 241 8906-8003
christoph.janzen@ilt.fraunhofer.de
Dr. Achim Lenenbach
Abteilungsleiter Lasermedizintechnik und Biophotonik
Telefon +49 241 8906-124
achim.lenenbach@ilt.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
Steinbachstraße 15
52074 Aachen
www.ilt.fraunhofer.de
https://idw-online.de/de/news832919
Weltwassertag 2024: Die Speicher sind aufgefüllt
Gute Nachrichten zum diesjährigen Tag des Wassers am 24. März 2024: Die Experten des Jülicher Instituts für Agrosphärenforschung verkünden, dass sich der Wasserspeicher im Boden von den Dürreperioden der vergangenen Jahre erholt hat.
Dies betrifft das oberflächennahe pflanzenverfügbare Wasser bis zu einer Tiefe von 30 cm, welches den Pflanzen direkt zur Verfügung steht. Doch auch das Grundwasser in bis zu 60 Metern Tiefe hat sich über den Winter von den Trockenzeiten der vergangenen Jahre meist gut erholt. Für Frühling und Sommer können wir uns daher auf einen ausreichenden Wasservorrat im Boden freuen, besonders im Nordwesten. Doch in einigen Regionen, insbesondere im Osten und Süden, bleibt die Trockenheit bestehen.
Das Forschungszentrum Jülich stellt mit seinem Wasser-Monitor tagesaktuelle, mittelfristige 8-Tage-Vorhersagen des pflanzenverfügbaren Wassers zur Verfügung. Zudem gibt das experimentelle Wasserressourcen-Bulletin (eWRB) vier Mal pro Jahr ein saisonales Update zum aktuellen Zustand und zur möglichen Entwicklung der terrestrischen oberflächennahen und Grundwasserressourcen in den kommenden sieben Monaten.
Die Vorhersagen sind frei zugängliche Forschungsdaten-Produkte für Umweltwissenschaftler, Stakeholder und die interessierte Öffentlichkeit.
https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/meldungen/2024/tag_des_wassers_2024
Riesenviren befallen tödlichen Parasiten
In einer Kläranlage in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) konnten Forscher aus Wien nun einen Gegenspieler des Einzellers Naegleria fowleri, eines der tödlichsten Parasiten, entdecken: Sie zeigten, dass gefundene Riesenviren die Amöbe befallen und den Parasiten zerstören.
Naeglerien sind Einzeller, die in Gewässern weltweit vorkommen und sich dort von anderen Mikroorganismen ernähren. Die Spezies Naegleria fowleri, Erreger einer schweren Hirn- und Hirnhautentzündung namens „Primäre Amöben-Meningoenzephalitis“ (PAM), vermehrt sich dabei vorwiegend in warmen Gewässern über 30 Grad Celsius, mehr:
https://noe.orf.at/stories/3254384/
Wissenschaftler*innen tauschen sich an der TH Lübeck über nachhaltige Wasserbewirtschaftung aus
Vom 18.-20. April 2024 waren Expertinnen aus der Wasserforschung an der TH Lübeck für einen Workshop der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Gast. Ziel der Veranstaltung ist der Austausch und die Entwicklung längfristiger Forschungskooperationen zwischen jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen in der Wasserforschung.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit der Initiative „Unterstützung der Internationalisierung von Forschung an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (UDIF-HAW)“ HAWs, die sich für internationale Forschungskooperationen interessieren oder diese ausbauen möchten. In verschiedenen Veranstaltungsformaten tauschen sich Forschende deutscher HAWs mit internationalen Forscher*innen aus verschiedenen Zielländern aus, mit dem Ziel Forschungspartnerschaften zu bilden. In diesem Rahmen fand vom 18.-20. April 2024 an der Technischen Hochschule Lübeck bereits der zweite DFG Workshop zum Thema nachhaltiger Wasserbewirtschaftung in Zusammenarbeit mit Jordanien statt.
Die Präsidentin der TH Lübeck, Dr. Muriel Helbig, eröffnete die Veranstaltung: „Es ist großartig, dass dieser Austausch stattfindet. Im Hinblick auf die zahlreichen Krisen und Kriege, die in diesem Moment die Welt erschüttern, ist es umso wichtiger, dass die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zusammenarbeitet und voneinander lernen kann. Die Ressourcen sind knapp und werden gerade in wärmeren Regionen der Erde noch knapper. Wasserforschung international zu betreiben und die Stärken der jordanischen Universitäten und deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu nutzen, ist genau der richtige Ansatz.“
Wasserbewirtschaftung: Strategien für eine nachhaltige Zukunft
In der DFG Veranstaltungsreihe „Water nexus research – challenges and strategies for a sustainable future“ (Wasser-Nexus-Forschung – Herausforderungen und Strategien für eine nachhaltige Zukunft) kamen am 15. Februar 2022 erstmals rund 70 Forschende deutscher HAWs und jordanischer Hochschulen zu einem Austausch ihrer Forschungsschwerpunkte und –ideen zusammen. Dr. Christoph Külls, Professor für Hydrologie und Internationale Wasserwirtschaft vertrat dabei die Technische Hochschule Lübeck. Er erläuterte den ganzheitlichen Ansatz von „Water Nexus Research“.
Alles ist miteinander verbunden: der Nexus-Ansatz
Nexus ist ein lateinisches Wort und bedeutet Verbindung/Gefüge. Der Nexus-Ansatz ist neben der Integration von sozioökonomischen Aspekten eines der zentralen Leitbilder des integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM). Der Ansatz berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den eng verbundenen Sektoren Wasserwirtschaft, Energie- und Nahrungsmittelerzeugung. Das heißt, dass im Hinblick auf Ressourcenknappheit, die Bewirtschaftung der Ressourcen Wasser, Energie, Land gemeinsam betrachtet werden, um eine nachhaltige Sicherung der Grundversorgung zu erreichen.
Gemeinsame Wasserforschung
Der zweite DFG Workshop vertiefte die Vernetzung der jordanischen und deutschen Wissenschaftlerinnen nach einer Delegationsreise in Jordanien weiter. Über zwei Tage hinweg vernetzten sich die internationalen Expertinnen an der TH Lübeck, gaben sich gegenseitig Einblicke in ihre Forschungstätigkeiten und analysierten, welche Faktoren zu einer erfolgreichen Forschungskooperation zwischen Jordanien und Deutschland beitragen können.
https://idw-online.de/de/news832464
Forschungsprojekt GOW-Opti gestartet
Gemeinsam mit dem TZW (DVGW-Technologiezentrum Wasser) beschäftigt sich das IWW mit der Weiterentwicklung von gesundheitlichen Regelungswerten im Trinkwasser und Optimierung des Transfers in die Praxis. Das Projekt läuft insgesamt 1 Jahr.
Die enorme Menge an chemischen Substanzen in Produktion und Anwendung sowie der Umwelt führt dazu, dass sich ein nicht unerheblicher Teil in nahezu allen Umweltkompartimenten nachweisen lässt. Internationale Institutionen wie die WHO, die ECHA und EFSA oder nationale Behörden wie das Umweltbundesamt (UBA) können bisher nur einen kleinen Anteil der in die Umwelt, in Gewässer, gelangten Stoffe auf Basis von chronischen Versuchsdaten toxikologisch bewerten. Daher werden angepasste Bewertungskonzepte gebraucht, mit denen bei unzureichender oder fehlender toxikologischer Datenlage eine robuste Aussage im Rahmen der Vorsorge getroffen werden kann.
Ziele und Methodik
Im Rahmen des Projekts wird das bewährte Konzept der gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) einer Prüfung unterzogen, ob und wie es in der Praxis der Gesundheitsbehörden ankommt und wie es umgesetzt wird und wie gegebenenfalls weitere Optimierungen angepackt werden könnten. Dabei wird die Sichtweise der Wasserversorger mit einbezogen, die von den Anordnungen und Maßnahmen der Behörden direkt betroffen sind. Es werden Potentiale zur Optimierung von Schwachpunkten zur Verfestigung von Stärken abgeleitet, was zu einem direkten Nutzen für die Wasserversorgung und die Überwachung führen kann. Dabei wird darauf Wert gelegt, den GOW mit den anderen relevanten Regelungswerten in Beziehung zu setzen. Zudem werden strategische Umsetzungshinweise für die Verbesserung der Anwendung in der Praxis gegeben. Daraus sollte sich ein wichtiger Input für weitere Vorgehensweisen beim UBA sowie den Beteiligten auf der operativen Ebene ergeben.
https://iww-online.de/forschungsprojekt-gow-opti-gestartet/
Neuentdeckter Virengigant aus der Kläranlage befällt eine für Menschen tödliche Amöbe
Feind unseres Feindes: Ein neuentdecktes Riesenvirus könnte sich als unverhoffter Helfer gegen eine tödliche Krankheit erweisen. Denn die in einer Kläranlage bei Wien aufgespürte Virenart ist nicht nur ungewöhnlich groß und komplex, sie befällt auch den krankmachenden Einzeller Naegleria fowleri. Dieser Amöboflagellat verursacht eine beim Menschen fast immer tödlich endende Hirnentzündung, gegen die es bisher kein Heilmittel gab. Das neuentdeckte Naegleriavirus könnte dies nun ändern.
Riesenviren sind die Giganten der viralen Welt: Sie sind fast so groß wie Bakterien, Mehr:
https://www.scinexx.de/news/biowissen/koennte-dieses-riesenvirus-zum-heilmittel-werden/
Wasser für eine Welt im Wandel: BMBF-Projekte zur Wasserwiederverwendung auf der Woche der Umwelt
Behandeltes Abwasser ist eine vielversprechende alternative Wasserressource. Drei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekte präsentieren am 04. und 05.06.2024 auf der Woche der Umwelt innovative Lösungen zur Wasserwiederverwendung, die die Verfügbarkeit der Ressource nachhaltig erhöhen und Wasser effizienter nutzen.
Wasserknappheit und -verschmutzung bedrohen Ökosysteme und beeinträchtigen die wirtschaftliche und politische Entwicklung weltweit. Auch in Deutschland haben die trockenen Sommer der letzten Jahre deutlich gezeigt, dass dringend Lösungen benötigt werden, um lokalem und regionalem Wassermangel zu begegnen. Ein Weg könnte die Nutzung von gereinigtem Abwasser sein, das für die Bewässerung in Landwirtschaft und Städten sowie in der industriellen Produktion eingesetzt wird. Um hierfür innovative Technologien und Konzepte zu entwickeln, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aktuell 13 Verbundprojekte in der Fördermaßnahme „Wassertechnologien: Wiederverwendung“ (WavE). Sie bringen die Wiederverwendung von behandelten kommunalen und industriellen Abwässern sowie von aufbereiteten salzhaltigen Grund- und Oberflächenwässern in verschiedenen Bereichen voran.
Die drei WavE-Projekte TrinkWave Transfer, Nutzwasser und HypoWave+ präsentieren sich auf einem großen Stand zum Thema Wasserwiederverwendung auf der diesjährigen Woche der Umwelt im Park von Schloss Bellevue. Interaktive Exponate zeigen, welchen Weg das Wasser bei der Aufbereitung zurücklegt, welche Wasserqualitäten mit verschiedenen Aufbereitungsverfahren erzielbar sind und wie Gemüse in einem neuen Verfahren mit recyceltem Wasser angebaut werden kann. Der Stand wird vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie und von der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. betreut. Mehr Informationen zum Stand und den gezeigten Projekten gibt es hier.
Insgesamt stellen rund 190 Ausstellende aus Wirtschaft, Technik, Forschung und Wissenschaft sowie aus der Zivilgesellschaft ihre Lösungen für mehr Umweltschutz auf der Woche der Umwelt 2024 vor. Hinzu kommen vier hochkarätig besetzte Podien auf der Hauptbühne, ein Fachbühnenprogramm und 70 ausgewählte Fachforen zu Themen Energie, Klimaschutz, Naturschutz und Landwirtschaft. Zur mittlerweile siebten Auflage der zweitägigen Innovationsschau in Berlin laden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ein.
Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.
Kommen Sie zur Woche der Umwelt im Park von Schloss Bellevue und besuchen Sie unseren Stand zum Thema Wasserwiederverwendung. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.
https://www.fona.de/de/bmbf-projekte-zur-wasserwiederverwendung-auf-der-woche-der-umwelt
Beurteilungswert für Weichmacher in Urin festgelegt
HBM-Kommission am Umweltbundesamt veröffentlicht Stellungnahme
Die Kommission Human-Biomonitoring (HBM-Kommission) am Umweltbundesamt (UBA) hat bei ihrer Sitzung am 22. März einen gesundheitsbezogenen Beurteilungswert (HBM-Wert) für Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) im Urin abgeleitet. Bis zu einem Wert von 60 Mikrogramm pro Liter (µg/L) Urin ist nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Menschen durch diesen Stoff zu rechnen. Mono-n-hexylphthalat wurde mittels einer im Auftrag des UBA neu entwickelten Nachweis-Methode im Rahmen der derzeit laufenden Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES VI) in Urinproben von Erwachsenen nachgewiesen. Von den bisher ausgewerteten 750 Proben liegen alle unterhalb des neuen Beurteilungswerts. Mehr:
https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/beurteilungswert-fuer-weichmacher-in-urin
Land unter – was extreme Überschwemmungen verursacht
Wenn Flüsse über die Ufer treten, können die Folgen verheerend sein, wie beispielsweise das katastrophale Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor drei Jahren gezeigt hat. Um in Zukunft die Überschwemmungsschäden in Grenzen zu halten und die Bewertung von Hochwasserrisiken zu optimieren, muss besser verstanden werden, welche Variablen in welchem Ausmaß zu extremen Ausprägungen von Überflutungen führen können. Mit Methoden des Erklärbaren Maschinellen Lernens haben Forschende des UFZ nachgewiesen, dass Überschwemmungen extremer ausfallen, wenn mehrere Faktoren an deren Entstehung beteiligt sind. Die Forschungsarbeit wurde im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
Die Lufttemperaturen, die Bodenfeuchte und die Höhe der Schneedecke sowie die tägliche Niederschlagsmenge in den Tagen vor einem Hochwasser – sie alle sind Variablen, die bei der Entstehung von Hochwasser eine wichtige Rolle spielen. Um zu verstehen, welchen Anteil die einzelnen Faktoren an Überschwemmungen haben, haben Forschende des UFZ mehr als 3.500 Flusseinzugsgebiete weltweit untersucht und für jedes von ihnen Hochwasserereignisse zwischen den Jahren 1981 und 2020 analysiert. Das Ergebnis: Lediglich für rund ein Viertel der fast 125.000 Hochwasserereignisse war die Niederschlagsmenge der alleinig ausschlaggebende Faktor. Die Bodenfeuchte war in etwas mehr als zehn Prozent der Fälle entscheidend, Schneeschmelze und Lufttemperatur spielten als alleiniger Faktor nur jeweils bei etwa 3 Prozent eine Rolle. Dagegen waren für etwas mehr als die Hälfte der Überschwemmungen (51,6 Prozent) mindestens zwei Faktoren verantwortlich. Dabei tritt mit etwa 23 Prozent die Kombination aus Niederschlagsmenge und Bodenfeuchte am häufigsten auf.
Allerdings fanden die UFZ-Forschenden bei der Datenanalyse auch heraus, dass drei oder sogar alle vier Variablen gemeinsam für ein Hochwasserereignis verantwortlich sein können. So sind zum Beispiel Temperatur, Bodenfeuchte und Schneedecke immerhin für rund 5.000 Überschwemmungen entscheidend gewesen, während alle vier Faktoren bei etwa 1.000 Hochwasserereignissen bestimmend waren. Und nicht nur das: „Wir konnten auch zeigen, dass die Hochwasserereignisse immer extremer ausfallen, je mehr Variablen dafür ausschlaggebend waren“, sagt Prof. Jakob Zscheischler, Leiter des UFZ-Departments „Compound Environmental Risks“ und Letztautor des Artikels. Lag der Anteil mehrerer Variablen an einem 1-jährlichen Hochwasser bei 51,6 Prozent, waren es bei einem 5-Jahres-Hochwasser 70,1 Prozent und bei einem 10-Jahres-Hochwasser 71,3 Prozent. Je extremer die Hochwasser also ausfallen, desto mehr treibende Faktoren gibt es und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie bei der Entstehung des Ereignisses zusammenwirken. Dieser Zusammenhang gilt oft auch für einzelne Flusseinzugsgebiete und wird von den Autoren als Hochwasserkomplexität bezeichnet.
Als Flusseinzugsgebiete mit geringer Hochwasserkomplexität stuften die Forscher zum Beispiel die nördlichen Regionen Europas und Amerikas sowie den Alpenraum ein, weil dort die Schneeschmelze als entscheidender Faktor für die meisten Hochwasser unabhängig von der Abflussmenge dominiert. Ähnliches gilt für das Amazonasbecken, wo oft die hohe Bodenfeuchte infolge der Regenzeit ein wesentlicher Auslöser von Überschwemmungen unterschiedlicher Ausprägung ist. In Deutschland sind zum Beispiel die Havel und die Zusam, ein Nebenfluss der Donau in Bayern, Flusseinzugsgebiete mit einer niedrigen Hochwasserkomplexität. Zu den Regionen mit einer hohen Hochwasserkomplexität in den Flusseinzugsgebieten zählen dagegen vor allem Ostbrasilien, die Anden, Ostaustralien, die Rocky Mountains bis zur US-Westküste sowie die west- und mitteleuropäischen Ebenen. In Deutschland gehören dazu beispielsweise die Mosel und der Oberlauf der Elbe. „Einzugsgebiete in diesen Regionen weisen in der Regel mehrere Überflutungsmechanismen auf“, sagt Jakob Zscheischler. So können Flusseinzugsgebiete in den europäischen Ebenen von Überschwemmungen betroffen sein, die durch das Miteinander von hohen Niederschlägen, Schneeschmelze und hoher Bodenfeuchte verursacht werden.
Entscheidend für die Frage, wie komplex Hochwasserprozesse sind, ist aber auch die Beschaffenheit der Landoberfläche. Denn jedes Flusseinzugsgebiet hat seine eigenen Besonderheiten. Dazu zählten die Forschenden unter anderen den Klima-Feuchtigkeits-Index, die Bodentextur, die Waldbedeckung, die Größe des Flusseinzugsgebiets und das Flussgefälle. „In trockeneren Regionen etwa sind die Mechanismen, die zur Entstehung des Hochwassers führen, heterogener. Für moderate Hochwasser reichen dort schon wenige Tage mit viel Regen, während es für extreme Hochwasser länger auf feuchte Böden regnen muss“, sagt der Erstautor Dr. Shijie Jiang, der mittlerweile nicht mehr am UFZ, sondern am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena tätig ist.
Die Wissenschaftler:innen nutzten für die Analyse das sogenannte Explainable Machine Learning, also erklärbares maschinelles Lernen. „Dabei sagen wir zuerst aus den zehn Treibern – Lufttemperatur, Bodenfeuchte und Schneedecke sowie dem wöchentlichen Niederschlag, der für jeden Tag als einzelner Treiber genutzt wird –, die Abflussmenge und damit die Größe des Hochwassers vorher“, erläutert Jakob Zscheischler. Anschließend wird quantifiziert, welche Variablen und Variablenkombinationen wie viel zu der Abflussmenge eines bestimmten Hochwassers beigetragen haben. Erklärbares maschinelles Lernen nennt sich dieser Ansatz, weil man so versuche, die Black Box des trainierten Modells zwischen Hochwassertreibern und Abflussmenge im Hochwasserfall zu verstehen. „Mit dieser neuen Methodik können wir quantifizieren, wie viele Treiber und Treiberkombinationen relevant für die Entstehung und die Intensität von Überschwemmungen sind“, ergänzt Shijie Jiang.
Helfen sollen die Ergebnisse der UFZ-Forschenden künftig bei der Vorhersage von Hochwasserereignissen. „Unsere Studie leistet einen Beitrag, besonders extreme Hochwasser besser abschätzen zu können“, sagt Klimaforscher Jakob Zscheischler. Denn bislang erfolge die Abschätzung von Hochwasser, indem man weniger extreme Werte extrapoliere und so zu neuen Abschätzungen zur Abflussmenge komme. Das sei aber zu ungenau, da bei sehr extremen Hochwasserereignissen die einzelnen Faktoren einen anderen Einfluss bekommen könnten.
https://idw-online.de/de/news830964
Unkrautvernichter – Entsteht Glyphosat in der Kläranlage?
Das Herbizid Glyphosat wird durch den Regen vom Acker in Flüsse und Bäche geschwemmt. Eine Chemikerin aus Tübingen glaubt nun aber, dass es noch eine weitere wichtige Quelle gibt: Kläranlagen.
Das Herbizid Glyphosat wird bei Regen von den Feldern in die Gewässer gespült. Doch Forschende aus Tübingen haben nun die Theorie, dass die Landwirtschaft nicht die Hauptquelle für die Glyphosat-Belastung in Flüssen und Bächen ist: Verantwortlich dafür sollen vielmehr bestimmte Prozesse in Kläranlagen sein.
Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren
Forschungsteam an der Universität Freiburg entdeckt ein bisher unbekanntes Gen, das indirekt die Photosynthese fördert
Cyanobakterien werden auch Blaualgen genannt und gelten als „Pflanzen des Ozeans“, weil sie in gigantischen Größenordnungen Photosynthese betreiben, Sauerstoff produzieren und das Klimagas CO2 aus der Umgebung entnehmen. Hierzu benötigen sie aber weitere Nährstoffe wie Stickstoff. Ein Team um den Biologen Prof. Dr. Wolfgang R. Hess, Professor für Genetik an der Universität Freiburg, hat ein bisher unbekanntes Gen entdeckt, das eine zentrale Rolle in der Koordination des Stickstoff- und Kohlenstoffwechsels spielt: Die Cyanobakterien steuern damit indirekt das Wachstum von Mikroorganismen, die die Photosynthese fördern. „Unsere Arbeit zeigt, dass es vielfältige, bisher nicht bekannte Wechselbeziehungen selbst zwischen den kleinsten Organismen in der Umwelt gibt und dass eine Vielzahl bisher unbekannter Gene dabei eine Rolle spielt“, sagt Hess. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Balance zwischen Hauptnährstoffen
Die für Pflanzen, Algen und Cyanobakterien verfügbaren Mengen an Kohlenstoff (CO2) und Stickstoff sind nicht immer gleich. Für die Photosynthese ist eine physiologisch relevante Balance zwischen diesen beiden Hauptnährstoffen von großer Bedeutung. Alexander Kraus, Doktorand bei Wolfgang R. Hess an der Universität Freiburg, hat nun in Gendaten von Cyanobakterien ein Gen entdeckt und charakterisiert, das in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle spielt: Das Gen kodiert ein Protein mit dem Namen NirP1. Dieses wird nur hergestellt, wenn die Zellen einen Mangel an Kohlenstoff relativ zu dem verfügbaren Stickstoff feststellen.
Das Protein ist zwar zu klein, um wie viele andere Proteine selbst als Enzym wirken zu können. In Zusammenarbeit mit Dr. Philipp Spät und Prof. Dr. Boris Maček vom Proteomzentrum der Universität Tübingen konnten die Forschenden aber herausfinden, dass NirP1 fest an ein Enzym binden kann, das normalerweise Nitrit in Ammonium umwandeln würde. NirP1 verhindert dies und sorgt somit dafür, dass sich Nitrit in der Zelle sammelt; in der Folge kommt es zu massiven weiteren Stoffwechselveränderungen, die in Zusammenarbeit mit dem Team von Prof. Dr. Martin Hagemann an der Universität Rostock detailliert untersucht wurden. Schließlich beginnen die Cyanobakterien, Nitrit in die Umwelt zu exportieren. Dort stimuliert das zusätzliche Nitrit das Wachstum nützlicher Mikroorganismen, also eines für die Photosynthese der Cyanobakterien förderlichen Mikrobioms.
Anregungen für weitere Forschung
Die Ergebnisse bieten Anregungen, die Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und die Rolle der sie steuernden, bisher häufig unbekannten Gene weiter zu erforschen, so Hess. „Darüber hinaus könnten kleine Proteinregulatoren wie NirP1 künftig in der ‚grünen‘ und ‚blauen‘ Biotechnologie zur gezielten Kontrolle des Stoffwechsels eingesetzt werden.“
Faktenübersicht:
Originalpublikation: Kraus, A., Spät, P., Timm, S., Wilson, A., Schumann, R., Hagemann, M., Maček, B., Hess, W. R.: Protein NirP1 regulates nitrite reductase and nitrite excretion in cyanobacteria. In: Nature Communications 15, 1911 (2024).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-46253-4
Prof. Dr. Wolfgang R. Hess ist Professor für Genetik an der Fakultät für Biologie der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen RNA-Biologie unter Verwendung experimenteller und bioinformatischer Methoden, mikrobielle Systembiologie und Biologie nativer CRISPR-Systeme und ihrer Anwendung. Alexander Kraus ist Doktorand an der Universität Freiburg.
An der Entdeckung war ein Verbund von Forschenden an den Universitäten Freiburg, Tübingen und Rostock beteiligt. Die Arbeit wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Projekts „SCyCode“ gefördert.
Kontakt:
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4302
E-Mail: kommunikation@zv.uni-freiburg.de
Wie Grünalgen und Bakterien gemeinsam zum Klimaschutz beitragen
Mikroskopisch kleine Algen spielen eine bedeutende Rolle bei der Bindung von Kohlendioxid und sind daher von großer ökologischer Bedeutung. Ein Forschungsteam der Universität Jena hat nun ein Bakterium gefunden, das mit einer Grünalge ein Team bildet. Beide Mikroorganismen unterstützen sich gegenseitig in ihrem Wachstum. Das Bakterium hilft der Mikroalge außerdem dabei, den Giftstoff eines anderen, schädlichen Bakteriums zu neutralisieren. Das grundlegende Verständnis des Zusammenspiels von Algen und Bakterien spielt auch beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse der Studie werden am 5. April in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
„Wir konnten nachweisen, dass das Bakterium Mycetocola lacteus mit der grünen Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii in einer partnerschaftlichen Verbindung lebt, von der beide Seiten profitieren. Während das Bakterium bestimmte überlebenswichtige B-Vitamine und eine schwefelhaltige Aminosäure erhält, wird das Wachstum der Grünalge optimiert“, sagt Prof. Dr. Maria Mittag, Professorin für Allgemeine Botanik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Zudem“, so die korrespondierende Autorin der neuen Studie weiter, „schützen das Helferbakterium Mycetocola lacteus und eine verwandte Bakterienart die Alge gemeinsam vor schädlichen Angriffen anderer Bakterien, indem sie einen Giftstoff dieser feindlichen Bakterien durch Spaltung inaktivieren. Somit sichern die bakteriellen Helfer das Überleben der Algen.“
Mikroalgen sind – ebenso wie Bakterien – Mikroorganismen. Sie kommen sowohl im Süßwasser als auch in Ozeanen und im Boden vor. „Neben Landpflanzen produzieren Algen und Cyanobakterien einen großen Teil des Sauerstoffs und binden etwa die Hälfte des Kohlendioxids in der Atmosphäre durch Photosynthese. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag für das Leben auf der Erde“, stellt Mittag fest.
Nur gesunde Algen können Kohlendioxid gut aufnehmen
Auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung ist dieses Wissen von großer Bedeutung. „Nur gesunde Algen können Kohlendioxid gut aufnehmen und binden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Bakterien den Algen dabei helfen, stark zu bleiben und gleichzeitig die Wirkung der schädlichen Bakterien zu neutralisieren. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass die verwendeten Bakterien und Mikroalgen auch in ihrer natürlichen Umgebung zusammen auftreten“, sagt Prof. Mittag.
In ihren natürlichen Lebensräumen interagieren Mikroorganismen miteinander und gestalten so ihr Zusammenleben. „In unserer Forschung analysieren wir das komplexe Zusammenspiel dieser kleinen Lebewesen, um zu verstehen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Faktoren sich positiv oder negativ auf ihr Wachstum auswirken. Dies ist entscheidend, um die Mechanismen zu verstehen, die zur Erhaltung der natürlichen Ökosysteme beitragen und um effektive Schutzmaßnahmen zu entwickeln“, erläutert Prof. Dr. Christian Hertweck, Professor für Naturstoffchemie der Universität Jena sowie Leiter der Abteilung für Biomolekulare Chemie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie.
Die Studie ist im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsvorhabens entstanden, an dem sowohl Forschende des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ als auch des Sonderforschungsbereichs „ChemBioSys“ der Universität Jena beteiligt waren. „Mit der Verknüpfung der biologischen Perspektive mit der analytischen Naturstoffchemie und unserer fachlichen Expertise in der organischen Synthese haben wir den Mechanismus nachgewiesen, mit dem das Bakteriengift inaktiviert wird“, erklärt Prof. Dr. Hans-Dieter Arndt, Professor für Organische Chemie der Universität Jena.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Maria Mittag
Matthias-Schleiden-Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Planetarium 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949201
E-Mail: m.mittag@uni-jena.de
Wie Kläranlagen zur Energiewende beitragen können
Durch innovative Technik könnte jede Kläranlage umweltfreundlich Methan aus Kohlendioxid produzieren. Das Methan kann wiederum wie Erdgas in der vorhandenen Infrastruktur genutzt werden.
Versorgt man die Mikroorganismen, die in Kläranlagen das Wasser aufbereiten, zusätzlich mit etwas Wasserstoff und Kohlendioxid, stellen sie reines Methan her. Damit kommen Erdgasheizungen und -fahrzeuge klar, ohne dass es technischer Anpassungen bedarf. Die beiden Arbeitsgruppen der Ruhr-Universität Bochum von Dr. Tito Gehring bei Prof. Dr. Marc Wichern und Prof. Dr. Ulf-Peter Apfel haben gemeinsam ein technisches Zusatzmodul entwickelt, dass im Prinzip jede Kläranlage auf umweltfreundliche Weise zu einer CO2-Senke und dezentralen Methan-Erzeugungsanlage machen kann. Sie berichten in der Zeitschrift Cell Reports Physical Science vom 16. August 2023.
Schlechter Ruf, gute Eigenschaften
Methan hat als klimaschädliches Gas einen schlechten Ruf. Es bringt aber einige gute Eigenschaften mit, die es dazu befähigen, ein Baustein der Energiewende zu werden: Es ist leichter zu handhaben und besser zu speichern als Wasserstoff, weil die Moleküle größer sind und es daher weniger leicht flüchtig ist. Seine Energiedichte ist viermal höher als die von Wasserstoff, und es lässt sich ohne Anpassung in die vorhandene Erdgasinfrastruktur einspeisen. „Erdgasfahrzeuge oder -heizungen können ohne Schwierigkeiten mit Methan betrieben werden“, verdeutlicht Tito Gehring vom Lehrstuhl Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik. Er führt noch einen weiteren Vorteil des Gases gegenüber Wasserstoff an, der in südlichen, wasserarmen Gegenden hergestellt wird: Exportiert man ihn und nutzt ihn hier, hat man gleichzeitig auch Wasser exportiert. Dies wird durch das Methan als Energieträger stark gemildert, wodurch der Wasserverlust um etwa die Hälfte reduziert wird.
Methan kann durch Bakterien sehr effizient hergestellt werden und fällt zum Beispiel in Kläranlagen als Bestandteil von Biogas an. „Manche Kläranlagen gewinnen dadurch ihren eigenen Energiebedarf und sind somit energetisch autark“, erklärt Tito Gehring. Das Biogas enthält allerdings nur 60 Prozent Methan und verschiedene andere Stoffe. Hier kommt das Konzept der Bochumer Arbeitsgruppen ins Spiel: Damit hochkonzentriertes Methan entsteht, brauchen die Mikroorganismen neben CO2 auch Wasserstoff, der dem System zugeführt werden muss. Um ihn herzustellen, entwickelte die Gruppe um Ulf-Peter Apfel von der Arbeitsgruppe Technische Elektrochemie und der Abteilung Elektrosynthese des Fraunhofer UMSICHT eigens einen Elektrolyseur mit einem edelmetallfreien Katalysator, der langlebig und energieeffizient für die Wasserstoffzufuhr sorgt.
Einen Teil des benötigten Erdgases ersetzen
So versorgt produzieren die Bakterien in einem Zusatzmodul, das im Prinzip an jeder beliebigen Kläranlage funktioniert, ein Molekül Methan pro Molekül Kohlendioxid. Dabei verstoffwechseln sie nebenbei auch noch verschiedene Inhaltstoffe des Abwassers und benötigen dabei keine weiteren Nährstoffe. „Viele Kläranlagen sind ans Erdgasnetz angeschlossen und könnten das so erzeugte Methan einfach in die Versorgung einspeisen“, erklärt Tito Gehring.
Er sieht in Grünem Methan aus Kläranlagen einen von mehreren Bausteinen der Energiewende: „Erste Abschätzungen haben ergeben, dass allein durch die CO2-Bindung aus den Abgasen der Schlammbehandlung in Kläranlagen etwa 20 Liter Methan pro Tag und pro Einwohner gewonnen werden könnten.“ Würde man das tun, würde man auch dafür sorgen, dass weniger Methan als schädliches Klimagas in die Atmosphäre gelangt. Denn die Methanfreisetzung bei der Förderung von Erdgas, Öl und Kohle ist eine sehr wichtige Emissionsquelle für dieses Treibhausgas.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektkennziffer: 445401355 – Etablierung einer nachhaltigen methanogenen Kohlendioxidreduktion in bioelektrochemischen Systemen und Identifizierung kinetischer und thermodynamischer Restriktionen).
https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2023-09-20-gruenes-methan-wie-klaeranlagen-zur-energiewende-beitragen-koennen
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Ökosystem See: Stickstoff wird bislang unterschätzt
Studie zeigt: Nicht nur Phosphor, sondern auch Stickstoff beeinflusst das Algenwachstum in flachen Seen weltweit
Gerät das ökologische Gleichgewicht eines Sees aus dem Lot, ist das meist auf erhöhte Nährstoffeinträge zurückzuführen. Die Folge: verstärktes Algenwachstum, Sauerstoffmangel, toxische Blaualgenblüten und Fischsterben. Um dem entgegenzuwirken, werden im Rahmen des Seenmanagements bislang primär Phosphoreinträge kontrolliert. Dieses Dogma bringt nun eine im Fachjournal Nature Communications erschienene Studie ins Wanken, die das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit der Universität Aarhus (Dänemark) und der Estonian University of Life Sciences (Estland) durchführte. Die Forschenden zeigen, dass weltweit auch Stickstoff ein entscheidender Treiber für das Algenwachstum in Seen ist.
Einträge von Phosphor und Stickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen und Klärwerken können das Algenwachstum in Flüssen und Seen stark beeinflussen. „In der Binnengewässerkunde ging man bislang allerdings davon aus, dass das Algenwachstum in Seen in den meisten Fällen durch die Verfügbarkeit von Phosphor limitiert und angetrieben wird“, sagt Dr. Daniel Graeber vom UFZ und Erstautor der Studie. Die Theorie dahinter: Steht in einem See nur wenig Phosphor zur Verfügung, sind die Algen in ihrem Wachstum eingeschränkt. Gibt es dagegen große Mengen an Phosphor, treibt dies das Algenwachstum enorm an. „In diesem Erklärungsmodell spielt Stickstoff tatsächlich überhaupt keine Rolle“, sagt Daniel Graeber. „Begründet wird dies damit, dass bestimmte Blaualgen im Wasser den in der Luft enthaltenen Stickstoff binden und in den See einbringen können. Ein langfristiger Mangel an Stickstoff sei daher in Seen nicht möglich.“ Und auch ein Überangebot an Stickstoff könne das Algenwachstum nicht fördern – und somit letztlich auch nicht zu einer Eutrophierung führen. „Dieses Modell bildet die Basis für das Seenmanagement weltweit, bei dem der Schwerpunkt auf die Kontrolle von Phosphoreinträgen gelegt wurde, um der Eutrophierung von Seen entgegenzuwirken“, erläutert Dr. Thomas A. Davidson, Limnologe an der Universität Aarhus und Letztautor der Studie. „Dabei kommt es immer wieder vor, dass eine Verringerung der Phosphoreinträge die Überdüngung nicht eindämmen kann. Und so stellte sich die Frage, ob es nicht noch eine Unbekannte in der Gewässergleichung gibt.“ Als solche identifiziert das Forschungsteam in seiner aktuellen Studie nun sehr deutlich den Stickstoff – und zeigt damit neue Wege für die Binnengewässerkunde (Limnologie) und das Management von Seen auf.
Weltweit gehören etwa 89 Prozent der Seen zu den sogenannten Flachwasserseen mit einer mittleren Tiefe von bis zu sechs Metern. Für ihre statistischen Untersuchungen nutzten die Forschenden Langzeitmonitoring-Daten von 159 Flachwasserseen in Nordamerika, Europa und Neuseeland. Dabei setzten sie für jeden See über 5-Jahreszeiträume das Verhältnis zwischen den Gesamtstickstoff- und Gesamtphosphormengen in Bezug zur sogenannten Chlorophyll-a-Konzentration als Maß für das Algenvorkommen. „Wir wollten herausfinden, welche langfristigen Zusammenhänge zwischen dem Verhältnis der beiden Nährstoffe und dem Algenwachstum bestehen“, erklärt Daniel Graeber. „Ausgangspunkt unserer…mehr:
https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=09/2024
Fraunhofer UMSICHT und das Stadtwerkenetzwerk ASEW arbeiten an einer Online-Plattform für Wärmetransformation-Tools
Dekarbonisierung
Zukünftig sollen Deutschlands Kommunen Konzepte und Strategien für klimaneutrales Heizen vorlegen. So sieht es das für 2024 geplante Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung vor. Ziel: die Versorgung mit Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme treibhausgasneutral zu gestalten. Um Wärmebedarfe zu erfassen, lokale Potenziale zu ermitteln und einen entsprechenden Maßnahmenplan aufzusetzen, muss jede Kommune individuelle Wege gehen. Orientierung und Hilfestellung bieten gute Praxisbeispiele und auch Tools zur Gestaltung der Wärmewende. Hier setzen Fraunhofer UMSICHT und das Stadtwerkenetzwerk Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) in einem gemeinsamen Projekt an: Sie wollen vorhandene Werkzeuge und Maßnahmen bewerten, charakterisieren und über eine Online-Plattform den Wärmemarkt-Akteuren zur Verfügung stellen.
Im Projekt »PlaWaTT« arbeiten Fraunhofer UMSICHT und ASEW an einer Online-Plattform für Wärmetransformations-Tools und -Maßnahmen, die Akteuren des Wärmemarktes als Entscheidungshilfe und Arbeitsgrundlage dienen soll.
»Ob Kommunen, Stadtwerke oder Netzbetreiber – wer die kommunale Wärmeplanung in Angriff nehmen will, steht häufig vor zwei Herausforderungen: Zum einen liegen Informationen zu bereits durchgeführten Transformationsmaßnahmen nur sehr fragmentiert vor. Zum anderen verhindern die große Vielzahl existierender Energiesystemplanungstools und eine meist schlechte Dokumentation ihrer Einsatzmöglichkeiten die Orientierung«, so Dr.-Ing. Anne Hagemeier von Fraunhofer UMSICHT. »Die Folge: Statt auf Vorhandenem aufzubauen starten viele bei null, stecken zeitliche und finanzielle Ressourcen in die Entwicklung neuer Werkzeuge.«
Gemeinsam mit der ASEW arbeiten die Forschenden im Projekt »PlaWaTT« deshalb an einer Online-Plattform für Wärmetransformations-Tools und -Maßnahmen, die Akteuren des Wärmemarktes als Entscheidungshilfe und Arbeitsgrundlage dienen soll. Dabei führen sie vorhandene Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen zusammen und erstellen Steckbriefe zu technologischen sowie unterstützenden Maßnahmen. Diese Charakterisierungen beinhalten Umfeldfaktoren wie Verbrauchs- und Netzstrukturen ebenso wie Maßnahmen für die Wärmetransformation.
Darüber hinaus schauen sich die Projektpartner Methoden zu Potenzialanalyse zur Einbindung neuer Wärmequellen, Priorisierung von Wärmeversorgungslösungen, Wärmenetzplanung und -auslegung, Anlageneinsatzplanung und Betriebsanalyse an. Stefan Schulze-Sturm von der ASEW: »Wir analysieren und bewerten vorhandene Tools mit Blick auf ihre Praxisrelevanz: Was eignet sich für welche Fragestellung und welchen Planungsschritt? Wie steht es um Anwendungsfreundlichkeit und Entwicklungsstand? Und welche Werkzeuge lassen sich kombinieren?« Die Ergebnisse werden auf der Plattform übersichtlich dargestellt, mit weiterführenden Informationen verlinkt und untereinander verknüpft.
Um bereits mit Beginn möglichst anwendungsorientiert zu arbeiten, wird »PlaWaTT« von Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis begleitet – darunter Stadtwerke und Verbände. Ihr fachlicher Input fließt in die Projektarbeit ein. Gleichzeitig dienen sie als Multiplikatoren, die Erkenntnisse aus dem Projekt in ihre Netzwerke spiegeln. Am Ende soll eine wartungsarme und auf automatisierten Prozessen basierte Plattform stehen, die dabei unterstützt, passgenaue Werkzeuge und Konzepte zur Gestaltung der Wärmewende zu finden und zu nutzen.
FÖRDERHINWEIS
Das Projekt »PlaWaTT – Plattform für Wärmetransformations-Tools und Maßnahmen: Bewertung und Charakterisierung von Konzepten und Werkzeugen für die Dekarbonisierung des Wärmesektors« wird von Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Kennzeichen: 03EN3086A-B
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2024/gestaltung-waermewende.html
Innovatives Forschungsprojekt zur Optimierung der Gewässerqualität in der Schussen
Die 60 Kilometer lange Schussen durchquert die Landkreise Biberach, Ravensburg und den Bodenseekreis, bevor sie bei Eriskirch in den Bodensee mündet. In einem Bestreben, die Gewässerqualität im Verbandsgebiet zu verbessern und die EU-Wasserrahmenrichtlinie im Einzugsgebiet der Schussen zu erfüllen, hat der Abwasserverband Unteres Schussental (AUS) ein gewässerökologisches Gutachten beauftragt. Dieses wurde 2020 abgeschlossen und zeigt die Notwendigkeit ingenieurtechnischer Maßnahmen auf den letzten 17,5 Kilometern vor der Mündung. Die wissenschaftliche Konzeption dieser Maßnahmen wird in Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach (HBC) und anderen Projektpartnern umgesetzt.
Die Schussen durchquert auf ihrem etwa 60 Kilometer langen Weg die drei Landkreise Biberach, Ravensburg und den Bodenseekreis und mündet bei Eriskirch in den Bodensee. Auf den letzten 17,5 Kilometern vor ihrer Mündung ins schwäbische Meer nimmt die Schussen etwa 20 Zuflüsse auf. Im Bestreben, den Zustand der Gewässer im Verbandsgebiet zu verbessern und die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Einzugsgebiet der Schussen im Bodenseekreis zu erreichen, hat der Abwasserverband Unteres Schussental (AUS) ein umfassendes gewässerökologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses wurde 2020 abgeschlossen und zeigt, dass ingenieurtechnische Maßnahmen notwendig sind. Für die wissenschaftliche Konzeption dieser Maßnahmen erhält der Verband Unterstützung von der Hochschule Biberach (HBC) und weiteren Projektpartnern.
Unter der Leitung von Professorin Dr.-Ing. Ulrike Zettl und dem Team des Instituts für Geo und Umwelt (IGU) arbeitet die HBC an einem innovativen Forschungsprojekt zur Verbesserung der Wasserqualität durch die Entwicklung eines Retentionsbodenfilters zur weitergehenden Regenwasserbehandlung, der gezielt Mikroschadstoffe entfernen kann. Die innovative Komponente des Projekts liegt in der Nutzung von Aktivkohleverfahren zur Spurenstoffelimination. Durch die gezielte Anwendung von Aktivkohle soll die Effizienz der Retentionsbodenfilter zur Rückhaltung von Mikroschadstoffen wie TCPP, Diclofenac, Carbamazepin und Metoprolol erhöht werden. „Ein erheblicher Anteil schlechter Wasserqualität ist auf die Siedlungsentwässerung zurückzuführen“, erklärt Prof. Zettl. Das Problem: „Während bei trockenem Wetter sämtliches Abwasser zur Kläranlage abgeleitet und dort gereinigt wird, gelangt bei Regen hingegen ein Teil der Siedlungsabflüsse direkt in die Gewässer“.
Um die Belastung der Gewässer zu reduzieren, werden Speicherbecken errichtet, dadurch werden Schmutz- und Regenwasser seltener und in geringerem Umfang in die Gewässer entlastet. Trotzdem reiche das nicht aus, weshalb Bodenfilter zur weitergehenden Behandlung eingesetzt werden. Durch die Bodenpassage werden Feststoffe zurückgehalten und es zeigt sich eine biologische Reinigungswirkung. Jedoch bleiben problematische Stoffe, insbesondere wasserlösliche und schwer abbaubare Mikroschadstoffe, die sich nicht an Feststoffe binden, weiterhin im Wasser und gelangen in die Gewässer. Um diesem Umstand zu begegnen, untersucht das Forschungsteam der HBC zunächst den im Einzugsgebiet der Schussen eingesetzten konventionellen Bodenfilter (Baujahr 2004) in der Gemeinde Tettnang um ihn im nächsten Schritt weiterzuentwickeln. Entscheidend für den Forschungsprozess ist die Auswahl von Leitsubstanzen. Das Team identifiziert dabei relevante Substanzen für die beiden Eintragswege aus Schmutzwasser und Niederschlagsabflüssen und stimmt diese mit bereits bekannten Spurenstofflisten aus der Literatur, unter anderem der Liste B des Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg (KomS BW) ab. Die Untersuchung der Eliminationsleistung des bestehenden Filters bildet einen weiteren Schwerpunkt der Forschung. Hier analysiert das Team gezielt die ausgewählten Leitsubstanzen sowie das Adsorptionsverhalten der unzureichend eliminierten Stoffe an verschiedenen marktgängigen Aktivkohleprodukten.
„Aus den Betriebsdaten dieses bestehenden Retentionsbodenfilters der letzten 5 Jahren werden die Anzahl der Einstauereignisse bestimmt, sowie deren Dauer berechnet und mit der zu erwartenden Wasserbeaufschlagung des zu konzipierenden Filters verglichen. Des Weiteren werden Spurenstoffe aus Abwasserproben am Zulauf und Ablauf des bestehen Filters identifiziert und bilanziert, um das Eliminationsverhalten des Filters zu evaluieren. Die Stoffe, die nicht von diesem gewöhnlichen Bodenfilter zurückgehalten werden, sind besonders für dieses Projekt interessant. Sie sollen durch den Einsatz von Aktivkohle, die im „neuen“ Bodenfilter geplant ist, weiter reduziert werden, um so den Spurenstoffeintrag in die Gewässer weiter zu reduzieren.“, beschreiben die Forscherinnen ihre Vorgehensweise. Die gewonnenen Erkenntnisse zum Eintrags- und Eliminationsverhalten der Leitsubstanzen sollen in das bestehende Schmutzfrachtmodell des AUS integriert werden.
Unterstützung erhalten Ulrike Zettl und ihre Mitarbeiterin Birgit Kornmann bei ihrer Arbeit sowohl von Studierenden der Fakultät Bauingenieurwesen und Bau-Projektmanagement als auch von Prof. Dr. Chrystelle Mavoungou und ihrem Mitarbeiter Tim Hamann vom Institut for Applied Biotechnology (IAB). Denn das Pilotprojekt wird an der HBC interdisziplinär behandelt. Das IAB stellt hierfür u.a. hochmoderne Messgeräte wie z.B. Py-GC-MS (Gaschromatograph mit Pyrolyse und einem MS-Detektor, Fluoreszenzmikroskopen, UV-Sonden und HPLC etc. für die Spurenstoffanalytik bereit und ist an der Optimierung und ggfs. der Erweiterung der Screeningverfahren beteiligt. Die AG von Prof. Mavoungou war von Anfang an in die Gewässeruntersuchungen eingebunden. „Alle Beteiligten setzen sich nachdrücklich für eine Verbesserung der Gewässergüte und des Umweltschutzes ein. Wir freuen uns umso mehr auf die hochschulinterne Zusammenarbeit und den Austausch mit allen anderen Expert*innen in unserem Projektteam“, freut sich die Projektleiterin über die Kooperation.
Neben den Expertinnen der Hochschule Biberach sind noch weitere Partnerinnen an der Entwicklung des Bodenfilters beteiligt. Kern ist die Zusammenarbeit mit Fachleuten, die lokale Kenntnisse zum Entwässerungssystem des Abwasserverbands (Wasser-Müller Ingenieurbüro GmbH in Biberach) und dem Gewässer haben (Büro Gewässerplan in Kressbronn a.B.) sowie große Erfahrung mit der Anwendung von granulierter Aktivkohle in der Abwasserreinigung mitbringen (Ingenieurbüro Jedele und Partner in Wangen im Allgäu). Ebenso ist die Einbindung der Wasserwirtschaftsbehörde (Landratsamt Bodenseekreis) und des Betriebspersonals vor Ort (Abwasserverband Unteres Schussental) für die Projektbeteiligten von großer Bedeutung.
Zudem ist das KomS BW am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart involviert, um das Forschungsteam bei der Beprobung und der Spurenstoffanalytik zu unterstützen, genauso wie das Lehr- und Forschungslabor des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA, Universität Stuttgart).
Grundsätzlich soll die innovative Filtertechnologie zur weitergehenden Regenwasserbehandlung eingesetzt werden, aber auch im Ablauf von kleineren Kläranlagen in Gebieten, in denen eine gezielte Spurenstoffelimination erforderlich ist. Die langfristigen Perspektiven dieses Ansatzes umfassen die mögliche Integration solcher Bodenfilter in die landesweite Wasserinfrastruktur, um die Wasserqualität zu verbessern und den Herausforderungen im Zusammenhang mit Mikroverunreinigungen zu begegnen. „Der Bau eines Retentionsbodenfilters mit einer zusätzlichen gezielten Spurenstoffelimination gilt als Schlüssel für eine nachhaltige Verbesserung der gewässerökologischen Situation. Gleichzeitig stellt die Verwendung eines mit Aktivkohle ausgestatteten Retentionsbodenfilters zur weitergehenden Regenwasserbehandlung eine technische Neuerung dar, die bislang nur in Versuchsanlagen zur Anwendung kam“, betont das Projektteam die Relevanz und Innovation seiner Arbeit.
Das Forschungsprojekt wird vom Regierungspräsidium Tübingen sowie dem Umweltministerium Baden-Württemberg gefördert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
zettl@hochschule-bc.de , kornmann@hochschule-bc.de
PFClean sucht Lösungen für „Ewigkeits-Chemikalien“ PFAS: Forschende testen Methoden zum Schutz von Grundwasser
Weltweit sind PFAS (Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen) ein Umwelt- und Gesundheitsproblem. Eine großflächige Belastung gibt es bei Hügelsheim im Landkreis Rastatt. Dort wurde in der Vergangenheit mit PFAS-haltigen Papierschlämmen vermischter Kompost auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht. Das BMBF-Projekt PFClean mit Forschenden der Universität Stuttgart erprobt dort, wie im Boden eingebrachte Aktivkohle schädliche Substanzen binden und so das Grundwasser schützen könnte.
„Eine Verunreinigung durch PFAS bedroht ernsthaft die Ressource Wasser. Bisher ist es nicht möglich, belastete Böden vor Ort wirkungsvoll zu sanieren“, erklärt Dr. Claus Haslauer, wissenschaftlicher Leiter der Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung (VEGAS) an der Universität Stuttgart.
Transport der schädlichen Substanzen ins Grundwasser aufhalten
Im Projekt „PFClean – Innovatives modulares System zur nachhaltigen Reduzierung von PFAS-Kontaminanten aus Boden und Grundwasser“ testet derzeit ein Team der Universität Stuttgart um Haslauer eine Methode im Feldversuch, um die Verunreinigung des Grundwassers durch die Schadstoffe zu senken. Im Januar brachten die Forschenden mit Unterstützung durch Projektpartner Aktivkohle in den Boden eines belasteten Ackers in Hügelsheim ein. Die PFAS-Substanzen sollen sich an die homogen eingearbeitete Aktivkohle heften. Ziel ist eine höhere Absorptionsfähigkeit im Boden, die den Weitertransport der schädlichen Substanzen ins Grundwasser aufhält.
Ob diese Methode Erfolg hat, untersucht das PFClean-Team anhand eines detaillierten Monitoringsystems. Dazu gehören regelmäßige Entnahmen von Grundwasserproben an 13 Messstellen sowie Porenwasseranalysen. „Wir hoffen, so einen gangbaren Weg zu finden, die Schadstofffracht ins Grundwasser nachhaltig zu managen“, so Haslauer.
PFClean erprobt Ansätze nach Laborversuchen vor Ort
Dem Pilotprojekt vor Ort in Hügelsheim vorangegangen sind erfolgreiche Laborversuche. Neben der Erhöhung der Absorptionsfähigkeit von Böden untersucht das im März 2023 gestartete Projekt weitere Ansätze für PFAS-Sanierungstechnologien, etwa das Ausschleusen der PFAS mit sogenannten Funnel-and-Gate-Systemen. Dabei steuern in den Untergrund eingebrachte wasserdichte Wände die Grundwasserströmungsrichtung, um an einer zentralen Stelle die PFAS zurückzuhalten. Weitere Tests beschäftigen sich mit dem Abbau schädlicher Stoffe durch Mikroorganismen und bei verschiedenen Temperaturen.
„Bisher gibt es kaum in-situ-Sanierungstechnologien, also eine Entfernung vor Ort an der Quelle der Verunreinigung“, sagt Haslauer. Das liegt an den vielfältigen möglichen Eigenschaften von PFAS: Einige sind mobil und können leicht im Untergrund transportiert und in das Grundwasser eingetragen werden. Andere binden stark an Bodenmaterial. Alle sind durch Fluor-Kohlenstoff-Bindungen sehr stabil. Deshalb werden sie auch als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet. Bisher werden PFAS mit verschiedenen Aufbereitungstechniken aus belastetem Wasser zum Beispiel in Wasserwerken entfernt, aber nicht an der Quelle der Verunreinigung, also direkt aus Böden und Grundwasser.
Ziele von PFClean sind es, die im Labor und in Großversuchen entwickelten Ansätze zur Sanierung und Ausschleusung von PFAS aus Boden und Grundwasser vor Ort zu erproben und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, und einen zügigen und effektiven Transfer von Wissenschaft zur realen Anwendung zu erzielen. Neben dem Standort in Hügelsheim sind Versuche in Reilingen südlich von Heidelberg vorgesehen. Dort sind PFAS an einzelnen Punkten aus Löschschäumen in den Untergrund gelangt.
Hintergrund: PFAS (Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen)
Die Stoffgruppe der Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen umfasst rund 5000 Einzelsubstanzen. PFAS sind schmutz-, wasser-, und fettabweisend und stecken in unzähligen Produkten: in Outdoor-Jacken, Pfannen, Papier und Kartons, in Shampoo, Lacken und Feuerlöschschaum. Die Chemikalien sind teilweise gesundheitsschädlich. Hohe Konzentrationen im Blut können etwa Organe schädigen oder Krebs auslösen. Seit Jahrzehnten gelangen PFAS in die Umwelt, zum Beispiel über Abwässer und Abgase, lagern sich in Böden und Grundwasser an und bauen sich nur sehr langsam ab.
Über das Projekt:
Laufzeit des Verbundprojekts „PFClean – Innovatives modulares System zur nachhaltigen Reduzierung von PFAS-Kontaminanten aus Boden und Grundwasser“ ist 1. März 2023 bis 28. Februar 2026. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert das Projekt im Rahmen der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Thema „Nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung“ (LURCH) im Rahmen der Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA). Unter Federführung der Universität Stuttgart, VEGAS, beteiligen sich
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Fachbereich Umweltanalytik
- DVGW-Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe
- Arcadis Germany GmbH, Darmstadt
- Geiger Entsorgung GmbH und Co KG, Oberstdorf
- Industrie Engineering GmbH, Reutlingen
- Sax + Klee GmbH Bauunternehmung, Mannheim
- Landratsamt Rastatt, PFAS-Geschäftsstelle.
Das Pilotprojekt in Rastatt unterstützen die Wirtgen Group, Gartner John Deere Landmaschinenhandel und STREUMASTER Maschinenbau GmbH.
Weitere Informationen:
https://idw-online.de/de/news829499
Nutzwasser kann alternative Quelle sein
Viele Vereine und Kommunen müssen sich rechtfertigen, warum sie ihre Sportplätze bewässern. Für Platzwarte und Stadtgärtner ist es offensichtlich, dass Wert und Nutzbarkeit von Grün- und Sportflächen erhalten werden müssen.
„Nutzwasser“ kann eine alternative Quelle zu Brunnen- oder Stadtwasser sein – zu diesem Ergebnis kamen Forscher in einem Projekt, das bis 2024 läuft. Mehr:
https://www.nutzwasser.org/public/aktuell/news-ansicht/nutzwasser-kann-alternative-quelle-sein.html
Mikroalgen als grüne Reinigungskraft
Das :metabolon Institute der TH Köln widmet sich der Erforschung nachhaltiger Lösungen für Umweltprobleme. Im Projekt „ERA3 – Phase II“ haben sie eine Pilotanlage in Betrieb genommen, um zu untersuchen, wie Deponiesickerwasser mithilfe von Mikroalgen gereinigt werden kann.
Mikroalgen haben ein enormes Potenzial, um nachhaltige Lösungen für Umweltprobleme zu entwickeln. Sie können Schadstoffe aus Abwässern aufnehmen, Kohlenstoffdioxid (CO2) binden und sogar als Energieträger fungieren. Durch ihre vielfältigen Eigenschaften tragen sie dazu bei, die Umweltbelastung zu reduzieren.
Deponiesickerwasser in Nordrhein-Westfalen: Eine Herausforderung für die Umwelt
„Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 428 Deponien, auf denen jährlich etwa sechs Millionen Kubikmeter Deponiesickerwasser anfallen. Dabei handelt es sich um Niederschlag, der durch die Deponie sickert und dabei große Mengen an umweltschädlichen Stoffen wie Ammonium aufnehmen kann“, erklärt die Projektleiterin Prof. Dr. Miriam Sartor vom :metabolon Institute.
In vielen kommunalen Kläranlagen wird ein Großteil des Sickerwassers geleitet. Vor der Einleitung in diese Anlagen muss es jedoch aufwendig aufbereitet werden, abhängig von seiner Belastung. Dies erfordert erhebliche Ressourcen und Energie.
Nachhaltige Lösungen
Im Projekt „ERA³“ wird die Kultivierung von Mikroalgen erforscht, um den Prozess der Abwasseraufbereitung nachhaltiger zu gestalten. Diese winzigen Organismen können wesentliche abwasserrelevante Inhaltsstoffe aufnehmen und in ihrer Biomasse speichern. Ein großer Vorteil der Mikroalgen ist ihre energieeffiziente Aufbereitung durch Photosynthese. Während sie wachsen, binden sie CO2 in ihrer Biomasse und produzieren gleichzeitig Sauerstoff, was die Wasserqualität verbessert. Zusätzlich können Mikroalgen auch als Energieträger dienen, so Alexander Kuß, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt.
Im vorherigen Projekt „ERA³ – Phase I“ (2019 bis 2021) konnte das Forschungsteam bereits nachweisen, dass Mikroalgen auch in hochbelasteten Deponiesickerwässern kultiviert werden können. Bisher wurden Mikroalgen hauptsächlich in stark verdünntem Abwasser eingesetzt. Das aktuelle Vorhaben „ERA³ – Phase II“ zielt darauf ab, im Pilotmaßstab zu ermitteln, wie die Algen als ergänzendes Verfahren in der Behandlung von Abwässern aus der Abfallwirtschaft effektiv genutzt werden können.
Kultivierung von Mikroalgen
„Bisher werden Mikroalgen im industriellen Maßstab überwiegend in suspensions-basierten Systemen kultiviert. Das bedeutet, dass die Algen gezüchtet werden, indem sie sich freischwimmend durch eine Nährlösung – im konkreten Fall Abwasser – bewegen, Nährstoffe aufnehmen, verarbeiten und wachsen. Solche Systeme sind vergleichsweise kostengünstig, leicht zu bewirtschaften und weisen moderate Wachstumsraten auf“, erklärt Sartor.
Die Effizienz ist jedoch begrenzt, da die im Deponiesickerwasser schwimmenden Algen nicht ausreichend dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Daher sind große, flache Becken für ihre Kultivierung erforderlich. Die Integration dieser Becken in die bestehende Aufbereitungsinfrastruktur gestaltet sich jedoch schwierig.
Im Projektteam verfolgen wir einen innovativen Ansatz: Die Kultivierung der Mikroalgen erfolgt in sogenannten biofilm-basierten Kultivierungssystemen. Hierbei heften sich die Algenstämme an eine Oberfläche fest und wachsen dort. Das Besondere ist, dass die Biofilme sowohl über als auch unter der Wasseroberfläche angebracht werden können. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Anlagenplanung.
Ein vielversprechender Ansatz
Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass sich die Biomasse natürlicherweise in den Biofilmen konzentriert. Dadurch wird die Ernte und Weiterverarbeitung der Algen deutlich erleichtert. Zusätzlich sind die Kulturen resistenter gegenüber Stressfaktoren in extremen Lebensräumen wie belastetem Deponiesickerwasser. Die Biofilme ermöglichen den Algen eine bessere Abgrenzung von ihrer Umwelt.
In einem ersten Schritt wurde eine Pilotanlage in Betrieb genommen, in der Mikroalgen in einem Biofilm kultiviert und Deponiesickerwasser ausgesetzt werden. Die Anlage wird nun mit Blick auf den Abbau von Nährstoffen, Stoffwechselaktivitäten anderer relevanter Mikroorganismen wie Cyanobakterien, nitrifizierende und denitrifizierende Bakterien, die Produktion und Verwertbarkeit der Biomasse sowie die Betriebskosten kontinuierlich überwacht und optimiert.
„Am Ende des Projekts wollen wir fundierte Erkenntnisse darüber erhalten, ob und wie eine großtechnische Umsetzung ökologisch sinnvoll, effektiv und wirtschaftlich realisierbar ist“, sagt Sartor.
https://gwf-wasser.de/forschung-und-entwicklung/mikroalgen-als-gruene-reinigungskraft/
Kartierung der chemischen Fußabdrücke in europäischen Flüssen
Gelangen Chemikalien aus häuslichen Quellen über Kläranlagen, aus der Landwirtschaft und aus der Industrie in die Gewässer, wirkt sich dieser Eintrag negativ auf die Süßwasserökosysteme aus. Das ist bekannt. Um mehr über die Belastung europäischer Flüsse herauszufinden, hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) rund 450 Proben aus 22 europäischen Fließgewässern ausgewertet und dabei mehr als 500 Chemikalien gefunden, zum Teil in hohen Konzentrationen. Diese stellen insbesondere für wirbellose Tiere ein hohes Risiko dar, schreiben sie im Fachblatt Environment International.
Pflanzenschutzmittel, Industriechemikalien, Arzneimittel – die meisten von ihnen sowie deren Abbauprodukte finden sich nach dem Gebrauch irgendwann in Bächen und Flüssen wieder. Ein Team von Umweltchemiker:innen des UFZ hat deshalb 610 Chemikalien, deren Vorkommen oder problematische Wirkung bekannt sind, genauer betrachtet und analysiert, ob und wenn ja in welchen Konzentrationen sie in den Fließgewässern Europas vorkommen – angefangen von großen Flüssen wie Elbe, Donau, Rhein über Ebro und Tajo auf der iberischen Halbinsel bis hin zu kleineren Fließgewässern in landwirtschaftlich geprägten Regionen Deutschlands. Das Ergebnis nach der Auswertung von 445 Proben aus insgesamt 22 Flüssen: Die Forschenden konnten insgesamt 504 der 610 Chemikalien nachweisen. Insgesamt fanden sie 229 Pestizide und Biozide, 175 pharmazeutische Chemikalien sowie Tenside, Kunststoff- und Gummizusätze, Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) und Korrosionsinhibitoren. In 40 Prozent der Proben wiesen sie bis zu 50 chemische Substanzen nach, in weiteren 41 Prozent zwischen 51 und 100 Chemikalien. In 4 Proben konnten sie sogar mehr als 200 organische Mikroschadstoffe belegen. Mit 241 Chemikalien stellten sie die meisten Substanzen in einer Wasserprobe der Donau fest.
Am häufigsten fanden die Umweltchemiker:innen in den Proben N-Acetyl-4-aminoantpyrin. Der Stoff ist ein Abbauprodukt des Arzneimittelwirkstoffs Metamizol, der gute Dienste bei der Schmerzbehandlung in der Humanmedizin leistet, über dessen Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme aber bislang kaum etwas bekannt ist. „Bei zahlreichen dieser Metabolite ist unklar, wie schädlich sie für die Umwelt sind. Da fehlt uns noch das notwendige Wissen“, sagt die UFZ-Umweltchemikerin Saskia Finckh, Erstautorin der Studie. Bei anderen Substanzen, die die Wissenschaftler:innen in den Gewässern entdeckten, sind die negativen Auswirkungen dagegen bereits erforscht. Einer der häufigsten dieser Stoffe ist Carbamazepin, ein Arzneistoff zur Behandlung von Epilepsie. In Gewässern ist er jedoch biologisch schwer abbaubar, beeinträchtigt die Fortpflanzungsfähigkeit wirbelloser Tiere und verzögert die Entwicklung von Fischen. Der Stoff steht deshalb bereits auf der Beobachtungsliste des Umweltbundesamts (UBA) und ist einer von 23 weiteren vorgeschlagenen prioritären Stoffen, um die die EU-Wasserrahmenrichtlinie erweitert werden soll. Auch die Wirkung einiger anderer Substanzen, die ebenfalls oft in den Proben festgestellt wurden, ist bekannt. Häufig fanden die UFZ-Forschenden zum Beispiel die Insektizide Diazinon und Fipronil, die beide sehr schädlich für wirbellose Wasserorganismen sind. Insgesamt wurden bei mehr als 70 Chemikalien in den Gewässern die chronischen Risikoschwellen für Wirbellose überschritten – das bedeutet, dass es bei anhaltender oder wiederholter Exposition etwa zu Entwicklungsstörungen kommen kann.
Viele der einzelnen organischen Mikroschadstoffe sind schon für sich gesehen ein Problem für Gewässer, allerdings kommt noch ein weiteres dazu. „Schwierigkeiten bereitet die Bandbreite der Chemikalien, die in die Gewässer eingetragen werden. Denn wir wissen noch viel zu wenig darüber, welche additiven Wirkungen diese Stoffe haben, wenn sie sich miteinander vermischen“, erklärt Dr. Eric Carmona, Co-Erstautor und ebenfalls Umweltchemiker am UFZ. Um die Wirkung dieser Mischungseffekte auf die in den Fließgewässern lebenden Organismen einschätzen zu können, nutzten die Forscher:innen das Konzept des chemischen Fußabdrucks. Es ist ein quantitatives Maß für die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wasserqualität – also konkret, welche Überlebenschance Wasserorganismen wie etwa Fische, Krustentierchen und Algen an einem untersuchten Standort haben. Berechnet wird der chemische Fußabdruck, indem die Konzentration einer Chemikalie an einem Standort ins Verhältnis zum erwarteten Effekt gesetzt wird. Anschließend werden die Werte für die nachgewiesenen Chemikalien addiert. Für jede dieser Organismengruppen gibt es einen wissenschaftlichen Grenzwert, bei dessen Überschreitung mit dem Verschwinden empfindlicher Arten aus dem Ökosystem gerechnet werden muss. In 74 Prozent der untersuchten Proben werden die wissenschaftlichen Grenzwerte überschritten. Besonders hoch ist das Risiko für Krebstierchen: An 15 Prozent der untersuchten Standorte ist das Risiko für sie akut. Das heißt, dass für die Tiere die Überlebenschance an diesen Standorten im Gewässer gering ist.
Die UFZ-Forscher:innen folgern aus ihren Ergebnissen, dass in den europäischen Gewässern trotz vieler Verbesserungsmaßnahmen in der Vergangenheit immer noch zu viele Chemikalien vorkommen und an viele Standorten Grenzwerte überschritten werden. „Unsere Daten zeigen zudem, dass nicht nur einzelne Substanzen, sondern vor allem die Vielzahl der Substanzen zu diesem Problem beitragen“, bilanziert Saskia Finckh. Notwendig sei deshalb zum einen, in der chemischen Gewässerüberwachung für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie noch deutlich mehr Chemikalien aufzunehmen, weil diese bislang nicht in der Umwelt bewertet werden. Zum anderen brauche es mehr Messdaten. „Oft ist völlig unklar, welche Effekte Chemikalien in welcher Konzentration auf Organismen in den Gewässern haben“, sagt Eric Carmona. In diesen Fällen wird bislang auf modellbasierte Werte zurückgegriffen, die eine größere Unsicherheit als die gemessenen Effekt-Werte mit sich führen. „Und vor allem“, ergänzt Saskia Finckh, „sollten wir bei der Bewertung von Chemikalien ihre Mischungen stärker in den Fokus nehmen.“
Die Proben wurden zwischen 2016 und 2019 während verschiedener Probenahmekampagnen wie zum Beispiel dem Deutschen Kleingewässermonitoring (KGM), dem Joint Danube Survey 4 (JDS4), einer Probenahmekampagne der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau in Kooperation mit dem EU-Projekt SOLUTIONS, sowie einer Elbe-Beprobung gesammelt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Saskia Finckh
UFZ-Department Exposure Science
Saskia.finckh@ufz.de
https://www.ufz.de/index.php?de=46372
Fund eines Weichmachers in Urinproben – Fragen & Antworten
In seiner Pressemitteilung vom 31. Januar 2024 berichtet das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) zum Fund von Mono-n-hexyl-Phthalat (MnHexP) in Urinproben von Kindern. Seitdem erreichen auch das Umweltbundesamt (UBA) vermehrt Anfragen zu dem Thema. Im Folgenden wurden daher die häufigsten Fragen und unsere Antworten darauf zusammengestellt.
Was ist Mono-n-hexyl-Phthalat?
Mono-n-hexyl-Phthalat kann als ein Abbauprodukt im Körper (als sogenannter Metabolit) des Di-n-hexyl-Phthalats entstehen. Die Stoffgruppe der Phthalate werden als Weichmacher zum Beispiel in Plastikprodukten (z.B. Spielzeug), kosmetischen Mitteln und auch in Lebensmittelkontaktmaterialien verwendet, um dem Kunststoff bestimmte Eigenschaften zu verleihen.
Di-n-hexyl-Phthalat wurde 2013 als besonders besorgniserregender Stoff im Rahmen der REACH-VO identifiziert, da es die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen gefährden kann. 2020 erfolgte dann die Aufnahme in den Anhang XIV der REACH-VO. Damit darf der Stoff in der EU seit 2023 ohne Zulassung grundsätzlich nicht mehr verwendet werden.
Zulassungsanträge wurden nicht gestellt. Da es für den Stoff keine Registrierung gemäß REACH-VO gibt, ist davon auszugehen, dass der Stoff wirtschaftlich in der EU keine große Rolle gespielt hat. Nicht auszuschließen sind Altlasten, Di-n-hexyl-Phthalat haltige Importerzeugnisse sowie Gehalte von Di-n-hexyl-Phthalat in anderen Stoffen. Die SCIP-Datenbank bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) listet eine größere Anzahl von entsprechenden Erzeugnissen. Neben Di-n-hexyl-Phthalat sind auch andere Stoffe denkbar, aus denen Mono-n-hexylphthalat als Metabolit entstehen kann.
Wie groß ist das Ausmaß der Belastung?
Aktuell führt das Umweltbundesamt die sechste Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES VI) durch. Deutschlandweit werden vorausgewählte Erwachsene zwischen 18 und 79 Jahren um ihre Teilnahme gebeten, um unter anderen auf ihre körperliche Belastung mit Umweltschadstoffen hin untersucht zu werden. Unter den im Rahmen dieses Human-Biomonitoring (HBM)-Programms aktuell untersuchten Stoffen befindet sich auch das Mono-n-hexylphthalat (MnHexP).
Erste vorläufige Ergebnisse aus der Studie zeigen, dass in ca. 37 % der bislang untersuchten Urinproben MnHexP nachweisbar ist. Endergebnisse der Studie werden im nächsten Jahr erwartet. Um das Ausmaß der Belastung auch auf europäischer Ebene zu bestimmen, arbeitet das UBA eng mit EU-Behörden zusammen.
Der reine Nachweis von (Einzel-)Substanzen im Körper deutet nicht zwangsläufig auf ein gesundheitliches Risiko hin. Jedoch besteht oft eine Belastung mit mehreren Stoffen aus der Gruppe der Phthalate, deren Einzelwirkungen sich zu einer Gesamtwirkung addieren können.
Wie wurde die Substanz entdeckt?
Die Analyse von Proben im Rahmen der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit sowie des Humanteils der Umweltprobenbank auf ihren Gehalt an MnHexP hin ist Teil des vom Umweltbundesamt konzipierten Untersuchungsprogramms.
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) veranlasste im Herbst 2023 eine Untersuchung der Urinproben von Kindern, die es im Rahmen seiner regelmäßigen Human-Biomonitoring (HBM) Untersuchungen sammelt (Info des LANUV).
Ergebnisse des LANUV zur Belastung von Kindern mit MnHexP wurden in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Umweltbundesamt und LANUV stehen zu diesen Ergebnissen in Austausch.
Was unternimmt das Umweltbundesamt?
Das Umweltbundesamt führt seit den 1980er Jahren die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) durch. Im Rahmen dieser Studien werden Urin- und Blutproben der Teilnehmenden auf verschiedene Umweltschadstoffe untersucht.
Mithilfe der Daten dieser Studien können Rückschlüsse auf die Belastung der gesamten Bevölkerung in der jeweils untersuchten Altersgruppe (Kinder, Erwachsene) in Deutschland gezogen werden.
Mit weiteren Messungen zur Belastung mit Mono-n-hexyl-Phthalat im menschlichen Körper liefert das Umweltbundesamt zunächst eine wissenschaftsbasierte Grundlage für das Ausmaß der Belastung in Deutschland.
Aktuell werden auch Proben der Umweltprobenbank auf die Verbindung untersucht, um zu prüfen, seit wann diese Belastungen zu beobachten sind und um einen möglichen Zeittrend zu identifizieren.
Die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes wird die Datenlage zu Mono-n-hexyl-Phthalat prüfen und, wenn möglich, toxikologische Beurteilungswerte, sogenannte HBM-Werte, ableiten, um die Gesundheitsrelevanz bewerten zu können.
Wie gelangt Mono-n-hexyl-Phthalat in den Körper?
Schadstoffe aus der Umwelt können über verschiedene Wege in den Körper gelangen. Eintragspfade können zum Beispiel Nahrung und Alltagsgegenstände, mit denen wir in Kontakt kommen, sein.
Genaue Quellen für den Eintragspfad für Mono-n-hexyl-Phthalat sind aktuell nicht bekannt. Analysen der Studiendaten werden in Zukunft möglicherweise die Bildung von Hypothesen zu dieser Frage erlauben, denen dann in Folgeuntersuchungen nachgegangen werden kann.
Der Weichmacher Di-n-hexyl-Phthalat darf in der Europäischen Union nur nach einer erfolgreichen Zulassung verwendet werden (s. Frage 1). Ausnahmen von der Zulassungspflicht gibt es etwa für Importerzeugnisse. Grundsätzlich müssen Produkte, in denen der Stoff ohne Zulassung enthalten ist, vom Markt genommen werden.
Links
• Neue Funde von Weichmacher im Kinderurin (Pressemitteilung LANUV)
• 6. Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES VI)
• Umweltprobenbank des Bundes
• Kommission Human-Biomonitoring Weichmacher Phthalat Human-Biomonitoring GerES Umweltprobenbank des Bundes
https://www.umweltbundesamt.de/themen/fund-eines-weichmachers-in-urinproben-fragen
Qualitätskriterien-Dossiers auf Webseite verfügbar
Das Oekotoxzentrum hat Umweltqualitätskriterien für mehr als 100 Stoffe erarbeitet – also substanzspezifische Konzentrationen, unterhalb derer keine schädlichen Wirkungen auf Organismen erwartet werden. Neu stellen wir die zugrundeliegenden Datendossiers auf unserer Webseite zur Verfügung (verlinkt mit dem jeweiligen Wert), so dass diese Bestimmung nachvollzogen werden kann
Für die Bestimmung der Werte recherchieren Expertinnen zunächst die Daten zur akuten und chronischen Toxizität der Stoffe für verschiedene Lebewesen, sowohl aus Zulassungsverfahren als auch aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Dabei wird auch die Relevanz und Verlässlichkeit der Daten geprüft, da nur Werte verwendet werden dürfen, die die strengen Anforderungen erfüllen. Je nach Menge und Zusammensetzung der verfügbaren Daten bestimmen die Expertinnen den Grenzwert mit unterschiedlichen Methoden.
Seit 2020 wurden die Qualitätskriterienvorschläge des Oekotoxzentrums für 19 Pestizide und 3 Arzneimittel als numerische Anforderungen in die Gewässerschutzverordnung aufgenommen und sind damit gesetzlich verbindlich. In der EU werden effektbasierte Grenzwerte bereits seit 2008 als Umweltqualitätsnormen (environmental quality standards = EQS) in der Wasserrahmenrichtlinie verankert, momentan gelten dort Werte für 45 Einzelsubstanzen oder Substanzgruppen. Neu sollen zusätzliche Substanzen bzw. Substanzgruppen in die EU-Liste aufgenommen werden, so dass die Liste dann 65 Substanzen umfasst. Das Oekotoxzentrum war an der Erarbeitung der zusätzlichen Grenzwerte beteiligt. Während diese vom EU-Parlament bereits angenommen wurden, steht die Bestätigung durch die Mitgliedstaaten noch aus.
http://www.oekotoxzentrum.ch/news-publikationen/news/qualitaetskriterien-dossiers-auf-webseite-verfuegbar
LWI | AngryWaters – Küsten vor Extremereignissen schützen
Überschwemmungen wie im Ahrtal und Sturmfluten bei extremen Wetterlagen nehmen durch den Klimawandel immer mehr zu. Die tödlichsten Überflutungsphänomene, denen unsere Dörfer und Städte an den Küsten ausgesetzt werden, sind Tsunamis. Allgegenwärtig ist damit auch die Gefahr, dass dabei Häuser unter der Last der Wassermassen zerstört werden. Den komplexen Prozess des Einsturzes von Gebäuden bei Extremereignissen will Professor Nils Goseberg von der Technischen Universität Braunschweig genauer untersuchen. Ziel seines Projekts „AngryWaters“ ist die Entwicklung eines Simulationswerkzeugs, um besser vorhersagen zu können, wie weit das Wasser bei existierender Bebauung ins Landesinnere vordringt. Dafür erhält der Wissenschaftler nun den renommierten Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC), der sein Projekt über fünf Jahre mit rund zwei Millionen Euro fördert.
„Über den ERC Grant freue ich mich riesig“, sagt Professor Nils Goseberg vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau, kurz LWI. „Er ist eine große Auszeichnung für unsere bereits geleistete Arbeit in einer originären Ingenieurdisziplin.“ Mit den ERC-Stipendien werden europaweit exzellente Wissenschaftlerinnen unterstützt, die in ihren Projekten innovative Forschungszugänge entwickeln oder riskante, neue Forschungsfragen bearbeiten. An der TU Braunschweig wurden bislang insgesamt neun Professorinnen mit einem ERC Grant ausgezeichnet.
„Das Projekt ‚AngryWaters‘ spiegelt das Engagement unserer Universität für innovative Forschung und ihre Beiträge zur Lösung globaler Herausforderungen wider. Ich gratuliere Professor Nils Goseberg zu dieser herausragenden Auszeichnung“, sagt die Präsidentin der TU Braunschweig, Angela Ittel. „Diese bedeutende Förderung unterstreicht die hervorragende Infrastruktur, die wir an der TU Braunschweig bieten und vor allem aber die Exzellenz und Relevanz der Forschung von Professor Goseberg für ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Extremereignissen an der Küste.“
Extremereignisse bedrohen Gebäude und Menschen
Im gleichlautenden Forschungsprojekt nimmt der Wissenschaftler die sogenannten „AngryWaters“ in den Blick. Mit den „wütenden Gewässern“ meint Professor Goseberg extreme Strömungsereignisse. Das können Tsunamis sein, die Küstenstädte überfluten und zerstören – wie 2011 nach dem Erdbeben vor der Küste von Japan. Dazu können auch aber auch Dammbrüche von Talsperren zählen, die aufgrund ihrer langen Standdauer nicht mehr sicher sind – wie im vergangenen Jahr im libyschen Derna, als zwei Staudämme brachen und eine sieben Meter hohe Flutwelle die Stadt traf. All diese Extremereignisse stellen eine erhebliche Gefahr für Gebäude und die darin lebenden Bewohnerinnen dar. Doch wie können die Menschen an Küsten und in der Nähe von Flüssen besser geschützt werden? Um das Vordringen der Wassermassen besser vorhersagen zu können, muss auch der Einsturzprozess von Gebäuden besser verstanden werden. Das Problem: Das Einstürzen der Bebauungsstrukturen lässt sich bislang weder mit Simulationen noch mit Experimenten gut erfassen, da wesentliche Voraussetzungen für die Verkleinerung der Prozesse ins Labor nicht bekannt sind. Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Wechselwirkung zwischen Strömung und Bauwerken unter der Annahme, dass die Bauwerke stehen bleiben und zudem feste gefüllte Körper sind. Mit dem Promotionsprojekt von Clemens Krautwald vom LWI haben die Braunschweiger Wissenschaftlerinnen das Kollabieren eines Gebäudekörpers im Großen Wellenkanal erstmalig realisieren können. Eine initiale Publikation aus dem Jahr 2022 bildete einen wesentlichen Baustein für die Machbarkeit der vorgeschlagenen Arbeiten.
Großer Wellenströmungskanal erhält riesige Dammbruchklappe
Das „AngryWaters“-Projekt zielt darauf ab, den dynamischen Kollaps-Prozess zu modellieren und die Wechselwirkungen zwischen Wasser und einstürzenden Gebäuden zu erfassen. Um den Einsturz von Bauwerken auf verschiedenen Skalen zu simulieren, wird Professor Goseberg die Wellenkanäle in Braunschweig und am Forschungszentrum Küste in Hannover nutzen. Im Großen Wellenströmungskanal (GWK+) können die Wissenschaftlerinnen fast im Maßstab 1:1 arbeiten. Ergänzt wird der GWK+ dazu bis Ende 2024 durch eine sogenannte Dammbruchklappe, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Die Klappe können wir in Wandnischen verankern und so diese einzigartige Forschungsanlage auch für Dammbruchströmungen nutzen. Das zeigt, mit welchen großen Pfunden wir in Braunschweig und Hannover wuchern können“, betont Professor Goseberg. Die Klappe, hinter der die Forschenden das Wasser bis zu drei Meter hoch aufstauen können, öffnet sich mit einem Schwingmechanismus wie bei einem Garagentor und entlädt das Wasser dammbruchartig in einem Schwall. „Die Größenordnungen sind mit denen in der Natur vergleichbar“, so Goseberg. „Acht Meter Strömungsgeschwindigkeit pro Sekunde, fast eineinhalb Meter Fließtiefe auf der Landseite.“ Zunächst werden die Wissenschaftlerinnen den Prozess mit einzelnen Gebäudeteilen simulieren, später mit einem ganzen Haus.
Im 90 Meter langen Wellenkanal in der Versuchshalle des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau in Braunschweig werden die Forschenden die Experimente mit einer kleineren Dammbruchklappe durchführen. „So können wir in Hannover die größeren Längenskalen untersuchen und in Braunschweig die kleineren – wir sprechen hier von den Maßstäben 1:10 und 1:15.“ Aus diesen unterschiedlichen Maßstäben lassen sich neue Gesetzmäßigkeiten ableiten, mit denen die Gebäude für die Simulation entsprechend im Maßstab verkleinert werden können.
Wie weit fließt das Wasser?
Aufbauend auf diesen Untersuchungen wollen Professor Goseberg und sein Team ein Prognose-Tool entwickeln, das anhand der vorhandenen Experimentaldaten validiert wird. „Bei Extremereignissen wie einem Tsunami müssen auch die kollabierenden Gebäude und damit die Trümmer berücksichtigt werden, um genauere Vorhersagen darüber treffen zu können, wie weit sich das Wasser ausbreitet, zu welchem Zeitpunkt es wie hochsteigt und welche Evakuierungsmaßnahmen erforderlich sind“, betont Professor Goseberg. Das ist entscheidend für die Entwicklung sicherer Küsten- und Flussgebiete und wird die Vorsorgefähigkeit entscheidend verbessern.
Damit bildet das Projekt „AngryWaters“ auch in der im Januar gestartete Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung einen fundamentalen Baustein: „mareXtreme“ untersucht, wie das Risikomanagement bei marinen Extremereignissen und Naturgefahren verbessert werden kann. „Diese Projekte sind wichtig für Niedersachsen, für Norddeutschland, aber auch weltweit. Das Thema der Extremgefahren an Küsten wird wegen der Dynamik durch den Klimawandel deutlich an Relevanz gewinnen und durch die starke Beteiligung an mareXtreme und dem ERC-Projekt sind wir in Niedersachsen sehr präsent und direkt am Puls dessen, was getan werden muss.“
Über Professor Nils Goseberg
Seit Anfang 2018 vertritt Professor Nils Goseberg an der TU Braunschweig das Fachgebiet Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau am Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) in Forschung und Lehre. Gleichzeitig ist er geschäftsführender Leiter des LWI und leitet als stellvertretender Geschäftsführender Direktor das gemeinsam mit der Universität in Hannover betriebene Forschungszentrum Küste. Goseberg wurde an der Leibniz Universität Hannover promoviert und habilitierte sich dort Ende 2017 erfolgreich. Im Rahmen eines Marie Curie Fellowship forschte er zwischen 2014 und 2017 an der University of Ottawa in Kanada zum Thema „Spatiotemporal Distribution and Structural impact Loading due to Artificial Debris Objects in Violent Flows”. Er ist Autor von mehr als 80 Fachaufsätzen zu Themen des Küsteningenieurwesens und des Seebaus.
Über den ERC
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist eine Initiative der Europäischen Kommission zur Förderung exzellenter Wissenschaftler*innen und innovativer Forschungsansätze. Die von ihm vergebenen ERC Grants sind seit 2007 Teil des Forschungsrahmenprogramms mit Förderprogrammen, die sich an Forschende unterschiedlicher Karrierestufen richten: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Mit dem zusätzlichen Programm der Proof of Concept Grants unterstützt der ERC seine Grantees dabei, die Lücke zwischen ihrer Pionierforschung und den frühen Phasen der Kommerzialisierung zu schließen.Mehr:
https://www.tu-braunschweig.de/abu/forschung-und-institute/lwi-angrywaters-kuesten-vor-extremereignissen-schuetzen
Start für das Projekt BEFuel: Von Abgasen und Abwässern zu E-Treibstoffen und hochwertigen Chemikalien
Wie lassen sich aus Abgasen und Abwässern E-Treibstoffe und Biotenside für die Industrie herstellen? Mit dieser Frage befasst sich im neu gestarteten Projekt BEFuel ein interdisziplinäres Konsortium koordiniert von Fraunhofer UMSICHT. Im Fokus steht die gekoppelte bioelektrochemische Produktion – also die Kombination von elektrochemischer Synthese und biotechnologischer Synthese durch Mikroorganismen.
Für die mit erneuerbarer Energie betriebene Elektrolyse werden zwei unterschiedliche Abfallströme genutzt: An der Anode kommt Rohglyzerin zum Einsatz, ein Abfallstoff aus der Biodieselproduktion. Die Oxidationsprodukte können von Mikroorganismen als Nährstoffe genutzt werden, um Biotenside zu bilden. An der Kathode setzen die Forschenden auf Abwässer einer Kläranlage. Hier entsteht zunächst grüner Wasserstoff, den die Mikroorganismen als Energieträger nutzen, um in einem ersten Schritt Kohlenstoffdioxid zu fixieren und in einem zweiten Schritt organische C6- und C8-Säuren zu produzieren. Sie können als Ausgangsstoffe für die Herstellung von Biodiesel und Biogas dienen und werden über eine spezielle Membrantechnik getrennt und angereichert.
Einzigartige Kopplung elektrochemischer Prozesse
»Diese Kopplung bioelektrischer Systeme für die gleichzeitige Biokonversion mehrerer Abfallströme ist einzigartig«, sagt Projektkoordinator Dr. Daniel Siegmund von Fraunhofer UMSICHT. »Sie ermöglicht die parallele Produktion mehrerer hochwertiger Güter, senkt die Betriebskosten und erhöht gleichzeitig die Energieumwandlungseffizienz.« Weitere Vorteile: Das neue System ist sowohl unabhängig von Importen als auch dezentralisiert möglich. Zudem werden durch die Einbindung an bestehende Klärwerke, die CO2 aus Rauchgasen oder Biogasen sowie Nährstoffe für das Wachstum der Biomasse bereitstellen können, Nährstoffe aus heimischen Abwässern und organischen Abfällen wiederverwertet.
Für die Umsetzung zeichnet ein Team aus unterschiedlichen Partnern verantwortlich und ermöglicht das Zusammenspiel zwischen Elektrolyse, biotechnologischer Verarbeitung bzw. Produktisolierung sowie ökonomischer und ökologischer Bewertung. Neben dem Fraunhofer UMSICHT sind das die Ruhr-Universität Bochum mit verschiedenen Lehrstühlen, die SolarSpring GmbH, die Emschergenossenschaft und das Institut für Automation und Kommunikation. Ihr Erfolg wird durch eine umfassende Bewertung des Prozesses gemessen. Neben Treibhausgasemissionsbilanzen und Kostenberechnungen umfasst sie auch soziale und vor allem ökologische Aspekte, um das Potenzial für eine kurzfristige industrielle Anwendung nach Projektabschluss zu ermitteln.
FÖRDERHINWEIS
Das Projekt »BEFuel – Gekoppelte bioelektrochemische Produktion von E-Treibstoffen und hochwertigen Chemikalien aus Abgasen und Abwässern« wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Maßnahme »Klimaneutrale Produkte durch Biotechnologie – CO2 und C1-Verbindungen als nachhaltige Rohstoffe für die industrielle Bioökonomie (CO2BioTech)« gefördert.
PROJEKTPARTNER
• Ruhr-Universität Bochum | Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik
• SolarSpring GmbH
• Emschergenossenschaft Lippeverband (EGLV)
• Institut für Automation und Kommunikation e.V. (ifak)
• Ruhr-Universität Bochum | Anorganische Chemie
• Ruhr-Universität Bochum | Mikrobielle Biotechnologie
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2024/industrielle-biooekonomie.html
Oder-Katastrophe: Was wissen wir über die Alge Prymnesium parvum?
Ein neues IGB Fact Sheet beantwortet die wichtigsten Fragen auf Basis des aktuellen Forschungsstandes
Im Juli und August 2022 kam es zu einer menschengemachten Umweltkatastrophe in der Oder: Ein Massensterben von Fischen, Muscheln und Schnecken begann im polnischen Teil der Oder und setzte sich dann flussabwärts auch in der Grenzoder fort. Allein bei den Fischen gehen Forschende von Verlusten von bis zu 1.000 Tonnen Gesamtgewicht aus. Unmittelbare Ursache für ihren Tod war eine giftbildende, im Wasser schwebende (planktische) Brackwasseralge mit dem wissenschaftlichen Namen Prymnesium parvum, die sich bedingt durch hohe Salzfrachten, hohe Sonneneinstrahlung und geringe Wasserführung massenhaft vermehren konnte. Im Rahmen des Sonderuntersuchungsprogramms ODER~SO beschäftigen sich am IGB mehrere Teilprojekte mit der Erforschung von Prymnesium und ihren Effekten auf andere Wasserorganismen. Ein IGB Fact Sheet fasst den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammen.
Beschreibung:
Was ist Prymnesium parvum?
Prymnesium parvum ist eine einzellige Mikroalge, die 5 bis 10 Mikrometer (µm) lang und 4 bis 7 µm breit ist. Mittels ihrer zwei gleichlangen Geißeln, den Flagellen, kann die Alge sich im Wasser aktiv fortbewegen. Sie verfügt darüber hinaus über ein Halteorgan, das sogenannte Haptonema, mit dem sie sich an Beuteorganismen und anderen Oberflächen festhalten kann.
Von Prymnesium parvum existieren mindestens 40 genetisch unterscheidbare Stämme, die unterschiedliche Mengen an Erbgut aufweisen und spezifische Giftstoffe produzieren. Der Name „Prymnesium parvum“ stellt somit einen Sammelbegriff für recht unterschiedliche Stämme bzw. Typen der Gattung Prymnesium dar. Der Genotyp von Prymnesium, der im Sommer 2022 zu den verheerenden Schäden in der Oder führte, gehört zum sogenannten B-Typ.
Wie für Pflanzen typisch, kann sich Prymnesium autotroph ernähren, also Photosynthese betreiben. Zusätzlich kann diese Mikroalge sich allerdings auch von organischem Material (heterotroph) ernähren, insbesondere von anderen Organismen. Es ist bekannt, dass sich Prymnesium bei einem Mangel an den Nährstoffen Stickstoff und Phosphor verstärkt heterotroph ernährt.
Prymnesium parvum wird in Veröffentlichungen oft auch „Goldalge“ genannt, wobei dieser Name als Sammelbegriff auch andere Algengruppen mit ähnlicher Pigmentausstattung umfasst.
Verbreitung:
Wo tritt Prymnesium parvum auf?
Die Alge ist weltweit in Brackwasser verbreitet, woher regelmäßig Massenentwicklungen mit Fischsterben berichtet werden. Sie wird deshalb zur ökologischen Gruppe der Brackwasseralgen gerechnet. Prymnesium kann aber auch – dann aber in deutlich geringeren Konzentrationen – im Ozean und im Süßwasser leben. Vorkommen wurden unter anderem in Europa, Nordamerika, Südamerika, Australien und Asien dokumentiert. Vor der Umweltkatastrophe in der Oder war es unter anderem in stark salzhaltigen Talsperren im Süden der USA bereits mehrfach zu massivem Fischsterben durch Prymnesium gekommen.
Auch in Europa war die Alge bereits heimisch, bevor sie 2022 erstmals in der Oder massenhaft gefunden wurde. Toxische Massenblüten traten beispielsweise in norwegischen Fjorden, aber auch im verstärkt salzhaltigen englischen Fluss Thurne und im Jasmunder Bodden auf. Im Unterschied zur Oder weisen diese Gewässer allerdings einen natürlich erhöhten Salzgehalt auf. Die einzige bekannte Massenentwicklung in einem natürlichen Süßgewässer außerhalb des Flusssystems der Oder ereignete sich in einem durch Industrie verunreinigten Fluss im Nordosten der USA.
Massenentwicklungen planktischer Algen brauchen günstige Wachstumsbedingungen über mehrere Wochen. In frei fließenden, nicht künstlich aufgestauten Fließgewässern sind Massenentwicklungen unmöglich, da das Wasser der Flüsse in diesem Zeitraum in der Regel bereits ins Meer gelangt ist.
Während der Umweltkatastrophe im Sommer 2022 vermehrte sich die Alge in der
Oder massenhaft auf mehr als 100 Millionen Zellen pro Liter Flusswasser, wobei der Gleiwitzer Kanal und benachbarte Speicherbecken von besonderer Bedeutung waren. Seither hat sich Prymnesium im Odersystem etabliert. Bei Beginn der IGB-Messungen im Rahmen des ODER~SO-Projekts im März 2023 wurde Prymnesium in geringen Konzentrationen in der Oder festgestellt, die Alge hat sich aber seither nicht wieder in Massen vermehrt. Die maximale Dichte entsprach im untersuchten Flussabschnitt im Sommer 2023 nur etwa einem Hundertstel der Dichte vom August 2022. Auch wenn solche Prymnesium-Konzentrationen zu gering für ein Massensterben von Fischen oder Muscheln sind, können sie möglicherweise das Wachstum und die Fitness anderer Organismen wie Zooplankton stark beeinträchtigen.
Im Sommer 2023 wurden Prymnesium-Zellen auch in Einzelproben aus Gewässern des Spree-Havel-Systems nachgewiesen, allerdings in geringen Dichten. Diese entsprachen nur etwa einem Tausendstel der Algendichte, die im August 2022 in der Oder gemessen wurde. Negative Auswirkungen waren dort dementsprechend nicht zu beobachten.
Prymnesium kann beispielsweise über Wasservögel, an Booten, Gummistiefeln oder durch Fischereigeräte wie Angeln oder Kescher unbemerkt von einem Gewässer in ein anderes geraten. Sogar eine Verbreitung in Aerosolen, kleinsten Schwebeteilchen in der Luft, ist aufgrund ihrer winzigen Größe möglich. Für Prymnesium gilt wie für alle Mikroalgen: Sie kann überallhin gelangen, aber sich nicht unter allen Bedingungen massenhaft vermehren.
Wachstumsbedingungen:
Wie kommt es zu Massenentwicklungen von Prymnesium parvum?
Wie schnell Prymnesium sich vermehren kann, hängt nach aktuellem Forschungsstand von mindestens sechs Faktoren ab: der Wasserverweilzeit, dem Salzgehalt, der Lichtversorgung, der Wassertemperatur, dem Vorhandensein von Algen-Viren und dem Gehalt von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor im Wasser. Genauere Parameter für das Wachstum der Alge werden derzeit noch erforscht.
Prymnesium toleriert Salzgehalte zwischen 0,5 PSU (Maßeinheit: Practical Salinity Unit) und 30 PSU. Bei einem Salzgehalt von über 34 PSU, wie er typischerweise im offenen Meer vorkommt, kann sie in Laborversuchen nicht wachsen. Nach bisherigen Untersuchungen am IGB wächst der Stamm aus der Oder am besten bei 2-5 PSU, während der Salzgehalt der Oder ohne Einleitungen bei unter 0,5 PSU liegen würde.
In Abhängigkeit vom Salzgehalt des Wassers vermehrt sich die Alge bei Wassertemperaturen zwischen 20 °C und 30 °C besonders schnell. Viele Massenentwicklungen mit Toxin-Bildung wurden aber bereits bei Wassertemperaturen zwischen 7 °C und 15 °C beobachtet, deren Wachstum dann mehr Zeit benötigt.
Unter idealen Bedingungen wie einem erhöhten Salzgehalt, viel Licht, warmem Wasser und hinreichend hohen Gehalten an Stickstoff und Phosphor vermehrt sich Prymnesium sehr schnell: Für eine Verdoppelung ihrer Biomasse braucht die Alge dann nur wenige Tage. Solche Bedingungen begünstigen eine Massenentwicklung der Alge.
Massenentwicklungen von Prymnesium wurden bisher in Seen und Stauseen mit einer Salinität von 0,74 – 20 PSU dokumentiert, und in Flüssen mit einer Salinität von 0,9 – 3 PSU. Prymnesium kann sich in strömungsberuhigten Bereichen wie Stauhaltungen, aber auch in geringerem Maße in frei fließenden Flussabschnitten vermehren. Dabei spielt die Wasserverweilzeit bzw. die Durchflussrate eine Schlüsselrolle für das Wachstum und die Verbreitung der Alge.
Toxizität:
Was macht Prymnesium parvum so gefährlich?
Prymnesium produziert unter bestimmten Umständen Zellgifte, so genannte Prymnesine, durch die konkurrierenden anderen Algenarten, Fressfeinde und andere Tiere geschädigt oder getötet werden. Dabei profitiert Prymnesium von den dann freigesetzten Nährstoffen. Die Prymnesine zerstören die Kiemen von im Wasser lebenden Organismen und gelangen danach in deren Blut und innere Organe, die sie zersetzen. Fische sterben an Sauerstoffmangel und Kreislaufversagen, nachdem das Gift ihre roten Blutkörperchen zerstört hat.
Diese Gifte töten auch Muscheln und mit Kiemen atmende Wasserschnecken. Wie verschiedene Gruppen des Zooplanktons – also tierische Kleinstlebewesen, die im Wasser schweben – auf Prymnesine reagieren, ist bisher wenig bekannt, wird aber untersucht. Gemäß derzeitigem Wissensstand können bereits Prymnesium-Konzentrationen um 1 Mio. Zellen/Liter negative Auswirkungen auf das Wachstum und die Fortpflanzung von Zooplankton haben. Auch für Amphibienlarven liegen sehr wenige Forschungsergebnisse vor.
Die Frage, unter welchen genauen Bedingungen die Alge ihr Gift produziert und abgibt, ist aktuell Gegenstand der Forschung. Wissenschaftler*innen überprüfen unter anderem mögliche Zusammenhänge mit der Dichte der Prymnesium-Blüte oder der Anzahl von vorhandenen Fressfeinden. Auch der Einfluss des Nährstoffgehalts oder einer plötzlichen Änderung des Salzgehalts im Wasser wird untersucht. Klar ist bereits: Die Umweltbedingungen für das Wachstum der Alge unterscheiden sich von denjenigen, unter denen sie toxisch wird.
Gegenmaßnahmen:
Wie könnten giftige Prymnesium-Blüten in der Oder und anderen Gewässern verhindert oder eingedämmt werden?
Die natürlichen Fressfeinde von Prymnesium sind – wie von allen Planktonalgen – unter anderem räuberische Einzeller, Rädertiere, Wasserflöhe und Muscheln. Außerdem können Parasiten wie Pilze oder Viren eine Prymnesium-Blüte dezimieren. Bei günstigen Bedingungen einschließlich geeigneter Salzkonzentrationen vermehrt sich Prymnesium aber deutlich schneller als Algenzellen absterben, wodurch es zu einer Massenentwicklung kommt.
Daher wäre die wirksamste Vorsorgemaßnahme gegen weitere Prymnesium-Massenentwicklungen in der Oder, den Salzgehalt des Flusses auf ein für die Brackwasseralge Prymnesium weniger förderliches Niveau zu senken – insbesondere in den Sommermonaten. Ein Grenzwert hierfür existiert noch nicht, soll aber auf Basis neuer Untersuchungen vorgeschlagen werden.
Eine Verringerung der Konzentrationen der Pflanzennährstoffe Phosphor und Stickstoff in der Oder, die hauptsächlich über unzureichend geklärtes Abwasser und durch die Landwirtschaft eingetragen werden, würde das Risiko weiterer Prymnesium-Massenentwicklungen ebenfalls etwas reduzieren, dies ist jedoch nicht kurzfristig umsetzbar.
Die Bekämpfung einer Prymnesium-Massenentwicklung mittels Wasserstoffperoxids und des Fällungsmittels Eisenchlorid wurde im Nachgang der Oder-Katastrophe in Polen getestet. Laut Berichten können diese Maßnahmen lokal die Prymnesium-Dichte senken. Eine nachhaltige Wirkung wird aus IGB-Sicht damit jedoch nicht erreicht, zumal eine Bekämpfung in fließendem Wasser aufgrund der erforderlichen großen Chemikalienmengen nicht denkbar ist und negative Nebenwirkungen auf andere Wasserorganismen hätte.
Wie alle Algenblüten benötigen auch jene von Prymnesium zu ihrer Entwicklung eine lange Wasserverweilzeit. Algenblüten entstehen daher in stehenden oder langsam fließenden Nebengewässern und Stauhaltungen. Sie dort lokal zu bekämpfen und nicht in die Oder abzulassen, kann Katastrophen vorbeugen, beseitigt aber nicht deren Ursachen.
Ein Prymnesium- und generell Algen-Monitoring, entweder mittels Fernerkundung oder durch Probenahmen in Gewässern, ermöglicht frühere Vorwarnungen. Die Gegenmaßnahmen und Reaktionsmöglichkeiten sind allerdings beschränkt.
Im Fall von Giftkatastrophen in Flüssen spielen Neben- und Auengewässer eine wichtige Rolle als Refugial- und Wiederbesiedlungshabitate für die Flussfauna. Diese bieten der Fischfauna und weiteren mobilen Organismen Zugang zu Rückzugs-, Laich- und Aufwuchsgebieten. Eine Eintiefung der Stromsohle durch wasserbauliche Maßnahmen wirkt der seitlichen Vernetzung entgegen und der Kontakt zu den Nebengewässern geht verloren, insbesondere während der sommerlichen Niedrigwasserperioden.
Eine Eintiefung der Oder für die Schifffahrt beeinträchtigt außerdem die Selbstreinigungsfähigkeit des Flusses, weil sich dadurch die Kontaktflächen zum Sediment verringern. Die Oder würde in der Folge weniger resilient gegenüber Verschmutzungskatastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels werden. Naturnahe bzw. renaturierte Gewässer sind zukünftigen Herausforderungen besser gewachsen. Rein technische Lösungen sind teuer und wenig flexibel. Hingegen lassen sich bei der Anwendung von naturbasierten Lösungen erhebliche Synergieeffekte zwischen Schutz und Nutzung von Fließgewässern und ihren Auen erreichen.
Die Informationen stehen als IGB Fact Sheet im PDF-Format zum Download zur Verfügung.
Ansprechpersonen
Stella A. Berger
Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Phytoplanktonökologie
https://www.igb-berlin.de/news/oder-katastrophe-was-wissen-wir-ueber-die-alge-prymnesium-parvum
Water-for-X – ein Leitfaden für den verantwortlichen Umgang mit der Ressource Wasser in der Energiewende
Dr. Christine Dillmann Kommunikation
DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.
Wasserstoff wird künftig einen signifikanten Anteil an der globalen Energieversorgung haben. Ob in Chile, Namibia oder Deutschland, die Anzahl an Projekten steigt stetig. Somit wächst auch das künftige Angebot an Wasserstoff und Derivaten. Um die neuen Herausforderungen in Punkto Wasserversorgung zu bewältigen, hat die DECHEMA die Roadmap „Water-for-X“ entwickelt, die den Aufbau lokale Strategien zum Wasserressourcenmanagement unterstützt. Die Lösungsperspektiven bauen auf einem Schalenmodell auf, das den Fokus auf die lokale Infrastruktur legt, um so Partnerschaften und Investitionen langfristig zu sichern.
Am Thema Interessierte können sich an der Weiterentwicklung der Roadmap beteiligen.
Der Leitfaden „Water-for-X“ greift dazu Fragen rund um die Ressourcensicherung auf und setzt diese in einen geopolitischen Rahmen. Das Konzept hebt die Bedeutung eines integrierten und nachhaltigen Wassermanagements für den Erfolg von Power-to-X-Lösungen hervor. Hierfür müssen die Produktionsstandorte im regionalen Kontext analysiert werden.
Wasser spielt eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Ob als Kühlmittel für Kraftwerke und Industrie, oder als Rohstoff für den Wasserstoff. Die Bedeutung und Tragweite bei Ausbeutung der Wasserressourcen wird bisher nicht erkannt. Die Herstellung von Wasserstoff als sauberer Energieträger erfordert Prozesse, bei denen erneuerbarer Strom verwendet wird. Über sogenannte Power-to-X(PtX)-Prozesse können weiterhin Derivate wie Ammoniak, Methan-Gas oder Kerosin erzeugt werden. Die gesamte Prozesskette ist dabei wasserabhängig: Sei es für die Wasserstoffproduktion selbst, zur Bereitstellung von Kühlwasser und Dampf oder für Reinigungsprozesse. So werden beispielweise für die Herstellung von einem Kilogramm Wasserstoff mindestens neun Kilogramm hochreines Wasser verbraucht, bzw. je nach Herkunft und Prozess 12 bis 20 Kilogramm Wasser. Unter Berücksichtigung der geschätzten Wasserstoffnachfrage von 530 Megatonnen im Jahr 2050 entspricht dies etwa 0,1 Prozent des derzeitigen jährlichen globalen Wasserbedarfs. Viele Regionen mit hohem Potenzial für die Wasserstoffproduktion befinden sich jedoch in Gebieten, in denen es bereits jetzt an Frischwasser mangelt. Dies wird den Wasserstress der Region zusätzlich erhöhen.
https://idw-online.de/de/news828137
Hepatitisviren im Abwasser aufspüren
Forschende haben in knapp 73 Prozent der Abwasserproben aus NRW genetische Spuren von Hepatitis-E-Viren nachweisen können. Besonders wertvoll sind Erkenntnisse über Medikamenten-resistente Varianten.
Hepatitis E ist in der Bevölkerung weltweit verbreitet. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass sich jedes Jahr rund 20 Millionen Menschen damit infizieren. „Möglicherweise sind es aber auch sehr viel mehr – das wissen wir nicht genau, weil kein zuverlässiges Screening stattfindet“, erklärt Fiona Rau von der Abteilung Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum. Möglich wäre es, das Vorkommen des Hepatitis-E-Virus (HEV) im Abwasser zu überwachen. Das zeigt ihre Dissertation, für die sie und das Team der Abteilung Virus-RNA in Proben aus 21 Klärwerken, einem Kanal und der Emscher aufgespürt haben. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Liver International vom 30. Januar 2024.
Behandlung im Klärwerk senkt die Belastung
Fiona Rau sammelte über ein Jahr hinweg Wasserproben aus dem Rhein-Herne-Kanal und der Emscher und konnte auf weitere Abwasserproben aus 21 Kläranlagen in NRW zurückgreifen. Bei der folgenden Analyse stand die Suche nach viraler RNA des Hepatitis-E-Virus (HEV) im Mittelpunkt. Ergebnis: In fast 73 Prozent der insgesamt 605 genommenen Wasserproben war HEV-RNA nachweisbar. Der Vergleich zwischen noch unbehandeltem Abwasser und dem Wasser, das die Kläranlagen verließ, zeigte, dass die dortige Behandlung die virale Belastung reduziert. Dennoch blieb Virus-RNA im Wasser.
Genetische Varianten auffindbar
Eine Tiefensequenzierung der Proben belegte, dass es auch möglich ist, im Abwasser verschiedene genetische Varianten des Virus auszumachen. „Es wäre denkbar, dass man auf diese Weise künftig früh erkennen könnte, ob Varianten, die gegen bestimmte Medikamente resistent sind, häufiger auftreten“, so Dr. Daniel Todt aus dem Bochumer Forschungsteam.
Die Bochumer Forschenden konnten in aktuellen Arbeiten mehrere Mutationen identifizieren, die zu Resistenzen gegen die Behandlung mit verschiedenen Wirkstoffen führten. „Angesichts der Tatsache, dass diese Varianten die derzeitige und wahrscheinlich auch künftige antivirale Behandlung behindern, ist es wichtig, ihre Häufigkeit in der HEV-infizierten Bevölkerung und in der Umwelt zu untersuchen“, so Todt.
https://news.rub.de/wissenschaft/2024-01-31-virologie-hepatitisviren-im-abwasser-aufspueren
Mikroplastik: Reifen- und Fahrbahnabrieb im Fokus einer neuen Publikation
Dipl.-Chem. Iris Kumpmann Abteilung Kommunikation
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Carnegie Mellon University (CMU), Pittsburgh, hat das Fraunhofer UMSICHT in einer Fachpublikation den Forschungsstand zum Thema Reifen- und Fahrbahnabrieb zusammengetragen. In dem peer reviewed Artikel mit dem Titel »Review: Mitigation measures to reduce tire and road wear particles« werden technische und nicht-technische Maßnahmen be-schrieben, mit denen sich Emissionen aus Reifen- und Fahrbahnabrieb in die Umwelt vermeiden und bereits eingetragene Mengen reduzieren lassen.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass Reifenabrieb eine relevante Quelle für Mikroplastik ist. Dies resultiert bereits aus der Zahl von rund 1,5 Milliarden weltweit zugelassener Kraftfahrzeuge im Jahr 2023[1]. Alleine in den Vereinigten Staaten waren im ersten Quartal 2023 gut 286 Millio-nen Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs[2]. In Deutschland wurden nach Angaben des Kraft-fahrtbundesamts KBA fast 70 Millionen KFZ und KFZ-Anhänger gezählt (Stand 1. Januar 2023)[3]. Das Fraunhofer UMSICHT schätzt die jährlich entstehende Menge an Reifenabrieb hierzulande auf 60 000 bis 100 000 Tonnen – was bei über 80 Millionen Einwohner*innen ei-nem rechnerischen Mittel von ca. 1 000 Gramm Reifenabrieb pro Kopf und Jahr entspricht.
Weitestgehend unbekannte Folgen für die Umwelt
Reifenabrieb tritt auf Straßen nicht als reines Material auf. Während der Fahrt reibt sich die Lauffläche des Reifens ab und verbindet sich mit Material der Fahrbahnoberfläche sowie wei-teren Partikeln wie Sand, Straßenstaub oder sedimentiertem Feinstaub aus der Atmosphäre zu sogenannten TRWP (Tyre and Road Wear Particles). Durch Niederschläge, Wind oder fahrzeug-induzierte Aufwirbelung können TRWP dann von der Straße weiter in Luft, Wasser und Boden gelangen. Einmal dort angekommen, ist der Reifen- und Fahrbahnabrieb nur schwer wieder zu entfernen und verbleibt dort in der Regel über lange Zeit – mit noch weitestgehend unbekann-ten Folgen für die Umwelt.
Neue Schadstoffnorm Euro 7 soll Bremsen- und Reifenabrieb berücksichtigen
Es gibt bereits heute Maßnahmen, die sich mindernd auf die Entstehung und Verbreitung von Reifen- und Fahrbahnabrieb auswirken. Hierzu zählen präventive Maßnahmen wie Geschwin-digkeitsreduzierungen,eine defensive Fahrweise sowie nachgelagerte Maßnahmen wie die Straßenreinigung oder passende Behandlungsmethoden bei der Straßenentwässerung. Auch setzen immer mehr technische Lösungsansätze zur Reduzierung von TRWP-Emissionen bei den Fahrzeugen und Reifen an. Zu nennen sind zum Beispiel die optimale Verteilung von An-triebsmomenten oder die Steigerung der Reifenabriebresistenz. Ebenso werden regulatorische Maßnahmen eingeführt. So verständigte sich am 18. Dezember 2023 die EU auf die neue Schadstoffnorm Euro 7, in der es erstmalig Grenzwerte für Bremsen- und Reifenabrieb geben soll[4].
Studie zeigt Ist-Zustand auf
Um sich einen Überblick über bereits existierende technologische, regulatorische und verwal-tungstechnische Maßnahmen und Entwicklungen gegen Reifenabrieb zu verschaffen, beauf-tragten die European Tyre & Rubber Manufacturers‘ Association ETRMA und die U.S. Tire Ma-nufacturers Association USTMA im Jahr 2022 das Fraunhofer UMSICHT und seine wissen-schaftlichen Kooperationspartner KIT und CMU mit der Erstellung einer Studie.
Die im internationalen Journal »Science of The Total Environment« online erschienene Publika-tion »Review: Mitigation measures to reduce tire and road wear particles« basiert auf der gleichnamigen Studie. Das Team um die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraun-hofer UMSICHT hat aus mehr als 500 Fachliteraturquellen den aktuellen Stand an Minde-rungsmaßnahmen für TRWP zusammengetragen, kategorisiert und bewertet. Auch zukünftige Mobilitätstrends wie E-Mobilität und autonomes Fahren wurden berücksichtigt. Die Publikation schildert Wissenslücken und weist auf vielversprechende Forschungsfelder hin. Ralf Berling vom Fraunhofer UMSICHT: »Wirksame Maßnahmen, die die Entstehung und Verbreitung von Reifenabrieb reduzieren, liegen uns nun übersichtlich vor. Jetzt gilt es, ins Handeln zu kommen und die Maßnahmen zeitnah anzuwenden.«
https://idw-online.de/de/news826927
Neues internationales Forschungsprojekt will Makroplastik in der Ostsee reduzieren
Dr. Kirstin Werner Presse- und Kommunikationsstelle
Universität Rostock
Plastik stellt eine zunehmende Bedrohung für die Ökosysteme der Ostsee dar. Jährlich gelangen zwischen 4 und 12 Millionen Tonnen Plastik in die Meere, während der Plastikverbrauch weiterhin steigt. Länderübergreifende Maßnahmen sind gefragt, um dieses globale Umweltproblem anzugehen. Gemeinsam mit dänischen, schwedischen und polnischen Partnern haben die Universität Rostock und das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) ein Forschungsprojekt gestartet, das die Vermeidung von Meeresplastik an seiner Ursprungsquelle bewirken will. Das Interreg-Projekt „Circular Ocean-bound Plastic“ (COP) wird über einen Zeitraum von drei Jahren mit knapp 2,02 Millionen Euro gefördert.
Etwa 80 % des Plastiks in der Ostsee stammen aus landbasierten Quellen, einschließlich städtischer und ländlicher Aktivitäten wie Industrie, Tourismus, Essen im Freien und anderen Veranstaltungen in Ufernähe. Hier setzt das Projekt an, indem es in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Kommunen in der Küstenregion der südlichen Ostsee Lösungen entwickelt, um den Eintrag von Plastik über Flüsse in die Ostsee zu reduzieren. Ziel ist es, Plastik möglichst nahe an seiner Quelle aus dem Flusssystem zu entfernen und Möglichkeiten für die Wiederverwendung und das Recycling von Meeresplastik zu identifizieren.
Die Universität Rostock und das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde arbeiten in diesem Verbundprojekt mit Partnern aus Dänemark, Schweden und Polen zusammen, um die wichtigsten Verschmutzungsquellen im Rostocker Stadtgebiet zu identifizieren. Auf dieser Grundlage werden Lösungen entwickelt, um das im Fluss befindliche Plastik effektiv zu sammeln und wiederzuverwerten. Basierend auf diesen Erkenntnissen werden zusätzlich Vermeidungsstrategien erarbeitet, die nicht nur im Untersuchungsgebiet Rostock, sondern auch in den weiteren beteiligten Städten Aarhus in Dänemark, Malmö in Schweden und Danzig in Polen anwendbar sind. Neben maßgeschneiderten Lösungen, die unmittelbar an der Quelle der Verschmutzung ansetzen, kommen zudem Geräte zum Einsatz, die den Müll aus dem Oberflächenwasser des Flusses entfernen. Das eingesammelte Plastik wird später hinsichtlich seiner mechanischen und chemischen Recyclingfähigkeit bewertet. Schließlich werden Best-Practice-Beispiele entwickelt, um effektiv Plastikmeeresmüll in Rostock und anderen Städten entlang der Ostsee zu vermeiden und einzusammeln.
CLEAN – Dänemarks Wasser- und Umwelt-Cluster – ist der federführende Partner bei der Kooperation mit dem Ocean Plastic Forum, dem Plast Center Denmark, dem schwedischen Sustainable Business Hub, dem Leibniz Institut für Ostseeforschung Warnemünde, der Universität Rostock, der University of Gdansk, der Gdansk Water Foundation und dem Gdansk Sports Center.
https://idw-online.de/de/news827917
Grubenwasser besser überwachen und nutzen
Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum
Wie viel Grubenwasser befindet sich in stillgelegten Schächten? Welche Qualität hat es, und lässt es sich zum Beispiel von Städten zum Heizen oder als Trinkwasser nutzen? Diese Fragen möchte das zu Jahresbeginn 2024 gestartete Verbundprojekt „Digitalisierung bergbaulicher Strukturen mithilfe innovativer Sensorik und Künstlicher Intelligenz“ (DIETER), beantworten. Koordiniert wird es von Dr. Thomas Heinze und Dr. Wiebke Warner, beide Forschende an der Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt für drei Jahre mit knapp 1 Million Euro.
Kooperationspartner
Neben der Ruhr-Universität Bochum sind an dem Projekt die Hochschule Rhein-Waal sowie die Universität Stuttgart beteiligt.
Relevante Daten sollen in Echtzeit abgerufen werden können
Zum Einsatz kommen modernste Technologien, die es besser als zuvor ermöglichen sollen, geflutete Bergbaustrukturen zu analysieren und zu beobachten. „Im Rahmen des Projekts wird ein Versuchsbergwerk umfangreich mit Sensorik und Netzwerktechnik ausgestattet“, erklärt Wiebke Warner. Ziel des Projekts sei die Schaffung eines Online-Tools zur Analyse von Menge, Qualität und geothermischem Potenzial des Grubenwassers. Kommunen soll somit ein kostengünstiges und benutzerfreundliches Werkzeug für die Überwachung und Verwertung des Grubenwassers zur Verfügung gestellt werden. „Am Ende der Projektlaufzeit wird ein Datendashboard stehen, das es ermöglicht, alle relevanten Informationen in Echtzeit abzurufen“, so Warner.
Kritische Betrachtung der Grenzen von Monitoring
Die Implementierung von KI in Monitoring-Systemen eröffnet neue Horizonte für die effiziente Nutzung gefluteter Bergwerke und bietet gleichzeitig innovative Lösungen für Herausforderungen im Bereich Trinkwasserversorgung und Wärmegewinnung. Das Projekt legt nicht nur den Fokus auf die Möglichkeiten, sondern betrachtet auch kritisch die Grenzen des digitalen Monitorings untertägiger Anlagen, um Altbergbau nachhaltig zu nutzen und dabei die Umweltauswirkungen zu minimieren. Zudem werden sich Projektergebnisse auch auf andere Fragestellungen des Wasser- und Umweltmonitorings anwenden lassen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Wiebke Warner
Abteilung Hydrogeochemie und Hydrogeologie
Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 25904
E-Mail: wiebke.warner@ruhr-uni-bochum.de
Erster Erfolg im Exzellenzstrategie-Wettbewerb: Wasser-Forschung erreicht Meilenstein
Astrid Bergmeister Ressort Presse – Stabsstelle des Rektorats
Universität Duisburg-Essen
Im Rahmen der Universitätsallianz Ruhr haben die drei Universitäten in Duisburg-Essen, Dortmund und Bochum ihre Forschung gemeinsam strategisch entwickelt, beispielsweise mit dem gemein-samen Research Center One Health Ruhr. Die exzellente Wasser-Forschung der Universität Duisburg-Essen und ihrer Partner-Universitäten ist Teil dieses Research Centers und setzte sich jetzt mit dem Forschungsvorhaben „REASONS – river ecosystems in the anthropocene, sustainable scientific solutions“ (Flussökosysteme im Antropozän, nachhaltige wissenschaftliche Lösungen) in der ersten Runde des zweistufigen Exzellenz-Wettbewerbs von Bund und Ländern durch.
Steigende Temperaturen, Antibiotikarückstände, Dürren und Hochwasser: Flüsse geraten weltweit unter Druck. Um sie fit für die Zukunft zu machen, entwickeln Forscher und Forscherinnen der Exzellenzclusterinitiative REASONS ein neues, nachhaltiges Konzept für das Management von Gewässern. Das interdisziplinäre Forschungsteam wird geleitet von Prof. Dr. Bernd Sures (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Torsten Claus Schmidt (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Martina Flörke (Ruhr-Universität Bochum).
Mit neuen Mess- und Analysemethoden erforschen die Wasserexperten und Expertinnen die Basis für ein zukunftsfähiges Flussmanagement, das Stressoren wie Klimawandel, stoffliche Belastungen sowie Veränderungen in der Biodiversität integriert. Das Besondere: der Ansatz stellt das sich wandelnde System in den Mittelpunkt und findet einen innovativen Umgang mit den teils irreversiblen Veränderungen von Binnengewässern.
Die Universität Duisburg-Essen hat einen deutschlandweit einzigartigen Schwerpunkt im Bereich der Wasserforschung. Forschende aus den Disziplinen Biologie, Chemie, Medizin, Ingenieurwissenschaften sowie Geistes- und Gesellschaftswissenschaften haben in den letzten beiden Jahrzehnten eine exzellente inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit entwickelt. Besondere Studiengänge und die Water Graduate School für Early Career Researchers bilden darüber hinaus hervorragende Strukturen für Spitzenforscher und Spitzenforscherinnen in frühen Karrierestadien.
Das Exzellenzprojekt REASONS ist aus dem etablierten Netzwerk des Zentrums für Wasser- und Umweltforschung an der Universität Duisburg-Essen mit Partnern der Ruhr-Universität Bochum, der Goethe Universität Frankfurt, der Philipps-Universität Marburg, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung entstanden.
„Mit nachgewiesener wissenschaftlicher Exzellenz und enormer Leidenschaft haben unsere Spitzenforscher und Spitzenforscherinnen erfolgreich den ersten Meilenstein im Exzellenzstrategie-Wettbewerb erreicht. Die Universität Duisburg-Essen freut sich ungemein, und ich gratuliere den Antragstellern und Antragstellerinnen. Damit verbunden ist unser aller großer Dank für ihre herausragende Forschungsarbeit“, sagt Prof. Dr. Barbara Albert, Rektorin der Universität Duisburg-Essen. „Der Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben uns in ihrer Entscheidung heute aufgefordert, auf der Basis der eingereichten Antragsskizzen nun bis zum 22.August 2024 einen Vollantrag einzureichen. Wir haben gezeigt: wir verfolgen mit unserer internationalen Spitzenforschung zusammen mit unseren ebenfalls erfolgreichen Partner-Universitäten in der Universitätsallianz Ruhr die richtige Forschungsstrategie.“
Die Universität Duisburg-Essen hat seit ihrer Gründung 2003 ein reizvolles und international wett-bewerbsfähiges Forschungsprofil entwickelt. „In der Universitätsallianz Ruhr und der Research Alliance Ruhr haben wir mit unseren beiden Partneruniversitäten in Bochum und Dortmund nun durch Berufungen von besonders renommierten Professorinnen und Professoren strategische Schwerpunkte setzen können. Mit den gemeinsamen exzellenten Forschungsergebnissen geben wir im Ruhrgebiet entscheidende Impulse: die Transformation zur Wissensgesellschaft generiert wegweisende neue Erkenntnisse für die Welt im Wandel. Unsere herausragende Wasserforschung bietet Lösungen aus der Wissenschaft“, erklärt die Prorektorin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Astrid Westendorf.
Die Exzellenzstrategie: Der Wettbewerb von Bund und Ländern zur Stärkung internationaler Spitzenforschung in Deutschland
Mit der Exzellenzstrategie fördern Bund und Länder seit 2018 die internationale Spitzenforschung und laden die deutschen Universitäten zum Wettbewerb ein. Die Förderung ist in zwei Förderlinien gegliedert, die zum zweiten Mal an den Start gehen und zeitlich gestaffelt ausgeschrieben werden.
Aktuell läuft die Phase der Exzellenzcluster-Bewerbung. Diese wiederum ist zweistufig. Im ersten Schritt des Auswahlprozesses waren die deutschen Universitäten aufgefordert, bis Mai 2023 Antragsskizzen für neue Exzellenzclusterinitiativen einzureichen. Diese wurden durch ein Expertengremium, bestehend aus 39 international anerkannten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, begutachtet. Die am 01. Februar ausgewählten Antragsstellenden wurden durch den Wissenschaftsrat und die DFG nun aufgefordert, bis zum 22. August 2024 Vollanträge auszuarbeiten und zu einer weiteren Begutachtung einzureichen. Die Entscheidung über eine Förderung wird im Mai 2025 erwartet und von der sogenannten Exzellenzkommission getroffen. Insgesamt können bis zu 70 Cluster über einen Zeitraum von sieben Jahren gefördert werden. Die Förderung beginnt zum 01. Januar 2026, jährlich stellen Bund und Länder bis zu 539 Millionen Euro bereit.
In einer weiteren Phase des Wettbewerbs haben die Universitäten, die erfolgreich mindestens zwei Exzellenzcluster einwerben konnten, die Option, sich als Exzellenzuniversität zu bewerben. Verbundbewerbungen von mehreren Universitäten benötigen drei Exzellenzcluster, jedoch mindestens einen Exzellenzcluster je antragstellender Universität.
https://idw-online.de/de/news828119
Potenzialanalyse: Abwärme könnte bis zu 10 Prozent des zukünftigen Wärmebedarfs Berlins decken
Richard Harnisch Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig
Pressemitteilung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu)
► Untersuchung von IÖW und ifeu zeigt, wie viel Abwärme Berlin aus verarbeitendem Gewerbe, Rechenzentren, U-Bahn-Stationen oder Umspannwerken zum Heizen von Gebäuden nutzen kann
► Expert*innen erwarten, dass Abwärme relevanten Beitrag leisten kann, um Berliner Wärmesektor klimaneutral umzubauen
► In Berlin fällt Abwärme überwiegend im Temperaturbereich bis 65 °C an
Berlin/Heidelberg, 18. Januar 2024 – In Betrieben wie Rechenzentren, Großbäckereien oder Kaffeeröstereien entsteht viel Wärme, die bislang meist ungenutzt in die Umwelt abgegeben wird. Die Summe all dieser Wärme kann eine wichtige Energiequelle darstellen, um mit ihr zu heizen. Ein Projekt zeigt nun, dass das Land Berlin bis zu zehn Prozent des zukünftigen Wärmebedarfs aus solcher Abwärme decken kann. Neben dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor sind auch U-Bahn-Stationen und -Tunnel und zukünftig die Wasserstofferzeugung wichtige Quellen von Abwärme. Die Analyse des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) zeigt, mit welchen Maßnahmen die Stadt gezielt die Nutzung von Abwärme voranbringen und als einen Baustein in die Berliner Wärmeplanung einbauen kann. Sie wurde im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt erstellt.
Berlins Abwärme erstmals umfassend erfasst
„Die Hälfte aller CO2-Emissionen in Berlin entstehen im Wärmesektor“, so Energieexpertin Julika Weiß vom IÖW. „Abwärme wird zwar neben dem Umstieg auf erneuerbare Energien schon länger als eine ergänzende Strategie beim klimaneutralen Umbau der Wärmeversorgung angesehen, aber bislang gab es hierzu keine systematische Wissensbasis. Erstmals zeigt die Potenzialanalyse nun, welche Mengen an Abwärme in Berlin vorhanden sind und wie sich diese voraussichtlich entwickeln. Auf dieser Basis kann Berlin die Nutzung von Abwärme, die nicht vermieden werden kann, strategisch entwickeln.“
Die Wissenschaftler*innen haben die Abwärmepotenziale mittels einer Unternehmensbefragung und Experteninterviews ermittelt und dabei Akteure der Berliner Wärmebranche eingebunden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Abwärmepotenzial gegenwärtig bei knapp 1.200 Gigawattstunden pro Jahr liegt. „Damit könnten rein rechnerisch bislang drei Prozent des Berliner Wärmeverbrauchs bereitgestellt werden“, erklärt Sebastian Blömer vom ifeu-Institut. „In einigen Bereichen ist in Berlin perspektivisch mit einer Zunahme der Abwärmemengen zu rechnen. Dies betrifft vor allem Abwärme aus zusätzlichen Rechenzentren und aus neuen Anlagen für die Wasserstofferzeugung, sodass wir davon ausgehen, dass bis 2045 jährlich 3.800 Gigawattstunden Abwärme in Berlin entstehen. Davon ausgehend, dass die Hälfte genutzt werden kann, könnte Abwärme rund zehn Prozent des zukünftigen Wärmeverbrauchs Berlins decken.“
Abwärme systematisch erschließen
Die Wissenschaftler*innen weisen in ihrer Analyse darauf hin, dass Abwärme in Berlin vor allem kleinteilig und auf einem niedrigen Temperaturniveau bis 65 °C vorliegt. „Doch selbst niedrige Temperaturen von unter 25 °C können für die Wärmeversorgung nutzbar gemacht werden, wenn hierfür die Temperaturen durch Wärmepumpen angehoben werden“, erklärt Ingenieurin Julika Weiß. „Damit die vorhandene Abwärme möglichst schnell und umfassend erschlossen werden kann, ist es nötig, dass das Land Berlin sich strategisch auf den Weg macht, Abwärme schnell in die Wärmeversorgung zu integrieren.“
Die Wissenschaftler*innen schlagen hierfür ein Maßnahmenpaket vor: So solle eine zentrale Anlaufstelle mit Möglichkeit der Initialberatung sowie der geförderten Erstberatung geschaffen und weitere Angebote zur besseren Finanzierung von Projekten zur Nutzung von Abwärme entwickelt werden. Auch empfehlen sie, Genehmigungsverfahren zu erleichtern und Steuerungs- und Planungsinstrumente so zu entwickeln, dass neue Unternehmen mit relevanten Abwärmemengen gezielt an Standorten mit guter Abnahmemöglichkeit angesiedelt werden.
https://idw-online.de/de/news827116
Forschungskooperation zur Gewässerwiederherstellung an der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler vorgestellt
Am 12. Januar 2024 wurde der Kooperationsvertrag zum Forschungsvorhaben „Monitoring der Gewässerwiederherstellungsmaßnahmen an der Ahr nach der Flutkatastrophe (MonAHR)“, unter der wissenschaftlichen Gesamtleitung des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, im Rahmen einer Pressekonferenz mit Klimaschutzministerin Katrin Eder vorgestellt und unterschrieben.
Im Juli 2021 sind im Zuge der Flutkatastrophe im Ahrtal 136 Menschen in Rheinland-Pfalz gestorben, unzählige Menschen wurden verletzt, traumatisiert, und haben ihr Hab und Gut verloren. Die Infrastruktur im Ahrtal wurde weitgehend zerstört. Ein maßgeblicher Teil der Zerstörung betrifft auch die Gewässerinfrastruktur der Ahr und ihrer Nebengewässer. Das vom Landkreis Ahrweiler beauftragte Gewässerwiederherstellungskonzept umfasst rund 1.000 Einzelmaßnahmen und ist damit eine der größten Gewässerwiederherstellungsmaßnahmen in Deutschland.
Die mit der Umsetzung dieses Konzepts betrauten Behörden beteiligen mit dieser Forschungskooperation wissenschaftliche Institutionen, die bereits langjährig und erfolgreich in der Wasserwirtschaft des Landes aktiv sind.
Die Gesamtprojektkoordination übernimmt dabei Prof. Dr. Stefan Stoll vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier. „Basierend auf einem umfangreichen Monitoringprogramm werden wir in diesem Projekt ökologische Chancen und Risiken der in der Ahr notwendigen Wiederherstellungsmaßnahmen beleuchten und die Auswirkungen bereits abgeschlossener Maßnahmen messen. Wir beziehen in unseren Analysen auch die Veränderungen durch den Klimawandel mit ein, denn die Ahr soll nicht nur in einen guten ökologischen Zustand zurückversetzt werden, sondern gleichzeitig auch fit für die Zukunft gemacht werden.“, so Prof. Stoll.
Weiter beteiligt sind neben dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz die Universität Koblenz, die Hochschule Koblenz sowie als Praxispartner der Landkreis Ahrweiler und die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das Projekt ist in drei Phasen gegliedert und für die Laufzeit von sechs Jahren sind 1,8 Millionen Euro vorgesehen.
Mit Fokus auf den am stärksten betroffenen Mittel- und Unterlauf der Ahr wird das bereits existierende behördliche Monitoringnetz von den wissenschaftlichen Partnern ergänzt. Zielsetzung des verdichteten Monitorings ist ein kausales, quantitatives Verständnis der ökologischen Zusammenhänge mit Blick auf zentrale Ökosystemleistungen und den ökologischen Bewertungszustand. Ein solches Verständnis ist notwendig, um Handlungsalternativen bei Wiederherstellungsmaßnahmen bewerten und Prognosen zu zukünftigen Entwicklungen an der Ahr geben zu können. Dabei werden Schwerpunkte gesetzt: Es sollen die Besiedlungsprozesse der Gewässerorganismen nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 und den Wiederherstellungsmaßnahmen analysiert werden, es wird die Primär- und Sekundärproduktion in der Ahr untersucht und die Rolle von Ufergehölzen und ihren ökologischen Funktionen sowie eventuell resultierende Risiken bei Hochwassersituationen werden beleuchtet.
In Phase 1 wird in enger Absprache mit dem Landesamt für Umwelt und der SGD-Nord ein Messnetz zur Erfassung wichtiger physikalischer, chemischer und hydromorphologischer Umweltfaktoren und biologischer Messgrößen aufgebaut. Phase 2 beschäftigt sich mit der Analyse von Wiederherstellungsprojekten. In der letzten Phase ist die finale Bewertung der Maßnahmen sowie die Erstellung von Klimawandelszenarien Ziel. Die Veröffentlichungen sollen für alle Projektpartner jederzeit auf einer Projektplattform einsehbar sein. Das Monitoring und die darauf aufbauenden Analysen sind so ausgelegt, dass eine gute Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere Fließgewässer in Rheinland-Pfalz gewährleistet ist.
Die Präsidentin der Hochschule Trier Prof. Dr. Dorit Schumann, die ebenfalls in Bad Neuenahr-Ahrweiler vor Ort war, betonte die Bedeutung des Projektes mit bundesweiter Beachtung für die Entwicklung des Umwelt-Campus Birkenfeld und die Hochwasservorsorge an der Ahr.
Tanja Loch-Horn Referat für Öffentlichkeitsarbeit Umwelt-Campus
Hochschule Trier
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stefan Stoll – Interdisziplinärer Umweltschutz
+49 6782 17-1578
s.stoll@umwelt-campus.de
https://www.umwelt-campus.de/sstoll
https://idw-online.de/de/news826860
Bei jedem Toilettengang spülen wir wertvolle Ressourcen hinunter – doch die Toilette der Zukunft trennt an der Quelle
Die Schweiz kauft den meisten Dünger aus dem Ausland ein. Dabei produzieren wir täglich wertvollen Dünger völlig kostenlos – und spülen ihn einfach die Toilette hinunter. Die Lösung dafür: Trenntoiletten. Mehr:
https://www.tagblatt.ch/leben/die-toilette-der-zukunft-ld.2539597?reduced=true
Wasseraufbereitung in Zeiten des Klimawandels – mehr Physik beim Umweltschutz
Wie innovative Methoden helfen können, Frischwasser einzusparen
Frischwasser gehört zu den wertvollsten Ressourcen auf unserer Erde. Nur etwa drei Prozent des weltweit verfügbaren Wassers ist Süßwasser. Immer extremer werdende Wetterverhältnisse wie Hitze und Dürren zeigen, dass es ein kostbares Gut ist. Gleichzeitig steigt der Bedarf für Frischwasser seitens der Wirtschaft und der Industrie. Denn für die Herstellung von Lebensmitteln wird enorm viel Wasser benötigt, das dann als Ab- bzw. Prozesswasser aufwändig – meist chemisch und kostspielig – gereinigt werden muss.
Forscherinnen und Forscher im Projekt PHYSICS & ECOLOGY unter der Leitung von Dr. Marcel Schneider vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald haben nun sehr gute Ergebnisse erzielt: Physikalische Methoden wie Plasma sind in Bezug auf die Dekontamination von Ab- bzw. Prozesswasser konkurrenzfähig zu etablierten Methoden wie Ozonung, UV-Behandlung oder Aktivkohle. Die Konkurrenzfähigkeit bezieht sich sowohl auf ihre Behandlungseffektivität gegenüber Keimen und Pestiziden, als auch auf ihre Kosteneffizienz. Dr. Marcel Schneider erklärt hierzu: „Die Ergebnisse bestärken uns in unserer Annahme, dass innovative physikalische Verfahren wie zum Beispiel Plasma zur Dekontamination von Wasser eine Alternative zu herkömmlichen Methoden sein können. Wir sind damit dem Ziel, Wasser von Agrarchemikalien zu reinigen, aufzubereiten und wieder zurückzuführen, einen großen Schritt nähergekommen.“
Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Bündnisses PHYSICS FOR FOOD, das die Hochschule Neubrandenburg mit dem INP und Wirtschaftspartnern in insgesamt sieben Leitprojekten auf den Weg gebracht hat, wird an physikalischen Alternativen in der Land- und Ernährungswirtschaft geforscht. Das Ziel: In der Landwirtschaft und bei agrartechnischen Produktionsprozessen soll weniger Chemie gebraucht bzw. die Umwelt dadurch weniger belastet werden. Es geht um mehr Physik beim Klima- und Umweltschutz.
Seit Dezember 2021 ist das Projekt aus dem Labor in die Quasi-Wirklichkeit verlegt worden. Der Projektpartner Harbauer GmbH aus Berlin hat einen Demonstrator konstruiert, in dem sich 1:1 die Prozesse nachbilden lassen, die nötig sind, um durch verschiedene physikalische Verfahren aus Abwasser wieder Frischwasser zu machen.
Im Demonstrator wird mit acht Technologien gearbeitet. Dabei sind Spaltrohr, Kiesfilter, Ultrafiltration, UV-Behandlung, Ozon und Aktivkohlefilter die bereits für eine Wasseraufbereitung etablierten Technologien, während es den Einsatz von Plasma und zusätzlich Ultraschall – als insgesamt zwei vielversprechende Verfahren – noch weiter zu optimieren gilt. Mit diesen Methoden sollen neue Wege beschritten werden. Es gibt aktuell im Übrigen kaum Anlagen in der Größenordnung des Demonstrators, bei denen diese innovativen Technologien mit den etablierten Verfahren verglichen aber auch kombiniert werden können, und die bei einem hohen Durchsatz die Behandlung unter realistischen Bedingungen ermöglichen.
Seit kurzem steht dieser Demonstrator in Stralsund. Die Braumanufaktur Störtebeker GmbH hat hierfür einen Teil ihres Brauereigeländes und ihr Prozesswasser zur Verfügung gestellt. Dort sollen insgesamt ein Kubikmeter Wasser pro Stunde – also so viel wie fünf gefüllte Badewannen – durch den Demonstrator laufen, der in einem 20 Fuß-Schiffscontainer untergebracht ist. Thomas Ott, Betriebsleiter der Störtebeker Braumanufaktur, erklärt hierzu: „Unsere Brauerei zeichnet sich durch innovative Brauspezialitäten mit den besten Rohstoffen aus. Wasser spielt im gesamten Produktionsprozess eine herausragende Rolle. Wir sind sehr daran interessiert, unseren Beitrag für Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu leisten und Frischwasser einzusparen, indem es insbesondere durch eine physikalische Aufbereitung wiederverwendet werden kann.“
Die Braumanufaktur in Stralsund ist dabei der zweite Standort des Demonstrators. Die ersten vielversprechenden Ergebnisse konnten auf dem Gelände der rübenverarbeitenden Fabrik in Anklam, der Cosun Beet Company GmbH & Co. KG (CBC Anklam), erzielt werden. Im Demonstrator ist das Prozesswasser behandelt worden, das nach dem Waschen der Zuckerrüben angefallen war. Miriam Woller-Pfeifer, Betriebsingenieurin bei der CBC Anklam, resümiert nach dem Einsatz des Demonstrators: „Unser Ziel ist eine komplette Kreislaufwirtschaft bei der Verarbeitung von Zuckerrüben. Wir wollen sämtliche Bestandteile optimal und nachhaltig nutzen. Die Wasseraufbereitung ist dabei ein zentraler Punkt in unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Die erzielten Ergebnisse stimmen uns dahingehend sehr optimistisch.“
https://www.inp-greifswald.de/de/aktuelles/presse/pressemeldungen/2023/wasseraufbereitung-in-zeiten-des-klimawandels/